Table Of ContentWilfried Schubarth · Karsten Speck
Heinz Lynen von Berg (Hrsg.)
Wertebildung in Jugendarbeit, Schule und Kommune
Wilfried Schubarth · Karsten Speck
Heinz Lynen von Berg (Hrsg.)
Wertebildung
in Jugendarbeit,
Schule und Kommune
Bilanz und Perspektiven
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1. Auflage 2010
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© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Lektorat: Stefanie Laux
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Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-531-17044-2
Inhalt
I Einleitung
Renaissance der Wertebildung? Eine Einführung
Wilfried Schubarth, Karsten Speck, Heinz Lynen von Berg ................................................................ 9
II Theoretische Ansätze und Forschungsstand
Die „Rückkehr der Werte“. Die neue Wertedebatte und die
Chancen der Wertebildung
Wilfried Schubarth ........................................................................................................................... 21
Wertewandel unter Jugendlichen im Zeitraum von 1993 bis 2005
Mathias Burkert, Dietmar Sturzbecher ............................................................................................. 43
Wertebildung und Partizipation von Kindern und Jugendlichen
Karsten Speck ................................................................................................................................... 61
III Wertebildung in der Jugend- und Jugendsozialarbeit
Werte und Wertebildung Jugendlicher im historischen Wandel
Benno Hafeneger .............................................................................................................................. 93
Wertebildung und Teilhabe von Jugendlichen in ländlichen Regionen.
Ein qualitatives und quantitatives Praxisforschungsprojekt
Karsten Speck, Wilfried Schubarth, Heinz Lynen von Berg, Julia Barth ........................................ 115
Wertebildung in der außerschulischen Jugendbildungsarbeit
Thomas Handrich ........................................................................................................................... 145
Jugend- und Bildungsarbeit als Demokratie- und Werteerziehung
Rolf Kleine ..................................................................................................................................... 155
Jugendliche als Akteure der Wertebildung: die „Bildungsmultiplikatoren“
Sabine Behn, Katja Stephan............................................................................................................ 165
IV Wertebildung in der Schule
Gelegenheitsstrukturen zur Partizipation in Schulen und
Partizipationsbereitschaft von Schülern/Schülerinnen
Hermann Josef Abs ......................................................................................................................... 177
Wertebildung und Demokratie – Lernen in der Schule
Gerhard Himmelmann .................................................................................................................... 189
6
Wertebildung in der Schule: Handlungsansätze und Beispiele
Eva-Maria Kenngott ....................................................................................................................... 199
Werte-Bildung und politische Bildung
Sibylle Reinhardt ............................................................................................................................ 211
Schulische Wertebildung: Aktuelle Bedarfe und konkrete Antworten
Michael Rump-Räuber ................................................................................................................... 225
Die Bedeutung der Religionsphilosophischen Schulprojektwochen
für die Wertebildung
Lioba Diez, Manuela Michaelis, Henning Schluß........................................................................... 237
Wertebildung und demokratiepädagogische Schulentwicklung:
Ein Schulbeispiel
Ralph Leipold ................................................................................................................................. 251
V Wertebildung in der Kommune
Theoretische und methodische Grundlagen und Überlegungen
zur Wertebildung in der Gemeinwesenarbeit
Heinz Lynen von Berg .................................................................................................................... 265
Wertebildung und kommunale Bildungslandschaften
Heinz Müller................................................................................................................................... 289
Wertebildung am Beispiel der Arbeit des Mobilen Beratungsteams
Dirk Wilking .................................................................................................................................. 305
„Wertebildung in Familien“ Ein Praxiskonzept, das auf Vielfalt setzt
Luise Essen, Charlotte Giese .......................................................................................................... 315
Toleranzedikt als Stadtgespräch
Heinz Kleger................................................................................................................................... 329
Werteaneignung und Demokratie –
Die Arbeit des „Runden Tisches Werteerziehung“ in Brandenburg
Burkhard Jungkamp ........................................................................................................................ 341
Autorinnen und Autoren ....................................................................................................... 353
I
Einleitung
Renaissance der Wertebildung? Eine Einführung
Wilfried Schubarth, Karsten Speck, Heinz Lynen von Berg
Werte gewinnen offenbar wieder an Bedeutung in einer durch Globalisierung
und Individualisierung, durch von Finanzspekulationen ausgelöste Krisen und
Unsicherheit geprägten Zeit. Je größer die Verunsicherung, je schwächer die
gesellschaftlichen Bindekräfte, desto größer scheint offensichtlich der Wunsch
nach klaren Wertorientierungen zu sein. Doch was ist unter Werten zu ver-
stehen? Ist der neu-alte Ruf nach Werten mehr als nur ein liebgewonnenes Ritual
und parteipolitisches Geplänkel? Kann die medial inszenierte Wertedebatte die
Verständigung über Werte in der Gesellschaft voranbringen? Wie kann „Werte-
bildung“ im Sinne von „Werteaneignung“ gelingen? Welche Erfahrungen und
Konzepte der Wertebildung gibt es in der Jugendarbeit, in Schule und Kommu-
ne? Welche Ansätze, Konzepte und Methoden haben sich für die Werte-
aneignung bei Jugendlichen besonders bewährt?
Diese Fragen stehen im Zentrum des vorliegenden Sammelbandes, der eine
Bestandsaufnahme zur Wertedebatte sowie zur Wertebildung, vor allem bei
Jugendlichen, vornimmt und Perspektiven für die weitere Bildungsarbeit in der
Jugendarbeit, den Schulen und Kommunen aufzeigt. Mit dem Band soll zugleich
ein Beitrag zu Versachlichung der in der Regel emotional geführten Debatte um
Werte, Werteverlust bzw. -wandel und Wertekonflikte geleistet werden. Insbe-
sondere soll der Band das kritische Problembewusstsein für schulische und
außerschulische Wertebildung schärfen und für den komplizierten und wider-
sprüchlichen Prozess der Wertebildung sensibilisieren.
Die verschiedenen Beiträge des vorliegenden Bandes verdeutlichen zu-
gleich die große Spannbreite der Diskussion um Werte in Jugendarbeit, Schule
und Kommune. Sie reichen von einer theoretischen Auseinandersetzung zu Kon-
junkturen in der Wertedebatte, über Partizipation, Demokratielernen, politische
Bildung und Jugend(sozial)arbeit bis hin zur Gemeinwesenarbeit und kommuna-
len Bildungsarbeit. Da neben ForscherInnen auch zahlreiche PraxisvertreterInnen
zu Wort kommen, ist sowohl eine theoretisch und empirisch fundierte als auch
praxisorientierte Perspektive auf das Thema gegeben. Die Praxiserfahrungen und
-beispiele verweisen in plastischer Weise auf die Potenziale einer kritischen und
10 Wilfried Schubarth/Karsten Speck/Heinz Lynen von Berg
reflektierten Wertebildungsarbeit in den jeweiligen institutionellen oder sozial-
räumlichen Zusammenhängen.
Der Ruf nach Werten – so eine These des Bandes – ist neben der stets
wiederkehrenden politischen Instrumentalisierung des Themas eine Reaktion auf
eine verunsicherte Gesellschaft und weist auf einen erheblichen Verständigungs-
bedarf in pädagogischen Institutionen und dem kommunalen Raum hin. Diesen
Bedarf will der Band aufgreifen und umfasst mit der hier bewusst als Ober-
begriff gewählten Bezeichnung „Wertebildung“ sowohl die pädagogischen An-
eignungsprozesse in mit dem Wertethema befassten Institutionen als auch die
individuellen Werteaneignungsprozesse bei der Persönlichkeitsentwicklung.
Unter „Wertebildung“ verstehen wir die pädagogisch initiierte Auseinander-
setzung mit und Reflexion von Werten sowie das subjektive Erleben und An-
eignen von Werten. Bei diesem wechselseitigen Interaktionsprozess zwischen
Individuum und Umwelt kommt sowohl den pädagogischen und situativen
Arrangements als auch der aktiven Rolle des Subjekts eine große Bedeutung zu.
Durch die anvisierte Auseinandersetzung und Reflexion von Werten in
pädagogischen Kontexten und vor allem durch den nur begrenzt pädagogisch
beeinflussbaren Aneignungsprozess grenzt sich der hier präferierte, komplexere
Begriff der „Wertebildung“ von einer instrumentell-technokratischen Auffassung
der „Wertevermittlung“ ab. Wie Wertebildungsprozesse gelingen können und
welchen Beitrag dazu die verschiedenen Angebote im Rahmen von Jugendarbeit,
Schule und Kommune leisten, wird im vorliegenden Band diskutiert. Dabei wird
ein erweiterter Bildungsbegriff zugrunde gelegt, der formelle, nonformale und
informelle Bildungsprozesse umfasst und von einem aktiven Bildungsverständ-
nis ausgeht.
Zum Aufbau des Bandes:
Theoretische Ansätze und Forschungsstand (II): Nach der Einleitung (I) be-
schäftigen sich im zweiten Teil drei Beiträge mit theoretischen Ansätzen und
dem empirischen Forschungsstand zur Wertebildung.
Wilfried Schubarth widmet sich in seinem Beitrag der aktuellen Werte-
debatte und den Chancen der Wertebildung. Hierzu geht er zunächst der Frage
nach, was das „Neue“ an der Wertedebatte ist und wie es um den oft zitierten
Wertewandel bestellt ist. Auf der Basis von Diskursanalysen und empirischer
Befunde setzt er sich dabei kritisch mit den Annahmen eines „Werteverfalls“ in
der Gesellschaft, einer universellen „Übertragbarkeit“ von Werten sowie einer
angeblichen „Wertneutralität“ von Schule auseinander. Darauf aufbauend
werden konkrete Möglichkeiten, aber auch Grenzen der Wertebildung in Schule
und Jugendarbeit diskutiert.
Renaissance der Wertebildung? Eine Einführung 11
Mathias Burkert und Dietmar Sturzbecher beschäftigen in ihrem Beitrag
mit dem Wertewandel von Jugendlichen. Sie widerlegen anhand verschiedener
Jugendstudien die These eines postmaterialistischen Wertewandels in westlichen
Gesellschaften und konstatieren eine Koexistenz unterschiedlicher Wertorien-
tierungen bei Jugendlichen. Anhand einer eigenen Langzeitstudie bei Jugend-
lichen aus dem Land Brandenburg (1993-2005) verweisen sie auf die hohe
Priorität unterschiedlicher und sich z.T. widersprechender Wertorientierungen
bei Jugendlichen sowie auf die Zunahme von Wertorientierungen, die sich auf
soziales und politisches Engagement beziehen.
Karsten Speck geht in seinem Beitrag auf die Verknüpfung von Werte-
bildung und Partizipation bei Kindern und Jugendlichen ein. Verdeutlicht wird
anhand theoretischer Überlegungen, dass Partizipationsmöglichkeiten eine
Chance für eine umfassende Wertebildung von Kindern und Jugendlichen sind,
wenn sie direkte und indirekte Formen der Werteauseinandersetzung sowie reale
Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs- und Selbstbestimmungsmöglichkeiten für die
Kinder und Jugendlichen bieten. In Bezug auf Partizipationsmöglichkeiten wird
zum einen herausgearbeitet, dass eine rechtliche Ausweitung partizipatorischer
Möglichkeiten auf Landesebene und insbesondere kommunaler Ebene feststell-
bar ist. In Kontrast dazu wird jedoch anhand empirischer Befunde belegt, dass
die reale Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, beispielsweise in Schule
und Kommune, gravierende Partizipationsdefizite und damit unzureichende bis
kontrainduzierte Arrangements zur Werteaneignung aufweist.
Wertebildung in der Jugend- und Jugendsozialarbeit (III): Der dritte Teil
des Buches versammelt fünf praxisfeldbezogene Beiträge zur Wertebildung in
der Jugendarbeit, Jugendbildung und Jugendsozialarbeit.
Benno Hafeneger erörtert in seinem historisch angelegten Beitrag zunächst,
wie in der Geschichte der Jugendarbeit und -bildung das Thema „Jugend und
Werte“ behandelt wurde. Als Merkmale der aktuellen Wertediskussion zur
Jugend konstatiert er zum einen den (sozialpädagogischen) Anspruch einer zeit-
gemäßen „Jugenddiagnose“ und einer daraus abgeleiteten Begründung der
Jugendarbeit als „Wert“; zum anderen verweist er auf aktuelle Wertedebatten um
Disziplin, Gehorsam und Autorität.
Im Beitrag von Karsten Speck, Wilfried Schubarth, Heinz Lynen von Berg
und Julia Barth werden der Verlauf und ausgewählte Ergebnisse des Praxis-
forschungsprojekts „Wertebildung und Teilhabe von Jugendlichen in ländlichen
Regionen Brandenburgs“ dargestellt, das im Zeitraum von April 2008 bis April
2010 vor allem in Form von studentischen Lehrforschungsprojekten an der Uni-
versität Potsdam realisiert wurde. Bestandteile dieses Projekts waren bundes-
und landesweite Recherchen zu Werteprojekten und Werteinitiativen, die Durch-
führung von Fallstudien in ausgewählten ländlichen Regionen Brandenburgs, die
12 Wilfried Schubarth/Karsten Speck/Heinz Lynen von Berg
Identifizierung und Prämierung von vorbildlichen „Werteprojekten“ sowie die
Qualifizierung von Studierenden zu „Werteforschern“. Die Ergebnisse verdeut-
lichen eine wachsende Diskrepanz zwischen der Wertedebatte einerseits und der
wertebildenden Jugendarbeit, insbesondere in ländlichen Regionen, andererseits.
Augenfällig ist die prekäre Situation der Jugendarbeit, die mit den Heraus-
forderungen an Wertebildung gerade in Hinblick auf benachteiligte Jugendliche
überfordert scheint. Entsprechende Handlungsempfehlungen werden abgeleitet.
Darüber hinaus wird aufgezeigt, auf welch vielfältige Weise eine Hochschule
einen Beitrag zur „Wertebildung“ leisten kann.
Thomas Handrich beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Wertebildung
in der außerschulischen Jugendbildungsarbeit. Hierzu geht er in einem ersten
Schritt mit einem kritischen Blick auf die heutige Situation von Jugendlichen ein
und leitet daraus in einem zweiten Schritt praktische Konsequenzen für die
politische Jugendbildungsarbeit ab. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Situation
von Jugendlichen hebt er vor allem den wachsenden Leistungs- und Selektions-
druck, die schwierige und prekäre Einmündung in den Arbeitsmarkt, die
Orientierungslosigkeit und hohe psychische Belastung der Jugendlichen durch
Schule und Familie und den negativen Einfluss von Medien hervor. Als Konse-
quenz fordert Handrich von der politischen Jugendbildungsarbeit ein Zugehen
auf die Jugendlichen in ihren alternativen Zirkeln und Netzwerken, die Ver-
mittlung von Medienkompetenz, die Thematisierung von Ungleichheits- und
Machtverhältnissen sowie eine enge Kooperation von Bildungsstätten und
Schulen und entsprechende Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche
Jugendarbeit.
Rolf Kleine stellt in seinem Beitrag ein konkretes Praxisprojekt der Jugend-
und Bildungsarbeit vor, das zur Demokratie- und Werteerziehung bei Jugend-
lichen beigetragen hat. In dem Projekt wurden Politiker unterschiedlicher
Parteien und Jugendgruppen unterstützt, einen kurzen Film über sich bzw. ihre
jeweilige Gruppe und deren Zukunftswünsche für ihre Stadt zu produzieren, um
unterschiedliche (Zukunfts-)Perspektiven für „ihr“ Gemeinwesen zu beleuchten
und in einen Dialog zu bringen. Der Beitrag verdeutlicht am Beispiel der Aus-
einandersetzung um einen Skatepark die hohe Partizipationsbereitschaft von
Jugendlichen, aber auch die Schwierigkeiten von Politik und Verwaltung, die
jugendlichen Bedarfe tatsächlich zur Kenntnis zu nehmen und in angemessener
Weise zu realisieren. Dabei reflektiert er auch die Demokratieerfahrungen und
Wertebildungsprozesse von Jugendlichen und die anforderungsreiche Rolle von
Fachkräften in einer gemeinwesenorientierten Jugend- und Bildungsarbeit.
Sabine Behn und Katja Stephan erläutern in ihrem Beitrag ein Praxis-
projekt, in dem Jugendliche zu Bildungsmultiplikatoren qualifiziert und bei der
Umsetzung eigener Projekte vor Ort unterstützt werden. Ziel des Projekts war es,