Table Of ContentUte Schlomer-Doll
und Dietrich Doll
Zeit der Hoffnung -
Zeit der Angst
Psychologische Begleitung
von Krebspatienten
SpringerWienN ewYork
Dr. phil. Ute Schlomer-Doll
Dr. med. Dietrich Doll
Beelitz/Mark, Bundesrepublik Deutschland
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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Zeit der Hoffnung - Zeit der Angst: Psychologische Begleitung
von Krebspatienten / Ute Schlomer-Doll ; Dietrich Doll. -
Wien ; New York: Springer, 1996
ISBN-13:978-3-21 1-82761-1
NE: Schlomer-Doll, Ute; Doll, Dietrich
ISBN-13:978-3-211-82761-1 e -ISBN-13:978-3-7091-9445-4
DOl: 10.1007/978-3-7091-9445-4
Geleitwort
Altere Arzte werden sich aus ihrer Studentenzeit der Weisung ihrer
Lehrer erinnern, man diirfe einem Krebskranken nie die Wahrheit
sagen. Das Wort Krebs - wie auch seine Prognose - durfe er nie wis
sen. Das zeigt zunachst die bis in die Gegenwart reichende Aura die
ses Wortes als Metapher des unausweichlichen Todes. Es weist aber
eben so auf die Schwierigkeit vieler Arzte, bei ihren Patienten die je
weils angemessene Form des ersten, sogenannten aufkhirenden, wie
*
auch weiterer Gesprache mit ihnen zu finden.
Zu den Gebieten der Medizin, die heute in schneller und sich
weiter spezialisierender Entwicklung sind, gehort zweifellos das der
Krebstherapie. Medikamentose und strahlentherapeutische Verfah
ren bringen neben chirurgischen Eingriffen eine hingere Lebens
zeit, die dann beim Kranken allerdings durch Nebenwirkungen der
BehandlungsmaBnahmen, Schmerzen und das Wissen urn Art und
Lauf der Erkrankung belastet ist. Angstzustande, depressiver Ruck
zug, Zorn und Revolte oder verzweifelte Versuche, die Krankheit
nicht wahrhaben zu wollen, wechseln sich haufig abo
Eine Belastung besteht aber auch fur die Arzte, gerade wenn sie
hier nicht in der heilenden Rolle auftreten und letztlich ihre Ohn
macht und das Wissen urn die jetzt greifbare Nahe des Todes uber
eine oft lange Zeitstrecke mit dem Kranken teilen sollen.
Dabei erfordert die moderne Krebsbehandlung in ihren kom
plexen technischen und naturwissenschaftlichen Wegen eine sehr
spezialisierte fachliche Kompetenz, die schon allein eine besondere
Aufgabe darstellt, v-.i.ssenschaftlich eine Faszination ausubt, Kraft
und Zeit fordert. Das fuhrt immer mehr zu einer Konkurrenz der
arztlichen Rollen und es wird zusehends schwerer, es moglich zu
* In diesem Buch wird der besseren Lesbarkeit wegen nur die mannliche
Form (Arzt, Patient, Psychologe etc.) benutzt. Selbstverstandlich sind
Frauen und Manner in gleicher Weise gemeint.
VI Geleitwort
machen, fiir den Kranken erreichbar zu sein und ihm hilfreich zur
Verfiigung stehen zu konnen.
In den letztenJahrzehnten haben immer haufiger Psychologen
bei korperlich Kranken therapeutische Aufgaben iibernommen
und sind mit auf das gegenwartige Erleben und Verhalten der Kran
ken zielenden Interventionen ganz neue Wege gegangen. Das ge
schah auch, urn Menschen im wechselvollen Verlauf einer Krebser
krankung beistehen und helfen zu konnen.
Was hier von der Psychologin Ute Schlomer-Doll beschrieben
wird, sind in zehnJahren Arbeit mit Krebskranken gesammelte Er
fahrungen. Dabei geht es urn Patienten, die eine sicher ungiinstige
Prognose haben, also inoperable Tumoren, Metastasen, Rezidive
und andere fortgeschrittene Formen. Es geht hier also nicht nur
urn Begleitung in der Zeit der Erstdiagnose, sondern es werden Ver
laufe und deren psychologische Behandlung beschrieben, aller
dings mit von der Autorin selbst entwickelten Formen aktiver Hilfe
stellung.
In mehr als fiinfzig Fallskizzen mit wortlich festgehaltenen Ge
sprachen wird anschaulich gemacht, wie es moglich ist, mit der lah
menden Angst, Verzweiflung oder Verleugnung bei den Kranken
umzugehen. Gefordert ist eben nicht nur einfiihlsames Zuhoren
und Verstehen, sondern Handeln, urn zu helfen, mit der Krankheit
leben zu konnen.
Dabei werden etwa in positiven Visualisierungen nach Land
schaften, Wunschphantasien oder Bildern aus der Kindheit ge
sucht, nach Orten von "Ruhe und Kraft". Bei diesen Interventio
nen, die gestalttherapeutische Verfahren in eigener Weise nutzen,
werden auch korperliche Entspannungsmethoden und musikali
sche Hilfen herangezogen.
Es wird keine Behandlungstechnik fiir alle angeboten; die Ein
maligkeit jedes Patienten und seine besondere subjektive und ob
jektive Lage bestimmen, was sich als Weg entwickelt. Die Wucht des
Wissens urn die eigene bedrohliche, hier zu einem todlichen Ende
fiihrende Erkrankung, trifft auf ganz unterschiedliche subjektive
Sinnentnahmen und Verarbeitungen.
Eine "aufdeckende" Psychotherapie bei Krebskranken ist nicht
angezeigt. Es gibt keine iiberzeugenden Befunde fiir eine Krebsper
sonlichkeit oder fiir psychogene Einfliisse, ob eine Krebserkran
kung auft ritt, was friiher vereinzelt angenommen wurde. Wie die
Autorin betont, geht es urn Hilfe dabei, daB die Menschen ihre kor-
Geleitwort VII
perliche Lage besser bewaltigen und trotz dieser Bedrohung noch
Leben konnen.
Die an den deutschen Universitaten und in privaten Kliniken
praktizierte Psychosomatische Medizin hat gegenwartig nur in Ein
zelfallen die erforderliche Nahe zu Kranken in dieser extremen
Lage. Soweit diese heute nicht in Spezialeinrichtungen stationar
aufgenommen werden und hier sterben, haben am ehesten noch
Aligemeinarzte, die alten Hausarzte, die schwere Aufgabe und Mog
lichkeit, die chronisch Krebskranken kontinuierlich zu begleiten.
Haufig sind die Kranken abel' alleingelassen mit uberforderten An
gehorigen, mit Schwestern und Pflegern, die sie betreuen und
ihnen nahe bleiben.
Sie aIle konnen aus den in diesem Buch beschriebenen Erfah
rungen und entwickelten Schritten lernen und sich starken.
Wie bei allen schweren Krankheiten knlipfen sich auch bei
Krebsbetroffenen weiter wesentliche Erwartungen und Hoffnun
gen an den Ant selbst, an seine umfassende arztIiche und mensch
liche Kompetenz, nicht allein, wenn es urn Schmerz und Schlaf
geht.
Es ist deshalb eine weitere Bereicherung dieses Buches, daB im
letzten, vierten Teil von dem Arzt Dietrich Doll noch einmal Rolle
und Aufgaben des Antes behandelt werden. El' beschreibt dabei sei
nen eigenen LernprozeB vom noch ganz offenen, durch fachliche
Routine und Distanz nicht abgesicherten Medizinstudenten zum
Berufsanfanger in mehreren Landern bis zum Assistenten in einer
Krebsabteilung.
Er macht die haufige Uberforderung, manche mensch lichen
Schwachen und eine abgewehrte eigene Betroffenheit vieler Ante
im Umgang mit den Krebspatienten anschaulich. Schon die ,,Auf
klarung" des Kranken, die hier differenziert beschrieben wil'd, er
weist sich ais keine einmalige und einfache Handlung; sie ist ein an
der Person des Patienten orientiertel' WId gerade bei unglinstiger
Prognose wechselvoller zeitlicher Prozess, der den gesamten Verlauf
del' Krankheit begleitet.
Der Arzt kann nicht aIle seine Kl'anken gerne haben. Seine
Liebe zum Patienten Iiegt in dem Interesse und in del' Zeit, die er
dem Einzelnen schenkt. Gel'ade bei Kranken mit unglinstiger Pro
gnose sollten die Ante sich nicht scheuen, ihre eigene psychologi
sche Kompetenz zu liberprufen und zu erweitern, hier, wo sie mit
ihren Patienten haufig sehr allein sind.
VIII Geleitwort
Dieses Buch kann fur aIle Menschen, die Krebskranken nahe
sind, sie behandeln und sie begleiten, eine Hilfe und Bereicherung
sein: Arzte und Psychologen, Krankenschwestern und Pfleger. Es
kann aber auch Angehorigen von Krebskranken Mut machen und
Wege zeigen, ihren Kranken beizustehen.
Walter Brautigam
Vorwort
Krebs ist eine Erkrankung, die groBe Angst auslost - ganz gleich, ob
die Prognose gut oder weniger gut ist. Bei einer Ersterkrankung
konzentrieren sich die Patienten zumeist darauf, die anstrengenden
Krebstherapien zu iiberstehen, wahrend die Angehorigen sie mit
den ihnen zur Verfugung stehenden Moglichkeiten unterstutzen.
Die Patienten vertrauen und hoffen darauf, daB sie zu denjenigen
gehoren, fur die die Krebserkrankung eine einschneidende Episode
in ihrem Leben darstellt, und daB sie nach der Therapie relativ
"normal" weiterleben konnen.
Eine fortschreitende Krebserkrankung oder die Konfrontation
mit einer zweiten Krebserkrankung wird von fast allen Patienten als
Desaster empfunden. Die Angst, sterben zu mussen, durchdringt
das ganze Leben. Das Vertrauen in weitere notwendige Krebsthera
pien und die Kompetenz der Arzte ist erschuttert, und das Gefuhl
der Unsicherheit entzieht den Patienten den Boden. In vielen Fal
len haben sich die Patienten noch gar nicht von der vorausgegan
genen Therapie erholt, und auch die Angehorigen sind durch die
Begleitung del' Patienten psychisch erschopft.
Die fortschreitende Krebserkrankung eines Patienten beruhrt
auch die behandelten, pflegenden und betreuenden Berufsgrup
pen tief. Sie haben die Patienten und Angehorigen liber die schwe
re Zeit der Diagnose und der ersten Krebstherapie begleitet, haben
ihnen Mut zugesprochen, haben versucht, therapiebedingte Ne
benwirkungen ertraglich zu machen und Schmerzen zu lindern.
Die Begegnung mit wiedererkrankten Patienten stellt eine groBe
Belastung dar. Sie kann Angste schliren, versagt zu haben, ,,falsche"
Versprechungen gemacht zu haben. Sie konfrontiert alle Betroffe
nen mit dem Sinn oder der Sinnlosigkeit eingreifender Krebs
therapien und der Endlichkeit des eigenen Lebens.
Die Enttauschung und Verunsicherung auf seiten der Patienten,
der Angehorigen und des klinischen Personals fuhren zu vielfalti
gen Kommunikationsproblemen. Fragen, die gestellt werden mliB-
x
Vorwort
ten, werden nicht artikuliert; Gefiihle wie Enttauschung, Angst und
Arger, die in dieser Situation nur zu verstandlich sind, werden nicht
ausgesprochen. Dies kann zu einer Sprachlosigkeit fiihren, die fiir
Patienten, Angehorige und Klinikpersonal ein StreBfaktor sein
kann und die den mitmenschlichen, einfiihlsamen Umgang mitein
ander verhindert.
Dieses Buch mochte die Erlebniswelt von Patienten, Angehori
gen und Arzten, die mit einer fortschreitenden Krebserkrankung
konfrontiert sind, transparenter machen.
Es solI Mut machen, auf die Krebspatienten und deren An
gehorige zuzugehen und sie anzusprechen, urn so der drohenden
Sprachlosigkeit und Vereinsamung entgegenzutreten.
Beelitz/Mark, November 1995 Ute Schlomer-Doll
Dietrich Doll
Herzlichen Dank ...
· .. Diplom-Psychologin Heidrun Donath, Hamburg, fUr ihre fachli
che Starke und einfiihlsame Art, unser Buch zu lektorieren.
· .. Dr. Volker Manger, Hamburg, fiir seine wohltuende Supervi
sion, fiir menschliche Warme, Humor und konstruktive Kritik.
· .. Diplom-Soziologin Maike Frost und Diplom-Psychologe Frank
Schulz-Kindermann, Hamburg, fiir die angenehme Arbeits
atmosphare wahrend des Projekts.
· .. Dr. Dietrich Klusmann, Hamburg, fiir die inhaltliche Zusam
menarbeit am Thema "Hoffnung".
· .. Professor Rolf Verres, Heidelberg, der das Hamburger Projekt
leitete, fliT die Moglichkeit, daB ich mich beruflich frei entfalten
konnte.
· .. Professor Uwe Koch, Hamburg, fiir seinen Beistand in schwieri
gen Zeiten.
(Ute Schlomer-Doll)
· .. Professor Demetriades, Johannesburg, who taught me that me
dicine is far more than medical science.
· .. Dr. Mohler und Dr. Lietzau, Hamburg, die mir vorlebten, daB
Tatkraft und Empfindsamkeit mit chirurgischer Prazision sehr
wohl vereinbar sind.
· .. Oberstleutnant Fries, Beelitz, del' mir vorgelebt hat, wieviel
durch Engagement, Zahigkeit, Vertrauen und Mitmenschlich
keit bewegt werden kann.
· .. Pastor i. R. Heinz Krause, der uns auch im hohen Alter mit Ge
lassenheit, Aufmerksamkeit und Humor begleitet.
(Dietrich Doll)
Description:Krebs ist eine Erkrankung, die große Angst auslöst – ganz gleich, ob die Prognose gut oder weniger gut ist. Bei einer Ersterkrankung konzentrieren sich die Patienten meist darauf, die anstrengenden Krebstherapien zu überstehen. Eine fortschreitende Erkrankung läßt das oft mühsam aufgebaute H