Wozu Junge Rechtshistoriker?

11 Pages·2003·0.41 MB·German

by  Gonzalez del Campo, Federico

Rg
Zeitschri des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Rechts
geschichte
Rechtsgeschichte
www.rg.mpg.de
3
http://www.rg-rechtsgeschichte.de/rg3 Rg 2003 18–22
Zitiervorschlag: Rechtsgeschichte Rg 3 (2003)
http://dx.doi.org/10.12946/rg03/018-022
Federico Gonzalez del Campo
Wozu Junge Rechtshistoriker?
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RainerMariaKiesow 12 WozuRechtsgeschichte?
FedericoGonzalezdelCampo 18 WozuJungeRechtshistoriker?
PeterGoodrich 23 Retrolution
PierreLegendre 33 Unequestioninterdite
KentLerch 38 DasVerschwindenderUnterschiede
VomNutzenundNachteildervergleichendenMethode
fürdieRechtsgeschichte
RealinoMarra 45 Dirittoestorianellesocietàdeltempoperduto
KenichiMoriya 49 DieStrukturderFrage:
»WozuRechtsgeschichte?«
JoachimRückert 58 WozuRechtsgeschichte?
VonNutzenundNachteilen,Gewinnspielenund
Problemgeschichten
ReinhardZimmermann 66 Gegenwartsbedeutung
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AldoMazzacane 70 Letteratura,processoeopinionepubblica
Leraccoltedicausecelebritrabelmondo,
avvocatierivoluzione
RainerMariaKiesow 98 DasExperimentmitderWahrheit
FolterimVorzimmerdesRechts
WernerGephart 111 DasCollagenwerk
Zursogenannten»Rechtssoziologie«MaxWebers
RebekkaHabermas 128 VonAnselmvonFeuerbachzuJacktheRipper
RechtundKriminalitätim19.Jahrhundert.
EinLiteraturbericht
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HassoHofmann 166 BereicherungdurchRechts-und
Staatsphilosophie
Ernst-WolfgangBöckenförde,GeschichtederRechts-
undStaatsphilosophie
MargritSeckelmann 168 JuristischeErinnerungsorte
UweWesel,Recht,UnrechtundGerechtigkeit.
VonderWeimarerRepublikbisheute
OliverRamonat 170 Überallundnirgends
HagenSchulze,EtienneFrançois(Hg.),
DeutscheErinnerungsorte
MarieTheresFögen 173 Sieküsstenundsieweinten
EgonFlaig,RitualisiertePolitik.
Zeichen,GestenundHerrschaftimAltenRom
RichardH.Helmholz 175 LawasStateBuilder
AlanHarding,MedievalLawand
theFoundationsoftheState
BettinaEmmerich 177 MehrLicht
MichaelMcCormick,OriginsoftheEuropeanEconomy.
CommunicationsandCommerceAD300–900
DanielFulda 179 ExempelderBesonderheit–Besonderheitstatt
Exempel
GerritWalther,AbtBalthasarsMission.
PolitischeMentalitäten,Gegenreformationund
eineAdelsverschwörungimHochstiftFulda
SusanneLepsius 182 Zeugnisse
Ralf-PeterFuchs,WinfriedSchulze(Hg.),Wahrheit,
Wissen,Erinnerung.ZeugenverhörprotokollealsQuel-
lenfürsozialeWissensbeständeinderFrühenNeuzeit
KentLerch 185 Gelehrten-Rotwelsch
AndreasGörgen,RechtsspracheinderfrühenNeuzeit
PeterBecker 187 Vermessenundverzeichnet
LucaMannori(Hg.),KatasterundmodernerStaat
inItalien,SpanienundFrankreich(18.Jh.)
ChristianJoerges 190 DasSchweigenderPrinzipien
SibylleHofer,FreiheitohneGrenzen?Privatrechts-
theoretischeDiskussionenim19.Jahrhundert
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MarcGrohmann 192 GewaltohneMonopol
PeterHanser,TrutzvonTrotha,Ordnungsformen
derGewalt
FrancescoPelloni 194 »Uncoupleétrange«–Droitetlittérature
Droitetlittérature.Europe–Revuelittérairemensuelle
n.876
OliverM.Brupbacher 197 Rinascimento
StefanMeder,Rechtsgeschichte.EineEinführung
ChristineFranzius 199 AusweitungderKampfzone
BerndWeisbrod(Hg.),AkademischeVergangenheits-
politik
ThomasWetzstein 202 ImEuropa-Rausch
MichaelBorgolte,EuropaentdecktseineVielfalt
MichaelMitterauer,WarumEuropa?
MittelalterlicheGrundlageneinesSonderwegs
StephanieSteinle 206 Teethingtroubles…?
PhilippCasparMohr,»KeinRechtzurEinmischung«?
MichaelStolleis 208 GeboreneVerbrecher
RichardF.Wetzell,InventingtheCriminal.
AHistoryofGermanCriminology1880–1945
FrankSaliger 210 GustavRadbruch(system-)theoretisch
aufbereitet
HannoDurth,DerKampfgegendasUnrecht
MarieTheresFögen 214 ZweiKochbücherundeinMenü
FrankBecker,ElkeReinhardt-Becker,Systemtheorie.
EineEinführungfürdieGeschichts-undKulturwissen-
schaften
MargotBerghaus,Luhmannleichtgemacht.
EineEinführungindieSystemtheorie
Hans-JoachimGiegel,UweSchimank(Hg.),
BeobachterderModerne.BeiträgezuNiklasLuhmanns
»DieGesellschaftderGesellschaft«
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MarieTheresFögen,MichaelKempe 218 NachHause…
OsvaldoCavallar 223 IlTeveresfoccianell’Arno
SigismondoCoccapanieilproemioaltrattatoTiberiadis
diBartolodaSassoferrato
MartinKorte 232 AufdenHundgekommen
MichaelTomasello,DiekulturelleEntwicklung
desmenschlichenDenkens
ThorstenKeiser 236 Dr.PornoMax
BennoHurt,DerSamtderRobe.
ErzählungenausderJustiz
MartinOtto 238 Premiere
IringFetscher 240 Kriegerdämmerung
FranzvonLisztundderErsteWeltkrieg
Abstracts 251
Autorenverzeichnis 263
Abbildungsverzeichnis 264
18
Wozu Junge Rechtshistoriker?*
I. RechthistorikernimprächtigenFestsaalderKa-
tholischen Universität Péter Pázmány ein feier-
»Das Forum hat eine Frischzellenkur nö- licherEmpfanggeboten.WiederBekleidungder
tig.«1 Mit diesem Eindruck endet ein Bericht Gäste anzusehen ist, scheinen Stellenwert und
zumletztjährigenForumderjungenRechtshisto- Bedeutung des Anlasses durchaus richtig einge-
riker/-innen in Osnabrück. Die Verfasserin schätzt worden zu sein. So verwundert es auch
wünschtsichdaringanzzuRecht,dass»Offen- nicht weiter, dass die Eröffnungsrede von eifri-
heit in der Diskussion, Austausch über Theorie gen Kameraleuten aufgenommen wird, die mit
und Methodik und Werkstattberichte wieder ihren Scheinwerfern für steigende Raumtempe-
möglich sein sollten«, und erinnert damit an raturensorgen.DieWortedesEmpfangsspricht
die ursprüngliche Widmung eines solchen Fo- einschwarzgekleideter,collartragenderundäu-
rums:die Errichtungeiner Plattformzumspon- ßerst streng wirkender Herr. Wie aus dem Ta-
tanen Gedanken- und Ideenaustausch unter gungsprogramm zu entnehmen ist, handelt es
jungen Rechtshistorikern, wo ein gegenseitiges sich um Prof. Dr. Péter Erdö, Erzbischof von
KennenlernengleichaltrigerWissenschaftlerund Budapest-Esztergom, seines Zeichens Primas
ihrer unterschiedlichen Forschungsgegenstände von Ungarn. Der ältere Herr zu seiner Linken,
möglich ist und Anlass geboten wird, wissen- der als zweiter sprechen soll, wirkt dagegen
schaftlicheKontakteundBeziehungenüberLän- beruhigendsympathisch.DieUnterlagenweisen
der- und Mentalitätsgrenzen hinweg herzustel- ihn als einen gewissen Prof. Dr. János Zlinszky
len. All dies sollte frei sein von Bevormundung aus,LeiterdesInstitutsfürRechtsgeschichte.
undEinflussnahmeseitenseinesetabliertenwis- In der Eröffnungsrede werden die vorwie-
senschaftlichen Kaders. Damit würden ideale gend aus Mittel- und Nordeuropa stammenden
Bedingungen herrschen, um in der rechtsge- Gäste2andiespeziellehistorischeundpolitische
schichtlichenForschungneueAnsätzeauszupro- SituationdesGastgeberlandeserinnert.DieWar-
bieren und noch unbeschrittene Wege einzu- nung vor politischer Instrumentalisierung des
schlagen. Stattdessen der medizinische Befund Rechts erinnert an die schmerzhaften Erfahrun-
der Überalterung: »Das Forum hat eine Frisch- gen mit totalitären politischen Regimes. Vor
zellenkur nötig.« Ist das Desiderat einer Ver- diesemHintergrundbekommtdieBeschäftigung
jüngung am diesjährigen Forum in Budapest mit Rechtsgeschichte eine ganz besondere Di-
eingelöst worden? Wo besteht allenfalls noch mension. Während der gesamten Tagung wird
Therapiebedarf, und wie könnte eine mögliche man den Eindruck nicht los, dass diese selber
»Behandlung«aussehen? politisch äußerst geladen ist. Der programmge-
VonVerjüngungkannbeiderEröffnungdes mäßeBesuchimMuseum»HausdesTerrors«–
ForumsjedenfallsnichtdieRedesein.Unterdem seinerzeitvoneinerregierendenRechtsparteiein-
Ehrenschutz des Präsidenten der Republik Un- gerichtet und in Ungarn wegen der politischen
garn, Dr. Ferenc Mádl (ursprünglich sogar als AusrichtungundthematischenGewichtungsehr
Eröffnungsrednerangekündigt)wirddenjungen umstritten – wirkt wie ein Bekenntnis. Auf drei
* EinigeGedankenzumForumjun- 1 ChristineFranzius,Diejungen
gerRechtshistoriker/-innen2003 Milden,in:Rg1(2002)303.
inBudapest:»DasneueEuropa 2 WosinddieSüd-Europäergeblie-
undseineTraditionen.Iuspriva- ben?Nichteinerwaranwesend–
tum,iuscanonicum,iuspubli- wederausItalien,Frankreich,
cum«. Spanien,GriechenlandnochPor-
tugal.
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Etagen sind lediglich einzelne Räume der nazis- Unmutsreaktionen des Publikums. Es ist bereits
tischen Vergangenheit Ungarns gewidmet. Der durch andere Vorträge hellhörig geworden und
Großteil der Ausstellung behandelt die sowjeti- scheinteinsolchesSelbstverständnisderRechts-
sche Besatzung. Völlig ungeklärt scheint zudem geschichtezumErstaunenderVeranstalternicht
dieVerteilungvonOpfer-undTäterrollen.Aus- zuteilen.InderFrage»WozuRechtsgeschichte«
maß und Intensität der Kollaboration werden bestehen offenbar sehr verschiedene Auffassun-
nur sehr einseitig reflektiert. Der Parcours des genunterdenJungenRechtshistorikern.
Schreckens mündet schließlich in einem mau-
soleumartig beleuchteten Zimmer, in dem ein
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überdimensioniertesweißesKreuzindenBoden
eingelassen ist. Ein solcher Austausch der Sym- IstVerjüngungindenVorträgenzuvermer-
bole vermag wahrlich nichtjeden zu beruhigen. ken?UndhabendieanhaltendgeforderteOffen-
Es regen sich Zweifel, wie die Warnung vor ei- heit der Diskussion, die Debatte um Methode
ner Instrumentalisierung des Rechts zu verste- und Theoriestattgefunden? EinigeBeispiele aus
hen war?Vor welcher Vergangenheitwurde ge- denReferaten:
warnt? Als Windmühlenkampf stellt sich der Vor-
Unter dem Kreuz werden auch die 26 Ta- tragvonMichaelaReinkenhof(UniversitätLeip-
gungsbeiträgestattfinden.Nackthängtesander zig) und Rozália Bánóczi (Universität Eötvös,
weißenWand,justüberdenKöpfenderReferen- Budapest) dar: »Es hilft nicht, allerorten ledig-
ten. Das Rednerpult erinnert an einen Altar, lich den Bedeutungsschwund der Rechtsge-
bezogenmitderrotenSamtdecke,diedasEmb- schichte zu beklagen. Einsatz ist gefordert.«4
lem der Universität trägt. Im weiteren Verlauf Beklagt hat sich bislang niemand. Man bezwei-
derVeranstaltungwirddiesesBild,dassichden felt in der Diskussion höchstens, ob ein obliga-
Teilnehmern während dreier ausgefüllter Tage torischer Lateinkurs für Juristen tatsächlich ein
bietet, mehr und mehr zum Symbol der ungari- geeignetesInstrumentsei,»denNachwuchsjuris-
schenVarianteeinergemeinsamenTraditiondes ten neugierig auf die europäischen Rechtstradi-
neuen Europa. Wenn der »Rechtsgeschichte als tionenzumachen«.DerHinweisaufdas»inder
Baustein fürdieErrichtung des zukünftigen Eu- Europäischen Union bestehende Sprachprob-
ropas«3 – allen zuvor geäußerten Warnungen lem« wird mit der etwas naiven Vorstellung
zum Trotz – durchaus ein instrumentelles Ver- verbunden, dass ein Lateinkurs für Juristen
ständniszugrundeliegt,dannbekommtjedeBe- »zur überregionalen Verständigung« beitragen
schäftigung mit ihr eine politische Dimension, könne.»EinLateinkursfürJuristenvermagdies
undesstelltsichunweigerlichdieFrage,welche zu leisten, da sich die Traditionen des ius com-
Traditioneneines neuenEuropahier verhandelt mune zumeistin lateinischen Fachbegriffen und
werden. Bezug nehmend auf das Spektrum des Rechtssprichwörtern konkretisiert und diese in
Tagungsmottos – ius privatum, ius canonicum vielenRechtsordnungengleichermaßenEingang
undiuspublicum–lautetdieAusgangsfrageder gefunden haben.« Die Angst vor dem Schwin-
beiden Moderatorinnen der Abschlussdiskus- den lateinischer Sprachkompetenz paart sich
sion bezeichnenderweise: »Was kann uns das mitderAngstvordemVerlustdesiuscommune
kanonische Rechtheutebringen?«Dasführtzu als gemeinsamer europäischer Rechtstradition.
3 MündlichesZitatausderEröff-
nungsredevonJánosZlinszky.
4 Diesesunddienachfolgenden
ZitatestammenausdemExposé
zumVortrag»SinddieJuristen
mitihremLateinamEnde?«der
genanntenReferentinnen,abge-
drucktinderTagungsbroschüre,
34ff.
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Woher stammt diese Angst vor dem Verlust che nichtstaatlichen »Recht-Fertigungsprozes-
eherner Werte, die sich schließlich in einemGe- se«7stattfindenundobihreEmergenzauseinem
schichtsverständnis niederschlägt, welches der rechtshistorischen Kontext heraus zu begreifen
Historie die Rolle einer verwahrenden Pflegerin ist, wäre eine interessante Frage für die Diskus-
alter Traditionen zuweist? siongewesen.
Des anspruchsvollen Themas eines »Euro- Es scheint eine sympathische Tradition der-
päische[n]Vertragsrecht[s]imhistorischenKon- artiger wissenschaftlicher Veranstaltungen zu
text« hat sich Viola Heutger (Universität Ut- sein,dassauchgewisseMerkwürdigkeitenPlatz
recht) angenommen. Der große Enthusiasmus finden. Dazu zählt das Referat von Magdolna
und die gute Portion »positiven Denkens«, die Gedeon (Universität Debrecen). Im Bemühen,
dem Referat zugrunde lagen, vermochten die dem übergeordneten Thema der Reihe gerecht
elementaren theoretischen Defizite in der Be- zu werden, führte sie ihren Vortrag »Zirkus-
handlung des Themas nicht zu verbergen. Ge- spieleimantikenRombiszurPrinzipatszeit«in
messen am ambitionierten Anspruch, den »Bei- die Gegenwart: »Die auffälligste Ähnlichkeit
trag,dendieRechtsgeschichteunddasrömische zwischendenantikenundheutigenNormenbe-
Recht zu diesem Prozess der europäischen stehtdarin,dasswirimantikenRechtdieselben
Rechtsharmonisierung leisten können«5 (und Regelungenantreffen,wiewirsieimungarischen
der zumeist unterschätzt werde), abzuschätzen, Sportgesetz finden.«8 Manche »Traditionen«
nahmen sich die Antworten zwar rechtbeschei- sindallerdingsnichtganzungefährlich.
den aus. Doch lösten sie dank des Muts und Eine traditionellerweise vernachlässigte
TemperamentsderReferentin–imGegensatzzu Pflanze rechtshistorischer Forschung ließ hinge-
vielen anderen Vorträgen – einige Diskussionen gen Kaius Tuori (Universität Helsinki) aufblü-
aus. hen. In seinem wissenschaftsgeschichtlichen Re-
Eine versierte theoretische Perspektive bot ferat zu »Q. Mucius Scaevola Pontifex and the
hingegenderLateinamerikanerAndresGonzalez InventionoftheScienceofLaw«untersuchteer
Watty von der Universidad Panamericana in die historischen Referenzen auf den römischen
Mexiko City in seinem Vortrag »Globalization Juristen Scaevola im Prozess des Aufbaus und
and Law in Latin America« an. Entgegen dem der Begründung eines Wissenschaftsbegriffs des
zuvor unhinterfragt gebliebenen Optimismus, Rechts im 19. Jahrhundert. Seine Analyse kann
eine europäische Zivilrechtskodifikation erstel- durchaus auch als kritischer Beitrag zum Ta-
len zu können, sprach er über die »crisis of gungsthema verstanden werden: als Aufforde-
codification«6 und schilderte, wie als Resultat rung, sich des aktuellen politischen Gehaltes
der Globalisierung transnationale Integrations- einer traditionsbezogenen Vergangenheitsbe-
prozesse die staatliche Gesetzgebung zu über- trachtungbewusstzubleiben.
fordern und das staatliche Rechtsetzungsmono- Dass Aktualität und Spannung eines Vor-
polauszuhöhlenvermögen.DieserZersetzungs- tragsnichtvondergewähltenhistorischenEpo-
prozessdüngtdenBodenfüralternativeFormen che, sondern von der Fragestellung abhängen,
der Rechtsgenese, die häufig auf sehr alte Wur- zeigte Jakub Urbanik (Universität Warschau)in
zeln zurückgehen. Inwiefern auch im Rahmen seinem Referat: »A priestly divorce: various
des Europäischen Integrationsvorhabens sol- legal orders at work«. An einem Fallbeispiel
5 SieheTagungsbroschüre,23. JoergesundGuntherTeubner,
6 Nichtganzneu,aberoriginellim Baden-Baden2003.
Kontext.DiesesZitatinderTa- 8 Tagungsbroschüre,20.
gungsbroschüre,39.
7 InAnlehnungandenBegriffvon
RudolfWiethölter,Recht-
FertigungeinesGesellschafts-
Rechts,in:Rechtsverfassungs-
recht,Recht-Fertigungzwischen
PrivatrechtsdogmatikundGesell-
schaftstheorie,hg.vonChristian
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ausPalästinaim7. Jahrhundert–derScheidung cher Kreativität nicht gerade förderlich. Viel-
des Priester Ioannes von seiner Frau Nonna – mehr dürfte es anderen auf dem erreichten fi-
führte er das Funktionieren einer Rechtsord- nanziellenundorganisatorischenNiveauschwer
nung auf hohem theoretischem und anschau- fallenmitzuhalten.11Eswäredaherwünschens-
lichemNiveau vor. Skizziertwurde das Zusam- wert und erforderte den besonderen Mut des
menwirkenverschiedenerRechtsquellenausden Nachfolgers,zumoderaterenFormenzurückzu-
Bereichen des Öffentlichen, Privat-und kanoni- kehren.12
schen Rechts, woraus sich ein Bild ergab »how So wünschenswert mehr Bescheidenheit im
theeverydaylifeadoptsnormsofeachofthese äußeren Veranstaltungsgeschehen ist, so nötig
and local traditions and melts them into an wärenmehrOriginalitätundMutzurKreativität
applicable order«.9 in den wissenschaftlichen Forschungsansätzen
vieler Referenten gewesen. Die Diagnose der
Überalterung trifft daher weniger das Alter der
III.
Teilnehmer,beidenenessichinderüberwiegen-
InderüberwiegendenZahlderBeiträgewar denZahlumDoktorandengehandelthat,alsdie
vom »neuen Europa« wenig zu spüren. Die Art und Weise, wie Historiographie betrieben
»Traditionen« des Kontinents wurden dagegen wird.EntstanddochbeimanchenVorträgender
häufigmitverbissenemEiferverfolgt.Beisoviel Eindruck,dass–gleichsaminFormeineswissen-
TraditionstelltsichdieFrage,wozu(noch)junge schaftlichen Mimikry – nach »Art der Alten«
Rechtshistoriker? Gibt es eine differentia speci- geforscht wird. Dies liegt, so scheint mir, an
fica zur allgemeinen Lage der Rechtsgeschichte einem grundlegenden Missverständnis im Um-
und der Rechtshistoriker? Und wie steht es mit gang mit Vergangenheit. Vergangenheit zu be-
den im vergangenen Jahr empfohlenen Thera- weisen und zu bewahren war so sehr das Ziel
pien? vieler Vorträge, dass die wissenschaftlichen Be-
Zum äußeren Ablauf: Für den überaus dingungen,unterdenensichVergangenesverge-
freundlichenEmpfangunddieausnehmendauf- genwärtigen lässt, darüber vergessen wurden.
merksame Begleitung und Betreuung während Das Ergebnis ist dann keine reflektierte Ge-
dergesamtenTagungsdaueristdenVerantwort- schichtsschreibung, sondern wissenschaftlicher
lichen sehr herzlich zu danken.10 Im Hinblick Traditionalismus, wenn nicht sogar altkluges
aufdenursprünglichenZweckdesForumswäre Theater. Die Art und Weise, wie über Vergan-
aberwenigerwohlmehrgewesen.SokannGast- genheit nachgedacht wird, und die vielfältigen
freundschaft durchaus auch ihre problemati- Formen, in denen sie sich uns in Geschichten
schenSeitenhaben.IndenletztenJahrenscheint vergegenwärtigt, unterliegen bekanntlich einem
sie sich nämlich zu Ausmaßen gesteigert zu ha- von Tacitus über Mommsen bis heute mit-
ben, die dem Gedanken eines lockeren wissen- laufenden gesellschaftlichen Wandel. Wer sich
schaftlichen Austausches im Werkstattstil, wo diesemzuentziehenversucht,indemerihnigno-
DiskussionundoffeneKontroversemöglichsein riert, wer Vergangenheit bewahren und Ge-
sollen,nichtmehrentspricht.EinsolcherPerfek- schichtealsTraditionspflegebetreibenwill,läuft
tionismus einschließlich des Zeremoniells ist Gefahr,indereigenenVergangenheitsteckenzu
schöpferischem Austausch und wissenschaftli- bleiben. Es stellt sich dann die Frage, wie man
9 Tagungsbroschüre,17. 12 DerWunschgehtnachWarschau.
10 EssinddiesNadjaelBeheiri, Wieanlässlichder»Summer-
LászlóKomáromi,DorottyaAnd- School«amMPIfüreuropäische
rási,AnnamáriaVígh,BélaSzabó, Rechtsgeschichtevom13.–18.Juli
JuditBaloghundBeatrixSchmidt. 2003angekündigtwurde,solldas
11 DieVeranstaltungdesForums ForumnächstesJahrdefinitivin
wurdeunterstütztvonderHanns- Polenstattfinden.EineFortset-
Seidel-Stiftung,demJustizministe- zungistalsogesichert,wasder
riumderRepublikUngarn,dem InitiativevonJakubUrbanik,dem
UnterrichtsministeriumderRe- nächstenVeranstaltungsleiter,zu
publikUngarnundderIUSTITIA- verdankenist.
StiftungderUniversitätDebrecen. e
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