Table Of ContentAlbrecht Irle
Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik
Albrecht Irle
Wah rschei nI i ch keitstheorie
und Statistik
Grundlagen - Resultate - Anwendungen
Teubner
B. G. Teubner Stuttgart· Leipzig· Wiesbaden
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
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Prof. Dr. rer. nato Albrecht Irle
Geboren 1949 in Hannover. Studium der Mathematik und Physik mit Promotion 1974 und Habili
tation 1979 an der Universität Münster in Mathematik. Nach Professuren in Bayreuth und Münster seit
1984 Professor für Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik am Mathematischen Seminar der
Universität Kiel.
1. Auflage Juni 2001
Alle Rechte vorbehalten
© B. G. Teubner GmbH, StuttgartiLeipzig/Wiesbaden, 2001
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ISBN 978-3-519-02395-1 ISBN 978-3-322-96677-3 (eBook)
DOI 10.007/978-3-322-96677-3
Vorwort
Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik liefern die mathematischen Methoden
zur Beschreibung und Untersuchung zufallsabhängiger Phänomene. Diese Ma
thematik des Zufalls hat vielfältigen Einzug in die Ingenieurwissenschaften, Na
turwissenschaften und Wirtschafts- und Finanzwissenschaften gehalten und bei
etlichen wissenschaftlichen Revolutionen eine entscheidende Rolle gespielt, sei es
bei der Entwicklung der Informations-und Codierungstheorie, sei es bei der Be
wertung von Finanzderivaten und der Portfoliotheorie, sei es bei der Entwicklung
automatischer Schrift- und Spracherkennungssysteme.
Das vorliegende Buch will in dieses Gebiet der Wahrscheinlichkeitstheorie und
Statistik einführen und dabei aufzeigen, wie das Zusammenspiel von anwendungs
bezogenen und mathematischen Gedanken zu einer sehr fruchtbaren wissenschaft
lichen Disziplin, die oft als Stochastik bezeichnet wird, geführt hat. Begonnen wird
mit einer ausführlichen Darstellung der wahrscheinlichkeitstheoretischen Grund
begriffe, die durch viele Anwendungen illustriert wird. Es folgt die Behandlung
fundamentaler Resultate der Wahrscheinlichkeitstheorie, beinhaltend die Gesetze
der großen Zahlen und den zentralen Grenzwertsatz. Diesem schließt sich eine
systematische Einführung in die Statistik an. Zunächst wird die statistische Mo
dellbildung detailliert dargestellt. Darauf aufbauend werden Schätztheorie und
Testtheorie in wesentlichen Aspekten behandelt. Die Kapitel 1 bis 12 sind der
Wahrscheinlichkeitstheorie gewidmet, die Kapitel 13 bis 20 der Statistik.
Es ist das Ziel des Buches, den mit den Grundkenntnissen der Mathematik ver
trauten Leser in die Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik so
einzuführen, daß dieser ein verläßliches Fundament an Kenntnissen erwirbt, so
wohl für die Anwendung dieser Methoden in praktischen Problemen als auch für
weiterführende Studien.
Als einführendes und auch zum Selbststudium geeignetes Lehrbuch wendet es
sich an S~lldierende der Mathematik, Wirtschaftsmathematik, Physik, Informa
tik und der Ingenieurwissenschaften.
Zur Berücksichtigung von unterschiedlichen Interessenlagen und mathematischen
Vorkenntnissen sind die Kapitel - bis auf das in die Wahrscheinlichkeitstheorie
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einführende Kapitell und das in die Statistik einführende Kapitel 13 - in einer
nach Meinung des Verfassers neuartigen Weise gegliedert. Sie bestehen jeweils aus
einem Hauptteil, in dem die wesentlichen Begriffsbildungen, Resultate und grund
legende Herleitungsmethoden ausführlich vorgestellt und anhand von Beispielen
erläutert werden. Daran schließt sich ein Vertiefungsteil an, der weiterführende
mathematische Überlegungen und anspruchsvollere Beweisführungen enthält.
Der Verfasser hofft, daß auf diese Weise den Nutzern dieses Buches durch das
Lesen der Hauptteile eine präzise und prägnante Darstellung der Mathematik
des Zufalls und der vielfältigen Anwendungsfelder gegeben wird - eine Darstel
lung, die dann nach Interessenlage durch das Studium der Vertiefungsteile ergänzt
und vervollständigt werden kann.
Wie bei einführenden Lehrbüchern üblich werden im folgenden Text keine Lite
raturverweise gegeben. Die wenigen insbesondere in den Vertiefungen benutzten
und dort nicht bewiesenen Resultate ( maßtheoretischer und analytischer Art )
sind als Standardstoff vom interessierten Leser ohne Mühen in den zugehörigen
Lehrbüchern aufzufinden.
Der Text ist aus einem 2-semestrigen Kurs des Verfassers entstanden, den er
für Studierende der Mathematik und weiterer naturwissenschaftlicher und inge
nieurwissenschaftlicher Fächer gehalten hat. Allen, die zum vorliegenden Text
beigetragen haben, wird herzlichst gedankt. Besonderer Dank gebührt Herrn J.
Saß für Durchsicht, Anregungen und Rat.
Kiel, im Februar 2001 A. Irle
Inhaltsverzeichnis
1 Zufallsexperimente 9
2 Wahrscheinlichkeitsräume 18
3 Umgang mit Wahrscheinlichkeiten 29
4 Bedingte Wahrscheinlichkeiten 38
5 Diskrete Wahrscheinlichkeitsmaße 50
6 Reelle Wahrscheinlichkeitsmaße 63
7 Zufallsvariablen 80
8 Erwartungswerte und Integrale 95
9 Momente und Ungleichungen 122
10 Stochastische Unabhängigkeit 145
11 Gesetze der großen Zahlen 170
12 Der zentrale Grenzwertsatz 188
13 Die statistische Modellbildung 202
14 Statistisches Entscheiden 212
8
15 Zur Struktur statistischer Experimente 229
16 Optimale Schätzer 249
17 Das lineare Modell 266
18 Maximum-Likelihood-Schätzung 288
19 Optimale Tests 317
20 Spezielle Tests und Konfidenzbereiche 345
Literatur 372
Sachverzeichnis 375
Kapitell
Zufallsexperimente
1.1 Der Begriff des Zufallsexperiments
Eine Situation, die ein vom Zufall beeinflußtes Ergebnis hervorbringt, wird als
Zufallsexperiment bezeichnet. Die möglichen Ergebnisse w werden als Ele
men~e einer nicht-leeren Menge n betrachtet, die den Ergebnisraum des Zu
fallsexperiments bildet. Ereignisse werden als Teilmengen A von n aufgefaßt.
Den Ereignissen A wird eine Zahl
P(A) E [0,1]
zugeordnet, die wir Wahrscheinlichkeit von A nennen. Da das Ergebnis w
n n
gemäß unserer Modellierung mit Gewißheit in liegt, ordnen wir die maxima
le Wahrscheinlichkeit 1 zu, entsprechend der leeren Menge die minimale Wahr
scheinlichkeit 0, so daß bei der Modellierung von Zufallsexperimenten stets
P(0) = 0 und p(n) = 1
vorliegt.
Wir identifizieren eine Teilmenge Ades Ergebnisraums mit dem Geschehnis, daß
das registrierte Ergebnis w des Zufallsexperiments in A liegt, was wir kurz als
das Eintreten von A bezeichnen wollen. Dieses erlaubt die mengentheoretische
Beschreibung von zusammengesetzten Ereignissen. Es beschreibt also
AU B das Eintreten von A oder B,
A n B das Eintreten von A und B,
AC das Nichteintreten von A.
A. Irle, Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik
© B. G. Teubner GmbH, Stuttgart/Leipzig/Wiesbaden 2001
10 KAPITEL 1. ZUFALLSEXPERIMENTE
Das Eintreten von A und B ist unvereinbar, falls gilt An B = 0, d.h. falls A und
B disjunkt sind. In diesem Fall schreiben wir
A+ B für AUB.
Für eine Familie von Ereignissen Ai, i E I, repräsentiert
U
Ai das Eintreten von mindestens einem der Ai,
iEI
n
Ai das Eintreten von allen der Ai'
iEI
Eine solche Familie von Ereignissen Ai, i E I, bezeichnen wir als paarweise dis
junkt, falls stets Ai n Aj = 0 für i =f. j gilt, und wir schreiben dann
LAi für UAi.
iEI iEI
In etlichen Fragestellungen erlaubt unser intuitives Verständnis von Wahrschein
lichkeit das Berechnen von Wahrscheinlichkeiten bestimmter Ereignisse, ohne daß
schon ein axiomatischer Aufbau der Theorie hätte stattfinden müssen. Dies ist
insbesondere der Fall in Situationen, in denen Vorstellungen von Gleichwahr
scheinlichkeit auftreten. Wir behandeln nun einige Beispiele dieser Art und
illustrieren damit die zum Zufallsexperiment gehörenden Begriffsbildungen.
1.2 Das Würfeln
Das Werfen eines Würfels wird durch den Ergebnisraum
0= {1,2,3,4,5,6}
beschrieben. Das Ereignis, eine gerade Zahl zu würfeln, besitzt die Darstellung
A = {2, 4, 6} als Teilmenge des Ergebnisraums. Die Modellvorstellung des gleich
wahrscheinlichen Eintretens der Zahlen 1 bis 6 führt zu der Zuordnung
1
P( {i}) = "6 für i = 1, ... ,6.
Zu beachten ist hier, daß das Eintreten eines bestimmten Ergebnisses i durch die
einelementige Teilmenge {i} repräsentiert wird, so daß wir P( { i}) und nicht P( i)
zu schreiben haben. Gemäß unserer Begriffsbildung des Zufallsexperiments sind
Wahrscheinlichkeiten für Ereignisse, d.h. für Teilmengen des Ergebnisraums, zu
betrachten. Die Wahrscheinlichkeit von A = {2, 4, 6} ergibt sich dann in nahelie
gender Weise als Summe
P(A) = P({2}) + P({4}) + P({6}) = ~.
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Intuitiv sofort einsichtig ist also die Festlegung
P{A) = I: I,
wobei I A I die Anzahl der Elemente von A bezeichnet.
1.3 Das Lottospiel
Aus den Zahlen 1, ... ,49 werden zufällig 6 Zahlen gezogen. Bei der Darstellung
des Ergebnisses der Ziehung werden die sechs gezogenen Zahlen der Größe nach
geordnet dargestellt. Als Ergebnisraum ergibt sich
n = {(ab"" a6) : 1 ~ al < a2 < ... < a6 ~ 49}.
Die Anzahl der Elemente von n erhalten wir gemäß
In 1= = ( =
49·48·47·46·45·44 49 ) 13983816.
1·2·3·4·5·6 6 ,.
Es gibt nämlich 49 Möglichkeiten für die Ziehung der ersten Zahl, anschließend
dann 48 Möglichkeiten für die Ziehung der zweiten, was sich fortsetzt bis zu den
verbleibenden 44 Möglichkeiten für die Ziehung der sechsten Zahl. Jede der 6!
möglichen Permutationen führt zum selben geordneten Tupel, so daß sich als An
zahl aller geordneten Tupel der obige Bruch ergibt. Unsere Vorstellung, daß jedem
solchen Tupel gleiche Wahrscheinlichkeit zukommt, führt dann zu der Festlegung
1 1
rnl
P{ {w }) = = 13983816
und allgemeiner durch Summation zu
lAI lAI
= L = -nI 1 =
P{A) P{{w}) 13983816
wEA
Wir fragen nun nach der Wahrscheinlichkeit, daß auf einen abgegebenen Tip
(bb"" b6) genau drei Richtige entfallen. Als Ereignis A erhalten wir die Menge
aller Tupel aus dem Ergebnisraum, die genau drei Übereinstimmungen mit dem
vorgegebenen Tupel besitzen, also
Die Anzahl der Elemente von A ergibt sich als
Description:Aufbauend auf einer ausf?hrlichen Darstellung der wahrscheinlichkeitstheoretischen Grundbegriffe und deren Anwendungen werden die Gesetze der gro?en Zahlen und der zentrale Grenzwertsatz behandelt, gefolgt von einer Darstellung der statistischen Modellbildung, der Sch?tztheorie und der Testtheorie.