Table Of ContentHochschultext
D. B. Zagier
Zetafunktionen
und
quadratische Kerper
Eine EinfOhrung in die
hohere Zahlentheorie
Mit 8 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York 1981
Don Bernard Zagier
Sonderforschungsbereich "Theoretische Mathematik"
BeringstraBe 4
5300 Bonn
ISBN-13: 978-3-540-10603-6 e-ISBN-13: 978-3-642-61829-1
DOl: 10.1007/978-3-642-61829-1
CIP-Kurztitalaufnahme dar Deutschen Bibliothak
Zagier. Don Bemard:
Zetafunktionen und Quadratische KOrper: e. Einf. in d. hOhere Zahlentheorie 1
Don B. Zagier. -Berlin; Heidelberg; New York: Springer. 1981.
(Hochschultext)
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Cl by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1981
2141/3140-543210
To my father
Vorwort
Das Ziel dieses Buchs ist, die Theorie der binaren quadratischen For
men, die im letzten Jahrhundert in ihren algebraischen Aspekten von
GauB und in ihren analytischen Aspekten von Dirichlet entwickelt wurde,
darzustellen. Diese Theorie, die frtiher zur normalen Ausbildung in der
Mathematik gehorte, wird heute den Studenten oft nur als Beispiel ftir
die moderne algebraische Zahlentheorie, analytische Zahlentheorie oder
Klassenkorpertheorie prasentiert. Da sie aber eine groBe Schonheit be
sitzt und aUBerdem elementar zuganglich ist, halte ich es ftir zweck
maBiger, sie umgekehrt als Einftihrung in die genannten Gebiete zu be
nutzen, die ja historisch aus ihr hervorgegangen sind.
Da das Buch eine Einfuhrung sein solI, sind die voraussetzngen mi
nimal gehalten, und zwar:
- aus der Algebra die Grundbegriffe tiber Gruppen und Ringe und der
Struktursatz fUr endlich erzeugte abelsche Gru~pen;
- aus der komplexen Funktionentheorie eigentlich nur die Begriffe
"holomorphe Funktion", "meromorphe Funktion", "Residuum" und "ana
lytische Fortsetzung" (der eauchysche Integralsatz wird nie benutzt);
- aus der Zahlentheorie etwa der Inhalt einer elementaren einsemestri
gen Vorlesung, insbesondere Kongruenzen, Legendre-Symbol, quadrati
sche Reziprozitat.
Das Buch basiert auf Vorlesungen in Bonn (SS 1975) und Harvard
(WS 1977) und ist als Vorlaufer eines umfassenderen Buches auf Englisch
gedacht. Hanspeter Kraft, David Kramer und Winfried Kohnen, die Teile
des Manuskripts gelesen und ausftihrlich kommentiert haben, mochte ich
hier herzlich danken; vor allem gilt mein Dank Silke Suter fUr ihre
Unterstutzung bei dem ganzen Unternehmen und fUr ihre Hilfe bei sprach
lichen und darstellerischen Schwierigkeiten.
Konventionen und Bezeichnungen: Wir bezeichnen mit Z, m, Q, m, c
die Mengen der ganzen, nattirlichen (also strikt positiven ganzen),
rationalen, reellen und komplexen Zahlen. Die Kardinalitat einer Menge
e wird mit lei oder #C bezeichnet. FUr x€m ist [xl die groBte
ganze Zahl n < x. Sind f und g Funktionen einer Veranderlichen x,
1 -
VIII
die nach a strebt (haufig a = 0 oder ~), so bedeuten die Syrobole
f = O(g), f = o(g) bzw. f ~ g, daB fUr x ~ a das Verhaltnis
f(x)/g(x) beschrankt bleibt, nach 0 strebt bzw. nach strebt.
Die n-te Formel von §m wird innerhalb des Paragraphen als (n), in
anderen Paragraphen als (m.n) zitiert.
Inhaltsverzeichnis
Teil I. Dirichletsche Reihen ............................... .
§ Dirichletsche Reihen: analytische Theorie ..•....•......
§ 2 Dirichletsche Reihen: formale Eigenschaften ..•..•.•.... 9
§ 3 Die Gammafunktion ............................•......... 16
§ 4 Die Riemannsche Zetafunktion ........................... 24
§ 5 Charaktere ............................................. 33
§ 6 L-Reihen............................................... 41
§ 7 Werte von Dirichletschen Reihen, insbesondere von
L-Reihen, an negativen ganzen Stellen ...•...••....•..•. 47
Literatur zu Teil I .................................•....•.•. 56
Teil II. Quadratische Korper und ihre Zetafunktionen .......•. 57
§ 8 Binare quadratische Formen .......•............•..•.•.•. 57
§ 9 Die Berechnung von L(1,X) und die Klassenzahlformeln '" 75
§ 10 Quadratische Formen und quadratische Zahlkorper •.•.•..• 87
§ 11 Die Zetafunktion eines quadratischen Korpers •••....•••• 96
§ 12 Geschlechtertheorie.................................... 108
§ 13 Reduktionstheorie .••..........................•...... " 120
§ 14 Werte von Zetafunktionen bei 5 = 0, KettenbrUche und
Klassenzahlen .................................•..•..... 132
Literatur zu~ Teil II .............•..................•.•.•... 140
Sachverzeichnis .•.................•...........••...•..•.••.•• 142
Symbolverzeichnis ..••.....•................•........•...••... 144
TeUI. Dirichletsche Reihen
§1 Dirichletsche Reihen: analytische Theorie
Wir wollen in diesem und dem nachsten Paragraphen die elementarsten
Eigenschaften von Dirichletschen Reihen angeben, die in der analyti
schen Zahlentheorie eine so grundlegende Rolle spielen wie die Po
tenzreihen in der Funktionentheorie.
In der Theorie der Potenzreihen nimmt man die Potenafunktionen
z .... zn (nE:N) als die zugrundeliegenden Funktionen und versucht, be
liebige Funktionen als unendliche Linearkombinationen dieser spezi
ellen Funktionen darzustellen. Bei Dirichletschen Reihen nehmen wir
statt dessen die Exponentialfunktionen z ... e -AZ (AElR) als Bausteine;
da aber lR nicht abzahlbar ist, miissen wir uns auf eine Folge
-A z
{z ... e n }nEN beschranken, wobei An reelle Zahlen sind, von denen
wir annehmen, daB
(1 ) An ... 00 •
SchlieBlich bemerken wir, daB es sich in der Theorie der Dirichlet
schen Reihen eingebiirgert hat, die komplexe Veranderliche mit s
(statt wie in der Funktionentheorie mit z) und ihren Real- bzw. Ima
ginarteil mit a bzw. t (statt mit x bzw. y) zu bezeichnen. Wir
haben also die folgende
Definition: Eine Diriohletsohe Reihe ist eine Reihe
-A s
(2) a e n
n
wobei die An reelle Zahlen sind, die (1) geniigen, die an belie
bige komplexe Zahlen sind, und s = a + it eine komplexe Zahl ist.
Beispiel 1: An = n. Das ist sicherlich die naheliegendste Wahl fUr
die Folge (1), fiihrt aber zu keiner neuen Theorie, weil die Substi-
2
I
tution z = e -s die Reihe (2) in die Ges tal t a zn bringt, so daB
n
die Theorie der Dirichletschen Reihen in diesem Fall identisch ist
mit der gewohnlichen Funktionentheorie.
Beispiel 2: An = log n. Mit dieser Wahl der Exponentenmenge laBt sich
die Reihe (2) schoner schreiben als
(3) I a n -s
n
n=1
Dieser Fall ist der fUr die analytische Zahlentheorie relevante. Eine
Reihe der Gestalt (3) heiBt gewohnliehe Dirichletsche Reihe.
Wann und wo konvergiert eine Dirichletsche Reihe? FUr Potenz
I
reihen an zn wissen wir, daB es eine nichtnegative reelle Zahl R
I
gibt (Konvergenzradius), so daB a zn fUr aIle z mit I z I < R
n
und fUr kein z mit Izl > R konvergiert (wobei man R = 0 oder
R = setzt fUr Reihen, die nirgendwo bzw. liberall konvergieren).
FUr den Fall A = n des ersten Beispiels laBt sich dieses Ergebnis
n
mit Hilfe der dort angegebenen Transformation z = e-s sofort auf
die Veranderliche s libertragen; mit 00 = 10g(1/R) finden wir dann
°
namlich, daB die Reihe (2) fUr aIle s mit > 00 und fUr kein s
°
mit < 00 konvergiert (wahrend man tiber das Verhalten auf der Ge
raden 0 = 00' die dem Konvergenzkreis Izl R der Potenzreihe
entspricht, allgemein nichts aussagen kann). Wir werden jetzt sehen,
daB dieses Beispiel fUr das Konvergenzverhalten von Dirichletschen
Reihen typisch ist.
SATZ 1: Ist die Reihe (2) fUr s = So konvergent, so konvergiert sie aueh fUr
al.le s mit Re (s) > Re (s 0)' und zwar gleiehmCiJUg auf kompakten Mengen. somit
existiert eine reeUe Zahl. 00' so daI3 die Reihe (2) fUr aUe s mit a > 00 kon
vergiert und fUr aUe s mit a < 00 divergiert (falls (2) iiberall konver-
gent bzw. divergent ist, setzen wir 00 gleich bzw. co). Die in
° °
dem Gebiet > 0 dureh
-\ s
(4 ) f(s) = I a e n
n
n=1
definierte Funktion Von 5 ist d(;rt holomopph; die Ahleitungen von f (5) sind ge
geben dUI'ah
-\ s
(5) I e n
n=1
° °
wobei die reehts stehende Diriahl.etsahe Reihe aueh fUr > 0 konvergiert.
3
°
Die Zahl 0 heiBt Konvergenzabszisse der Dirichletschen Reihe (2).
Beweis: Wir brauchen nur die erste Aussage zu beweisen, da die Exi
stenz von einem 00 mit den angegebenen Eigenschaften dann klar ist
und die Holomorphie von (4) sowie die Zulassigkeit der der Formel (5)
zugrundeliegenden gliedweisen Differentiation wegen des bekannten
WeierstraBschen Satzes aus der gleichmaBigen Konvergenz folgen. Wir
werden sogar mehr beweisen, namlich, daB die Reihe in jedem Gebiet
(6) larg(s - so) I ~ 21f - E < 21f
gleichmaBig konvergiert; das ist starker als die Aussage des Satzes,
da jede in {51o> 0o} enthaltene kompakte Menge K in einem Winkel
Re(s»Re (so)
der Gestalt (6) liegt (5. Abb.).
Wir fUhren die Bezeichnungen
N
(7) A(N) L an ' A(M,M-1) o
n=M
ein, die in diesem Paragraphen mehrmals benutzt werden. O.B.d.A. kon-
nen -Aw i5r So = 0 voraussetzen (indem wir 5 durch a n durch
I
ane n 0 ersetzen); dann ist an konvergent und es gibt zu vorgege
benem £ > 0 ein No' so daB IA(M,N) I < £ fUr aIle N > M ~ No'
Dann gilt fUr N > M > NO
NL a e -A n 5 NL [A(M,n) - A(M,n-1)] e -A n 5
M n
M