Table Of ContentBettina Blessing
Wege derhomoopathlschen Arzneimitteltherapie
Bettina Blessing
Wegeder
homoopathischen
Arzneimitteltherapie
Mit einem Geleitwort von Robert Jutte
Mit23Abbildungen
~
Springer
FrauDr.phil.BettinaBlessing
WissenschahlicheMitarbeiterin
InstitutfurGeschichtederMedizin
RobertBoschStihung
StrauBweg17
70184Stuttgart
DenFirmenHeel,Madaus,Pascoe,KattwigasowiederDeutschenHomoopathischenUnionKarlsruhe
seifurdieVerfUgungsteliungderBildergedankt.
ISBN 978-3-642-11166-2 SpringerMedizinVerlagBerlinHeidelbergNewYork
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SPIN:12823291
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v
Geleitwort
DasInteresseander Hornoopathieistungebrochen,janimmtsogarzu.72%der Bundesbiirger
wiinschen, mithomoopathischenArzneimittelnbehandeltzuwerden (Marplan-Institut1995).
InzwischenistdieHornoopathiein Deutschlanddiebeliebteste alternativeHeilmethode.Das
gehtauszweireprasentativenUmfragen der Apotheken-Umschauvom Friihjahr2001und der
Gesellschaftfur Konsumgiiterforschung(GfK)vomFriihjahr2003hervor.Einevonder"Arzt
lichenAllgerneinen"inAuftraggegebeneUmfrageunterAllgemeinarztenund Internistenergab,
dass76,9%dieser Arzte homoopathischeMittel "sehroft,oftodergelegentlich"verschreiben,
daruntervielesogenannteKomplexmittel.AuchinEuropabefindetsichdieHomoopathieseit
vielen Iahrenim Aufwind, obwohldasentsprechendeeuropaischeArzneimittelrechtimmer
noch weitvonharmonisiertenBedingungenentferntist.
Wieindersogenannten "Schulmedizin':soexistierenauchinderHomoopathieunterschied
licheRichtungen,die zum Teilbereitsaufeine langeTraditionverweisenkonnen,Neben der
.KlassischenHomoopathie',diesichaufHahnemannberuftund aufEinzelmittelwertlegt,gibt
esdieKomplexmittelhomoopathie.AlsKomplexmittelwerdeninderHornoopathie aufeinander
abgestimmtePraparatebezeichnet,diemehrerewirksame Einzelmittel enthalten.Siekommen
meist alsTropfen oderTabletten inden Handelundeignensichnichtnurzur Selbstmedika
tion, sondernwerdenauchvonvielenArzten und Heilpraktikerngeschatzt,weilsiediehaufig
zeitraubendeUntersuchungdes Patientenabkiirzen unddiekomplizierteMittelwahl, wiesie
fiir die.KlassischeHornoopathie"typisch ist,vereinfachen. Komplexmittelorientierensich,
ahnlichwieinder sogenanntenSchulmedizin,mehran der Diagnoseunddem allgemeinen
Krankheitsbild.Damitsteht dieKornplexmittelhomoopathieaber nicht,wievielfachund auch
erst jiingstwiederbehauptetwurde, imWiderspruch zuden Grundlagender Hornoopathie
(vorallem zumAhnlichkeitsprinzip).Dagegen habenschonfriih Befurworterder Komplex
rnittelhomoopathiekritisch eingewandt, warumahnlich wirkendeArzneiennicht miteinander
kombiniertwerdendiirften,wennmandochaufgrundvonArzneimittelpriifungen amGesunden
dieklinische Wirkungeinesjeden homoopathischenMedikamentskenne.
AngesichtsderRolle,dieKomplexmittelverschiedenerHerstellerheuteaufdemkomplernentar
medizinischenArzneimittelmarktspielen,iiberraschtes,dassdieEntstehungsgeschichtedieser
homoopathischenTherapieformkaum erforschtist.DieMedizingeschichtekonzentriertesich
langeZeitfastausschlie6lichaufdieHauptstromungen,namlichaufdie.KlassischeHomoopathie"
nachHahnemannund aufdienaturwissenschaftlich-kritischeRichtung,dieim 19.[ahrhundert
entstandund dieinder ersten HalftedesvergangenenJahrhundertsihreBliitezeithatte.
DievorliegendeStudie betrittdeshalb invieler HinsichtNeuland.Dazugehortauch die
Sondierungderhistorischgewachsenen VerbindungenzwischenHomoopathieund Naturheil
kunde.TrotzallerAbgrenzungsversucheaufbeidenSeitengabesinder Vergangenheitimmer
wieder Annaherungen.EinherausragendesBeispielistEmanuelFelke(1856-1926),der zwar
alsErfinderder .Lehmkur"indie Annalen der Medizin eingegangenist,der aber zeitseines
Lebensdie Hornoopathiealsdas Riickgratseines Heilsystem, dasalsFelke-Kursichbisheute
gro6erBeliebtheiterfreut,bezeichnete.
ObgleichdieSpagyrikeineigenesSegmentdesArzneimittelmarktsbildet,gibtesdurchaus
BeriihrungspunktemitderHomoopathieimAligemeinenund der Komplexmittelhomoopathle
imBesonderen.DasBindegliedistdiesogenannte .Elektrohomoopathie';iiberderenUrspriinge
und verzweigte Entwicklungnurwenigbekanntist.Zuden Pionierendieser therapeutischen
Richtungzahlen unteranderem CesareMattei (1809-1896),AlbertSauter (Lebensdaten
unbekannt) undCarl FriedrichZimpel(1801-1878). Ailedrei habendie Spagyrik,ein auf
vi Geleitwort
ParacelsuszuriickgehendesHeilverfahren,weiterentwickeltundhaben unterWahrungdes
HahnemannschenSimile-Prinzipsein eigenes Heilsystemgeschaffen,dassiezuWegbereitern
der Komplexmittelhomoopathiemachte.
Wenigbekanntistauch,dassder Begriinderder Homoopathie,SamuelHahnemann(1755
1843),aufden sichdieVertreterder .KlassischenHomoopathie"gerneberufen,aufAnregung
seinesSchiilersKarlJuliusAegidi(1794-1874)sowieseines FreundesClemensMaria Franzvon
Bonninghausen(1785-1864) mitsogenannten.Doppelmitteln"experimentierthatte,urndiese
schliefilichdoch zugunstenderkompromisslosenGabevonEinzelmittelnwieder zuverwerfen.
ZumwichtigstenPropagandistender Gabe von Doppelmittelnwurdeder in Kothen wirkende
HomeopathArthurLutze(1813-1870),der urn die Mittedes 19.Jahrhundertseinenriesigen
ZulaufanPatienten hatte.Erveroffentllchte1865ohneGenehmigungeine6.Auflagedes"Orga
non'; inder der vonHahnemanngestricheneDoppelmittelparagraphohnenahereErlauterung
wiederabgedruckt ist.Dr. Blessingzeichnetin ihreraufzahlreicheQuellengestiitztenStudie
diewichtigstenzeitgenossischenAnsichteniiber dasWechseln undMischenhomoopathischer
Arzneimittelnach undmachtsomitdeutlich,dass die Vorlauferderheutigen Komplexmittel
schonfriih zahlreicheBefurworterhatten.
WennmanheuteStreitschrifteniiberdieHomoopathieIiest,soerinnertdasandieKontroverse,
dieMitteder 1920erJahreinden SpaltenfuhrendermedizinischerFachzeitschriftenausgetragen
wurde. Ausloserwar eine positiveAuf)erungdesberiihmten BerlinerChirurgenAugustBier
(1861-1949)zur Homoopathie.Bierhattedie Kritiker der Homoopathiedazu aufgefordert,die
umstritteneHeilweisevorurteilsfreizuprufen,sowieeresselbstinseinerBerlinerKlinikgetan
hatte. EswarvorallernAugust Bier,der durchdievon dem GreifswalderPharmakologenHugo
Schulz (1853-1932)durchgefuhrtenExperimenteeine tragfahigewissenschaftlicheGrundlage
fur dieAhnlichkeitsregelgeschaffensah.Seit1903trat Bieroffentlichfur dieArndt-Schulzsche
Regelein.Sielautet:.SchwacheReizefachen dieLebenstatigkeitan,mittelstarke Reizefordern
sie,starkehemmensie,starkstehebensieauf'DiesesAxiom wird bisheute zur Erklarungvon
Regulationstherapien(zurder Z.B.auch die Homoopathiezahlt) herangezogen.
Nach dem Zweiten WeltkrieggehorteHans-HeinrichReckeweg(1905-1985)zuden Medi
zinern,diesichfur ein Heilkonzepteinsetzten,daseinem"ganzheitlichenDenken"entsprang.
Sein therapeutisches System, die Homotoxikologie,dessen historischeWurzelnhiererstmals
dokumentiertwerden,stellt den VersucheinerSynthesezwischenHomoopathieundnatur
wissenschaftIicherMedizindar.WahrendseinerBerlinerStudienjahrehatteReckewegsowohl
dieVorlesungenErnstFerdinandSauerbruchs(1875-1951)alsauch dieAugust Biersbesucht.
Richtungweisendwurdefur den spaterenGriinderder FirmaHeelvorallemaber AugustBier.
ZurselbenZeit, alsAugust Biereine Lanzefur die Hornoopathiebrach,also urn dieMitte
der 1920erJahre,fand sicheinGruppevonArztenzusammen,dievonder Notwendigkeittiber
zeugt war,dieverschiedenen therapeutischen Richtungen"imSinne einernaturwissenschaft
lich begriindetenundzur Kunst entwickeltenHeilkunde"zuvereinigen. IhrMottowar: "Ars
una, species mille"("EineKunst,tausendUnterarten"),DasSprachrohrbzw.diepubIizistische
PlattformdieserBewegungwar die ZeitschriftHippokrates, die 1929begriindetwurde. Ihr
programmatischerUntertitellautete:.ZeitschriftfiirEinheitsbestrebungender Gegenwartsme
dizin" Der Herausgeber,Prof.Dr.med. Georg Honigmann(1863-1930),machteinder ersten
NummerdieserZeitschriftdie ZielsetzungdeutIich: "DieMedizindarfin ihrerEntwicklung
nichtan das letztenEndeszufallige, ihrdurchausnichtadaquateNeben-undNacheinander
naturwissenschaftlicherEntdeckungenallein gebundensein, wennsieauchder Befruchtung
durchsiekeineswegsentratensoli.Siemuss von einereinheitlichenEntwicklungsideegelei
tet unddurchwaltetwerden,in derenAufbausie dazugelangt,denSinndermenschlichen
Krankheitserscheinungenzuverstehen,"Weiterfindetsich dortdas Pladoyer,die Ergebnisse
vii
Geleitwort
der .rnechanisnsch-generalisterendenMethodikdurch andereErwagungen"zuerganzenund
zuverbessern. DamitknupfenHonigmannundseine zahlreichenMitstreiter,darunterauch
einigemedizinischeKoryphaen,andasan,wasBismarcksLeibarzt Professor ErnstSchwenin
ger(1850-1924)inseinem Buch.DerArzt"(1906)inkampferischerManierund deshalbauch
einweniguberspitztsoformulierte:"Zerschlagtdas,wasin unziemlicherVordringlichkeitdie
HerrenGelehrtenEuchzum Richtscheid aufsetzen wollen.Macht EuchselbsteinePathologie,
dieeineLehrevonden krankenMenschen ist;werftderWissenschaftihreSchablonentherapie
hin, dieden MenscheninTeilezerschnitzelt,urnsieFachleutenzur Bearbeitungauszuliefern"
Heuteisteinesolchekritische EinschatzungdesGesundheitswesenswiederaktuell.Bereits
seiteinigenIahrenistesZieldes.DialogforumPluralismusinderMedizin',durch einenoffenen
Dialoginnerhalbder Arzteschafteinen wesentlichenBeitragzueinemkonstruktivenDiskurs
zwischenVertreternder konventionellenMedizinundder Komplementarrnedizinim Sinne
einerbestmoglichenPatientenversorgungzuleisten.Das Verhaltnisvon Schulmedizinund
Komplernentarmedizin(hiermitsind zusammenfassendalternativemedizinischeSystemebe
zeichnet)istselbstimdeutschen Gesundheitssystem nachwievorvongegenseitigemMisstrauen
undAbgrenzungstendenzengepragt.Eine systematischeZusammenarbeitunterschiedlicher
medizinischerGrundkonzepteistderzeit nicht zuverzeichnen.Allenfallsexistiert eine"asym
metrischeKoexistenz', beider anMedizinischenFakultatenfastausschlietilichSchulmedizin
vermittelt und angewandtwird,inweitenBereichenderambulantenmedizinischenVersorgung
dagegendiezusatzlicheNutzungvonKomplementarmedizinverbreitetist.DasunterMitwirkung
desPrasidentender Bundesarztekammer,Professor Dr.med. Dr.h.c.Iorg-DietrichHoppe, im
Herbst 2000insLebengerufene.DialogforumPluralismus inderMedizin"hatsichdeshalbdie
Aufgabegestellt,innerhalbder Arzteschaft einen kritischenDialogzwischenden unterschied
lichen Richtungeninder Medizinzuverfolgen. Ahnlichwievor mehralsachtzig Iahren,als
sichAugustBierfur dieHomoopathiestarkmachte, gibtesinzwischenwieder Vertretereiner
naturwissenschaftlichausgerichtetenMedizin,die Forschungenzur Komplementarrnedizin
begrufsenund offenfur einen konstruktivenDialogsind.
DievorliegendehistorischeStudie zeigtauf,dass die Homoopathievon Anfangan nicht
nur heftigbekampftworden ist,sonderndassesauchimmerwiederMedizinergegebenhat,die
sichohne Scheuklappenmitdieserbisheute umstrittenenHeilweiseauseinandergesetzthaben.
DassgeradedieKomplexrnittelhomoopathieeinen Bruckenschlagleichter machte, isteineder
vielenErkenntnisse,diedieseprofundegeschichtswissenschaftlicheDarstellungausder Feder
einer ausgewiesenenSozial-und Medizinhistorikerinvermittelt.
Stuttgart, imFriihjahr2009
ProfDr.phil.RobertIutte
ix
Inhalt
EntwicklungderKomplexmittelhomoopathievom 19.Jahrhundert
biszum EndederWeimarerRepublik .
DieDiskussionumdieEinfUhrungdesDoppelmittelszuLebzeitenHahnemanns 1
ArthurLutzesStellungzuArzneigemischen ................................................ 8
KomplexmittelinEuropa.................................................................. 10
HornoopathischerZentralverein 12
"Wiestellenwir unszurKomplexhomoopathie?" 13
Einzelmittelhomoopathie 13
KomplexmittelalsKompromiss 15
KlinischeHomoopathie 16
VerbreitungderKomplexmittelhomoopathie 18
Felke 20
Madaus 21
Reckeweg 24
Hense 26
Zahres 28
Schwabe 28
Pascoe 30
Exkurs:Spagyrik 31
Elektrohomoopathie 31
Mattei 31
Sauter 34
limpet 35
KrauB 38
Sonntag 40
2 DieVerbindungvonHomoopathleundNaturheilkunde 43
Naturheilkunde 43
Krankheitslehre 44
DasTherapiekonzeptEmanuelFelkes:Hornoopathieund Naturheilkunde 45
DieKrankheitslehre Felkes............................................................. 47
DieFelke-Heilweise 50
Sitzbader.............................................................................. 50
licht-,Luft-undSonnenbiider 51
Lehmbehandtungen 51
ErnahrungundBewegung.............................................................. 52
Hahnemann unddieDiatetik.............................................................. 54
SynthesenderHeilsysteme................................................................ 56