Wärmeleitung in Kristallen, theoretische Grundlagen und fortgeschrittene experimentelle Methoden

285 Pages·1969·3.496 MB·German

by  J. C. Erdmann (auth.)

Lecture Notes
ni Physics
Edited by .J Ehlers, ,nitsuA .K Hepp, Z0rich dna
.H .A ,rellOmnedieW Heidelberg
gniganaM Editor: .W Beiglb6ck, Heidelberg
J.C. nnamdrE
Boeing Scientific Research ,seirotarobaL
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Berlin.Heidelberg. New York 9691
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© by Springer-Verlag Berlin - Heidelberg 1969. Library of Congress Catalog Card Number 76-103331 Printed in Germany.
Title No. 3320
Vorwort
Das vorliegende Manuskript diente als Grundlage einer Vor-
lesung gleichen Titels, die der Verfasser im Wintersemester
1968/69 an der Universit~t Stuttgart gehalten hat. Es wendet
sich vor allem an Studierende der Fachrichtungen Physik und
Metallkunde mit speziellem Interesse an der FestkSrperphysik.
Bei der Auswahl des Lehrstoffes wurde angestrebt, elne Ver-
bindung der seit l~ngerer Zeit gewonnenen Grundlagen mit den
wichtigsten, erst kGrzlich bekannt gewordenen Forschungsergeb-
nissen herzustellen. Sich mit diesen Zusammenh~ugen vertraut zu
machen, gehSrt gewShnlich zu den ersten Pfllchten eines Diplom-
kandidaten oder Doktoranden. Die Vorlesung ist daher primer auf
fortgeschrittene Studierende zugeschnitten.
Der Lehrstoff ist in drei Abschnitte gegliedert. Zun~chst
wird versucht, die theoretischen Grundlagen in dem Umfange dar-
zustellen, wie er fGr Experimentalphysiker ben~tigt wird. Es
wird z.B. durchgehend mit dem Konzept der Relaxationszeiten ge-
arbeitet. Dieses einfache Modell hat den Vorzug groBer Anschau-
lichkeit und findet daher auch heute noch Gberwiegend Anwendung
bei der Analyse von Messungen der W~rmeleitf~higkeit und anderer
Transportgr~Ben. Vom Standpunkt der Theorie aus ist es unzurei-
chend. Ferner wird der EinfluB von St~rstellen des Kristallgit-
ters auf die W~rmeleitf~higkeit herausgestellt. Die Untersuchung
dieser EinflGsse gehSrt zu den Hauptanwendungsbereichen des be-
handelten Wissensgebietes.
- 2 -
Weiterhin werden ~ltere und neuere Methoden der Experimen-
tiertechnik behandelt. Als ~ltere Methoden werden MeBverfahren
bei station~rem W~rmefluB angesehen. Zu den neueren Methoden
z~hlen hingegen vor allem diejenigen Verfahren, bei denen zeit-
ver~nderliche Temperaturverl~ufe vollst~ndig aufgezeichnet wer-
den. Die Registrierung sehr schneller Transienten, vor allem
bei Anwendung kontaktloser Thermometer, ist von besonderem In-
teresse fur das Studium der Ausbreitung von W~rmepulsen.
Im dritten Abschnitt werden neuere Ergebnisse experimenteller
Arbeiten diskutiert. Die Auswahl ist so getroffen, dab die Bedeu-
tung der W~rmeleitf~higkeitsmessungen fUr die FestkSrperphysik
zum Ausdruck kommen sollte.
Einige Erl~uterungen und Aufgaben vor allem im theoretischen
Tell erg~nzen den Lehrstoff.
Es wurde auch versucht, dem Leser den Text mit einem Minimum
an Voraussetzungen verst~ndlich zu machen. So dGrften eine ein-
f~hrende Vorlesung Gber analytische Mechanik und eine weitere
Gber Grundlagen der Quantenmechanik zum Verst~ndnis des Lehrstof-
fes ausreichen. Hingegen wurde reichlich~r Gebrauch vonder MSg-
lichkeit gemacht, Originalliteratur und weiterftthrende Einzeldar-
stellungen zu zitieren oder gar im Text zu verarbeiten. Der Ver-
fasser hat hierbei besonders auf Arbeiten von J. Callaway, R.A.
Guyer, V. Heine, P.G. Klemens, J.A. Krumhansl, .G Leibfried, W.
Nowacki und J.M. Ziman zur~ckgegriffen.
Das Manuskript wurde w~hrend eines Gastaufenthaltes im Stutt-
garter Max-Planck-Institut fur Metallforschung geschrieben. He=rn
-3-
Professor A. Seeger und seinen Institutsangeh~rigen sei an die-
ser Stelle fGr die genossene F~rderung und Gastfreundschaft
herzlich gedankt. FGr die finanzielle UnterstGtzung ±st der Ver-
fasser der Technischen Universlt~t Stuttgart und den Boeing Sci-
entific Research Laboratories zu besonderem Dank verbunden.
Dank gebGhrt auch den Autoren und Verlegern, die Abbildungen
zur VerfGgung stellten, Herrn Professor K. Hepp fGr die kriti-
sche Durchsicht des Manuskriptes, und den Mitarbeitern des
Springer-Verlages fGr ihre erfolgreichen technischen BemGhungen
um Text- und Bildmaterial.
Zeittafel
1752: G.W. Richmann, Nov. Comm. Petrop. III, 308 und IV, 241,
miBt den Temperaturverlauf entlang eines linearen, an
einem Ende geheizten W~rmeleiters mit mehreren Queck-
silberthermcmetern in gleichen Abst~nden und stellt eine
nichtlineare Beziehung fest. Dies dGrfte die erste wissen -
schaftliche Messung der W~rmeleitung sein. I
1789: IngenhauB, J.d.Phys. 34, 68, findet systematische Unter-
schiede der W~rmeleitf~higkeit von verschiedenen Metallen.
1822: J.B. Fourier, Analytische Theorie der W~rme, Paris 1822,
behandelt das allgemeine Problem der Randwertaufgaben am
Beispiel der W~rmeleitung. Die mathematischen Methoden
werden von Laplace, Green, GauB, Riemann, Thomson, Lam~
u.a. entwickelt.
1853, G. Wiedemann und R. Franz, sp~ter L. Lorenz, linden expe-
1881:
rimentell eine einfache Beziehung zwischen elektrischer
und thermischer Leitf&higkeit.
1861 : AngstrSm, Pogg. Ann. 114, 513, benutzt die Methode perio-
discher W~rmestrGme bei einseitiger Heizung.
1862: F. Neumann, Anm. Chim. et Phys. ~, 66, verbessert die Me-
thode von AngstrOm durch zweiseitige Anregung.
1880: Kirchhoff und Weber befassen sich mit der Temperaturleit-
f~higkeit.
1900: F. Kohlrausch, Anm.d.Phys. ~, 132, gibt eine Methode an
- 5 -
Messung des Verh~ltnisses der elektrischen zu~ ther-
zur
mischen Leitf~higkeit.
1900, P. Drude und H.A. Lorentz begrdnden die Elektronentheorie
1904/5:
der Metalle mit einem einfachen, klassischen Modell.
1914: P. Debye 2 ftthrt die Wirmeleitung in Isolatoren au£ Gitter-
welIen zur~ok und zeigt, dass die Anharmonizit~t des Git-
terpotentials den Wirmewiderstand bewirkt. Er stellt die
kinetisehe Formel auf (~ = vAc/4) und begr~ndet Eucken's
experimentelles Ergebnis ~KT I- fGr Isolatoren (1911):
Die Gitterschwingungen geben Anlass zu Dichteschwankungen,
welche, bedingt durch die Anharmonizit~t der elastischen
Gitterenergie, als knderungen des Brechungsindex fGr die
Gitterwellen aufge£aSt werden d~rfen. Die Gitterwellen wer-
den dan/~ an diesen StSrungen gestreut mit einer Rate pro-
portional zum Sehwankungsquadrat und damit zur Temperatur.
1928: A. Sommerfeld formuliert erstmals die moderne Elektronen-
theorie der Metalle auf der Basis der Fermi-Dirac-Statistik.
1929, R. Peierls 3 gibt die Quantentheorie der W~rmeleitung in
1935:
Isolatoren. ~ur die Gmklapp-Prozesse tragen hiernach z~m
W~rmewiderstand in reinen Isolatoren bei.
Literatur:
I
E. Hoppe, Geschichte der Physik, Vieweg, Braunschweig 1926.
2
P. Debye, in Vortrige Gber die kinetische Theorie der Materie
und Elektrizit~t, Teubner, Berlin 1914.
3 R. Peierls, Ann.d.Phys.Lpz. ~, 1055 (1929), Ann. Inst.Poincar~
~, 177 (1935).
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ................................................ 8
I .
2. Theoretische Grundlagen .................................. 9
2.1. Elektronenleitung .................................. 9
2.1.1. Elektronen in Kristallen .................... 9
Erl~uterungen, Aufgaben, Literat~r
2.1.2. Transportgleichung ........................... 39
2.1.3. Elementare LSsungen ......................... #7
2.1.4. Matthiessensche Regel ....................... 56
2.1.5. G~ltigkeit des Wiedemann-Franz-Gesetzes ..... 59
Erl~uterungen, Aufgaben, Literatur
2.2. Gitterleitung ....................................... 66
2.2.1. Phononen in Kristallgittern ................. 66
2.2.2. W~rmeleitung in Isolatoren .................. 80
2.2.3. Phononen-Phononen-Wechselwirkung ............. 82
Erl~uterungen, Aufgabem, Literatur
2.2.4. Umklappwiderstand ........................... 97
2.2.5. Streuung durch St~rstellen .................. 108
Erl~uterungen, Aufgaben, Literatur
2.2.6. Berechnung der W~rmeleitf~higkeit ............ 129
2.2.7. Schall zweiter Art ........................... 132
Aufgaben, Literatur
. Experimentelle Methoden ............................ ...... 1#8
3.1. Kontinuumstheorie der W~rmeleitung ................. 148
3.1.1. L~sungen der W~rmegleichung .................. 148
3.1.2. Experimentelle ¥erfahren entsprechend der
Natur der L~sungen ........................... 155
3.2. Thermometer ........................................ 158
3.2.1. Thermometrische Eigenschaften ................ 158
3.2.2. Definition von Temperaturskalen ............. 162
3.2.3. Kontaktthermometer .......................... 166
3.2.4. Kontaktlose Thermometer, Thermoelastizit~t...175
Aufgaben, Literatur
3.3. Apparaturen zur Messung der W~rmeleitf~hhigkeit von
festen VersuchskSrpern ............................. 182
3.3.1. MeBverfahren bei station~em W~rmeflu~ ....... 182
-7-
3.3.2. Messung der W~rmeausbreitung bei m~Big
ver~nderlichem W~rmeflu6 ........................... 194
3.3.3. Messung sehr schneller Temperaturtransienten ....... 199
3.3.4. Messung dreidimensionaler W~rmeausbreitung ......... 211
3.3.5. Thermische Analyse und transiente Kalorimetrie ..... 214
3.4. Registrierung und Datenverarbeitung ....................... 217
3.4.1. Analog- und Digitalverfahren der Aufzeichnung ...... 217
3.4.2. Umsetzung des ZeitmaBstabes ....................... 220
3.4.3. Programmiertes Auswerten von MeBergebnissen ........ 226
Literatur ...................................... 234
Diskussion der W~rmeleitung in Festk~rpern unterhalb der
.
Raumtemperatur an experimentellen Belspielen .................... 235
4.1. Elektronenleitung ........................................ 235
4.1.1. Reine Metalle ............................. ........ 235
4.1.2. Legierungen ....................................... 240
4.2. Gitterleitung ............................................. 242
4.2.1. Reine Isolatoren ................................... 242
4.2.2. Legierungen ....................................... 250
4.2.3. EinfluB von Gitterfehlern .......................... 257
. W~rmeleitung bei hohen Temperaturen ............................ 271
5.1. Spezielle Probleme der Me6technik bei hohen Temperaturen .271
5.2. Einige experimentelle Ergebnisse und ihre Interpretation .275
Literatur ..................................... 278
Quellenangaben entlehnter Abbildungen ............................. 281
- 8 -
I. Einleitung
In der Festk6rperphysik begegnet uns das Problem de~ W~rme-
leitung im Rahmen der Transporttheorie, der Gitterwellentheorie,
Elektronentheorie, der Thermodynamik der irreversiblen Prozesse,
der Physik der Gitterfehler und allgemein in der Expenimental-
physik. Es besteht aber auch groBes technologisches Interesse an
W~rmeleitungsproblemen, vor allem in der Hochtemperaturtechnik,
der K~ltetechnik und der Raum£orschung. Die theoretischen Grund-
lagen der W~rmeleitung bei tiefen Temperaturen sind verh~ltnis-
maBig gut ausgearbeitet. Dasselbe kannman jedoch nicht vonder
W~rmeleitung be± hohen Temperaturen sagen, so dass das letztere
Gebiet im AugenbliCk besonders starke Beachtung mit einstweilen
sehr m~Bigen Erfolgen erf~hrt~ Auch fur thermoelastische techni-
sche Probleme, den W~rmeaustausch und medizinische und Oiologi-
sche Probleme ist W~rmeleitung von groBer Bedeutung°
Beim Studium der W~rmeleitung in FestkGrpern werden experi-
mentelle Techniken entwickelt, die auch in anderen Gebieten ange-
wandt werden kGnnen, zum ~eispiel in der Kalorimetrie oder in de
Gitterfehlerforschung. Die Experimentie~methoden selbst stammen
aus verschiedenen Disziplinen wie z.B. der Thermodynamik, der
FestkSrperphysik, der Optik.
Wit werden im ersten Tell der ~orlesung au~ die theoretischen
Grundlagen ~er Elektronen und Gitterwellen in Kristallen eingehen
und anschlieBend die experimentellen Verfahren studieren, die man
zur ~essung der W~rmeleitung unter verschiedenen Versuchsbedingtmgen
anwenden kann.