Table Of ContentWann ist der Mann ein Mann?
WANN IST DER MANN
EIN MANN?
Zur Geschichte der Männlichkeit
herausgegeben von
Walter Erhart und Britta Herrmann
Verlag J.B. Metzler
Stuttgart . Weimar
Die Deutsche Bibliothek ~ elP-Einheitsaufnahme
Wann ist der Mann ein Mann? :
zur Geschichte der Männlichkeit /
hrsg. von Walter Erhart und ßritta Herrmann.
~ Stuttgart ; Weimar: Metzler, 1997
ISBN 978-3-476-01456-6 NE:
Erhart, Walter [Hrsg.]
ISBN 978-3-476-01456-6
ISBN 978-3-476-03664-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-476-03664-3
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© 1997 Springer-Verlag GmbH Deutschland
Ursprünglich erschienen bei 1.8. Metzlersche Verlagsbuchhandlung
und earl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 1997
Inhalt
TEIL EINS
Einleitung
Ultllter Erhart / Britta Herrmann
Der erforschte Mann? ..................................................................... 3
TEIL ZWEI
Männlichkeiten:
Theorie, Geschichte, Wissenschaft
Wolfgang Mertens
Männlichkeit aus psychoanalytischer Sicht .................................... 35
Paul Smith
Vas. Sexualität und Männlichkeit ........ ............ ........... .......... .......... 58
Dieter Lenzen
Kulturgeschichte der Vaterschaft .......... ............. ........... ........... ....... 87
John H. Smith
Wie männlich ist der Wille? Ein philosophischer Grundbegriff,
andersherum gedacht .................................................................. 114
Doris Feldmann
Literaturwissenschaft, New Men's Studies und das Drama
der englischen Renaissance ......................................................... 134
Judith L. Newton
Geschichtswissenschaft und Männlichkeit:
The Edinburgh Review.......... ................ ........... ........... .............. 149
TEIL DREI
Männlichkeiten:
Historische Fallstudien
Dorothee Kimmich
Herakles. Heldenposen und Narrenpossen.
Stationen eines Männermythos? .... ................ ................ .............. 173
Thomas Späth
Männerfreundschaften - politische Freundschaften?
Männerbeziehungen in der römischen Aristokratie ..................... 192
Britta Herrmann
Auf der Suche nach dem sicheren Geschlecht.
Männlichkeit um 1800 und die Briefe Heinrich von Kleists ........ 212
Bernd Widdig
»Ein herber Kultus des Männlichen«: Männerbünde um 1900 ..... 235
Frederick A. Lubich
La Loi du PCre vs. Le Desir de la Merc.
Zur Männerphantasie der Weimarer Republik ............................ 249
Rachel Freudenburg
Männliche Freundschaftsbilder in der neueren Literatur .............. 271
Stifanie von Schnurbein
Sprachlose Invaliden. Männlichkeit, Schreiben und Macht
in Knut Faldbakkens Der Schneeprinz ......... .................... .............. 292
Susan Kassouj
Versteckspiele. Eine QueerLektüre von Doris Dörries Männer...... 310
Walter Erhart
Mythos, Männlichkeit, Gemeinschaft.
Nachruf auf den Western-Helden ................................................ 320
VI
TEIL VIER
Männlichkeiten:
Männer?
Eve K. Sedgwick
))Mensch, Boy George, du bist dir deiner Männlichkeit
ja unglaublich sicher!« ................................................................. 353
Glossar........................................................................................ 363
Auswahlbibliographie ... ........ ....... ............ ......... ......... ............ ...... 365
Sachregister ................................................................................. 373
Namen- und Titelregister ............................................................ 385
Die Autoren und Autorinnen dieses Bandes ................................ 391
VII
TEIL EINS
Einleitung
Walter Erhart / Britta Herrmann
Der erforschte Mann?
1. Das Unbehagen der Geschlechter - zum Beispiel Männlichkeit
»This is a man's world
This is a man's world
This is a man's world
I thought it but I ain't nothin'
Nothin', nothin'
Without a woman or girl
[ ... ]
He!p me somebody, he!p me somebody
Help me somebody, he!p me somebody
I'm so weak, I'nI so weak
I fee! good but ... yeah
[ ... ] «
James Brown, It's a Man's, Man's, Man's World (1980)
»I used to be a little boy, so old
in my shoes, and what I choose
is my choice what's a boy
supposed to do«
Smashing Pumpkins, Disarm (1993)
Männersachen. Verständigungstexte: So heißt ein 1979 erschienenes Buch,
in dem einige autobiographische Texte eine Form von Seelenbeichte
betreiben, wie sie damals - man schrieb das Zeitalter der Neuen Subjek
tivität - üblich war. Worüber man sich hier »verständigen« wollte, war
kein großes Geheimnis. »Aus der Männerwelt war ich noch einmal da
vongekommen« - so lautet die Botschaft zu Beginn des Buches: »Nein,
es ist nicht einzusehen, warum dieses Geschlecht der Männer nicht
durch und durch hassenswert sein soll. Es ist nicht einzusehen, warum
man von ihm noch irgend etwas Positives erwarten soll.«1 Einig ist man
sich bei diesen »Männersachen« vor allem in einem: im Bestreben, »un
sere unmännlichen Anteile« zu kultivieren und dem Trainingspro
gramm einer Berliner Männerzeitschrift zu entsprechen - »Ich weigere
4 Walter Erhart / Brilla Herrmann
mich, >Mann< zu sein«2. Die autobiographischen Bekenntnisse schrek
ken vor Allgemeinheiten nicht zurück: »Die Pleite der Männlichkeit -
die männliche Überlegenheit und Macht, die mit den Autoritäten weg
geschmolzen und zur Komikfigur verkommen ist - breitet sich immer
deutlicher als Allgemeinplatz aus [ ... ].«3
Gut zehn Jahre später, 1990, erscheint der bald darauf ins Deutsche
übersetzte Bestseller von Robert Bly, Iron John. A Book About Men, un
ter dem Titel Eiscnhans (nach einem Märchen der Gebrüder Grimm).
Ein »Verständigungs text« ganz anderer Art: Dort ruft nämlich der ame
rikanische Poet Bly dazu auf, den >wahren< Mann in sich selbst wieder
zu entdecken, jenen »wilden Mann« und »Krieger«, wie er in unzähli
gen europäischen und außereuropäischen Mythen besungen wird und
der in unserer modernen Welt beinahe verschwunden ist - bis eben zur
Konsequenz, >Männlichkeit< ganz abzuschaffen.4 Mit Robert Bly hat
sich eine >mythopoetische< Bewegung gegründet, die ihr männliches
Heil wieder in alten Initiationsriten und in neuen Vater-Sohn-Bezie
hungen sucht, in Männerbünden und aufWochenendfreizeiten in »wil
der« Natur, in der die (post-)modernen Freizeithelden zu ihrer archai
schen Männlichkeit wieder zurückfinden sollen.5
Zweimal Männerbewegung, zweimal men's movement - und doch
könnte der Gegensatz kaum größer sein. In den dazwischenliegenden
achtziger Jahren aber waren solche und ähnliche Stimmen nicht nur
(mehr oder weniger deutlich) zu vernehmen, das Jahrzehnt selbst hat
vielmehr jene Irritation über Männlichkeit erst hervorgebracht, durch
die solch gegensätzliche Stellungnahmen provoziert wurden. All diese
Phänomene - die Weigerung, Mann zu sein, und die Aufforderung,
zum >echten< Mann-Sein zurückzufinden, der >verunsicherte<, der
>neue< und der wiedererstarkte Mann - lassen sich zunächst als Nah
und Fernreaktionen auf die Herausforderung des Feminismus lesen.
Dieser erlebte in den siebziger Jahren in Europa und den USA seine
zweite >Welle< - nach einer ersten Frauenbewegung im späten 19. und
frühen 20.Jahrhundert, als das Wahlrecht, der Zugang zu Universitäten
und die formelle staatsbürgerliche Gleichheit erkämpft wurden. Die
feministische Bewegung der siebziger Jahre war in ihren Forderungen
viel weitreichender und deshalb zugleich auch aggressiver: Sämtliche
traditionellen Frauenrollen und vor allem die Beschränkung von Frau
en auf ihre >natürlichen< häuslichen und >weiblichen< Bereiche wurden
in Frage gestellt; zugleich aber schienen damit auch alle traditionellen
Gewohnheitsrechte und Herrschaftsbereiche der Männer bedroht -
und die solcherart verunsicherten Männer stellten sich entweder selbst
in Frage oder aber >schlugen zurück< (wie es ein amerikanischer Best
seller über das drohende Scheitern des Feminismus unlängst formulierte). 6