Table Of ContentWiener Elut
Ein Bilderzyklus mit Liedern
Eingeleitet von Quirin Mark
Der Käufer dieses Buches hat auf einem beiliegenden
Verpflichtungsschein versichert, daß er das 21. Lebens
jahr vollendet hat. Er hat sich weiterhin verpflichtet,
das Buch verschlossen aufzubewahren und Jugend
lichen unter 21 Jahren nicht zugänglich zu machen und
vor allem solchen Personen vorzuenthalten, die mit
Wahrscheinlichkeit zu einer objektiven Kenntnis
nahme nicht in der Lage sind. Er wird den Band außer
dem weder privat noch gewerblich verleihen.
1. AUFLAGE
ALLE RECHTE VORBEHALTEN
©VERLAG ROGNER & BERNHARD GMBH., MÜNCHEN
SCHUTZUMSCHLAG VON K. GYORGY JANOSCHKA
SATZ IN DER PALATINO - ANTIQUA
DRUCK: OSKAR SCHNITZER, MARKTOBERDORF
PRINTED IN GERMANY, AUGUST 1970
ISBN 3 920802 51 9
Ein Harfenist sitzt am Prater, das Publikum um
ihn herum.
Schusterbub: Na, wird's bald angehn?
Harfenist: Gleich, gnädiger Herr (Gelächter).
Gesell: Aber was Lustigs.
Soldat: Was von die Mädeln — und von — Sie
wissen schon.
Harfenist: Sollen gleich bedient werden, ich hab'
heute ein ganz neues Liedei mit den neuesten
Sauglocken.
Berliner Handwerker: Na, läuten Sie man zu,
jroßer Harfeniste!
Polizeidiener: Was hat der Herr für ein Lied —
zeig Er her.
Harfenist (zeigt ihm ein Blatt Papier): Da, Herr
Gisperl.
Polizeidiener: Na, 's ist gut (geht ab).
Harfenist singt:--------(Zensurstriche des Verfas
sers).
Allgemeiner Enthusiasmus.
Berliner (lacht): Das sind ja ganz barbarische
Sauereien! Hören Sie man, Harfeniste, wie
heißt denn der Dichter, der Schweinigel?
Harfenist: No — sein S' so gut — sprechen Sie
despektierlich von dem berühmtesten Dichter
des Vorstadttheaters. Das Lied hat mich fünf
Gulden kost.
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Schusterbub: Weiter, weiter!
Harfenist singt:--------(Damnatur, als sittenge
fährlich und gegen allen Anstand).
Alle (Weiber, Kinder, Mädchen): Bravo, bravo,
bravo!
Schusterbub: Außa, außa! (Klatscht in die Hän
de.) Da capo — fora — fora!
Berliner: Ja, da capo — jroßer Schweinehund von
einem Lokaldichter, ich bezeige dich meine Ehr
furcht.
Aus Groß-Hoffinger: »Wien, wie es ist«.
Der aufgeklärte Joseph der Zweite hat nach
weislich sich darum bemüht, die Konventionen
der Sittlichkeit in Österreich aufzubessern. Von
dem französischen Schriftsteller Restif de la Bre-
tonne ließ er einen Plan entwerfen. Restif machte
in Pariser Bordellen Studien und schlug vor: Der
Staat muß im eigenen Betrieb Bordellhäuser er
richten. Bekannt ist die Antwort des Kaisers:
»Was, Bordelle? Da brauchte ich über ganz Wien
nur ein großes Dach machen zu lassen . . .«
Die Korruption des 18. Jahrhunderts war so
wohl als Massenerscheinung wie als individuelles
Produkt beträchtlich. Unter Maria Theresias Re
gentschaft sollte die Zensur alle gefährlichen und
unsittlichen Bücher entfernen, und es gelang ihr
auch, daß Wien in literarischer und wissen
schaftlicher Hinsicht um ein Jahrhundert hinter
Deutschland zurückblieb; die auswärts gedruck
ten sotadischen Schriften freilich reisten unbean
standet im Gepäck der Diplomaten und fanden
nach wie vor zahlungsfähige Käufer. Nach dem
Tod der frömmelnden Kaiserin erließ Joseph im
Jahre 1781 milde Zensurbestimmungen. Treffend
sagen die »Galanterien Wiens«, 1784: »Als die
Preßfreiheit ertheilet wurde, glich Wien einem
Körper, der seit vielen Jahren an der Verstopfung
litt, und nun auf einmal ein mächtiges Purgatif
zur Kur gebraucht hatte, das bey allen öfnungen
des Körpers den Unrath heraustrieb, der schon so
lang gesteckt war.« Den massenhaft auftauchen
den Literaten, die zunächst über belanglose Ta
gesbroschüren nicht hinauskamen, wollte niemand
ihre Sachen abkaufen, und so handelten die Wie
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ner jetzt offen mit pikanten und obszönen Wer
ken. Die rückständigen Verfügungen Maria The
resias rächten sich noch an den besten Absichten
ihres Sohnes. — Josephs überstürztes Dekret, die
Prostituierten zum Straßenkehren zu verwenden,
nachdem man ihnen die Haare abgeschnitten,
wurde bald wieder zurückgenommen.
Wenige Jahrzehnte nach Restifs utopischer
Empfehlung schreibt ein Reisender über bestimm
te Straßen in Warschau, daß sie »nicht minder
übel berüchtigt sind, als die Kanonier- und Bä
renstraße in Berlin, der Spitalberg in Wien, die
Straße St. Honore in Paris, die Chiaja in Neapel
und gewisse Winkel in Venedig«. Hier fliegt der
Name des Spittelberges gleichwertig mit anderen
Gegenden auf, die einen kosmopolitischen Ruf
besaßen. Bereits aus dem Jahre 1714 stammt die
folgende Charakteristik der mehr oder weniger
maskierten Wiener Bordelle:
»Mancher Orthen aber haben die Wälle und
Pasteyen nur die Freyheit, daß man darauff aller
hand liederliche Wirths-Häuser passiret, worin
nen die leichtfertigste Buben-Stuck und s. v. Hur-
rereyen nebst andern abscheulichsten Sünden . . .
getriben . . . werden . . . Die Wirth darauff geben
grossen Zinnß, mithin thun sie, was sie wollen,
schencken Bier und Wein, halten darbey wilde,
schwartz und braune Jungfrauen; vel quasi wie
dann viller Orthen dergleichen Laster-Viecher an
zutreffen.
Manches mahl hat auch ein jeglich solches Mu-
schen-Hause seinen ordentlichen Spitz-Nahmen
als zum Exempl: bey der neunfingert-Steyrischen
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Sie 'Borifabl Sptliclberfl
9iact) bem §ubet'[cijcu ©tabtplcin (1785)
Gredl; oder zum nackenden Kapauner. Bey der
angestrichenen Julerl; oder zum zerbrochenen
Spiegl. Bey der Tyrollerischen Medritat-Kram-
merin-Frantzl; oder beym grünen Hut. Bey der
kleinen Tobacks-Krammerin, zur wilden Sau. Bey
der Schneider-Kundl zur verguldten Gaiß, und
noch andere Oerther mehr . . .
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