Table Of ContentVorrichtungen
im Maschinenbau
nebst Anwendungsbeispielen
aus der Praxis
Von
Otto Lieh
Oberingenieur
Zweite
vollständig umgearbeitete Auflage
Mit 656 Abbildungen im Text
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
1921
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
Copyright 1921 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Ursprünglich erschienen bei Julius Springer in Berlin 1921
Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1921
ISBN 978-3-662-27990-8 ISBN 978-3-662-29498-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-29498-7
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.
Durch die gegenwärtig herrschenden Verhältnisse ist in der Pro
duktion unserer gesamten Metallindustrie ein Tiefstand eingetreten.
Dieser Zustand kann durch größtmöglichste Ausnutzung von Zeit und
Arbeitskraft behoben werden. Da sich aber Körperkraft und Geschick
lichkeit eines Menschen bereits an ihren Grenzen bewegen, so muß auf
Hilfsmittel gesonnen werden, die ihre Leistungsfähigkeit erhöhen.
In allererster Linie kommen die Werkzeug- und Arbeitsmaschinen
in Frage. Letztere sind aber bereits durch sinngemäße Konstruktionen
auf einen hohen Stand gebracht worden. Auch dürfte sich in der
heutigen Zeit die Anschaffung neuer verbesserter Maschinen nicht
immer durchführen lassen. Es liegt daher nun nichts näher, als die
vorhandenen Maschinen unter Verwendung von Vorrichtungen in ihrer
Leistungsfähigkeit zu steigern. Diese Frage ist zur Zeit äußerst aktuell
und es darf nichts unversucht bleiben, um den Wohlstand des deutschen
Vaterlandes auf diesem Wege zu heben.
Das hier vorliegende Werk will daher ein Baustein beim Wieder
aufbau der deutschen Metallindustrie sein. Es sind in ihm zahlreiche
Wege gezeigt, um auf den bestehenden Ma~chinen eine größere Lei
stungsfähigkeit zu erzielen. Jeder Fortschritt, selbst der geringste, ist
zu begrüßen, da ja bekanntlich in der Massenfabrikation kleine Vorteile
von großer Bedeutung sein können.
Am besten wird die Firma abschneiden, die sich einen gut organi
sierten Vorrichtungsbau geschaffen hat.
Möge dieses Buch dem Vorrichtungskonstrukteur ein Wegweiser
sein, um durch ihn in kurzer Zeit das richtige zu treffen. Die große
Auswahl des Stoffes ermöglicht es, eine für jeden besonderen Fall ent
sprecliende Konstruktion zu schaffen. Die Zahl der Vorrichtungen
könnte zwar noch bedeutend vermehrt werden, aber da sich viele
Konstruktionen im Prinzip gleichen, so ist stets aus den Gruppen nur
eiQe bestimmte Ausführung herausgenommen worden. In vielen Fällen
wird zwar eine direkte Verwendung der beschriebenen Vorrichtungen
nicht möglich sein, da doch je nach der Art des Arbeitsstückes ver
fahren werden muß. Darin soll auch nicht der Zweck dieses Werkes
bestehen, es solllediglich die Anlehnung an irgendeine der aufgeführten
Vorrichtungen ermöglicht werden. Durch sinnreiche Kombination des
IV Aus dem Vorwort zur ersten Auflage.
vorliegenden Materials können neue praktische Vorrichtungen ent
stehen. Hat das der Benutzer erkannt, so ist der Zweck dieses Werkes
erreicht.
Das hier vorliegende Werk ist bei weitem nicht durch seinen Um
fang begrenzt; ich würde für neue Anregungen aus der Praxis dankbar
sein, um dieses Buch für die fernere Zukunft zu einem unentbehrlichen
Ratgeber für sämtliche einschlägigen Fragen auf dem Gebiete des Vor
richtungsbaues zu gestalten.
Allen Firmen, die mir ihre freundliche Unterstützung bei der Her
stellung dieses Werkes liehen, sei an dieser Stelle noch besonders gedankt.
Desgleichen spreche ich dem Verlag für die zeitgemäße Ausstattung
des Werkes meinen besten Dank aus.
Berlin, im September 1921.
Otto Lieh.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Die gute Aufnahme, welche die erste Auflage dieses Buches gefunden
hat, bestärkt mich in der Annahme, daß ein Buch aus der Praxis für die
Praxis ein überaus wirksamer Faktor der Wirtschaftlichkeit eines Be
triebes ist, besonders wenn es Vorrichtungen behandelt. Gerade die
Vorrichtung ist dazu berufen, die Rentabilität der Betriebe wieder zu
heben, die in dem schweren Daseinskampf der vergangeneu Jahre ge
sunken war. Langsam und kaum merkbar vollzieht sich jetzt die Ge
sundung unserer Industrie. Sie zu fördern müssen alle Mittel der Technik
und alle aus der Praxis gewonnenen Erfahrungen benutzt werden. Der
Aufstieg darf nicht durch Betriebsgeheimnisse, wie einst, aufgehalten
werden, vielmehr gilt heute mehr denn je der Grundsatz: "Einer für alle,
alle für einen." Dies haben denn auch zahlreiche Firmen erkannt und
mir bereitwilligst und in dankenswerter Weise ihre Betriebserfahrungen
für die Bearbeitung dieser Neuauflage zur Verfügung gestellt.
Damit die Herstellungskosten und damit der Preis des Buches für den
einzelnen nicht zu hoch wurden, habe ich alles das, was nicht unmittel
bar mit Vorrichtungen zusammenhängt, fortfallen lassen und mich aus
schließlich auf die Vorrichtung selbst beschränkt, also aus derunendlichen
Fülle des Stoffes nur den Extrakt gebracht. Aus dem gleichen Grunde
ist der Text nicht unnötig durch Beiwerk erweitert worden.
Den Leser bitte ich auch bei dieser Neuauflage um wohlwollende Be
urteilung. Ich werde bestrebt sein, etwaigen Anregungen und Wünschen
für die nächste Auflage nach Kräften zu entsprechen.
Berlin, im Juni 1927.
Otto Lieh.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Grundzüge und Richtlinien für den Vorrichtungsbau 1
I I. Aufspannvorrichtungen. 15
1. Für Bohrmaschinen 15
2. Drehbänke. 20
3. Revolverdrehbänke . 31
4. Automaten. 40
5. Fräsmaschinen . 41
6. Bohrwerke 52
7. Hobelmaschinen 55
8. Shapingmaschinen 60
9. Stoßmaschinen . 62
10. Ziehmaschinen . 64
11. Schleifmaschinen . 67
12. Sägen. 68
13. Pressen 71
14. Lochmaschinen. 71
15. Scheren . 73
16. Feilmaschinen 74
III. Bohrvorrichtungen 75
1. Für Bohrmaschinen 75
2. Bohrwerke 127
IV. Fräsvorrichtungen 137
1. Für Handhebel-Fräsmaschinen. 138
2. Universal-Fräsmaschinen 142
3. Plan-Fräsmaschinen 161
4. Kopier-Fräsvorrichtungen 167
5. Gewinde-Fräsv9rrichtungen 177
V. Hobelvorrichtungen 185
1. Für gerade Flächen. 186
2. gekrümmte Flächen. 190
3. zylindrische Arbeitsflächen 199
4. Zum Fassonhobeln 203
5. Für Nuten 205
VI. Stoßvorrichtungen 208
1. Für gerade Bahnen . 208
2. Fassonstücke. 214
3. Nutenstoßarbeiten 217
VII. Schleifvorrichtungen 221
VIII. Preß- und Ziehvorrichtungen . 251
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
IX. Schnitt- und Lochvorrichtungen . 267
X. Spezialbaar beitungs vorrich tungen 285
I. Für Bohrarbeiten. . . . 285
2. " Bohrwerksarbeiten · . . 298
3. " Dreharbeiten. . ... 306
4. " Revolverbankarbeiten . 3ll
5. " Automatenarbeiten . 323
6. " Fräsarbeiten . 328
7. " Hobelarbeiten . 337
8. " Stoßarbeiten. . 339
9. " Schleifarbeiten . 341
10. " Sägearbeiten . . 343
11. " Abpreßarbeiten. 346
12. " Locharbeiten 350
13. " Gewindeschneidarbeiten . 352
XI. HUfsvorrichtungen 354
I. Für Schmiede . . . . . . . 354
2. " Schlosserei. . . . . . . 358
XII. Augewandte Beispiele für die Herstellung von Werkzeugen
in Vorrichtungen ...................... 392
XIII. Augewandte Beispiele für die Herstellung von Maschinen-
teilen in Vorrichtungen. 426
XIV. Der Vorrichtungsbau 484
Sachverzeichnis ..... 493
I. Grundzüge und Richtlinien für den V orrichtungsbau.
Ein moderner Betrieb ohne Vorrichtungen ist heutzutage nicht mehr
gut denkbar. Unter den Begriff der Vorrichtung fällt jede Art von
Hiliseinrichtung. Da Vorrichtungen zu den verschiedensten Zwecken
und demgemäß auch in den verschiedensten Ausführungen gebraucht
werden, ist eine Gliederung derselben nicht wohl möglich, ebensowenig
eine Systematisierung. Die Vorrichtung soll, gleich den genormten
Elementen, niemals anderen Zwecken dienen als denen der rationellsten
Bearbeitungsmöglichkeit. Sie ist das C'-.esetz der Fabrikation, und nach
ihrem Wert richtet sich die Konkurrenzfähigkeit des Betriebes.
Nur der Betrieb wird sich am schnellsten aus dieser Zeit der Not
retten, der die zweckdienlichsten Vor- und Einrichtungen besitzt. Auf
einzelne Vorzüge soll hier nicht näher eingegangen werden, denn es
gibt ihrer ebensoviele, wie es Vorrichtungen gibt. Gerade der Vor
richtungsbau erfordert die besten und tüchtigsten Fachleute. Man
könnte den Entwurf einer wertvollen Vorrichtung mit den Meister
werken anderer Berufe vergleichen, denn es liegt ebensoviel Geist und
höherer Sinn in ihm wie im Kunstwerk.
Das hier folgende soll als Grundlage dienen, sich schnell und sicher
den Arbeitsprozeß vor Augen zu führen.
Welches sind nun die Grundlagen für die Wahl einer Vorrichtung 1
Die Antwort muß jeder Fachmann wissen; weiß er sie nicht, so
wird er sicher auch Fehler von weittragender Bedeutung machen, die
das Unternehmen in seiner Existenz gefährden.
Als erste gilt die Größe des Auftrages. Hier entscheidet sich, ob
mit oder ohne Vorrichtung gearbeitet werden muß, bzw. wie weit
man mit dem Ausbau gehen darf. Man wird niemals für einen kleinen
Auftragteure Vorrichtungen entwerfen. Jedoch hängt dieser Umstand
von der Kalkulation ab. Ist der Auftrag umfangreich, so daß dem
Ausmaß für die Wahl der Vorrichtung keine Grenzen gesetzt sind,
dann entscheidet die Intelligenz des Konstrukteurs.
Ebenfalls ist zu beachten, ob sich der Auftrag wiederholt, ob er
ständig wiederkehrt. Hier muß mit äußerster Vorsicht zu Werke ge
gangen werden, denn es dürfte zeitweise bei gleichmäßig wieder
kehrenden Aufträgen oft auch eine Änderung der Art des Arbeitsstückes
Lieh, Vorrichtungen. 2. Aufl. 1
2 Grundzüge und Richtlinien für den Vorrichtungsbau.
erforderlich werden, was bei einem einmaligen großen Auftrag nicht zu
befürchten ist. Hier wird man bei Abgabe der Offerte darauf hinweisen;
nur bei gleichbleibender Form und Abmessung.
Die zweite Grundlage ist gediegene Kenntnis des Maschinenparkes.
Ohne sie geht es nicht. Man kann beispielsweise eine Werkzeug.
maschine nur dann restlos ausnützen, wenn man ihre Charakteristik
ganz genau kennt. Die Vorrichtung hat den Zweck, die Leistung der
Maschine zu steigern bzw. zu ergänzen. Wenn man z. B. eine Vorrich
tung entwirft, die zwar eine gewisse Leistung ergibt, aber bei genauerer
Kenntnis der betreffenden Maschine überflüssig sein würde, so wäre
dies falsch, denn man würde gewissermaßen die Leistung von Maschine
und Vorrichtung überlappen statt, wie beabsichtigt, einen fortschreitenden
Leistungsaufbau zu erzielen. Aus diesem Streiflicht ersieht man bereits,
wie wichtig die Kenntnis des Maschinenparkes für den Entwurf einer
Vorrichtung ist. Die vom Normenausschuß entworfenen Maschinen
karten geben eine vorzügliche Ergänzung für den Vorrichtungsbau und
sind sehr zu empfehlen.
Die dritte Grundlage beim Entwurf einer Vorrichtung ist die Kennt
nis des Passungswesens. Mit welcher Genauigkeit muß gearbeitet
werden~ Wird Austauschbarkeit verlangt~ Diese Fragen sind von
einschneidender Bedeutung für die Präzision der Vorrichtung. Die
Angabe der Passung wirkt sich auf den Herstellungs- bzw. Verkaufs
preis aus. Eine Vorrichtung für Grobpassung wird stets anders be
schaffen sein als eine solche für Feinpassung.
Die vierte Grundlage ist Bearbeitungsmöglichkeit und ihre Arbeits
folge. Man muß bei der Bearbeitung stets die Vermeidung der toten
~a_ufzeiten im Auge haben. Schnellste mechanische Bearbeitung mit
günstigster Ein- und Ausspannung des Werkstückes. Bei der Massen
fabrikation ist dieser Grundsatz ausschlaggebend.
Die fünfte Grundlage ist die Auswahl der Materialien für den Aufbau
der Vorrichtung. Es fragt sich, ob Guß- oder Schmiedeeisen verwendet
werden soll. Gußeiserne Vorrichtungskörper sind stets den schmiede
eisernen vorzuziehen, wegen der Fugen- und Paßflächenverminderung.
Auch stellt sich, abgesehen von den Modellkosten, eine gußeiserne V orrich
tung billiger. Die Modelle können stets wieder verwendet werden, sobald
eine Zerstörung am Vorrichtungskörper auftritt. Im übrigen sollte man
bei der Auswahl der Materialien hier von keinem falschen Sparsamkeits
gefühl geleitet werden, denn die Vorrichtung ist durch ihre große Arbeits
zeitersparnis hochproduktiv.
Bevor man nun zum Entwurf schreitet, muß man sich einen sog.
Arbeitsplan aufstellen, d. h. die Bearbeitung in allen Phasen zergliedern.
Jeder Handgriff, jede Bearbeitung muß einmal ohne Vorrichtung und
das andere Mal mit Vorrichtung zerlegt werden.