Table Of ContentKatharina Wojciech
Wie die Athener ihre Vergangenheit verhandelten
KLIO
Beiträge zur Alten Geschichte
Beihefte. Neue Folge
Herausgegeben von
Hartwin Brandt und Martin Jehne
unter Mitarbeit von
Manfred Clauss, Peter Funke,
Hans-Joachim Gehrke und Christian Mann
Band 35
Katharina Wojciech
Wie die Athener
ihre Vergangenheit
verhandelten
Rede und Erinnerung im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr.
ISBN 978-3-11-075480-3
e-ISBN (PDF) 978-3-11-075539-8
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-075551-0
ISSN 1438-7689
Library of Congress Control Number: 2021951721
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Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
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Historia vero testis temporum, lux veritatis, vita memoriae, magistra vitae, nuntia
vetustatis,quavocealianisioratorisimmortalitaticommendatur?
–Cicero,DeOratore2,36
Vorwort
Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner
Habilitationsschrift,dieanderPhilosophischenFakultätderAlbert-Ludwigs-Univer-
sität Freiburg i. Br. im Dezember 2016 angenommen worden ist. Die seitdem er-
schieneneForschungsliteraturwurdebis2020kontinuierlicheingearbeitet.
Der endgültige Titel der Arbeit entstand erst in Zusammenhang mit der Vorbe-
reitung auf die Veröffentlichung und verdeutlicht ein grundsätzliches Problem. Es
wird dort von ‚den Athenern‘ gesprochen. Dies ist insofern adäquat, als es im Fol-
gendenumdieVergangenheitsvorstellungenindenpolitischenForengeht,zudenen
nur die erwachsenen männlichen Athener Zugang hatten. Dennoch sollte man sich
bewusstmachen,dassdieMännerinAthenmitFrauenzusammenlebtenundsichmit
ihnenaustauschten.DasssichauchFrauenGedankenüberdieAthenerVergangenheit
machten,legtetwaderAnfangdesplatonischenMenexenosnahe:HierhältSokrates
eine Rede auf die Gefallenen,die er von Aspasia (eine Frauund eine Fremde dazu)
gehört haben soll (Plat. Menex. 236a–c). Die diskutierten Geschichtsbilder,die om-
nipräsentenMonumentederAthenerVergangenheitgehörteninkeinerWeisenurder
männlichen Bevölkerung Athens. Da wir jedoch aus der fraglichen Zeit keine
schriftlichenQuellen vonFrauenbesitzen,istesimEinzelfallkaumzuentscheiden,
wannesrichtigwäre,aufsieexplizitzuverweisenundihneneineStimmezugeben.
ImVerlaufderArbeitwirddeshalbdort,wonichtdieSituationderVolksversammlung
oderGerichtegemeintist,konsequentaufdasgenerischeMaskulinumzurückgegrif-
fenunddieFrageoffengelassen.
AlsichimHerbst2010dieStellederAkademischenRätininFreiburgangetreten
habe,hatteichdasInteressefürdiegriechischeErinnerungskulturschonimGepäck
dabei. Doch erst in Gesprächen mit Sitta von Reden, Peter Eich und Hans-Joachim
GehrkehatsichdanndieIdeeverdichtet,nachAthenzuschauenunddasCorpusder
attischen Redner einer Beschäftigung mit antiken Vergangenheitsvorstellungen zu-
grunde zu legen. Ihre mannigfaltige Unterstützung in den Jahren der Arbeit an der
HabilitationwarfürdieFertigstellungentscheidend.PeterEichhatdieEntstehungder
Arbeit in allen Phasen begleitet,einzelne Kapitelgelesen und mir stets mit Rat und
Geduld beigestanden. Sitta von Reden hat mit ihrer Expertise viele wertvolle Anre-
gungengeliefertundmeineForschunginjedererdenklichenWeisegefördert.Hans-
Joachim Gehrkes Begeisterung für antike Vergangenheitsvorstellungenwar mir eine
steteInspirationsquelle.IhnengebührtderallergrößteDank.
Ein wesentlicher Teil des Verschriftlichungsprozesses der Habilitationsschrift
fandamInstitutAusonius/UniversitéBordeauxMontaignestatt.DerAufenthaltdort
wurde im Rahmen eines Feodor Lynen-Forschungsstipendiums für erfahrene Wis-
senschaftler ermöglicht und durch die Alexander von Humboldt-Stiftung finanziert.
DieStiftungunterstützteauchgroßzügigdievorliegendeVeröffentlichungdurcheine
Druckkostenbeihilfe. Ihr sei an dieser Stelle besonders gedankt. Für die Einladung
unddiesofortigeBereitschaft,dieArbeitmitzubetreuen,binichPierreFröhlichzu
https://doi.org/10.1515/9783110755398-001
VIII Vorwort
Dankverpflichtet.SittavonReden,WernerEckundMichaelPeachinhabendieGut-
achten verfasst, die den Antrag begleitet haben. Jérôme France danke ich für die
freundlicheAufnahmeamInstitut,ValérieFromentinfürdieBereitstellungderMittel
fürdenGastgeberanteildesStipendiumsimNamendesProgramms‚LabExSciences
archéologiques de Bordeaux‘ (https://lascarbx.labex.u-bordeaux.fr). Der intensive
wissenschaftlicheAustauschunddiewunderbarkollegialeArbeitsatmosphärehaben
einerascheFertigstellungdesManuskriptsermöglicht.GedanktseitandieserStelle
deshalb auch Patrice Brun und Sophie Gotteland für die inspirierenden Konversa-
tionenüberattischeRhetorik,MilagrosNavarroCaballeroundGianpaoloUrsofürihre
Freundschaft,GhizlaneBencheikh,Jean-PierreBost,LaurentCapdetrey,Marie-Pierre
Chaufray, Hernán González Bordas und Jean-Michel Roddaz für stete Hilfsbereit-
schaft.
KontinuierlichenInputbekammeineForschungaufdenregelmäßigenTreffendes
internationalen Netzwerks ‚historiai. Antike Geschichtsschreibung und Vergangen-
heitsvorstellungen‘ und auf zahlreichen Konferenzen. Für Ermutigung und kon-
struktiveKritikdankeichunterdenFachkolleg*innenvorallemThomasBlank,Elena
Franchi, Felix K. Maier, Astrid Möller,Verena Schulz und Bernd Steinbock. Meinen
Mitstreiter*innen auf dem Historikertag 2016, Angela Ganter, Eva Hagen, Maria
Osmers und Uwe Walter, möchte ich ebenfalls einen Dank aussprechen – die ge-
meinsameVorbereitungunddieVorstellungeinesTeilsmeinerHabilitationsschriftin
diesemRahmenwarfürmichinvielerleiHinsichtlehrreich.
FürdieÜbernahmederGutachtenimHabilitationsverfahrendankeichabermals
PeterEichundSittavonRedensowieBernhardZimmermann,derenHinweiseindie
ÜberarbeitungderArbeiteingeflossensind.HartwinBrandtundMartinJehneseifür
dieAufnahmeindieReiheKlioBeihefteherzlichgedankt.AusdemWalterdeGruyter
VerlagmöchteichAnett Rehner,Carla Schmidtund MirkoVondersteinfürdie kom-
petenteBetreuungderPublikationdanken.DieKorrekturdesManuskriptshatfürden
Habilitationsvorgang Julia Wilm und für den Publikationsvorgang André Heller
übernommen, denen ich ebenfalls zu danken habe. Für alle Fehler bin dessen un-
geachtetnurichverantwortlich.DiePublikationwurdeaußerdemideellundfinanziell
vom Lehrstuhl für Alte Geschichte in Würzburgunterstützt,weshalb ich Rene Pfeil-
schiftersehrdankbarbin.
Eine solche Arbeit hätte schließlich nicht ohne die emotionale Stütze erfolgen
können,die Familie und Freunde bieten. Für stetes Verständnis,unermüdliches In-
teresse,vielZuspruchundeineganzbesonderelaudatiodankeichihnenvonHerzen.
Inhalt
Einführung 1
Beispielhafte Geschichte: Die Funktionen der Vergangenheit 27
. Vergangenheit denken: Moderne Konzepte und antike
Vorstellungen 27
. Ereignisse der Vergangenheit als pisteis 35
.. Die pisteis atechnoi 35
.. Die pisteis entechnoi 39
. Aus der Geschichte lernen – über Geschichte lernen? 48
.. Konstruktive Vergangenheit 50
.. Vergangenheit als Warnung 59
.. Macht und Ohnmacht der Vergangenheit 63
. Zusammenfassung 68
Zwischen Erinnerung und Vergessen: Selektive Betrachtungen der athe-
nischen Geschichte 70
. Die Versöhnung des Jahres 403 und das ‚beschworene
Vergessen‘ 71
.. Die Erinnerungen der Zeitzeugen: Eine ‚Karikatur der
Vergebung‘ 74
.. Die Retrospektive: Exemplum malum – exemplum bonum 80
.. Die Dreißig als dominante Erinnerung 83
. Jenseits der Perserkriege: Die Hegemonie im ‚adaptierten
Gedächtnis‘ 87
.. Glanz und Gloria: Die konstruierte Illusion 89
.. Zorn und Reue: Die problematischen Entscheidungen der
Demokratie 95
.. Militärische Niederlagen und Bedrohungsszenarien: Konzepte des
Scheiterns 102
.. Das Verhältnis zu Sparta nach 405/4: Über alte Hybris und neue
Hiketen 116
. Gründungsmythen: Eine antike Form der ‚Deckerinnerung‘ 121
.. Die Autochthonie 125
.. Verneint die Demokratie ihre Historizität? 129
. Zusammenfassung 136
X Inhalt
Zwischen aletheia und pseudos: (Re‐)Konstruktion und Interpretation der
gemeinsamen Vergangenheit 140
. Geschichte und Bürgerverband I: Die Argumentation mit der
‚Wahrheit‘ 142
.. Richter als Zeitzeugen 142
.. Richter als Traditionsbewahrer und Bildungsträger 144
.. Götter als Zeugen verborgener Vergangenheit 148
.. Geschichte im Urteil 150
. Geschichte und Bürgerverband II: Die Argumentation mit der
‚Lüge‘ 153
.. Die Verunsicherung der Richter 154
.. Die Widerlegung der Argumentation 156
.. Die Verleumdung des Gegenredners 157
. Die Spielräume der Redner: Was verrät die Lüge über die
Wahrheit? 161
.. (K)eine gefälschte Vergangenheit: Pisteis atechnoi als Zeugen der
Historie 163
.. Widersprüchliche Vergangenheit: Die Volksversammlung am 19. Ela-
phebolion des Jahres 346 170
.. Irrtum, künstlerische Freiheit, Konvention? Redeversus
Historiographie 174
. Zusammenfassung 189
Polis und Individuum: Modelle bürgerlichen Verhaltens 193
. Die Protagonisten rhetorischer Erzählung: Paradeigma – Heros –
Held – Antiheld 194
.. Athenische Königsfamilien: Das Motiv des persönlichen
Opfers 196
.. Feldherren als Identifikationsfiguren: Das Motiv der griechischen
Freiheit 200
.. Antihelden: Das Motiv des Verrats 219
. Die Redner und der Wettstreit um den Ruhm 225
.. Daskleos als Familienerbe 225
.. Redner und Strategen als Konkurrenten 233
. Zusammenfassung 240
Gegenwart wird Geschichte: Die Niederlage bei Chaironeia und der Kampf
um die Erinnerung 244
. Die Gefallenenrede des Jahres 338: Ein Nachruf auf den athenischen
Ruhm 246
. Die Verhandlung der Niederlage in den Debatten der Jahre 334 und
331/0 250
.. Die Schuldfrage: Demosthenes oder Tyche? 254