Table Of ContentBettina Blessing
Wege derhomoopathlschen Arzneimitteltherapie
Bettina Blessing
Wegeder
homoopathischen
Arzneimitteltherapie
Mit einem Geleitwort von Robert Jutte
Mit23Abbildungen
~
Springer
FrauDr.phil.BettinaBlessing
WissenschahlicheMitarbeiterin
InstitutfurGeschichtederMedizin
RobertBoschStihung
StrauBweg17
70184Stuttgart
DenFirmenHeel,Madaus,Pascoe,KattwigasowiederDeutschenHomoopathischenUnionKarlsruhe
seifurdieVerfUgungsteliungderBildergedankt.
ISBN 978-3-642-11166-2 SpringerMedizinVerlagBerlinHeidelbergNewYork
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v
Geleitwort
DasInteresseander Hornoopathieistungebrochen,janimmtsogarzu.72%der Bundesbiirger
wiinschen, mithomoopathischenArzneimittelnbehandeltzuwerden (Marplan-Institut1995).
InzwischenistdieHornoopathiein Deutschlanddiebeliebteste alternativeHeilmethode.Das
gehtauszweireprasentativenUmfragen der Apotheken-Umschauvom Friihjahr2001und der
Gesellschaftfur Konsumgiiterforschung(GfK)vomFriihjahr2003hervor.Einevonder"Arzt
lichenAllgerneinen"inAuftraggegebeneUmfrageunterAllgemeinarztenund Internistenergab,
dass76,9%dieser Arzte homoopathischeMittel "sehroft,oftodergelegentlich"verschreiben,
daruntervielesogenannteKomplexmittel.AuchinEuropabefindetsichdieHomoopathieseit
vielen Iahrenim Aufwind, obwohldasentsprechendeeuropaischeArzneimittelrechtimmer
noch weitvonharmonisiertenBedingungenentferntist.
Wieindersogenannten "Schulmedizin':soexistierenauchinderHomoopathieunterschied
licheRichtungen,die zum Teilbereitsaufeine langeTraditionverweisenkonnen,Neben der
.KlassischenHomoopathie',diesichaufHahnemannberuftund aufEinzelmittelwertlegt,gibt
esdieKomplexmittelhomoopathie.AlsKomplexmittelwerdeninderHornoopathie aufeinander
abgestimmtePraparatebezeichnet,diemehrerewirksame Einzelmittel enthalten.Siekommen
meist alsTropfen oderTabletten inden Handelundeignensichnichtnurzur Selbstmedika
tion, sondernwerdenauchvonvielenArzten und Heilpraktikerngeschatzt,weilsiediehaufig
zeitraubendeUntersuchungdes Patientenabkiirzen unddiekomplizierteMittelwahl, wiesie
fiir die.KlassischeHornoopathie"typisch ist,vereinfachen. Komplexmittelorientierensich,
ahnlichwieinder sogenanntenSchulmedizin,mehran der Diagnoseunddem allgemeinen
Krankheitsbild.Damitsteht dieKornplexmittelhomoopathieaber nicht,wievielfachund auch
erst jiingstwiederbehauptetwurde, imWiderspruch zuden Grundlagender Hornoopathie
(vorallem zumAhnlichkeitsprinzip).Dagegen habenschonfriih Befurworterder Komplex
rnittelhomoopathiekritisch eingewandt, warumahnlich wirkendeArzneiennicht miteinander
kombiniertwerdendiirften,wennmandochaufgrundvonArzneimittelpriifungen amGesunden
dieklinische Wirkungeinesjeden homoopathischenMedikamentskenne.
AngesichtsderRolle,dieKomplexmittelverschiedenerHerstellerheuteaufdemkomplernentar
medizinischenArzneimittelmarktspielen,iiberraschtes,dassdieEntstehungsgeschichtedieser
homoopathischenTherapieformkaum erforschtist.DieMedizingeschichtekonzentriertesich
langeZeitfastausschlie6lichaufdieHauptstromungen,namlichaufdie.KlassischeHomoopathie"
nachHahnemannund aufdienaturwissenschaftlich-kritischeRichtung,dieim 19.[ahrhundert
entstandund dieinder ersten HalftedesvergangenenJahrhundertsihreBliitezeithatte.
DievorliegendeStudie betrittdeshalb invieler HinsichtNeuland.Dazugehortauch die
Sondierungderhistorischgewachsenen VerbindungenzwischenHomoopathieund Naturheil
kunde.TrotzallerAbgrenzungsversucheaufbeidenSeitengabesinder Vergangenheitimmer
wieder Annaherungen.EinherausragendesBeispielistEmanuelFelke(1856-1926),der zwar
alsErfinderder .Lehmkur"indie Annalen der Medizin eingegangenist,der aber zeitseines
Lebensdie Hornoopathiealsdas Riickgratseines Heilsystem, dasalsFelke-Kursichbisheute
gro6erBeliebtheiterfreut,bezeichnete.
ObgleichdieSpagyrikeineigenesSegmentdesArzneimittelmarktsbildet,gibtesdurchaus
BeriihrungspunktemitderHomoopathieimAligemeinenund der Komplexmittelhomoopathle
imBesonderen.DasBindegliedistdiesogenannte .Elektrohomoopathie';iiberderenUrspriinge
und verzweigte Entwicklungnurwenigbekanntist.Zuden Pionierendieser therapeutischen
Richtungzahlen unteranderem CesareMattei (1809-1896),AlbertSauter (Lebensdaten
unbekannt) undCarl FriedrichZimpel(1801-1878). Ailedrei habendie Spagyrik,ein auf
vi Geleitwort
ParacelsuszuriickgehendesHeilverfahren,weiterentwickeltundhaben unterWahrungdes
HahnemannschenSimile-Prinzipsein eigenes Heilsystemgeschaffen,dassiezuWegbereitern
der Komplexmittelhomoopathiemachte.
Wenigbekanntistauch,dassder Begriinderder Homoopathie,SamuelHahnemann(1755
1843),aufden sichdieVertreterder .KlassischenHomoopathie"gerneberufen,aufAnregung
seinesSchiilersKarlJuliusAegidi(1794-1874)sowieseines FreundesClemensMaria Franzvon
Bonninghausen(1785-1864) mitsogenannten.Doppelmitteln"experimentierthatte,urndiese
schliefilichdoch zugunstenderkompromisslosenGabevonEinzelmittelnwieder zuverwerfen.
ZumwichtigstenPropagandistender Gabe von Doppelmittelnwurdeder in Kothen wirkende
HomeopathArthurLutze(1813-1870),der urn die Mittedes 19.Jahrhundertseinenriesigen
ZulaufanPatienten hatte.Erveroffentllchte1865ohneGenehmigungeine6.Auflagedes"Orga
non'; inder der vonHahnemanngestricheneDoppelmittelparagraphohnenahereErlauterung
wiederabgedruckt ist.Dr. Blessingzeichnetin ihreraufzahlreicheQuellengestiitztenStudie
diewichtigstenzeitgenossischenAnsichteniiber dasWechseln undMischenhomoopathischer
Arzneimittelnach undmachtsomitdeutlich,dass die Vorlauferderheutigen Komplexmittel
schonfriih zahlreicheBefurworterhatten.
WennmanheuteStreitschrifteniiberdieHomoopathieIiest,soerinnertdasandieKontroverse,
dieMitteder 1920erJahreinden SpaltenfuhrendermedizinischerFachzeitschriftenausgetragen
wurde. Ausloserwar eine positiveAuf)erungdesberiihmten BerlinerChirurgenAugustBier
(1861-1949)zur Homoopathie.Bierhattedie Kritiker der Homoopathiedazu aufgefordert,die
umstritteneHeilweisevorurteilsfreizuprufen,sowieeresselbstinseinerBerlinerKlinikgetan
hatte. EswarvorallernAugust Bier,der durchdievon dem GreifswalderPharmakologenHugo
Schulz (1853-1932)durchgefuhrtenExperimenteeine tragfahigewissenschaftlicheGrundlage
fur dieAhnlichkeitsregelgeschaffensah.Seit1903trat Bieroffentlichfur dieArndt-Schulzsche
Regelein.Sielautet:.SchwacheReizefachen dieLebenstatigkeitan,mittelstarke Reizefordern
sie,starkehemmensie,starkstehebensieauf'DiesesAxiom wird bisheute zur Erklarungvon
Regulationstherapien(zurder Z.B.auch die Homoopathiezahlt) herangezogen.
Nach dem Zweiten WeltkrieggehorteHans-HeinrichReckeweg(1905-1985)zuden Medi
zinern,diesichfur ein Heilkonzepteinsetzten,daseinem"ganzheitlichenDenken"entsprang.
Sein therapeutisches System, die Homotoxikologie,dessen historischeWurzelnhiererstmals
dokumentiertwerden,stellt den VersucheinerSynthesezwischenHomoopathieundnatur
wissenschaftIicherMedizindar.WahrendseinerBerlinerStudienjahrehatteReckewegsowohl
dieVorlesungenErnstFerdinandSauerbruchs(1875-1951)alsauch dieAugust Biersbesucht.
Richtungweisendwurdefur den spaterenGriinderder FirmaHeelvorallemaber AugustBier.
ZurselbenZeit, alsAugust Biereine Lanzefur die Hornoopathiebrach,also urn dieMitte
der 1920erJahre,fand sicheinGruppevonArztenzusammen,dievonder Notwendigkeittiber
zeugt war,dieverschiedenen therapeutischen Richtungen"imSinne einernaturwissenschaft
lich begriindetenundzur Kunst entwickeltenHeilkunde"zuvereinigen. IhrMottowar: "Ars
una, species mille"("EineKunst,tausendUnterarten"),DasSprachrohrbzw.diepubIizistische
PlattformdieserBewegungwar die ZeitschriftHippokrates, die 1929begriindetwurde. Ihr
programmatischerUntertitellautete:.ZeitschriftfiirEinheitsbestrebungender Gegenwartsme
dizin" Der Herausgeber,Prof.Dr.med. Georg Honigmann(1863-1930),machteinder ersten
NummerdieserZeitschriftdie ZielsetzungdeutIich: "DieMedizindarfin ihrerEntwicklung
nichtan das letztenEndeszufallige, ihrdurchausnichtadaquateNeben-undNacheinander
naturwissenschaftlicherEntdeckungenallein gebundensein, wennsieauchder Befruchtung
durchsiekeineswegsentratensoli.Siemuss von einereinheitlichenEntwicklungsideegelei
tet unddurchwaltetwerden,in derenAufbausie dazugelangt,denSinndermenschlichen
Krankheitserscheinungenzuverstehen,"Weiterfindetsich dortdas Pladoyer,die Ergebnisse
vii
Geleitwort
der .rnechanisnsch-generalisterendenMethodikdurch andereErwagungen"zuerganzenund
zuverbessern. DamitknupfenHonigmannundseine zahlreichenMitstreiter,darunterauch
einigemedizinischeKoryphaen,andasan,wasBismarcksLeibarzt Professor ErnstSchwenin
ger(1850-1924)inseinem Buch.DerArzt"(1906)inkampferischerManierund deshalbauch
einweniguberspitztsoformulierte:"Zerschlagtdas,wasin unziemlicherVordringlichkeitdie
HerrenGelehrtenEuchzum Richtscheid aufsetzen wollen.Macht EuchselbsteinePathologie,
dieeineLehrevonden krankenMenschen ist;werftderWissenschaftihreSchablonentherapie
hin, dieden MenscheninTeilezerschnitzelt,urnsieFachleutenzur Bearbeitungauszuliefern"
Heuteisteinesolchekritische EinschatzungdesGesundheitswesenswiederaktuell.Bereits
seiteinigenIahrenistesZieldes.DialogforumPluralismusinderMedizin',durch einenoffenen
Dialoginnerhalbder Arzteschafteinen wesentlichenBeitragzueinemkonstruktivenDiskurs
zwischenVertreternder konventionellenMedizinundder Komplementarrnedizinim Sinne
einerbestmoglichenPatientenversorgungzuleisten.Das Verhaltnisvon Schulmedizinund
Komplernentarmedizin(hiermitsind zusammenfassendalternativemedizinischeSystemebe
zeichnet)istselbstimdeutschen Gesundheitssystem nachwievorvongegenseitigemMisstrauen
undAbgrenzungstendenzengepragt.Eine systematischeZusammenarbeitunterschiedlicher
medizinischerGrundkonzepteistderzeit nicht zuverzeichnen.Allenfallsexistiert eine"asym
metrischeKoexistenz', beider anMedizinischenFakultatenfastausschlietilichSchulmedizin
vermittelt und angewandtwird,inweitenBereichenderambulantenmedizinischenVersorgung
dagegendiezusatzlicheNutzungvonKomplementarmedizinverbreitetist.DasunterMitwirkung
desPrasidentender Bundesarztekammer,Professor Dr.med. Dr.h.c.Iorg-DietrichHoppe, im
Herbst 2000insLebengerufene.DialogforumPluralismus inderMedizin"hatsichdeshalbdie
Aufgabegestellt,innerhalbder Arzteschaft einen kritischenDialogzwischenden unterschied
lichen Richtungeninder Medizinzuverfolgen. Ahnlichwievor mehralsachtzig Iahren,als
sichAugustBierfur dieHomoopathiestarkmachte, gibtesinzwischenwieder Vertretereiner
naturwissenschaftlichausgerichtetenMedizin,die Forschungenzur Komplementarrnedizin
begrufsenund offenfur einen konstruktivenDialogsind.
DievorliegendehistorischeStudie zeigtauf,dass die Homoopathievon Anfangan nicht
nur heftigbekampftworden ist,sonderndassesauchimmerwiederMedizinergegebenhat,die
sichohne Scheuklappenmitdieserbisheute umstrittenenHeilweiseauseinandergesetzthaben.
DassgeradedieKomplexrnittelhomoopathieeinen Bruckenschlagleichter machte, isteineder
vielenErkenntnisse,diedieseprofundegeschichtswissenschaftlicheDarstellungausder Feder
einer ausgewiesenenSozial-und Medizinhistorikerinvermittelt.
Stuttgart, imFriihjahr2009
ProfDr.phil.RobertIutte
ix
Inhalt
EntwicklungderKomplexmittelhomoopathievom 19.Jahrhundert
biszum EndederWeimarerRepublik .
DieDiskussionumdieEinfUhrungdesDoppelmittelszuLebzeitenHahnemanns 1
ArthurLutzesStellungzuArzneigemischen ................................................ 8
KomplexmittelinEuropa.................................................................. 10
HornoopathischerZentralverein 12
"Wiestellenwir unszurKomplexhomoopathie?" 13
Einzelmittelhomoopathie 13
KomplexmittelalsKompromiss 15
KlinischeHomoopathie 16
VerbreitungderKomplexmittelhomoopathie 18
Felke 20
Madaus 21
Reckeweg 24
Hense 26
Zahres 28
Schwabe 28
Pascoe 30
Exkurs:Spagyrik 31
Elektrohomoopathie 31
Mattei 31
Sauter 34
limpet 35
KrauB 38
Sonntag 40
2 DieVerbindungvonHomoopathleundNaturheilkunde 43
Naturheilkunde 43
Krankheitslehre 44
DasTherapiekonzeptEmanuelFelkes:Hornoopathieund Naturheilkunde 45
DieKrankheitslehre Felkes............................................................. 47
DieFelke-Heilweise 50
Sitzbader.............................................................................. 50
licht-,Luft-undSonnenbiider 51
Lehmbehandtungen 51
ErnahrungundBewegung.............................................................. 52
Hahnemann unddieDiatetik.............................................................. 54
SynthesenderHeilsysteme................................................................ 56
x Inhalt
3 Hcrnoopathiealslei! der"Ganzheitsmedizin"........................................ 57
DieSchulmedizin und ihre.Krlse" 57
AugustBier(1861-1949) 59
DieStellung AugustBierszurHornoopathie............................................ 66
FerdinandSauerbruch:"fineLanzefOrAugust" 67
Interessenskonflikte.................................................................... 69
Ahnlichkeitsregel 71
HeilentzOndungen .................................................................. 71
Reizkorper 72
ArzneimittelprOfung 74
Symptomenkomplex................................................................ 74
Dosierung............................................................................. 75
Arndt-SchulzscheRegel 75
Potenzierung....................................................................... 77
Intervalle 79
DieHomoopathieHahnemannsalsSystem 80
August Biers"GroBteNaturheilanstaltderWelt" 82
DieInstitutionalisierung derHornoopathieanderBerlinerUniversltat 84
DasKrankheits-und BehandlungskonzeptHans-HeinrichReckewegs....................... 89
Fieberund Entzundunq 91
PhasenderVergiftung " 91
HornoopathieunddieHomotoxinlehre ............................. 92
InjektionstherapiemithornoopathischenArzneimitteln ..................... 95
ErnahrunqundSutoxine 98
DieHornoopathieals.MutterderHeilkunde" 100
Zusammenfassung 103
Archive 109
literatur.............................................................................111
1
Entwicklung der Komplexmittel
homoopathle vom 19. Jahrhundert
bis zum Ende der Weimarer Republik'
Die Diskussionumdie Einfuhrungdes ambivalent.In einem Briefvom April 1833lehnte
DoppelmittelszuLebzeitenHahnemanns erdieExperimentierfreudigkeitKarlJuliusAegidis
(1794-1874)mitDoppelmitteln nochab.' Der Me
Die Entwicklungder Homoopathiehatim Verlauf dizinerKarlJuliusAegidiwardurch dieVermittlung
von200[ahrenzahlreicheWegeeingeschlagen.Neben Hahnemannszum Leibarztder Prinzessin Louise
der so genannten "klassischen"Hornoopathiebe von Preufsenernanntworden undbetrieb neben
gannsichbereitszuLebzeitenSamuelHahnemanns seiner Funktion alsRegimentsarzt in Dusseldorf
(1755-1843)eineRichtungzu etablieren, die mit einePrivatpraxis.' Daerdie Prinzessin haufigauf
Doppelmitteln experimentierte und therapierte ihrenlangen Reisen begleitete,konsultierten seine
undsomitgegen sein Grundprinzip der Einzel Patienten unterdessen den inKolnpraktizierenden
mitteltherapieverstiefs, DerEntstehungszeitpunkt ArztJohann Stoll(1769-1848).5Aegidizufolgestand
deshornoopathischenDoppelmittelsistaufdieJahre Stollindem Ruf,einHornoopathzusein, obwohl
1831/32zudatieren;d.h.dieGeschichtederhomoo erseinerMeinungnachnicht nur dasAhnlichkeits
pathischenArzneigemischeistbeinahesoaltwiedie prinzipverwarf,sondernauchvonderindividuellen
Homoopathieselbst.' ArzneiprufungsowievonderArzneimittellehrekeine
Wiewirdem SchriftwechselHahnemannsmit medizinischen Fortschritteerwartete,"Dennoch
seinenKollegenentnehmenkonnen,verhieltersich therapierteStollmitpotenzierten homoopathischen
inder Frageder ZulassigkeitvonArzneigemischen Arzneien.SamtlicheArzneimittelwurden vonihmin
3SchreibenHahnemannsanAegidiYom28.04.1833.Ahdruck
I SeitAnfangder90erJahredes20.Iahrhundertswirdauch in:Haehl(1922),Bd.1.S.429:,,[...]HorenSieaberauf,den
zwischen.Komplexmitteln"alsinderNaturvorkommenden GemischenDr.StollseinigeAufmerksamkeitzuschenken,
Zusammensetzungenund.Kombinationsarznelmltteln"als sonstrnochteichfurchten,Siewarennochnichtvonderewigen
herbeigeflihrtenMischungenunterschieden.1mRahmender Notwendigkeitmiteinfachen,ungemischtenMittelnKranke
hiervorliegendenhistorischenDarstellungwirdaufdiese zubehandelnuberzeugt.AuchSchaferundScharfrichterhabe
Differenzierungjedochverzichtel.Weingartner(2007),S.39 ichhieunddaetwasSonderlichesausrichtensehen.Wollen
undders,(2006),S.4. wirauchsoindenGliickstopfgreifent"
2 Das[ahr 1796wirdgewohnlichalsdasGeburtsjahrdervon 4 ZurBiographieKarlJuliusAegidisvgl.Vigoureux(2001).
HahnemannbegriindetenLehrebezeichnel.1807benutzte SAnhandderQuellenkannnichtbelegtwerden,welcheGriinde
HahnemanndenBegriffhomoopathischbzw.ab1810ver denKelnerArztbewogen,Doppelrnitteltherapienanzuwenden.
wendeteerdenNamenHomoopathie.Vgl.Iiitte(1996),S.24. 6 Aegidi(1838),S.278.
2 Kapitell.Entwicklung derKomplexmittelhomiiopathievom 19.JahrhundertbiszumEndederWeimarerRepublik
positivenErgebniswieAegidi,?Nachdemsieunterein
ander Diskretion vereinbart hatten, batAegididie
"hOehsteInstanz',alsoHahnernann,urnUberpru
fungsowieurndieVeroffentlichungderErgebnisse.
InwenigeralseinemMonathattesichdaraufhin
beiHahnemanneinkompletterSinneswandelvoll
zogen.'?Erbegrufite,zumalauehseinFreund von
9 DerJuristClemensMariaFranzvonBonninghausen war
neben HahnemanneinerderbedeutendstenHornoopathen
seinerZeit.AlsvonBonninghausen,Generalkommissardes
KatastersderbeidenProvinzenRheinlandundWestfalenund
zugleichDirektordesBotanischenGartensinMiinster,schwer
anSchwindsuchterkrankte,machteernachlangwierigem
LeidenBekanntschaftmitHahnemann.SeinInteressefiirdie
Hornoopathiewuchsvonnunanstetig;ab1830therapierteer
seibernachderhomoopathischcnMethode.Bis1836fiihrte
erdieKatasterbehordenebenseinerhomoopathischenPraxis.
1843bekamervonFriedrichWilhelmIV.offizielldieErlaub
nisverliehen,alsHomeopath zuarbeiten.1848griindete
KarlJuliusAegidi (1794-1874) Biinninghausendie.VersammlunghomoopathischerAerzte
RheinlandsundWestfalens:'ZuseinenPatientenzahltenu.a.
KaiserinEugeniaundAnnettevonDroste-Hiilshoff.Auchder
ausThiiringenstammendeGeorgHeinrichGottlieblahrhatte
zweiKlassenunterteilt,vondenenerimkonkreten zunachsteinenanderen Berufausgeiibt. Erwar alsLehrer
Falljeeinswahlteund beidehoehverdunntdureh aneinerSchuleinDiisseldorftatiggewesenundstandin
freundlicherVerbindungzuKarlJuliusAegidi.Erfolgteauf
Weingeistverband.'
EmpfehlungHahnemannsAegidiimDienstederPrinzessin
DurchStollinspiriert,fuhrteAegidinachanfang vonPreuflen nach,dieAegidiwegen "zunehmenderTeil
licherSkepsisseitOktober 1832ebenfallsVersuehe nahmslosigkeit"entlassenhatte.Nachdemauch[ahrdenDienst
beiderPrinzessinquittierthatte,studierteerinBonnMedizin
mitDoppelmittelndureh.AiserseineErwartungen
undwurdeArzteinesreichenEnglandersinSiidfrankreich.
durehdenErfolgiibertroffensah,setzterHahnemann SpaterlieGersichinParisnieder,woermitHahnemann,den
inKenntnis."DieAnwendungeinesDoppelmittels erschonvonKothenherkannte,inKontaktstand.Schroers
(2006),S.16,68.Haehl(1922),Bd.1,S.430-434,444-446.
warnaehAegidijedoehnurerlaubt,wennzuvorin
10SchreibenHahnemannsanAegidivom15.05.1833.Abdruck
kleinstenGabenverabreiehteEinzelmittelkeinenEr in:Lutze(1860),S.XXIVf.,,[...JIchfreuemichdaher,dass
folgerzielthatten.Daruberhinausdurftennurso1che SieaufeinensogIiicklichenGedankengekommensind,ihn
aberindernothwendigen Einschrankunggehalten haben:
Arzneimittelmiteinanderverbundenwerden,dieim
"Dassnurindem FailezweiArzneisubstanzen(infeinster
konkreten KrankheitsfallurndenVorrangstritten. Gabe,oderzumRiechen)zugleicheingegebenwerdensollten,
NachAegidisThesehobdasZweitmitteldieWirkung wennbeidegleichhornoopathischdemFallangemessenschei
nen,nurjedevoneinerandernSeite.DannistdasVerfahren
deserstennichtauf.DasDoppelmittelwurdedem
sovollkommenunsererKunstgemafi,dassnichtsdagegen
PatientenentwederinFormvonzweiStreukiige1chen einzuwendenist,vielmehr,dassmander Homoopathikzu
verabreichtodererroehgleiehzeitigmitdemeinen Ihrem FundeGliickwiinschenmuss.Ichselbstwerdedie
ersteGelegenheitbenutzen,ihnanzuwenden,undzweifleam
Nasenloehandem einen Mittel,mitdem anderen
gutenErfolgekeinenAugenblick.Auchfreutesmich,dass
Nasenloehan dem anderen.Durchdie Versuehe unserv.Biinninghauseneinstimmigmit uns hierindenkt
Aegidiserrnuntert,pruften sowohlClemensMaria undhandelt.Ichglaubeauch,dassbeideMittelzugleicher
Zeitgegebenwerdensoliten- sowiewieichzugleicherZeit
FranzvonBonninghausen(1785-1864)alsauchGe
SulphurundCalcariagebe,wennichHeparsulph.eingebe
orgHeinrichGottliebIahr(1800-1875)dieWirkung oderriechenIasse- oderSchwefelundQuecksilber,wennich
vonDoppelmittelnundgelangtenzueinemahnlich Zinnobereingebeoderriechenlasse.ErlaubenSiealso,dass
ichlhrenFundindernachstenerscheinenden5tenAusgabe
desOrganonsderWeltgehOrigmittheile.Bisdahinaberbitte,
7 NachwelchenKriteriendiebeidenKlassengewahltwurden, ichAllesbeisichzubehaltenundauchHerrn[ahr,aufden
istnichtbekannt. ichvielhalte,dazuzuvermogen.Zugleichwerdeichdabei
8SchreibenAegidisanHahnemannvom08.05.1833.Abdruck gegenallenMissbrauch,nachleichtsinnigerWahlzweierzu
in:Vigoureux(2001),S.79.Aegidigibtan,"einige80Versuche verbindenderArzneiendaselbstprotestirenunddavorernstlich
dieserArtgemacht"zuhaben. warnen,"