Table Of ContentZWERCHFELLPATHOLOGIE
1M RONTGENBILD
VON
DR. RICHARD HAUBRICH
MED.
APL. PROFESSOR FUR RONTGENOLOGIE
UNO STRAHLENHEILKUNDE AN DER UNIVERSITAT BONN
MIT 210 ABBILDUNGEN
SPRINGER-VERLAG
BERLIN· GOTTINGEN· HEIDELBERG
1956
ISBN 978-3-642-49112-2 ISBN 978-3-642-88758-1 (eBook)
DOl 10.1 007/978-3-642-88758-1
ALLE RECHTE,
INSBESONDERE DAS DER DBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN,
VORBEHALTEN
OHNE AUSDRDcKLICHE GENEHMIGUNG DES VERLAGES
1ST ES AUCH NICHT GESTATTET, DIESES BUCH ODER TEILE DARAUS
AUF PHOTOMECHANISCHEM WEGE (PHOTOKOPIE, MIKROKOPIE) ZU VERVIELFALTIGEN
© BY SPRINGER-VERLAG OHG. BERLIN· G6TTINGEN . HEIDELBERG 1956
SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1956
Meinen Lehrern
ULRICH EBBECKE
WILLY BAENSCH
PAUL MARTINI
in dankbarer Verehrung
gewidmet
Vorwort
Seit K. HITZENBERGERS Buch tiber "Das Zwerchfell im gesunden und kranken
Zustand" erschien (1927), sind die normale und pathologische Physiologie des Zwerchfells
und die klinische Pathologie der zwerchfelleigenen und -nahen Krankheiten nicht mehr in
gleich eingehender Weise zusammenfassend dargestellt worden. In dieser Zeit hat sich
eine Ftille neuer Tatsachen und Einsichten angesammelt, die fast ausschlieBlich rontgeno
logischen Untersuchungen zu danken, im Schrifttum aber weit verstreut und fiir den
Einzelnen nicht mehr zu tiberblicken sind. So weist allein das Gebiet der Zwerchfell
"brtiche" einige tausend neue Publikationen auf, neben denen kaum weniger Mitteilungen
tiber die anderen Zwerchfellalterationen erschienen sind. Sie aIle nach ihrer Bedeutung
ftir die Klinik zu sichten und in Verbindung mit den in der Zwischenzeit erarbeiteten
Grundztigen der pathologischen Physiologie des Zwerchfells zu bringen, war eine Aufgabe,
die gerade einen Rontgenologen ansprechen konnte. Hatte noch H. EpPINGERS Mono
graphie tiber die "Allgemeine und spezielle Pathologie des Zwerchfells" (1911) auf Rontgen
bilder verzichten mtissen und HITZENBERGERS Buch den klinischen Untersuchungs
methoden einen recht groBen Raum belassen, so erscheint es heute selbstverstandlich, eine
klinisch brauchbareDarstellung derZwerchfellpathologie auf den Ergebnissen der Rontgen
untersuchung aufzubauen und sich dabei der Fortschritte zu bedienen, die insbesondere
durch die rontgenkymographische Methode unterdes erzielt worden sind.
Der Plan zu vorliegendem Buch entstand zu der Zeit, als ich in meiner kriegschirurgi
schen Rontgenologenarbeit eine Reihe von Zwerchfellverletzungen untersuchen konnte.
Dieses Material wurde wesentlich erweitert und reichlich vervielfacht durch eine lang
jahrige Tatigkeit an der Medizinischen Klinik (Prof. Dr. P. MARTINI) und gefordert durch
die Zusammenarbeit mit der Chirurgischen Klinik (Prof. Dr. A. GUTGEMANN) und dem
Pathologischen Institut (Prof. Dr. H. HAMPERL) der Universitat Bonn. AuBer meinem
verehrten Chef und den letztgenannten Kliniks- und Institutsdirektoren habe ich jedoch
auch all denen herzlich zu danken, die mir Rontgenbilder, Krankengeschichten und
spezielle Befunde liebenswtirdigzur Verftigung gestellt haben: den Herren Prof. JANKER
(Bonn), DAHM (Koln), DERRA (Dusseldorf), ROTH (Bonn), TESCHENDORF (Kaln), VIETEN
(Dusseldorf) und Dr. RAUSCH (Hamburg), P. SCHNEIDER (Bonn) - sowie den vielen
Kollegen aus dem Inland und Ausland, die durch Sonderdrucke und Hinweise mir die,
wie ich hoffe, genugend vollstandige Berucksichtigung der neueren Literatur ermoglicht
haben.
Nicht zuletzt aber danke ich dem Springer-Verlag fur sein Verstandnis gegenuber allen
meinen Wunschen und fur die groBztigige Ausstattung dieses Buches.
Bonn, im Februar 1956. R. HAUBRICH
Inhaltsverzeichnis
Seite
Allgemeiner Teil . . . . . . . 1
I. Anatomie des Zwerchfells 1
1. Embryologie. . . . . 1
2. Anatomie, Histologie und Topographie 4
3. Innervation . . . . . . 9
Literatur . . . . . . . 11
II. Physiologie des Zwerchfells . 12
1. Stand des Zwerchfells . 14
2. Form des Zwerchfells 16
3. Zwerchfellbewegung 22
4. Funktionspriifung . 27
Lit era t u r . . . . . 30
III. Pathologische Physiologie 32
1. Hochstand. . . . . . 32
2. Tiefstand . . . . . . 38
3. Pathologische Bewegung. 44
4. Indirekte Rontgenzeichen der gestorten Zwerchfellfunktion 54
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
IV. Das Zwerchfell im Pneumothorax, Pneumoperitoneum und Pneumoretroperitoneum . 58
1. Pneumothorax. . . . . 59
2. Pneumoperitoneum. . . 66
3. Pneumoretroperitoneum. 77
Literatur . . . . . 81
Spezieller Teil . . . . . . . . 84
V. Zwerchfell und Pleuritis . 84
1. Diaphragmale Pleuritis 85
2. Diaphl'agmale Pleuraschwarte 93
Literatur . . . . . . . . . 102
VI. Das Zwerchfell bei Lungen. und Herzkrankheiten . 103
1. Lungenkrankheiten. 104
2. Herzkrankheiten. . . . . . . . 114
Literatur . . . . . . . . . . . 119
VII. Das Zwerchfell bei Bauchkrankheiten 120
Literatur . . . . . . . . . . . 139
VIII. Zwerchfellverletzungen . . . . . . 142
1. Subcutane Zwerchfellverletzungen (einschlieLllich der sog. Spontanruptur) 142
2. Schull· und Stichverletzungen des Zwerchfells 144
a) Riintgenologische Friihbefunde 145
b) Riintgenologische Spatbefunde . 153
Literatur ........ . 157
IX. Zwerchfellhernien und .prolapse . 159
1. Allgemeines . . . . . . . . 161
2. Die parasternale Hernie. . . 162
3. Lumbocostale Hernien und Prolapse 167
4. Die anderen kongenitalen Hernien und Prolapse 171
5. Prolaps durch einen traumatischen Zwerchfelldefekt 180
Anhang: Zwerchfelldefekte auf entziindlich·nekrotischer Grundlage . 187
Literatur 187
X. Hiatushernien . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
2. Kongenital kurzer Oesophagus (mit Thoraxmagen) 196
3. Paraoesophageale Hernien. . . . . . . 197
4. Gleitbruch (oesophagogastrische Hernie). 202
Literatur ............. . 221
Inhaltsverzeichnis VII
Seite
XI. Zwerchfellahmung. . 226
1. Zwerchfellparalyse 227
2. Zwerchfellparese . 241
3. Die sog. Relaxatio hemidiaphragmatica (totalis) 249
4. Partielle Relaxation (Paralyse und Parese). 260
Literatur ..... 268
XII. Zwerchfelltumoren . . . 271
1. Primare Geschwiilste . 271
2. Sekundare Geschwiilste 276
Literatur .. 285
N amen verzeichnis 288
Sachverzeichnis 298
Jedem Kapitel des vorliegenden Buches ist ein Verzeichnis der zugehorigen Literatur angefiigt.
Au13erdem sind folgende Spezial. und Standardwerke vielfach beriicksichtigt:
ASSMANN, H.: Die klinische Rontgendiagnostik der inneren Erkrankungen, 6. Aufl., I. Tell 1949,
II. Teil 1950. Berlin· Gottingen-Heidelberg.
EpPINGER, H.: Allgemeine und spezielle Pathologie des Zwerchfells. Wien u. Leipzig 1911. - All
gemeine und spezielle Zwerchfellpathologie. In Handbuch der inneren Medizin, 2. Aufl., Bd. II/I.
Berlin 1928.
HITZENBERGER, K.: Das Zwerchfell im gesunden und kranken Zustand. Wien 1927.
SCHINz, H. R., W. E. BAENSCH, E. FRIEDL u. E. DEHLINGER: Lehrbuch der Rontgendiagnostik,
5. Aufl., Bd. III u. IV, Innere Organe. Stuttgart 1952.
STUMP}" P., H. H. WEBER u. G. A. WELTZ: Rontgenkymographische Bewegungslehre innerer Organe.
Leipzig 1936.
TESCHENDORF, W.: Lehrbuch der rontgenologischen Differentialdiagnostik, 3. Aufl., Bd. I, Brust
organe 1952, Bd. II, Bauchorgane 1954, Stuttgart.
Allgemeiner Teil
I. Anatomie des Zwerchfells
1. Embryologie
Die Entwicklungsgeschichte des Zwerchfells ist in ihren Grundlagen von BRACHET,
CORNING, EISLER, KEITH, LEWIS, MALL erarbeitet und in den Darstellungen von W. FELIX
und G. B. GRUBER ubersichtlich zusammengefaBt. Sie wird von der Tatsache bestimmt,
daB die "Entstehung des Zwerchfells innig mit der Entstehung der Pericardial-, Pleura
und Peritonealhohle zusammenhangt" (FELIX) und sich auf der Entwicklung dreier
Zmm
Abb. 1. Schema der Zwerchfellentwicklung nach HITZENBERGER (K Kopfciilom, R Rumpfciilom, S Septum
transversum, L Lungenfeld, Pi Plica pleuropericardiaca, P Plica pleuroperitonealis)
2
verschiedener, primitiver Zwerchfell-Teilanlagen aufbaut. Die Zwerchfellentwicklung
beginnt beim Embryo von 2 mm GroBe und ist beim Embryo von 21-24 mm GroBe
bereits im wesentlichen abgeschlossen (GRUBER). Die folgende Darstellung dieser kompli
zierten Entwicklung zur endgUltigen Scheidewand zwischen Brust- und Bauchraum
folgt im groBen und ganzen den Ubersichten von FELIX und GRUBER.
Die Perikardial-, Pleura- und Peritonealhohle sind paarige Abkommlinge der rechten
und linken Colomhohle des Embryo, die sich in ein Kopfcolom im Gebiet des spateren
Kopfes und RaIses und in ein Rumpfcolom im Gebiet des Dottersackes und Schwanzes
mit dem zwischen beiden Abteilungen gelegenen sog. Isthmus gliedern laBt (Abb. 1,
linkes Schema). 1m Lauf der Entwicklung krummt sich der anfanglich gestreckte
Embryo zusammen, so daB sein Kopf-Halsteil sich dem Nabelstrang nahert und das
Kopfcolom ventral vor das Kranialende des Rumpfcoloms zu liegen kommt. Dabei erhalt
die ventrale Wand des Kopfcoloms eine dorsale Lage und verschmilzt mit der ventralen
Wand des Rumpfcoloms - wie Abb. 1 im mittleren Schema zeigt - zu dem Septum
transversum, das die Scheidewand zwischen dem jetzt vorn gelegenen Kopfteil und dem
hinten gelegenen Rumpfteil der primitiven LeibeshOhle bildet (FELIX) und die erste Teil
anlage des primitiven oder hautigen Zwerchfells darstellt. Wenn sich in der anschlieBenden
Embryonalphase der Kopf aufrichtet, bleibt das Kopfcolom zunachst ventral des oberen
Anteils des Rumpfcoloms liegen, da seine Rinterwand mit dessen Vorderwand zum Septum
Haubrich, Zwerchfellpathologie 1
2 Anatomie des Zwerchfells
transversum zusammengewachsen ist. Dieses macht eine scheinbare Drehbewegung aus
der vertikalen in die horizontale Lage mit, weil die Kopfaufrichtung und das Wachstum
des Neuralrohres eine gegenlaufige Verschiebung der Umgebung bedingen. Dadurch
werden urspriinglich caudal yom Septum transversum gelegene Segmente mit ihren Nerven
kranialwarts verschoben und diese, soweit sie wie der N. phrenicus und N. vagus bereits
mit der Peripherie verbunden sind, zwischen Ursprung und peripheren Endpunkten aus
gedehnt (FELIX). Das friih in der Halsregion angelegte Septum transversum "durch
wandert" also die ganze Hals- und Brustregion, urn erst an der Grenze zur Lendenregion
zur Ruhe zu kommen (CORNING). Dabei erfahrt es eine Richtungsanderung von der
ventralkranialen iiber die horizontale in die ventralcaudale Richtung, die erst beim
Abb. 2. Trennung der Perikardial- von den Pleurahiihlen, schematisch nach CORNING
(P Plica pleuropericardiaca, D Ductus Cuvieri, Ph N. phrenicus, V linke Herzkammer, L linke Lunge)
Embryo von etwa 24 mm abgeschlossen ist und die sich am Langenwachstum bzw.
Descensus der Nn. phrenici ablesen laBt. Fiir die endgiiltige Zwerchfellbildung wird dabei
nur der obere Anteil des Septum transversum verwandt, wahrend der untere Anteil
dieser mesenchymalen Scheidewand schon beim 4 mm langen Embryo die hepatischen
Epithelsprossen yom Leberdivertikel des Darms aus aufnimmt (GRUBER).
Mit der scheinbaren Wanderung des Septum transversum ist der Descensus des
Herzens und die Entwicklung der Perikardial- und Pleurahohle topographisch und zeitlich
eng verbunden. Die Herzanlage ist anfangs ohne perikardiale Umkleidung zwischen einem
ventralen und dorsalen Mesokard im Kranialteil der primitiven Leibeshohle fixiert, urn
spater zunachst das ventrale, dann auch das dorsale Gekrose wieder zu verlieren. Infolge
der Lageanderung der venosen Herzbucht nach dorsal und kranial, die umgekehrt zur
ventralcaudalen Verlagerung der zuerst mehr kranialen Ventrikelschleife ablauft, erleiden
auch die zum Vorhof ziehenden Ductus Cuvieri eine Lageanderung. Diese aus den
cardinalen und primitiven J ugularvenen entstandenen GefaBe verliefen urspriinglich in
transversaler Richtung von lateral nach medial, werden nun aber mit dem Wachstum
der Herzanlage und der embryonalen Korperwand zunehmend frontal gestellt und spring en
als Plica pleuropericardiaca beiderseits in die Leibeshohle vor (Abb. 2, linkes Schema).
Sie gehen median in den Sinus venosus iiber und verschmelzen schlieBlich als frontale
Wand mit dem dorsalen Herzgekrose (Abb.2, rechtes Schema). Diese beiderseitige
Plica pleuropericardiaca, die den Ductus Cuvieri und den N. phrenicus enthalt, entwickelt
sich aus dem kranialen Ende der sog. Lungenfalte oder Lungenleiste (MALL), die sich beim
Embryologie 3
Embryo von 5 mm Lange zuerst an der medialen Scheidewand zwischen den beiden
Colomanteilen aufwirft, das Lungenfeld umfaBt und spater die aus der medialen Wand
des Rumpfcoloms ausgestUlpte Lunge aufnimmt.
Yom mittleren bzw. caudalen Ende der gleichen und ursprunglich einheitlichen
Lungenfalte aus entwickelt sich die Plica oder Membrana pleuroperitonealis (BRACHET),
die mit der durch den Descensus der Urnieren verlangerten Urnierenfalte (BROMAN)
identisch ist und durch Anfiigung einer Gewebsleiste yom Septum transversum zum
WOLFFschen Korper - dem dorsalen Zwerchfellpfeiler von USKOW - weiter ausgebildet
wird. Mit der Plica pleuropericardiaca zusammen wachst diese Plica pleuroperitonealis,
konvergierend wie die Schenkel eines liegenden Y, auf das dorsale Ende des Septum
transversum als Vereinigungspunkt zu und dehnt
sich in dem MaBe aus, als die Urnieren caudal
warts zuruckweichen. Dieses Entwicklungssta
dium ist beim Embryo von 11 mm Lange deut
lich ausgepragt. Die beiderseits dorsal yom
Septum transversum vorher lange Zeit klaffen
den Lucken zwischen den drei Anteilen der
Zwerchfellanlage (Foramina pleuroperitonealia,
KEITHsche Pleuroperitonealpassage) werden aber
erst nach der 5. Embryonalwoche deutlich ein
geengt und bleiben relativ nahe an der dorsalen
Korperwand noch als kleine 0ffnungen bis zur
7.-8. Embryonalwoche bestehen. Dann ist bei
einer Korperlange von 20-24 mm die Annahe
rung der Plica pleuropericardialis und pleuro
peritonealis an das Septum transversum und die Abb. 3. Topographisches Schema der verschie
laterale Rumpfwand abgeschlossen und die Ver denenZwerchfellurspriinge nach BROMAN (beim
Embryo von 21 mm Liinge, von oben vorn
einigung der drei Zwerchfell-Teilanlagen zum
gesehen). 1 Perikardialer Teil, vom Septum
primitiven Zwerchfell erreicht (Abb. 1, rechtes transversum gebildet; 2und 3 Teile vom Mesen
Schema). Damit ist auch die Dreiteilung der ur terium und Nebenmesenterium, sog. caudale
sprunglichen Leibeshohle in Pleura-, Perikard Begrenzungsfalten; 4 Teile von den medialen
Blattern der Plicae pleuroperitoneales bzw.
und Peritonealhohle prinzipiell vollzogen, selbst
Urnierenfalten; 5 bei der ThoraxvergroBerung
wenn durch UngleichmaBigkeiten der yom Wachs
von der Korperwand isolierte Teile
tum der Nachbarorgane vielfaltig beeinfluBten
Entwicklung noch kurze Gangverbindungen zwischen den einzelnen Hohlen bestehenblei
ben (Ductus pleuropericardiaci und pleuroperitoneales). Wahrend die Ductus pleuroperi
cardiaci stets geschlossen werden, kann der Ductus pleuroperitonealis vor aHem auf der
linken Seite als HemmungsmiBbildung konnatal offenbleiben und Grundlage eines trans
diaphragmatischen Prolapses durch dieses persistente Zwerchfelloch an der Fusionsstelle
zwischen der lumbalen und costalen Zwerchfellpartie werden (GRUBER, FELIX).
Mit der Vereinigung der drei Zw erchfellanlagen - der mesenchymalen Anlage des Septum
transversum ventral, der dorsomedialen Plica pleuropericardiaca aus Teilen des ventralen
Mesenterium und Nebenmesenterium der V. cava und der dorsolateralen Plica pleuroperi
tonealis aus der medialen Scheidewand zwischen Kopf - und Rumpfcolom - ist das
hautige Zwerchfell ausgebildet. Dabei wirken nach BROMAN noch laterocostale Anteile
mit, die bei der ThoraxvergroBerung von den Korperwanden isoliert werden. Dies
primitive Diaphragma, dessen topographisches Entwicklungsschema Abb. 3 zeigt, liefert
Pleura und Peritoneum des endgultigen Zwerchfells. Ein qualitativ neuer Entwicklungs
prozeB ist mit der Ausbildung der Zwerchfellmuskulatur gegeben. Sie stammt aus den
infrahyoiden Anteilen der ventralen Korpermuskulatur, und zwar aus dem 4. und 5. Cer
vicalmyotom (v. GOSSNITZ) bzw. aus dem 3.-5. Cervicalmyotom (FELIX). Die Ent
wicklung des muskularen Zwerchfells uberlagert sich teilweise mit der Entstehung des
serosen Zwerchfells. Das Einwachsen der Muskulatur ist der Topographie des N. phrenicus
1*
4 Anatomie des Zwerchfells
in der Plica pleuropericardiaca, deren Wachstum und endlicher Vereinigung mit den
anderen Teilen der Zwerchfellanlage kongruent. Es beginnt am Ende des erste n Embryo
nalmonats von Muskelzellen im freien Ende des Septum transversum aus, schreitet von
vorn nach hinten und lateral fort und ist erst am Ende des 3. Embryonalmonats abge
schlossen, wenn das ganze Transversalseptum und die Plicae pleuroperitoneales durchsetzt
sind (BROMAN, EISLER, FELIX). Dabei handelt es sich urn zwei getrennte Gewebsmassen, die
sich auch spater nicht vereinigen. Sie lassen sich, entsprechend der Teilung des N. phreni
cus in zwei Portionen, in einen rein dorsolumbalen und in einen facherartig ausgebreiteten
sternocostal en Anteil mit dem Zwerchfellspiegel gliedern (GRUBER). Die laterocostalen
Anteile der Zwerchfellmuskulatur entstehen aus Muskelzellen des XII. Thorakalsegmentes
(vgl. Abb. 3) und werden von den zugehorigen Thorakalnerven innerviert (BROMAN,
FELIX). Das Centrum tendineum erhalt nach BROMAN erst sekundar durch Muskelschwund
seinen bindegewebigen Charakter.
Die Entwicklungsgeschichte des Zwerchfells, wie sie hier in vereinfachender Ubersicht
dargestellt ist, liefert auch den Schliissel zum Verstandnis der verschiedenartigen, nicht
seltenen Entwicklungsstorungen und MiBbildungen. So entstehen die transdiaphragmati
schen, kongenitalen Prolapse an den Stellen der Vereinigung membranoser Zwerchfell
teilanlagen auf der Grundlage hier persistierender Zwerchfellocher, vornehmlich also
lumbocostal, seltener in den iibrigen Zwerchfellabschnitten. Die (echten) Zwerchfell
hernien andererseits entstehen dort, wo die Entwicklung der serosen Haute bereits vollig
abgeschlossen, die der Muskulatur aber noch nicht vollendet war oder an umschriebener
Stelle bleibende Muskelliicken ausgespart hatte; dies kann auBer an den Bereichen der
physiologischen Muskelliicken zwischen der Lumbal- und Costalportion (Trigonum lumbo
costale, BOCHDALEK) oder zwischen der Costal-und Sternalportion (Trigonum parasternale,
MORGAGNI, LARREY) als HemmungsmiBbildung auch an allen anderen Stellen der Zwerch
fellmuskelplatte vorkommen. Das sog. Zwerchfelldivertikel, die partielle und die hemi
diaphragmale Relaxation des Zwerchfells schlieBlich beruhen auf einem wahrscheinlich
neurogenen Verlust der Muskulatur in mehr oder minder umschriebenem Bereich, sind
also pathogenetisch einer sehr spaten Fetalperiode oder iiberhaupt nur dem allerersten
postfetalen Lebensabschnitt zugeordnet. In den Kapiteln iiber die Prolapse, Hernien
(Divertikel) und Relaxationen des Zwerchfells wird noch des naheren auf die entsprechen
den Entwicklungsfaktoren dieser verschiedenen Alterationen einzugehen sein.
2. Anatomie, Histologie und Topographie
Das Zwerchfell scheidet als eine yom inneren Umfang der unteren Thoraxapertur ent
f'.pringende Platte den Brust- und Bauchraum und besteht aus einer Pars muscularis und
einem Centrum tendineum. Die Muskulatur laBt sich in eine Pars sternalis, costalis und
lumbalis trennen, deren Anatomie sich aus der im vorigen umrissenen Entwicklung
ohne weiteres ergibt, und die im folgenden nach den Ubersichten von GRUBER, HITZEN
BERGER, HAFFERL dargestellt wird. Die Sternalpartie ist der kleinste Muskelanteil; sie
entspringt als symmetrische Muskelzacken an der Hinterflache des Processus xiphoideus
und gelegentlich auch yom hinteren Blatt der Rectusscheide. Ihre Muskelfasern ziehen
etwa horizontal zum sehnigen Zentrum. Die Costalpartie entspringt an der 12.-7. Rippe
von der seitlichen Thoraxwand her. Ihre Einzelzacken sind fleischig mit den Knorpeln
der 7.-9. Rippe und sehnig mit den intercostalen Sehnenbriicken der 10.-12. Rippe
verbunden und treten staffelformig zwischen den Urspriingen des M. transversus
abdom. hervor; sie erreichen das Sternum aber nicht. Die vorderen costalen Muskel
biindel verlaufen wie die Pars sternalis fast horizontal, die riickwartigen fast so steil wie
die Pars lumbalis. Zwischen der Pars sternalis und Pars costalis bleibt eine kleine drei
eckige Muskelliicke bestehen (Trigonum sternocostale), durch welche die A. mammaria
into hindurchtritt. Eine ahnliche, mehr ovalare oder halbmondformige Muskelliicke
wechselnder GroBe zwischen der Pars costalis und Pars lumbalis wird als Trigonum lumbo-