Table Of ContentFORSCHUNGSBERIClITE DES LANDES NORDRHEIN-WESTF ALEN
Nr. 2353
Herausgegeben im Auftrage des Ministerprlisidenten Heinz Kuhn
vom Minister fur Wissenschaft und Forschung Johannes Rau
Prof. Dr. phil. nat. Otto Schafer
Dozent Dr. -Ing. Klaus W. Ple{3mann
lnstitut fUr Regelungstechnik der
Rhein. -Westf. Techn. Hochschule Aachen
Zur Bestimmung integraler Gtitema{3e
linearer, zeitinvarianter Systeme
Westdeutscher Verlag Opladen 1973
ISBN-13: 978-3-531-02353-3 e-ISBN-13: 978-3-322-88183-0
DOl: 10_1007/978-3-322-88183-0
© 1973 by Westdeutscher Verlag, Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
Inhalt
1. Einleitung ••••••••....••..•••..•..•.•..••••••••.••.••••. 5
2. Systembeschreibung ..•.•••............•.••.•••••••••••••• 6
2.1 Die allgemeine Vektor-Matrix-Differentialgleichung 6
2.2 Lineare Transformationen ......................... 9
2.2.1 Transformation in phasenvariable Form ...........• 12
2.2.2 Die Schwarz-kanonische Matrix .•........•.•....... 16
2.3 Zusarrunenstellung .....•........•......•.•......•.• 24
3. Integrale GiitemaBe ..........................•..••....... 25
3.1 Die Ljapunow-Funktion ............................ 26
3.2 Bestirrunung von GiitemaBen mit Hilfe der Schwarz'-
s chen Matrix ......•.•..................•......... 28
3.3 Bestirrunung von GiitemaBen mit Hilfe der Routh'-
schen Matrix ..........••.................•.....•. 32
3.4 Zeitbeschwerte quadratische GutemaBe ............. 35
4. Zusarrunenfassung ...•.•................................... 43
5. Li teraturverzeichnis .................................... 45
Abbildungen ................................................ 46
3
1. Einleitung
Bei der Behandlung linearer Systeme der Regelungstechnik werden
die meisten Synthese-Verfahren im wesentlichen zur Bestimmung
der Parameter bei bekannter Struktur der Regler angewandt. In
anderen Fallen kann darliber hinaus die Wahl eines geeigneten
Netzwerkes notwendig werden. Diesen Verfahren ist die mathemati
sche Behandlung des Optimierungsproblems gemeinsam, wonach das
Minimum fUr ein integrales GUtemaB, welches die meBbaren GroBen
als Integrand enthalt, zu finden ist.
Wird nach dieser Methode ein ProzeB mit einer Vielzahl von Ein
zelproblemen behandelt, so wird fUr das Gesamtsystem nur dann
ein globales Optimum gefunden, wenn keine Kopplungen der Einzel
systeme untereinander vorhanden sind. In diesem Fall ist das
globale Optimum gleich der Summe der lokalen Optima. Bei Kopp
lungen im Gesamtsystem kann nur dann von einem globalen Optimum
gesprochen werden, wenn samtliche Systemvariablen im Integranden
des GUtemaBes BerUcksichtigung finden. Im Hinblick auf techni
sche Prozesse ist festzuhalten, daB diese im wesentlichen nur
als MehrgroBensysteme beschrieben werden konnen. Durch geeignete
Entkopplungsnetzwerke ist es zwar m6glich, das Ubertragungsver
halten der einzelnen RegelgroBen auf EingroBenstruktur zu trans
formieren, wobei allerdings zu bedenken ist, daB dieses Verfahren
nicht notwendigerweise den kleinsten Wert eines speziellen GUte
maBes liefert. Im Hinblick auf das globale Optimum ist eine Ent
kopplung nur dann anwendbar, wenn jede der Systemvariablen tat
sachlich isoliert von den anderen zu sehen ist. Ist dies nicht
der Fall, sind also insbesondere Gewichtungen der einzelnen Re
gelgroBen notwendig, so kann eine Entkopplung nicht in Betracht
kommen.
Bei der Betrachtung bewahrter Methoden, wie sie insbesondere
fUr Folgesysteme in der Literatur angegeben werden [ 1], zeigt
sich, daB in Abhangigkeit vorgegebener GUtemaBe optimale Pol
Nullstellenverteilungen bestimmt werden konnen [ 2]. DaB sich
diese Verteilungen im wesentlichen auf integrale GUtemaBe be
ziehen, ist offensichtlich. Von Bedeutung ist in diesem Zusam
menhang, daB unter bestimmten Voraussetzungen eine analytische
Bestimmung der optimalen Polstellenverteilung moglich ist [ 3] .
Gerade die analytische Bestimmung hat insofern Vorteile als
fUr jedes beliebige Regelsystem ohne numerische Methoden eine
Optimierung im Sinne dieses GtitemaBes vorgenommen werden kann.
Andererseits ist aber festzuhalten, daB Normpolynome der glei
chen GUtemaBe bestimmt werden konnen [2,4] , die die Eigenschaf
ten des gesamten Systems festlegen.
Diese Verfahren gehen jedoch grundsatzlich vorn EingroBensystem
aus. Sie sind demnach nur unter der Voraussetzung entkoppelter
MehrgroBensysteme anwendbar. Insbesondere das Entwurfsverfahren
auf der Basis der Normpolynome ist ausschlieBlich in Zusamrnen
hang mit entsprechenden Entkopplungsnetzwerken zu sehen.
5
Im vorliegenden Bericht wird gezeigt, wie die Beschreibung eines
linearen Systems durch seine Zustandsvariablen dazu genutzt wer
den kann, den Wert von GlitemaBen analytisch zu ermitteln. unter
Verwendung geeigneter Transformationen gelingt es, ein beliebig
verkoppeltes System so abzubilden, daB die quadratische Regel
flache gewichteter Systemvariabler erhalten wird. Es ist nicht
Aufgabe der vorliegenden Arbeit Normpolynome gekoppelter Syste
me mit Hilfe der dargelegten Verfahren abzuleiten, sondern zu
zeigen, in welcher Weise die Beschreibung im Zustandsraum zur
Bestimmung dieser GlitemaBe Verwendung finden kann.
Urn den numerischen Aufwand so klein wie moglich zu halten, wer
den ausschlieBlich quadratische und zeitbeschwerte quadratische
GlitemaBe verwandt. Sind diese durch Entwurfsvorschriften nicht
zulassig, da die Pole der Ubertragungsfunktionen meist nahe
der imaginaren Achse liegen, so kommen nur noch rechenintensive
numerische Methoden in Frage, wobei das Minimum des GlitemaBes
durch Iteration gefunden werden kann.
Im Hinblick auf die Anwendung der beschriebenen Verfahren ist
zu sagen, daB sowohl die Bestimmung von Polnullstellenvertei
lungen gekoppelter und ungekoppelter Systeme als auch eine Pa
rameteroptimierung bei beliebig vorgegebener Struktur moglich
ist. Hierbei konnen grundsatzlich zwei vvege beschritten werden.
Erstens ist die Ermittlung der Integrale als analytische Funk
tion der Kennwerte oder Wurzeln moglich. Zweitens erfolgt die
Bestimmung dieser Werte unter Verwendung von Suchverfahren, wo
bei die Funktionale mit den dargelegten Algorithmen errechnet
werden.
2. Systembeschreibung
Das allgemeine Konzept der Zustandsvariablen wurde zuerst in
der klassischen Mechanik und in der Quantenmechanik zur Losung
von Differentialgleichungssystemen angewandt. H.A. Aizermann und
A.A. Feldbaum libertrugen dieses Konzept auf die Regelungstechnik.
Die moderne Regelungstheorie umfaBt das ganze Feld der Zustands
variablen. Der innere Zustand eines Systems ist vollstandig ge
kennzeichnet durch die Gesamtheit der Zustandsvariablen. Diese
bilden die Komponenten des Zustandsvektors im Zustandsraum.
2.1 Die allgemeine Vektor-Matrix-Differentialgleichung
Ausgehend von Abb. 1 bezeichnen wir den Eingangsvektor mit
T
~ = (u1, u2,··· ,ur )
den Zustandsvektor mit
T
~ = (x1' x2'··· ,xn)
und den Ausgangsvektor mit
T
y = (y l' Y2 ' ..• ,ym )
6
Der hochgestellte Index T bezeichnet einen transponierten Vek
tor der durch Vertauschen von Zeilen und Spalten entsteht.
I
Weiterhin wird 1m folgenden.ein Vektor durch einen kleinen un
terstrichenen lateinischen Buchstaben, die Komponenten dieses
Vektors durch kleine lateinische Buchstabenmit Zahlenindexge
kennzeichnet, wenn nicht ausdrUcklich etwas anderes vermerkt
wird. Matrizen werden durch groBe unterstrichene lateinische
Buchstaben dargestellt.
FUr lineare zei tinvariante Ubertragungssysteme gel ten die all
I
gemeinen Vektor-Matrix-Differentialgleichungen:
~ (t) A x(t) + B u(t) ( 1 )
Y (t) C x(t) + D u(t) ( 2)
Hierin sind A, B, C und D die Systenunatrizen; die spater inter
essierende Matrix A ist von der Form n x n. Den GI. (1) und (2)
entspricht das Blockschaltbild entsprechend Abb. 2.
FUr die weitere Betrachtung interessiert uns insbesondere der
Fall, daB D die Null- und C .die Einheitsmatrix ist. Also
~(t) A x(t) + B ~(t)
y(t) ~(t)
Als Ausgangsgleichung eines EingroBensystems wird die phasenva
riable Form der Vektor-Matrix-Differentialgleichung verwandt.
Sind mehr als eine RegelgroBe zu beachten, so wird fUr jede eine
entsprechende Gleichung aufgestellt und somit das Gesamtsystem
auf die oben angegebenen Beziehungen gebracht. Dieses Verfahren
hat den Vorteil, daB beim Systementwurf der Zusammenhang zwi
schen den einzelnen Variablen in der Beschreibung nicht verlo
rengeht, was in vielen Fallen bei der Modifikation des Systems
Vereinfachungen mit sich bringt. Die Bestimmung der GUtemaBe
wird damit zu einem formalen Algorithmus, der nach bekannten,
inuner gleichen Regeln ablauft.
Die phasenvariable Form wollen wir aus der allgemeinen Diffe
rentialgleichung eines EingroBensystems
a n X(n) + a n-l x(n-1) + . .. +. a 1 x· + a o x
b mu (m) + b m-l u(m-ll + ... + b1u + bou (3 )
mit
bk = 0 fUr k = 1,2, ... ,m
gewinnen. Unter diesen Voraussetzungen wird eine Ubertragungs
funktion
b
o
F(p) ( 4)
a
o
erhalten.
7
An dieser Stelle wird also die Zahlerdynamik, wie sie sich
eigentlich aus Gl. (3) ergibt, nicht berlicksichtigt. Diese kann
jedoch durch die Einflihrung des Ausgangsvektors y und dessen
passende Verknlipfung mit den Zustandsvariablen in der Synthese
realisiert werden. Es reicht also auch flir den allgemeinen Fall
aus, wenn wir uns mit der Gl. (4) beschaftigen. Die der tiber
tragungsfunktion entsprechende Differentialgleichung lautet
dann:
=
anx(n) + an_lx(n-l) + ••• + alx + aox boU (5)
Wir definieren als Zustandsvariable die skalare AusgangsgroBe x
und deren zeitliche Ableitungen durch den Ansatz:
~ = (xl ,x2'··· ,xn) T = (x,~, ... ,x (n-1) ) T (6 )
Durch Gleichsetzen der Komponenten des Zustandsvektors gewinnen
wir n lineare Differentialgleichungen erster Ordnung, die die
Beziehungen unter den Zustandsvariablen ausdrlicken.
x
x
n
bo
Xn x n + -a U
n
Dieses Differentialgleichungssystem laBt sich als Vektor-Matrix
Differentialgleichung schreiben:
o o 0 xl 0
o o 0 x2 0
+ u
${ al ~a x b 0
n a n a n n a n
oder in Kurzschreibweise:
8
X A x + b u
A Matrix der Form n x n
u Skalar.
Die durch den speziellen Ansatz in der Gl. (6) gewonnene Matrix
~ wird phasenvariable Form, Normalform oder auch begleitende
Matrix genannt. Die Umsetzung der Differentialgleichung (5) in
Zustandsvariable liefert durcn andere Ansatze andere Formen der
Matrix A: eine eindeutige Lasung existiert daher nicht. Wie wir
im weiteren sehen werden, wird dieses Ergebnis auch durch line
are, nichtsingulare Transformationen erzielt. Wir werden Stand
ardformen der Matrix A ermitteln, die wir kanonische Matrizen
nennen und deren jewelliger Vorteil noch diskutiert werden wird.
Der Ubersichtlichkeit halber wollen wir jede kanonische Matrix
und deren zugeharige Zustandsvariable besonders benennen. FUr
die phasenvariable Form der Matrix solI die Vektor-Matrix-Dif
ferentialgleichung lauten:
X A x+bu
-n
T
Y c ~
Hierbei ist
mit
r
fUr i 1 ,2, ... ,n-1
k.
1 bo
fUr i n
an
AIle im weiteren vorkommenden Matrizen und Vektoren haben mit
den bislang benutzten GraBen nichts gemeinsam. Diese waren viel
mehr aus rein formalen GrUnden eingefUhrt worden.
Betrachten wir die phasenvariable Form unter der Voraussetzung
der Gl. (3), also mit Zahlerdynamik, so andert sich an den ange
gebenen Beziehungen nur ~. Es gilt dann:
t bi-1
fUr i"" m+ 1
an
o fUr i < m+1
Bei einem System mit r EingangsgroBen, n inneren Zustanden und
m AusgangsgroBen ist zu beachten, daB der Vektor b in die Matrix
B der Form n x r, cT in die Matrix C der Form m x-n und y zum
Vektor y der m AusgangsgroBen wird.-
2.2 Lineare Transformationen
FUr die weitere Bearbeitung des Problems wird es notwendig sein,
die Matrix ~n in ein anderes Darstellungssystem zu UberfUhren.
9
Dies geschieht unter Verwendung der Transformationsbeziehung
x = T w
wobei w von dcr gleichen Dimension wie x ist. Damit hat T die
Form n x n.
1m Hinblick auf diese Transformationen ist zu klaren, in welcher
Weise die Eigenschaften, also z. B. die Eigenwerte, mittransfor
miert werden. Urn hierliber weitere Ausklinfte zu erhalten, gehen
wir von der homogenen Differentialgleichung
x
= A x
-n
aus. Mit
k ept
~
folgt
P _k ept = A kePt
-n
und hieraus unmittelbar
(E;. Einheitsmatrix)
Diese Gleichung stellt ein Matrizen-Eigenwertproblem dar. Sie
kann als homogenes Gleichungssystem dann und nur dann nicht
triviale Losungen ~ f 0 besitzen, wenn die Bedingung
p -1 0 0
0 P -1 0
det(p~ - -An ) =0
a 0 a1 a2 .... p + a n-1
a a a a
n n n n
erflillt ist. Die Bestimmung der Determinante flihrt auf die
charakteristische Gleichung f(p) = o. Dieses konnen wir folgen
dermaBen zeigen: Wir multiplizieren die 2. Spalte der Determi
nante mit p, die 3. Spalte mit p2, allgemein die i-te Spalte
mit pi-1 (i=2, ... n) und addieren sie zur 1. Spalte. Diese erhalt
dann in den ersten (n-1) Elementen nur Nullen, das n-te Element
aber ist dann f(p)/an
0 -1 0 0
0 p -1 0
det(pE;. - An)
!JEl a1 Ja .... p + a n-1
a n an an a n
10
o
Die zu !lEl gehorende Adjunkte liefert namlich bei Entwicklung
an
nach derersten Zeile (_1)n-1. Losungen Pi von det(p~-~n) = 0
nennen wir wieder Eigenwerte, den zu einem Losungswert Pi ge
horenden Vektor bezeichnen wir als Eigenvektor.
Aus der Homogenen zu Gl. (3) ergibt sich
die wir hier zur abgekUrzten Betrachtung der Zusammenhange ein
gefUhrt haben.
Unter Verwendung der ~hnlichkeitstransformation
x = T w
folgt fUr einen beliebigen durch
x
= A x
beschriebenen ProzeB:
Tw=ATw
1st T nichtsingular, was wir im weiteren immer voraussetzen
wollen, so gilt
w = T-1 A T w
Somit wird jetzt
-1
f(p) = det(p~ -! ~!) = 0
Mit dieser Beziehung laBt sich sehr einfach zeigen, daB das
System in seinen Eigenschaften, namlich den Eigenwerten, nicht
geandert wird.
Es ist namlich
f(p) = det(P!-1 E ! _ !-1 ~ !)
det(!-1) det(p~ - ~) det(!)
f(p) f(p)
aufgrund des Determinantenmultiplikationssatzes. Hieraus folgt,
wie bereits weiter oben angedeutet:
Die Eigenwerte eines allgemeinen Systems bleiben bei einer
linearen, nichtsingularen Transformation erhalten.
11