Table Of ContentJens Kohler
Wissenstransfer bei hoher Produkt- und
Prozesskomplexität
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Jens Kohler
Wissenstransfer bei
hoher Produkt- und
Prozesskomplexität
Pilotierung, Rollout und Migration
neuer Methoden am Beispiel
der Automobilindustrie
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Alexander Gerybadze
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Dissertation Universität Hohenheim, 2007
D 100
1. Auflage 2008
Alle Rechte vorbehalten
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr.Th.Gabler | GWVFachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
Lektorat: Frauke Schindler /Stefanie Loyal
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.
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wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-8349-0923-7
Geleitwort
Die Komplexität von Produkten und Systemen hat in den Branchen, die für die
deutsche Wirtschaft besonders wichtig sind, stark zugenommen: Automobil- und
Zuliefererindustrie, Maschinenbau und Automatisierungstechnik, Elektrotechnik
ebenso wie im Bereich technischer Dienstleistungen. In all diesen Sektoren haben
sich komplexe, vielstufige Wertschöpfungsstrukturen herausgebildet, in denen
Akteure durch ein Netz von Lieferbeziehungen und durch neue Formen des
Wissensaustauschs miteinender verbunden sind.
Die vorliegende Arbeit untersucht den Produktentwicklungsprozess für komplexe
Produkte und Systeme, der immer häufiger in verteilten partnerschaftlichen
Strukturen erfolgt. Der Fokus wird hierbei auf die für Deutschland mittlerweile
wichtigste Leitbranche gelegt: die Automobil- und Zuliefererindustrie, in der die
wertschöpfungskettenübergreifende Zusammenarbeit am besten studiert werden
kann. Untersucht werden neue Formen des Wissensaustauschs in der bereichs-
übergreifenden Zusammenarbeit sowohl zwischen Organisationseinheiten innerhalb
von Unternehmen, wie auch in firmenübergreifenden Beziehungen mit Geschäfts-
partnern und insbesondere Zulieferern. Dabei wird auf komplexe neue Strukturen der
Zusammenarbeit von Automobilherstellern (sog. OEM), Unternehmen der
Elektronikindustrie, Softwareanbietern und technischen Dienstleistungsfirmen
eingegangen. Gerade dieser Verbund macht die Stärke des deutschen Innovations-
systems aus und die neuen Formen der Zusammenarbeit werden vom Verfasser
beispielhaft analysiert.
Im Zentrum der Arbeit steht die Analyse des Wissensaustauschs und der kohärenten
Verständigung von Akteuren innerhalb von verteilten Strukturen. Die wichtigsten
Prozessmodelle für die verteilte Projektzusammenarbeit werden ausführlich
dargestellt und es wird kritisch auf das Problem von Missverständnissen und die
Unterscheidung zwischen äquivokem vs. kanonischem Wissen eingegangen. Gerade
die subjektiven, interpretativen Aspekte des Transferproblems wurden in den meisten
Analysen des Technologie- und Wissenstransfers bisher viel zu selten beleuchtet
und auf diese geht der Autor der vorliegenden Studie ausführlich ein. Die zentralen
Probleme des Wissenstransfers werden in profunden empirischen Einzelfallstudien
deutlich gemacht und es werden neuere Diagnose- und Analysemethoden entwickelt
und überprüft, die helfen, die beschriebenen Probleme der Zusammenarbeit in
verteilten Projektteams zu lösen.
VI Geleitwort
Die besondere Leistung der Arbeit liegt in dem Brückenschlag zwischen betriebs-
wirtschaftlichen Organisationstheorien, verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen der
Gruppen- und Kognitionsforschung sowie den gängigen ingenieurwissenschaftlichen
Methoden des Projekt- und Prozessmanagements. Während letztere vor allem
objektive Wissenselemente und Projektaufgaben in den Vordergrund stellen, hebt
Kohler in seiner Analyse gerade die subjektiv-interpretativen Aspekte besonders
hervor.
Der Verfasser hat in seiner Arbeit eine induktive Vorgehensweise auf Basis einer
„Grounded Theory“ gewählt und es gelingt ihm, durch profunde Einzellfallstudien
sehr schön, die subjektiv-interpretativen Aspekte zu beleuchten, obwohl die Mehrzahl
seiner Gesprächspartner einer eher ingenieurtechnischen Welt entstammt. Durch
den Kontrast von empirischen Befunden, theoretischen Modellen und Methoden des
Projektmanagements gelingt es ihm, Defizite vorhandener Methoden aufzuzeigen
und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten.
Die Arbeit leistet insgesamt einen sehr wichtigen Beitrag zur systematischen
Erforschung der Theorie und Empirie des Wissenstransfers in verteilten Strukturen
vor dem besonderen Hintergrund subjektiv-interpretativer Aspekte. Sowohl die
betriebswirtschaftliche und ingenieurwissenschaftliche Forschung wie auch Praktiker
aus Unternehmen können aus der vorliegenden Arbeit großen Gewinn ziehen. Diese
bietet eine interessante Weiterentwicklung der kompetenzbasierten Forschung und
leistet den erforderlichen Brückenschlag in die industrielle Anwendung.
Prof. Dr. Alexander Gerybadze
Vorwort
“The clashing point of two subjects, two disciplines, two cultures – of two
galaxies, so far as that goes – ought to produce creative chances. In the history
of mental activity that has been where some of the break-throughts came. The
chances are there now. But they are there, as it were, in a vacuum, because
those in the two cultures don’t talk to each other.” (Snow 1993, S. 16)
Vor dem Hintergrund eines deutlich gestiegenen Komplexitätsgrads von Produkten
und Dienstleistungen entstehen Innovationen zunehmend durch das Zusammen-
wirken von Akteuren unterschiedlichster Disziplinen. Beispielsweise entstanden in
den letzten Jahren im Umfeld der Automobilindustrie neuartige mechatronische
Systeme, die nur durch eine Verknüpfung von Mechanik, Elektronik sowie
Informations-, Signal- und Regelungstechnik möglich geworden sind. Dies erfordert
den Einsatz ausgefeilter Mechanismen des Wissenstransfers in der gesamten Wert-
schöpfungskette, sowohl innerhalb von Unternehmen als auch in unternehmens-
übergreifenden Netzwerken.
In den meisten Studien zum Wissenstransfer wurde in diesem Zusammenhang der
Fokus auf die objektiven und deklarativen Aspekte von Wissen gelegt. Das Ergebnis
sind hilfreiche Ansätze, wie Tools und Services zu gestalten sind, um den Zugang zu
Informationen und deren Verteilung zu optimieren. Die interpretativen und
subjektiven Aspekte wurden allerdings oft unterschätzt und nicht hinreichend
untersucht. An diesem Defizit knüpft die vorliegende Arbeit, die auf die kohärente
Verständigung von Akteuren innerhalb von verteilten Strukturen fokussiert ist, an.
Das Ergebnis sind Handlungsempfehlungen, die durch eine Kontrastierung von
empirischen Erkenntnissen und theoretischen Modellen aus unterschiedlichsten
Forschungsdisziplinen abgeleitet wurden.
Die Arbeit entstand während meiner Zeit als externer Doktorand an der
Forschungsstelle für Internationales Management und Innovation an der Universität
Hohenheim und wurde im Dezember 2006 an der Fakultät für Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften als Dissertation eingereicht und angenommen. Mein
besonderer Dank gilt an erster Stelle meinem wissenschaftlichem Lehrer und
Doktorvater Herrn Prof. Dr. Alexander Gerybadze, der durch seine zahlreichen
wertvollen fachlichen Anregungen sowie seine Flexibilität in Bezug auf die
thematische Ausrichtung der Schrift entscheidend zum Gelingen beigetragen hat.
VIII Vorwort
Herrn Prof. Dr. Stefan Kirn danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und
Herrn Prof. Dr. Harald Hagemann für die Übernahme der Drittberichterstattung.
Nicht möglich wäre die Arbeit gewesen ohne die Unterstützung der zahlreichen, aus
Annonymitätsgründen nicht einzeln aufgezählten, Kollegen und Interviewpartner aus
der Automobil- und Zuliefererindustrie sowie den in diesem Umfeld tätigen
Engineeringdienstleistern. Ich möchte diesen daher ganz herzlich danken, dass sie
sich, trotz eines oftmals vollen Terminkalenders, als kompetente Fachexperten und
Diskussionspartner im Rahmen meiner empirischen Untersuchungen zur Verfügung
gestellt haben.
Weiterhin gilt mein Dank den (ehemaligen) wissenschaftlichen Mitarbeitern der
Forschungsstelle für Internationales Management und Innovation, Prof. Dr. Michael
Stephan, Dr. Mark Beyer, Dipl.-oec. Nuria-Julia Martín-Pérez, Dipl.-Psych.
Christopher Gresse und Dipl.-oec. Raina König für die anregenden Diskussionen und
die sehr angenehme Zusammenarbeit. Ausdrücklich möchte ich mich bei Frau
Barbara Ungerer und Frau Evelyn Aulitzky bedanken, die mir beide mit ihrer
freundlichen und hilfsbereiten Art den Weg durch die administrativen Niederungen
der Promotion geebnet haben. Sie alle haben mich in hervorragender Weise in das
Lehrstuhlleben integriert.
Nicht zu vergessen sind auch die Anregungen der wissenschaftlichen Kollegen von
anderen in- und ausländischen Hochschulen, die in meine Dissertation eingeflossen
sind. Insbesondere die Doktorandenkolloquien an den Universitäten in Bamberg,
Eichstätt-Ingolstadt und Kaiserslautern sowie wie die DRUID Winter Conference in
Aalborg, Dänemark haben sich als fruchtbarer Nährboden erwiesen.
Zu Dank verpflichtet bin ich auch allen, die die Mühe des zwischenzeitlichen und
finalen Korrekturlesens auf sich genommen haben.
Abschließend möchte ich bei den Menschen für ihr Verständnis bedanken, für die ich
während der Erstellung dieses Textes zu wenig Aufmerksamkeit aufbringen konnte.
Hiezu zählen nicht zuletzt meine Partnerin Sabine Müller sowie meine Eltern, Christel
und Joachim Kohler, die mich während meiner gesamten Ausbildungszeit ideell und
materiell unterstützt haben. Ihnen widme ich diese Arbeit.
Jens Kohler
Inhaltsübersicht
1 Einleitung.............................................................................................................1
2 Wissenstransfer bei hoher Komplexität im Innovationsprozess .........................11
3 Die Einführung von neuen Methoden in MNU ...................................................57
4 Empirische Erhebungen an der Schnittstelle zu externen Partnern ................129
5 Interpretative Wissensbestandteile: Ein vernachlässigtes Phänomen .............179
6 Wissens- und Methodentransfer von IDL zu den Nutzern ...............................193
7 Schlussbetrachtung .........................................................................................237
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis.......................................................................................XVII
Abbildungsverzeichnis.........................................................................................XIX
1 Einleitung...........................................................................................................1
1.1 Empirische Relevanz der Arbeit und Konkretisierung der
Problemstellung.........................................................................................2
1.2 Forschungskonzeption..............................................................................3
1.3 Aufbau der Arbeit.......................................................................................4
2 Wissenstransfer bei hoher Komplexität im Innovationsprozess.................11
2.1 Prozessmodelle zum Innovationsmanagement.....................................11
2.1.1 Allgemeine Prozessmodelle................................................................12
2.1.1.1 Modelle des Innovationsprozesses..............................................12
2.1.1.2 Organisatorisches Design für die Projektebene im
Innovationsprozess......................................................................14
2.1.1.3 Stage-Gate-Modell.......................................................................16
2.1.2 Prozessmodelle am Beispiel der Automobilindustrie...........................18
2.1.2.1 Empfehlung zur Ablaufplanung des VDA.....................................20
2.1.2.2 Prozesssynchronisation zwischen OEM und Zulieferer...............22
2.1.2.3 Produktentwicklungsprozess am Beispiel Mercedes-Benz..........27
2.2 Theoretische Grundlagen zum Wissenstransfer...................................31
2.2.1 Individuelles und organisationales Lernen..........................................31
2.2.1.1 Routinen als organisationale Wissensbasis.................................31
2.2.1.2 Organisationale Handlungstheorien und Lernniveaus.................34
2.2.1.3 Informationsbedürfnisse und Informationsnutzung......................36
2.2.2 Modelle des Wissenstransfers............................................................39
2.2.2.1 Explizites vs. implizites Wissen....................................................40
2.2.2.2 Theorie der Wissensgenerierung.................................................41
2.2.2.3 4I Framework des organisationalen Lernens...............................44
2.2.2.4 Generativer Tanz zwischen Knowledge und Knowing.................45
2.3 Formen und typische Barrieren des Wissenstransfers bei hoher
Komplexität...............................................................................................47
2.3.1 Formen des Wissenstransfers.............................................................47
2.3.2 Typische Barrieren beim Transfer von Wissen....................................50