Table Of ContentSAMMLUNG
ROMANISCHER ÜBUNGSTEXTE
Begründet von
ALFONS HILKA und GERHARD ROHLFS
Herausgegeben von
RUDOLF BAEHR
43. Band
KRISTIAN VON TROYES
YVAIN
(Der Löwenritter)
Nach W. Foe ra tere letzter Ausgabe in Auewahl bearbeitet
und mit Einleitung und Glossar versehen
von
Rudolf Baehr
3., verbesserte Auflage
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1976
1. Auflage 1958
2. Auflage 1966
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Cnetlen <(de Troyes).
Y vein : (d. Löwenritter) / Kristian von Troyee.
Nach W. Foersters letzter Ausg. in Ausw. bearb. u.
mit Einl. u. Glossar vers, von Rudolf Baehr. —
3., verb. Aufl. — Tübingen : Niemeyer, 1976.
(Sammlung romanischer Übungstexte ; Bd. 43)
ISBN 3-484-63015-4
NE: Baehr , Rudolf [Bearb.]
ISBN 3-484^53015-4
φ Mu Niemeyer Verlag Tübingen 1976
Alle Reohte vorbehalten · Printed in Germany
Satz: AUg&uer Heimatverlag GmbH Kempten
Aue dem Vorwort zur 1. Auflage
„Der Ivain ist als der Höhepunkt der französischen
Hofepik zu betrachten: die Vorzüge dieser Gedichtegat-
tung, ganz besonders seine psychologischen Schilderungen
sind nie wieder von einem andern erreicht, geschweige
denn übertroffen worden1."
Diesen Höhepunkt des altfranzöeischen höfischen Ro-
mans durch eine preiswerte Ausgabe wieder für akademi-
sche Übungen nutzbar zu machen, ist, nachdem die
Foersterschen Ausgaben längst vergriffen sind, die Ab-
sicht dieser Auswahl. Sie umfaßt etwa ein Drittel des
Gesamtwerkes. Textproben und Überleitungen sind so
gestaltet, daß sie zusammen einen möglichst vollständigen
Eindruck des ganzen Romans vermitteln, wobei darauf
geachtet wurde, sowohl die Fabel des Romans wie auch
die motivgeschichtlich oft interessanten Episoden in we-
sentlichen Zügen hervortreten zu lassen.
Die Auswahl der Textetellen erfolgte daher nach ihrer
Bedeutung für die äußere und innere Motivierung der
Handlung. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, die
psychologische Kunst sowie die charakteristische Liebes-
auffassung als das Bemerkenswerteste in Ghrestiens Werk
deutlich weiden zu lassen. So werden in reichlichem Maße
die Stellen im Wortlaut angeführt, die auf die Liebe zwi-
schen Yvain und Laudine Bezug nehmen, von dem ersten
Aufkeimen dieser Liebe in Yvains Herzen und dem Wan-
del Laudines von der rachedurstigen Witwe zur liebenden
1 W. FOEBSTBB, Yvain, 1902, S. XLVIII.
VI
Gattin über die Liebesklage des Verstoßenen und sein
erstes Wiedersehen mit der Herrin bis zur endlichen Ver-
söhnung.
Abgedruckt wurden ferner möglichst alle Stellen, die
für das Verständnis der Handlung wichtig oder entschei-
dend sind. Auch aus allen Episoden wurde wenigstens
eine Textprobe aufgenommen. Schließlich sollten mög-
lichst viele Aspekte der Chrestienschen Kunst zur Geltung
kommen, um so verschiedenartigen Interessen der Inter-
pretation entgegenzukommen. Es finden sich daher Bei-
spiele für Monologe (1206—1242; 3531—3562), für dra-
matische Wechselreden (1589—1820; 1975—2036; 4588
bis 4634; 5715—5770; 6231—6293)2, für Personen- und
Sachbeschreibungen (häßlicher Mann: 278—343; schöne
Frau: 1462—1506; Yvains Wahnsinn: 2814—2843; Fall-
gitter und Torweg: 907—969). Aus den zahlreichen
Kampfschilderungen wurden, um Vergleichsmöglichkeiten
zu bieten, drei ausgewählt (mit Escalados 490—542, mit
der Schlange 3341—3391, mit dem Riesen unter Beteili-
gung des Löwen 4182—4247). Als spitzfindiger mittel-
alterlicher Denker erscheint Chrestien in einer längeren
Digressio über das Nebeneinander von Liebe und Haß
in den beiden Freunden Yvain und Gauvain (5991—6080).
Wie man damals eine Tochter an den Mann zu bringen
versuchte, zeigen die Verse 5715—5770.
Auch für motivgeschichtliche Studien suchen die Texte
hinreichendes Ausgangsmaterial zu bieten. Sie berück-
sichtigen besonders folgende Motive : leichtgetröstete
Witwe, dankbarer Löwe, Sturmquelle (mit Vogelparadies),
Zauberringe, Leben im Wald und Wahnsinn des Helden,
2 Vgl. dazu Α. H ilka, Die direkte Rede als stilistisches
Kunstmittel in den Romanen des Kristian von Troyes. Halle
1903.
VII
Scheiterhaufen für Lunete, Jungfrauentribut (im Schloß
zur pesme. Avanture), Erbschaftsstreit der Schwestern,
Kobolde (netuns) und Herztausch (2639—2671).
Text und Variantenauswahl sind der folgenden Ausgabe
entnommen: Kristian von Troyes, Yvain (Der Löwen-
ritter). Textansgabe mit Einleitung herausgegeben von
WENDELIN FOERSTER. Zweite unveränderte Auflage mit
einem Nachtrag von ALFONS HILKA, Niemeyer, Halle
(Saale), 1926. Der Text dieser genannten Ausgabe ist
identisch mit dem der 4. Auflage der kleinen kommen-
tierten Ausgabe (Halle 1912). Die von Foerster gewünsch-
ten kleinen Berichtigungen, die in dem Manuldruck der
genannten Hilka-Ausgabe nicht berücksichtigt werden
konnten, wurden nunmehr vorgenommen, jedoch in den
Versen 3390 und 4600 die Textgestaltung der Ausgabe
beibehalten und Foersters Besserungsvorschläge bei den
Varianten aufgeführt. Im Zusammenhang mit der not-
wendigen Textkürzung wurde aus praktischen Gründen
an einigen Stellen die Interpunktion geringfügig geändert
(631, 694, 1164, 2502, 3135, 4284, 5715, 6293).
Die Variantenauswahl soll — wie schon in den kleinen
Ausgaben von Foerster — nicht der Etablierung des
Textes dienen, denn dazu wäre stets der gesamte kritische
Apparat der großen Ausgabe erforderlich, sondern ledig-
lich Material für sprachliche Übungen bieten. Aus diesem
Grunde kann hier auf eine Erklärung der im kritischen
Apparat verwendeten Sigel verzichtet werden, zumal eine
solche nur dann sinnvoll wäre, wenn man gleichzeitig das
Verhältnis der Handschriften zueinander erläutern würde.
Die Probleme der handschriftlichen Überlieferung wurden
eingehend von FOEBSTER in den Einleitungen zu seiner
großen und zu den kleinen Yvainausgaben behandelt.
Ferner sei in diesem Zusammenhang auf eine neuere
Vili
Untersuchung verwiesen: Α. MICHA, La tradition manu-
scrite dea romana de Chrétien de Τ royes, Paris 1938.
Die kurze Einleitung möchte der Entlastung der aka-
demischen Übungen dienen, indem sie gewisse Vorkennt-
nisse und Diskussionsgrundlagen vermittelt und durch
ihre bibliographischen Hinweise den Weg für ein tieferes
Eindringen in die vielfaltige Problematik dieses Romans
ebnet.
Das beigegebene Glossar will auch den Ansprüchen
und Erwartungen von weniger Geübten Rechnung trageil.
Vorwort zur 3. Auflage
Die nach anderen Editionsprinzipien veranstaltete
Yvain-Ausgabe von M. ROQUES zwingt bei Abwägung der
Vorzüge und Nachteile nicht zu einem Abgehen von der
Foerster'schen Textgestaltung (vgl. J. FRAPPIER, Etude
sur Yvain ou le Chevalier au lion de Chrétien de Troyes,
Paris 1969, S. 8). Die Auswahl blieb unverändert. Im
Sinne einer effizienteren Benutzung in Seminarübungen
wurde besonderer Wert auf die bibliographische Er-
gänzung gelegt. — Die seit Foerster entstandenen Arbei-
ten zur Überlieferung des Yvain bilden nunmehr einen
eigenen Abschnitt in der Bibliographie. — Aus wirtschaft-
lichen Rücksichten sind Ergänzungen zur Einleitung
nicht eingearbeitet, sondern folgen als kurzer Nachtrag.
Salzburg R. B.
Einleitung
Leben und Werke Chreetiens de Troyes. Über Chrestiens
Herkunft, seine Lebensdaten und Lebensumstände wissen
wir nur das wenige, was man in meist umstrittener Form
durch Rückschlüsse aus seinem Werk gewinnen kann.
Den zahlreichen Hypothesen über seine Person und sein
Leben stehen bei gleichzeitigem Fehlen jedes urkundlichen
Beleges, den man mit überzeugender Sicherheit mit ihm
in Verbindung bringen könnte, als zuverlässige Anhalts-
punkte für seine Biographie nur folgende Eigenbezeugun-
gen gegenüber:
1. Die Nennung seiner bisherigen Werke in den Ein-
gangsversen des Cligès1. Es sind dies in der von ihm
selbst angegebenen Reihenfolge: Erec und Enide,
eine Übersetzung oder Bearbeitung der Remedia
amoris und der Ars amatoria von O vid; ferner eine
Bearbeitung der Pelopssage, ein Gedicht über den
König Marke und die blonde Isolde und schließlich
eine Bearbeitung des Philomela-Stoñes. Erhalten
sind von den genannten Werken nur der Erec und
— wie ST. HOFER mit guten Gründen erneut wahr-
scheinlich gemacht hat2 — auch die Philomela-lie-
arbeitung. Letztere findet sich in nördlicher Sprach-
form im anonymen Ovide moralisé3. Als ihr Verfasser
1 Cligès, Vs. 1—7.
2 STEFAN HOFEB, Chrétien de Troyes. Leben und Werk.
Graz—Wien 1954, S. 87—98
3 Herausgegeben von C. DE BOEK, Paris 1909.
χ
nennt sich ein Chrestiiens Ii gois, der demnach mit
Chrestien de Troyes identisch sein müßte.
2. Die Widmung des Lancelot an Chrestiens Auftrag-
geberin Marie de Champagne4. Diese Widmung weist
Chrestien einerseits als Dichter am champagnischen
Hofe aus und bietet andererseits durch die 1164
erfolgte Verheiratung der Gräfin Marie nach Troyes
einen terminus post quem für Chrestiens dortige Tä-
tigkeit6.
3. Chrestiens letzter Roman, der Perceval, ist dem
Grafen Philipp von Flandern gewidmet®. Auf Grund
der historischen Daten aus dessen Leben — 1168
Graf von Flandern, 1177/78 erste Kreuzfahrt, 1180/
82 Regent von Frankreich, 1188 zweite Kreuznahme,
1191 Tod vor Akkon — macht ST. HOFER7 unter
sorgfältiger Interpretation der in der Widmung ent-
haltenen Anspielungen wahrscheinlich, daß Chre-
stien um 1180 an den Hof Philipps kam und vor
* Lancelot, Vs. 1—3.
5 Zweifel an der Verbindlichkeit dieses terminus und über-
haupt an der Nachweisbarkeit von Chrestiens Aufenthalt
in Troyes hegt J. MISRAHI, More light on the chronology of
Chrétien de Troyes? (BBSIA 11 [1959] S. 89—120). —
Die auf der Ausdeutung historischer Anspielungen in
Chrestiens Romanen beruhenden Datierungen A. FOUR-
RIERS (BBSIA 2 [1950] S. 69—88) finden heute weithin
Zustimmung und lösen die von FOERSTER und HOFER ab:
Erec 1170, Cligès um 1176, Lancelot und Yvain zwischen
1177 und 1179 (oder bis 1181?); Perceval begonnen nach
dem 14. Mai 1181.
β Perceval, Vs. 1—68.
7 loc. cit. S. 198—201.