Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHT DES LANDES NORDRHEIN-WESTF ALEN
Nr. 3045 / Fachgruppe Medizin
Herausgegeben vom Minister für Wissenschaft und Forschung
Prof. Dr. Dieter Abbo Kalbhen
Pharmakologisches Institut
der Universität Bonn
Zur Pharmakotherapie der Arthrosen
Pharmakologische Studien über Möglichkeiten und
Risiken der medikamentösen Beeinflussung
degenerativer Gelenkerkrankungen
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Kalbhen, Dieter Abbo:
Zur Pharmakotherapie der Arthrosen : pharma
kolog. Studien über Möglichkeiten u. Risiken
d. medikamentösen Beeinflussung degenerativer
Gelenkerkrankungen / Dieter Abbo Kalbhen. -
Opladen : Westdeutscher Verlag, 1981.
(Forschungs berichte des Landes Nordrhein
Westfalen ; Nr. 3045 : Fachgruppe Medizin)
ISBN 978-3-531-03045-6 ISBN 978-3-663-06760-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-06760-3
NE: Nordrhein-Westfalen: Forschungsberichte
des Landes •••
© 1981 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1981
INHALT
E i n 1 e i t u n g 1
M a t e r i a 1 un d Met h 0 d e n 5
a) Untersuchte Antirheumatika 5
b) Weitere Wirkstoffe, Substanzen und 5
Pharmaka
c) Versuchstiere 5
d) Applikation der Pharmaka 6
e) Auslösung der experimentellen Arthrose 6
f) Röntgenologische Untersuchungen 6
g) Makroskopische Beurteilung der Gelenke 7
Erg e b n iss e
1. Wirkung der Antirheumatika/Antiphlogistika
auf das artikuläre Knorpelgewebe in-vivo 10
A. Radiologische Befunde 11
B. Makroskopische Befunde 17
C. Histologische Befunde 19
D. Biochemische Befunde 28
E. Elektronenoptische Befunde 28
2. Wirkung der Antiarthrotika bei der tier
experimentellen Gonarthrose 33
Dis k u s s ion 44
1. Zur Wirkung der entzündungshemmenden
Antirheumatika 45
2. Zur Wirkung der Antiarthrotika 50
3. Schlußfolgerungen aus den tierexperimen
tellen Untersuchungsergebnissen 53
z
usa m m e n f ass u n g
L i t e rat u r ver z e ich n i s
58
Meinem verehrten Lehrer
Herrn Prof. Dr. med. R. Domenjoz
in Dankbarkeit
gewidmet
- 1 -
Ein 1 e i tun g
Als Arthrosen (Arthrosis deformans, engI.: Osteoarthrosis,
Osteoarthritis) werden degenerativ-rheumatische Erkrankungen
bezeichnet, die vor allem die gewichtstragenden Gelenke
betreffen und dort zu einer zunächst latent (stumm) ver
laufenden, progredienten Degeneration und Destruktion des
artikulären Knorpelgewebes führen. Im fortgeschrittenen
Stadium wird jedoch nicht nur das Knorpelgewebe sondern
auch das subchondrale Knochengewebe und der l"larkraum in
die Zerstörung einbezogen. Dabei können phasenhaft Reizzu
stände und zum Teil massive Entzündungsreaktionen mit einer
ausgeprägten klinischen Symptomatik auftreten. Diese als
Begleitsynovitis oder von OTTE (1970) zutreffender als
"aktivierte Arthrose" charakterisierten Phasen entsprechen
weitgehend dem Bild einer entzündlich-rheumatischen
Gelenkerkrankung und potenzieren durch Schmerzen, Schwellungen
und Bewegungseinschränkungen den Krankheitswert der Arthrose.
Wir haben also bei den Arthrosen zwei pathophysiologisch
unterschiedliche, aber doch stark ineinandergreifende
Prozesse zu berücksichtigen, die sich wechselseitig be
einflussen können und für die Diagnose und Therapie"unsere
besondere Aufmerksamkeit verlangen.
Obwohl die Arthrosen als degenerative Gelenkerkrankungen
unter den rheumatischen Krankheiten besonders häufig vor
kommen und schon inder Frühgeschichte der Menschheit
nachweisbar waren, ist ihre Ätiologie und Pathogenese
bis jetzt nur unvollständig aUfgeklärt. Dies ist nicht
zuletzt durch den schleichenden Beginn und durch die
sehr langsame) zunächst unbemerkte Progredienz der Er
krankung bedingt. Als mögliche Ursachen für die Ent
stehung und das Fortschreiten arthrotischer Prozesse
werden zahlreiche Faktoren diskutiert, die sich nach
VIGNON (1979) vor allem als mechanische und/oder bio
chemische Noxen zusammenfassen lassen. Diese kurzzeitig
oder auch länger einwirkenden Noxen lösen nach initialer
- 2 -
Reizung oder Schädigung eine progrediente Degeneration
und Destruktion des artikulären Knorpel- und Knochenge
webes aus.
Bisher vorliegende Untersuchungen zur Pathogenese der
Arthrosen haben deutlich gemacht, daß die degenerativen
Gelenkerkrankungen durch eine Störung im Gleichgewicht
der aufbauenden und abbauenden Prozesse im Knorpelgewebe
charakterisiert sind. Trotz kompensatorisch gesteigerter
anaboler Reaktionen überwiegen die katabolen Prozesse
und führen zur fortschreitenden Degeneration und
Destruktion ner Gelenkflächen. Das phasenhafte Auf
treten entzündlicher Reaktionen beschleunigt durch
Aktivierung lysosomaler Enzyme die weitere Gelenkzer
störung.
Dieser bivalente (entzündlich-degenerative) Charakter der
klinisch manifesten Arthrosen fordert aus der Sicht des
Pharmakologen eine entsprechend differenzierte Pharmako
therapie, die sich zunächst auf die Entzündungshemmung
und im weiteren auf die Eindämmung der degenerativen
Pr"ozesse konzentrieren muß. Für die Behandlung der ent
zündlichen Phasen der Arthrose haben heute in Klinik
und Praxis Pharmaka aus der Gruppe der nicht-steroidalen
Antiphlogistika sowie zahlreiche Kortikosteroide zu
nehmende Verwendung gefunden. Die vielseitigen Angriffs
punkte und Eigenschaften dieser auch als "antirheumatische
Symptomatika" bezeichneten Pharmaka siJ;ld eingehend studiert
und beschrieben worden (Literaturübersicht siehe: DOMENJOZ,
1971; KALBHEN und DOMENJOZ, 1977; HUSMANN, 1979; MATHIES,
1979 a).
Neben einer Entzündungshemmung entfalten diese Pharmaka
gute antiödematöse, antiproliferative und analgetische
Effekte, sodaß in den meisten Fällen eine gute symptomatische
Therapie gewährleistet ist. Im Rahmen biochemisch-pharmako
logischer Stur' en haben eigene so :e die Untersuchungen
- 3 -
vieler anderer Autoren jedoch gezeigt, daß die klassischen
Antiphlogistika und Kortikosteroide in-vitro starke in
hibitorische Wirkungen auf das Bindegewebe ausüben, die
möglicherweise bei der Therapie degenerativer Gelenker
krankungen nachteilig sein könnten. Die sehr zahlreichen
experimentellen Befunde über hemmende Einflüsse dieser
Pharmaka auf das Bindegewebe sind von TRNAVSKY (1974)
zusammengestellt und lassen sich wie folgt zusammenfassen
(siehe Tabelle 1).
Tabelle 1
WIRKUNG DER ANTIPHLOGISTIKA AUF DEN BINDEGEWEBS-STOFFWECHSEL
A. Hemmung der MPS-Synthese durch Verminderung
1. der Synthese der Aminozucker
(Glucosamin u. Galactosamin)
2. des Aminozucker-Einbaus in MPS
3. der Sulfat-Inkorporation in MPS
4. des Aminosäuren-Einbaus in MPS
B. Hemmung der Proteinsynthese
c. Hemmung der KOllagensynthese
D. Hemmung der Zellteilung
(antiproliferativer bzw. cytostatischer Effekt)
Zu der sehr wichtigen Frage, ob und im welchen Maße die
inhibitorischen Wirkungen der entzündungshemmenden Anti
rheumatika und Kortikosteroide auch in-vivo das artikuläre
Knorpelgewebe erfassen und damit zur Entstehung, Förderung
oder Eskalation von Arthrosen beitragen, liegen von Seiten
der Pharmakologie bisher keine Befunde vor. Nachdem wir
uns in meiner Arbeitsgruppe in Bonn seit mehreren Jahren
mit der Entwicklung einer biochemisch induzierten, tier
experimentellen Gonarthrose sowie mit den Möglichkeiten
- 4 -
einer qualitativen und quantitativen Beurteilung
degenerativer Gelenkprozesse beim Versuchstier befaßt
haben,konzentrierensich unsere jüngsten Untersuchungen
auf den Einfluß verschiedener Antirheumatika einschließlich
des klinisch häufig verwendeten Kortikosteroids Dexamethason
auf den gesunden und arthrotischen Gelenkknorpel in-vivo.
Gleichzeitig wollen wir die antiarthrotische Wirksamkeit der
heute im Handel erhältlichen Arthrose-Präparate am Versuchs
tier prüfen. Darüber hinaus sind wir bemüht, die rationalen
Grundlagen einer gezielten Basistherapie der Arthrosen im
pharmakologischen Tierexperiment zu erarbeiten.
Die Verwendung von geeigneten Versuchstieren für die er
wähnten Arthrosestudien erscheint uns von besonderer
Bedeutung, da für Untersuchungen über pharmakogene Effekte
zur Beeinflussung der Arthrose beim Menschen wegen des
sehr langsamen humanen Knorpelstoffwechsels extrem lange
Untersuchungszeiträume von etwa 5 bis 10 Jahren notwendig
sind. Wie klinisch-experimentelle Untersuchungen von
MAROUDAS (1975 a u. b) gezeigt haben, beträgt die biologische
Halbwertszeit der sulfatierten Proteoglykane der Knorpel
matrix im menschlichen Hüftgelenk 800 Tage, im Kniegelenk
ca. 400 Tage. Demgegenüber konnte WEICHERT (1979) für
den Kniegelenkknorpel unserer Versuchstiere eine biOlogische
Halbwertszeit der Proteoglykane von nur 13 Tagen ermitteln.
Daher lassen sich therapeutische oder auch schädigende
Einflüsse von Pharmaka und Wirkstoffen auf das artikuläre
Knorpelgewebe bei den nachfolgend beschriebenen Tierver
suchen bereits innerhalb von 2 bis 4 Monaten nachweisen.
- 5 -
M A T E R I A L UND MET H 0 D .E N
a) Untersuchte Antirheumatika
Acetylsalicylsäure, AspirinR
Bumadizon, EumotolR
Chloroquin-disphosphat, ResochinR
Clofezon, PerclusoneR
Dexamethason-21-orthophosphat, FortecortinR
Flufenaminsäure, ArlefR
Ibuprofen, BrufenR
Indometacin, AmunoR
Oxyphenbutazon, TanderilR
D-Penicillamin, TrolovolR
Phenylbutazon, ButazolidinR
Proquazon, B' , R
~ar~son
Salicylamid-O-essigsaures-Na, SalizellR
Salicylat-Na, DAB 7
Den Hersteller-Firmen danken wir für die freundliche
Überlassung der Substanzen als Forschungsmuster.
b) Weitere Wirkstoffe, Substanzen und Pharmaka
Art eparonR , ArumalonR, DAK-16 (Sulfomucopolysaccharid-peptid
Komplex aus ArumalonR) Pentosanpolysulfat (SP 54), Natrium
monojodacetat (MJA), Tribenosid (GlyvenoIR);
c) Versuchstiere
Als Versuchstiere dienten ca. 1800 adulte (2-jährige) Lege
hennen der Rasse "Weiße Babcock", amerikanische Hybride,
bezogen von der Hühnerfarm: Geflügelzucht Theisen, 5042
Erftstadt-Dirmerzheim. Die Versuchstiere wurden in Käfigen
oder Freigehegen gehalten und mit Hühnervollkraftkorn und
Wasser ad libitum gefüttert. Die Größe der verschiedenen
Versuchstiergruppen betrug 7 bis 20 Einzeltiere. Durch
schnittliches Gewicht der Tiere 1,7 bis 2,2 kg.Für unsere
Arthrose-Studien waren Hühner als Versuchstiere besonders geeig
net, da sie ebenso wie der Mensch zum Stehen und zur Fortbewe
gung nur zwei Beine haben und benutzen müssen. Ausserdem sind
die Kniegelenke dieser Tiere gut zugänglich.
- 6 -
d) Applikation der Pharmaka
Die geprüften Antiphlogistika wurden in physiologischer
Kochsalzlösung, 1Q%iger Natriumbikarbonatlösung oder in
Propylenglycol (1,2-Propandiol) in gewünschten Konzentrationen
gelöst und den Versuchstieren intraartikulär in einem
Gesamtvolumen von 0,1 ml in das linke Kniegelenk injiziert
(Kanüle:Hona Meistergleitschliff Nr. 18, mittellang). Die
Einzeldosis und Zahl der Applikationen ist im Abschnitt
"Ergebnisse" aufgeführt. Um den l!:influß der Lösungsmittel
zu erfassen, erhielten gleichgroße Versuchstiergruppen
jeweils die entsprechenden Mengen der verwendeten Lösungs
mittel. Die Therapeutika (Arteparon, Arumalon, DAK-16 ,
Pentosanpolysulfat) wurden in physiologischer Kochsalz-
lösung gelöst bzw. verdünnt und intraartikulär in einem
Volumen von 0,1 ml pro Injektion oder intramuskulär in einem
Volumen von 0,5 ml pro Kg Körpergewicht ein- oder mehrmals
wöchentlich appliziert. Tribenosid wurde in Kondensmilch
(mit 10 % Fettgehalt) verdünnt und den Tieren per Schlundsonde
in einem Volumen von 1,0 ml / Kg Körpergewicht verabreicht.
e) Auslösung der experimentellen Arthrose
Zur Auslösung einer experimentellen Arthrose nach der
Methode von KALBHEN und BLUM (1977) wurden am ersten und
zweiten Versuchstag MJA in 0,1 ml physiologischer NaCl
Lösung in das linke oder in beide Kniegelenke injiziert.
(Dosierung von MJA siehe unter "Ergebnisse").
f) Röntgenologische Untersuchungen
Zur Erfassung der Entwicklung und des Fortschreitens
degenerativer Gelenkveränderungen am lebenden Versuchstier
wurden die rechten und linken Kniegelenke aller Versuchstiere
in 1- bis 2-wöchentlichem Abstand unter Verwendung einer
DA-Röntgenkugel der Firma Siemens und des Mammographiefilms:
Radiographique Definix Medical, 13 x 18 cm, der Firma Kodak