Table Of ContentAnnette Harth · Ulfert Herlyn
Gitta Scheller · Wulf Tessin
Wolfsburg: Stadt
am Wendepunkt
Eine dritte soziologische Untersu-
chung
Annette Harth!Ulfert Herlyn/
Gitta Scheller/Wulf Tessin
Wolfsburg: Stadt am Wendepunkt
Annette Harth/Ulfert Herlyn/
Gitta Scheller/Wulf Tessin
Wolfsburg:
Stadt am Wendepunkt
Eine dritte
soziologische Untersuchung
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2000
Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier.
Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme
ISBN 978-3-8100-2661-3 ISBN 978-3-663-11888-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-11888-6
© 2000 Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 2000
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Inhalt
Vorbemerkungen .............................................................................................. 7
I EINFÜHRUNG:
LOKALE INTEGRATION UND MONOSTRUKTURELLE
ABHÄNGIGKEIT IN WOLFSBURG .............................................. 9
1 Zum Forschungsstand ...................................................................... 11
1.1 Abriss der Entwicklung der Stadt Wolfsburg (bis 1980) ................. 11
1.2 Integration in einer 'neuen Stadt' ..................................................... 17
1.3 Die monostrukturelle Abhängigkeit der Stadt ................................. 23
2 Forschungsleitende Fragestellungen ................................................ 30
2.1 Formen lokaler Integration .............................................................. 30
2.2 Strukturkrise und neue Kooperationsformen ................................... 36
3 Methoden der Untersuchung ........................................................... 40
II FORMEN LOKALER INTEGRATION ......................................... 45
1 Soziale Integration ........................................................................... 45
2 Systemische Integration ................................................................... 55
2.1 Erwerbsbereich ................................................................................ 56
2.2 Wohnbereich ................................................................................... 66
2.3 Infrastrukturbereich ......................................................................... 79
3 Symbolische Integration .................................................................. 98
4 Zum Verhältnis der drei Integrationsformen ................................. 111
III DIE VW-KRISE 1992/93 UND IHRE AUSWIRKUNGEN ......... 125
Die VW-Krise 1992/93 ................................................................. 125
2 Die 'atmende Fabrik' und ihre Folgen ............................................ 136
2.1 Das Modell und seine Umsetzung ................................................. 136
2.2 Akzeptanz der 'atmenden Fabrik' und Vertrauen in VW ............... 143
2.3 Folgen für die Stadt und ihre Bewohnerschaft .............................. 150
3 Die VW-Krise als Wendepunkt in der Stadtentwicklung .............. 158
3.1 Die Hinwendung zum Globalisierungsregime ............................... 160
3 .1.1 Vom Problembewusstsein zur Aufbruchstimmung ........................ 160
3.1.2 Stadtentwicklung durch Großprojekte ............................................ 166
3.1.3 Das Leitmotiv der Erlebnisorientierung ......................................... 175
3.1.4 Neue Kooperationsformen .............................................................. 178
3.2 Konfliktpunkte des Wandels ......................................................... 182
3.2.1 Zur Rolle der Bürgerschaft... .......................................................... 183
3 .2.2 Zum Verhältnis der Akteure ........................................................... 191
IV FAZIT:
LOKALE INTEGRATION, STRUKTURKRISE UND NEUE
URBANE REGIMES .................................................................... 199
Nachwort: Ein persönlicher Rückblick auf die drei Wolfsburg-Studien
(U. Herlyn) .............................................................................. 215
Literaturverzeichnis .................................................................................... 223
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Vorbemerkungen
Als die ersten Absprachen zu dieser soziologischen Untersuchung zwischen
Vertretern der Stadt und uns Ende 1994 getroffen wurden, hatte die Stadt
gerade die schwerste Strukturkrise im Volkswagenwerk seit seinem Bestehen
mit einem Abbau von Tausenden von Arbeitsplätzen erlebt, zu deren Bewäl
tigung ein bundesweit einmaliges Arbeitszeitmodell (die 'atmende Fabrik')
entwickelt worden war. Die Stadt befand sich zwischen Hoffen auf eine Wie
dererstarkung und Bangen vor einem weiteren Absturz: Sie war an einem
Wendepunkt in der Stadtentwicklung angekommen. Heute, am Ende des
1997 begonnenen Forschungsprojektes wissen wir, dass die Wende für die
Stadt einen Aufschwung bedeutete und ein weiterer Abschwung verhindert
werden konnte.
Zentrale Themen dieser nunmehr dritten Wolfsburg-Studie sind zum ei
nen die VW-Krise und ihre Bewältigung im Rahmen neuer Kooperations
formen zwischen Stadt und Werk, zum anderen Formen lokaler Integration
auf sozialer, systemischer und symbolischer Ebene. Damit setzt diese dritte
Untersuchung die Analyse zweier zentraler Themen der bisherigen soziologi
schen Wolfsburg-Forschung fort: die Frage der lokalen Integration in der
Stadt und das Verhältnis von Stadt und VW-Werk.
Begonnen hatte die soziologische Wolfsburg-Forschung im Jahre 1959,
was sich acht Jahre später in dem ersten Band niedergeschlagen hat (M.
Schwonke, U. Herlyn 1967: Wolfsburg. Soziologische Analyse einer jungen
Industriestadt). 20 Jahre später konnte die zweite Untersuchung der Ent
wicklung der Stadt durchgeführt werden (U. Herlyn, U. Schweitzer, W. Tes
sin, B. Lettko 1982: Stadt im Wandel. Eine Wiederholungsuntersuchung der
Stadt Wolfsburg nach 20 Jahren). Gleichzeitig mit dieser dritten hier vorge
legten Arbeit veröffentlichen wir im gleichen Verlag eine historisch orien
tierte Gesamtdarstellung der Stadtentwicklung von Wolfsburg (U. Herlyn, W.
Tessin: Faszination Wolfsburg 1938-2000).
Am Ende der ersten beiden Wolfsburg-Untersuchungen konnte man je
weils davon sprechen, dass die Stadt eine weitere Etappe in ihrer Stadtent
wicklung und gemeindlichen Integration abgeschlossen hatte. Am Ende die
ser dritten Studie steht Wolfsburg, mehr als 60 Jahre nach der Stadtgründung,
eher am Anfang einer neuen Etappe. In zehn Jahren wird man sehen, was
daraus geworden ist - der richtige Zeitpunkt für eine vierte W olfsburg
Studie?
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Unser Dank gilt zunächst der Stadt W olfsburg, die, wie zuvor schon die
anderen Studien, auch dieses Projekt durch vielfältige Kooperationen und
einen finanziellen Zuschuss unterstützt hat. Diese Untersuchung wurde je
doch im Wesentlichen ermöglicht durch die zweijährige Forschungsförde
rung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der wir hiermit vielmals dan
ken.
Darüber hinaus bedanken wir uns bei:
Frau Heidi Lüder von der Stadtentwicklung Wolfsburg, die uns während
der gesamten Projektlaufzeit mit Informationen versorgt hat
Herrn Oliver Beyer, der die elektronische Datenverarbeitung besorgt hat
Herrn Ralph Juhnke, der als Hilfskraft über längere Zeit am Projekt mit
gearbeitet hat
Frau Corinna Haberkorn, die das Projekt verwaltungsmäßig betreut hat
Frau Claudia Breinker, die das Layout für die Druckvorlage erstellt hat.
Im Dezember 1999 als Projektleiter
U. Herlyn und W. Tessin
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I Einführung: Lokale Integration und
monostrukturelle Abhängigkeit in Wolfsburg
Als Ende der 50er Jahre arn Soziologischen Seminar der Universität Göttin
gen die Studie "Wolfsburg - Soziologische Analyse einer jungen Industrie
stadt" in Angriff genommen wurde, da standen - neben anderen - schon zwei
Fragen im Vordergrund. Zum einen das Thema 'Soziale Verflechtung' und
'Heimatgefühl in einer neuen Stadt' (vgl. Schwonke/Herlyn 1967, 97ff.,
174ff.), zum anderen das Thema 'Wolfsburg und das Volkswagen-Werk'
(ebenda, S. 40ff.). In einer weiteren Studie aus jener Zeit wurde die Frage
stellung 'Wolfsburg und das Volkswagen-Werk' unter dezidiert politikwis
senschaftlichen Gesichtspunkten noch vertieft behandelt (vgl. Hilterscheid
1970). Beide Themen haben dann auch - mehr oder weniger stark -die Wie
derholungsuntersuchungder Stadt Wolfsburg nach 20 Jahren unter dem Titel
"Stadt im Wandel" (Herlyn u.a. 1982) bestimmt.
Es verwundert deshalb nicht, dass auch in dieser dritten Wolfsburg
Studie beide Themen wieder aufgegriffen werden, ja, in einer Ausschließ
lichkeit und Zuspitzung, wie dies in den vorherigen nicht der Fall war. Aber
es zeigte sich (schon in der zweiten Wolfsburg-Studie), dass die thematische
Breite einer sog. Gemeindestudie, als was sich die erste W olfsburg
Untersuchung noch unzweifelhaft verstand, immer weniger dem erreichten
stadtsoziologischen Forschungsstand entsprach und sich eine thematische
Fokussierung auf die beiden genannten Themen heute mehr denn je anbietet:
Zum einen handelt es sich dabei um Themen, die für die 'junge Industrie
stadt Wolfsburg' tatsächlich zentral sind, es sind gleichsam 'die' Wolfs
burger Themen.
Zum anderen haben in den 90er Jahren Entwicklungen in der Stadt statt
gefunden, die den beiden 'Dauerthemen' eine besondere Aktualität be
scheren, insbesondere die VW-Krise in der ersten Hälfte der 90er Jahre.
Schließlich spielen beide Themen in der neueren stadtsoziologischen
Diskussion eine zentrale Rolle. Die Frage gemeindlicher Integration wird
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im Zusammenhang von sich verstärkenden Prozessen der sozioökonomi
schen Polarisierung, soziokulturellen Heterogenisierung und residenzi
eller Segregation (vgl. Dangschat 1996) neu diskutiert. Und zugleich
wird in der neueren stadtsoziologischen Literatur unter den Stichwörtern
Deregulierung, Public-Private-Partnership (vgl. z.B. Heinz 1998), Festi
valisierung der Stadtentwicklungspolitik (vgl. Häußermann/Siebel 1993),
'neue urbane Regimes' (vgl. Pranz 1997) etc. die Frage thematisiert, wel
che innovativen Wege Städte beschreiten, um sich unter den Bedingun
gen verschärfter ökonomischer Krisen, rückläufiger Einwohner- und Ar
beitsplatzzahlen vor allem im Produktionsbereich und leerer öffentlicher
Kassen sowie in einer sich verstärkenden Weltmarkt- und Städtekonkur
renz zu behaupten und welche Folgen diese 'neuen urbanen Regimes' für
die gemeindliche Integration haben.
Für beide Fragestellungen bietet die jüngste Entwicklung Wolfsburgs hervor
ragend geeignetes Untersuchungsmaterial, wobei -wie die beiden vorheri
gen- auch diese Wolfsburg-Studie im Spannungsfeld steht zwischen Sonder
fall und Paradigma. Vieles an der Wolfsburger Entwicklung ist- wie zu zei
gen sein wird - symptomatisch, aber fast alles hat auch eine besondere
'Wolfsburger Note', die sich in erster Linie aus der Tatsache ergibt, dass
Wolfsburg eine 'neue Stadt' (Stadtgründung 1938) und eben die 'Stadt des
VW-Werks' ist-die 'Hauptstadt des VW-Imperiums' (Konzernsitz).
Im Folgenden wird in Abschnitt 1 zunächst ein knapper Abriss der Ent
wicklung der Stadt über den Zeitraum gegeben, den die beiden vorgängigen
Wolfsburg-Studien abdecken (Abschnitt 1.1) und der 'Stand der Forschung'
skizziert, so wie er sich auf der Basis dieser beiden Studien in Bezug auf die
beiden genannten Themen, lokale Integration und monostrukturelle Abhän
gigkeit, ergibt (Abschnitte 1.2 und 1.3). In Abschnitt 2 werden dann mit
Blick auf die Entwicklung der Stadt in den 80er und 90er Jahren die Per
spektiven herausgearbeitet, unten denen die beiden genannten Themen in
dieser dritten Wolfsburg-Studie untersucht werden sollen. In Abschnitt 3
wird schließlich auf die empirische Basis und die angewandten Methoden
dieser Untersuchung eingegangen.
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