Table Of ContentVORLESUNGEN UBER
EINIGE KLASSEN NICHTLINEARER
INTEGRALGLEICHUNGEN UND
INTEGRO;::DIFFERENTIAL=
GLEICHUNGEN
NEBsr ANWENDUNGEN
VON
LEON LICHTENSTEIN
o. O. PROFESSOR DER MATHEMATIK AN DER
UNIVERSIT A T LEIPZIG
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1931
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER OBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1931 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
Softcover reprint ofthe hardcover lst edition 1931
ISBN-13: 978-3-64247229-9 e-ISBN-13: 978-3-642-47600-6
DOl: 10.1007/978-3-642-47600-6
MEINEM VEREHRTEN FREUNDE
EMILE MEYERSON
GEWIDMET
Vorwort.
In einer Reihe von Arbeiten, die in den letzten zwolf Jahren er
schienen sind und sich mit Problemen der Variationsrechnung, der
Hydrodynamik, der Theorie der Figur der Himmelskorper u. dgl. be
schaftigten, habe ich einige spezielle Klassen nichtlinearer Integral
gleichungen und Integro-Differentialgleichungen behandelt. Gast
vorlesungen, die ich im Februar und Marz vergangenen Jahres an der
Universitat Lw6w hielt, gaben mir Gelegenheit, den mathematischen
Inhalt jener Untersuchungen noch einmal in einer einheitlichen Weise
zu bearbeiten. Die vorliegende kleine Monographie stellt eine erweiterte
und vervollstandigte Wiedergabe meiner Vorlesungen dar. Sie enthalt
neben bereits Bekanntem manches methodisch und sachlich Neue.
Aber auch das Bekannte habe ich mich bemuht, auf eine neue, wie ich
hoffe, einfachere Form zu bringen.
Das erste Kapitel behandelt in seinem ersten Teile die Auflosung
nichtlinearer Integralgleichungen im kleinen, d. h. wenn die als ge
geben zu betrachtenden Funktionen absolut hinreichend klein sind.
In einer bekannten, schon langer zuruckliegenden Abhandlung1 hatte
sich Herr Schmidt mit diesem Gegenstand beschaftigt und u. a. die
Moglichkeit des Auftretens funktionaler Verzweigungen festgestellt.
Herr Schmidt legt seinen Betrachtungen die von ihm so genannten
regular konvergenten Integralpotenzreihen zugrunde und bedient sich
eines Majorantenverfahrens. In der vorliegenden Darstellung werden
durchgehend sukzessive Approximationen benutzt. Fur die Konvergenz
dieser erweist sich das Bestehen von zwei naheliegenden Ungleichheiten
als entscheidend. Analoge Ungleichheiten gelten, wie spater gezeigt
wird, bei manchen fur die Anwendungen wichtigen nichtlinearen
Integro-Differentialgleichungen, die sich auf nichtlineare Integral
gleichungen von der von Herrn Schmidt betrachteten Art nicht oder
nicht in einer einfachen Weise zuruckfiihren lassen. Es gelingt so die
Auflosung zahlreicher Integro-Differentialgleichungen im kleinen
durch sukzessive Approximationen in vollig einheitlicher Weise. Der
Konvergenzbeweis brauchte dabei nur einmal (in § 2 des ersten Ka-
1 Vgl. E. Schmidt, Zur Theorie der linearen und nichtlinearen Integral
gleichungen. III. Teil. tiber die Auflosung der nichtlinearen Integralgleichungen
und die Verzweigung ihrer Losungen, Math. Annalen 65 (1908), S.370--399.
VI Vorwort.
pitels) in allen Einzelheiten durchgefiihrt zu werden. Insbesondere ge
stattet das eingeschlagene Verfahren die Auflosung einer nichtlinearen
Integralgleichung, auch wenn die Integralpotenzreihe, die, gleich Null
gesetzt, die aufzu16sende Gleichung liefert, nicht notwendig "regular"
konvergiert.
Nach einer ins einzelne gehenden Diskussion des Problems der
Auflosung nichtlinearer Integralgleichungen im kleinen, wobei auch
auf die von Liapounoff noch vor dem Erscheinen der Schmidtschen
Abhandlung gewonnenen Ergebnisse eingegangen wird, werden u. a.
gewisse auf Systeme nichtlinearer Integralgleichungen ohne weiteres
zuriickfiihrbaren Integro-Differentialgleichungen behandelt. Es folgen
einige Anwendungen: ein zuerst von Herrn Carleman betrachtetes
nichtlineares Problem der Warmeleitung mit Ausstrahlung, der Exi
stenzbeweis zweidimensionaler Oberflachenwellen von Levi-Civi ta,
Abhangigkeit der Losung des ersten Randwertproblems elliptischer
Differentialgleichungen zweiter Ordnung in der Normalform von den
Randwerten, Auflosung des ersten Randwertproblems der Differential
gleichung Au = keu (k > 0) im groBen usw.
1m zweiten und dritten Kapitel werden spezielle nichtlineare Integro
Differentialgleichungen betrachtet, die sich auf Integralgleichungen von
der im erst en Kapitel betrachteten Form nicht oder nicht in einfacher
Weise zuriickfiihren lassen. Hier wird zunachst das Verhalten der Lo
sungen allgemeinster elliptischer Differentialgleichungen zweiter Ord
nung bei einer hinreichend kleinen Anderung ihrer Randwerte studiert
und als eine Anwendung die Frage nach der Existenz des Feldes bei
zweidimensionalen regularen Variationsproblemen diskutiert. Es folgen
eine fundamentale Integro-Differentialgleichung der Theorie der Gleich
gewichtsfiguren rotierender Fliissigkeiten, ein in der Dynamik voll
kommen inkoharenter Medien sowie ein in der Theorie Helmholtzscher
Wirbel auftretendes System nichtlinearer Integro-Differentialgleichun
gen. Die Auflosung wird allemal durch sukzessive Naherungen ge
wonnen. Der springende Punkt ist, wie bereits erwiihnt, die Ableitung
der beiden maBgebenden Ungleichheiten. Wesentliche Dienste leisten
hierbei gewisse von mir vor einiger Zeit angegebene potentialtheore
tische Hilfssatze, bei den en es sich urn das Verhalten des Newtonschen
Potentials raumlicher oder Flachenbelegungen bei einer Anderung des
die Belegung tragenden Gebietes handeltl.
Das vierte Kapitel beschaftigt sich mit gewissen nichtlinearen
Integralgleichungen im groBen. Es werden in Verallgemeinerung alterer
Ergebnisse des Verfassers Satze betreffend die Existenz ~er Losung
und der Eigenwerte abgeleitet. Ausgegangen wird von einem Variations-
1 Vgl. L. Lich tenstein, "Ober einige Hilfssatze der Potentialtheorie. IV,
Berichte der Sachsischen Akademie der Wissenschaften. 82 (1931), S. 265-344.
Vorwort. VII
problem. Wie a. a. O. gezeigt wird, laBt sich zunachst, unter Benutzung
eines von Ritz angegebenen Verfahrens, eine Minimalfolge konstruieren.
Aus dieser Minimalfolge wird sodann eine Teilfolge ausgesondert, die
gegen eine Losung des Problems gleichmaBig konvergiert.
Zum Verstandnis des folgenden geniigen neb en den Grundlagen
der Differential- und Integralrechnung Elemente der Potentialtheorie
und der Theorie linearer Integralgleichungen. Kenntnisse auf dem Ge
biete linearer elliptischer Differentialgleichungen zweiter Ordnung sind
erwiinscht, jedoch nicht erforderlich, da alles Notige ausfiihrlich aus
einandergesetzt wird.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, meinem Assistenten, Herrn
Privatdozenten Dr. E. Holder fUr manchen wertvollen Rat bei der Ab
fassung dieses Werkes und fiir die mir durch das Lesen der Korrekturen
erwiesene wirksame Hilfe meinen herzlichsten Dank auszusprechen.
Der Verlagsbuchhandlung Julius Springer, die auf aIle meine
Wiinsche bereitwilligst eingegangen ist, sei auch an dieser Stelle
bestens gedankt.
Lei pzig, im Februar 1931.
Leon Lichtenstein.
Inhaltsverzeichnis.
Erstes Kapitel.
Nichtlineare Integralgleichungen im kleinen.
Seite
§ 1. Problemstellung und vorbereitende Betraehtungen . . . . . . . ., 1
§ 2. Ein Spezialfall. Sukzessive Approximationen. Unitat. Analytiseher Cha-
rakter der Lasung. . . . . . . . . . 6
§ 3. Eine Erweiterung der Voraussetzungen 10
§ 4. Der regulare Fall. . 15
§ 5. Verallgemeinerungen. . . . . . . . . 16
§ 6. Verzweigungsfall . . . . . . . . . . 19
§ 7. Diskussion der Verzweigungsgleiehungen. 25
§ 8. Erweiterungen und Verallgemeinerungen. 27
§ 9. Systeme niehtlinearer Integralgleiehungen 30
§ 10. Erweiterungen . . . . . . . . . . . . 36
§ 11. Einige niehtlineare Integro-Differentialgleiehungen, die sieh auf Systeme
niehtlinearer Integralgleiehungen zuriiekfiihren lassen. 37
§ 12. Eine eindimensionale Randwertaufgabe . . . . . . . . . . . . . . 43
Zweites Kapitel.
Anwendungen.
1. Fortpflanzung zweidimensionaler perman enter Oberflaehenwellen end-
lieher Amplitude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
§ 2. Ein Randwertproblem der Theorie der Warmestrahlung 54
§ 3. Die elliptisehe Differentialgleichung Llz = F (x, y, z, oiJzx ' oiJyZ ). Lasung
der ersten Randwertaufgabe in ihrer Abhangigkeit von den vorgesehrie-
benen Randwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
§ 4. Die Differentialgleiehung Ll z = F (x, y, z) . . . . . . . . . . . 78
§ 5. Die Differentialgleiehung Ll z = k e Z (k > 0). Das Randwertproblem im
groBen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
Drit tes Kap it el.
Einige Klassen nichtlinearer Integro-Differentialgleichungen, die sich nicht
auf Systeme nichtlinearer Integralgleichungen zuriickfiihren lassen.
1. Die allgemeine elliptisehe Differentialgleiehung zweiter Ordnung. Die
Lasung in Abhangigkeit von einem Parameter. Der regulare Fall . . 88
2. Regulare zweidimensionale Variationsprobleme und die Existenz des
Feldes . '.' . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
3. Ein Umkehrproblem in der Theorie der Funktionale. . . . .. 105
x Inhaltsverzeichnis.
Seite
§ 4. Gleichgewichtsfiguren rotierender Fliissigkeiten. . . . . . . . . . . 112
§ 5. Ein potentialtheoretischer Hilfssatz. . . . . . . . . . . . . . . . 122
§ 6. Ein System nichtlinearer Integro-Differentialgleichungen in der Dyna-
mik vollkommen inkoharenter gravitierender Medien. . . . . . . . 127
§ 7. Ein System nichtlinearer Integro-Differentialgleichungen in der Hydro-
dynamik homogener, inkompressibler, reibungsloser Fliissigkeiten 133
Viertes Kapitel.
Nichtlineare Integraigieichungen im groBen.
§ 1. Existenz eines Eigenwertes. . . . . . . 141
§ 2. Existenz eines Eigenwertes. Fortsetzung. 152
§ 3. Existenz der Losungen 156
Namen- und Sachverzeichnis 163
Erstes Kapitel.
Nichtlineare Integralgleichungen
im kleinen.
§ 1. Problemstellung und vorbereitende Betrachtungen. Es sei
< <
K(x, Xl) eine in dem Rechtecke 0 <x 1, 0 <Xl I erklarte stetige
Funktion, und es moge v (x) irgendeine in dem Intervalle 0 < X < I
definierte stetige Funktion bezeichnen. Wichtige Probleme der mathe
matischen Physik und der Theorie gewohnlicher und partieller Diffe
rentialgleichungen fiihren auf Beziehungen von der Form
1
+ J +
C(x) K(x, Xl) C(X1) dX1 = vex) F {C(x), v (X)},
o
unter F {C (x), v (x)} eine gewisse nichtlineare Funktionaloperation tiber
C( x) und v (x) verstanden. Mit einer Klasse von Funktionalgleich ungen
dieser Art, die zuerst von Erhard Schmidt systematisch unter
sucht worden ist, werden wir uns im folgenden beschaftigen. Wesent
I I
lich erscheint hierbei vor allem, daB v (x) hinreichend kleine Werte
I
erteilt werden soIlen, was zur Folge hat, daB C(x) lund dem speziellen
Ba u von F {C ( X ), v ( X )} zufolge a uch IF I lediglich hinreichend kleine
Werte annimmt. Wir sprechen darum von einer nichtlinearen Integral
gleichung im kleinen.
Wir beginnen mit einigen spezielleri Beispielen.
l. F{C(x),v(x)}=Cm(x)v"(x). (m>2, n~O),
somit
1
+ J +
C(x) K(x, Xl) C(xl ) dX1 = v (X) Cm(x) V"(X).
o
In naheliegender Verallgemeinerung gelangen wir von hier aus zu der
nichtIinearen Integralgleichung
1
C(x)+J'K(x,X )C(x )dx =v(x)+ .2) ain"Cm(x)v"(x),
l 1 l
o m+n>l
unter .2) am .. Cm V" eine fur hinreicllend kleine IC I und Iv I konver
gente· Potenzreihe verstanden. Auch kann die Potenzreihe im beson
deren aus einer endlichen Anzahl von Gliedern bestehen.
Lichtenstein, Integralgleichungen. 1
2 Nichtlineare Integralgleichungen im kleinen.
Y:
2. F g(x), v(x)} = (/ Sf(x, Xl) Ca(Xl) Vb(XJ dX1 a2 2, b > 0, el > 1,
somit 1 1 !.'1
C(X) + [K(X, Xl) C(xl)dx1= V(X)+ ([Sf(x, Xl) Ca(X1) Vb(Xl)dX1) .
Eine Verallgemeinerung fiihrt von hier aus zu der nichtlinearen In
tegralgleichung
(11
C(x) + I1K (x, x1)C(xJdxl= v(x)+ .L'\.1; a !.'l Sf(x, XI)Ca(xl) Vb(x1)dx1) !.'1'
o 1?1~1 0
unter 2J eine fUr hinreichend kleine Werte von I I konver-
a!.'1 Z!.'1 z
1?1
gierende Reihe, die sich auch auf ein Polynom reduzieren kann, ver-
standen. Weitere Integralgleichungen allgemeinerer Natur erhaIt man,
wenn man rechter Hand Glieder von der in 1. und 2. betrachteten Art
vereinigt, diesen evtl. weitere Glieder etwa von der Form
11
I I Sf(x; Xl'X2) Ca(xJ Ca(X2) vb(xJ Vii(X2) dXl dX2
00
zugeseIlt, usw.
Diese speziellen Beispiele mogen geniigen, - wir gehen jetzt zu
Betrachtungen allgemeiner Natur iiber.
1m folgenden mogen
Kmnj(x; xl' ... , Xli)'
(e,m,n,j ganz, e>l, O<m<e, O<n<e, m+n=e, j=I, ... ,k)
gewisse fiir alle in dem abgeschlossenen Intervalle (0,1) gelegenen Werte
ihrer Argumente erkHirte stetige, reelle oder komplexe Funktionen
bezeichnen. Es seien weiter C( x), v (X) in (0,1) erklarte stetige reelle
oder komplexe Funktionen3• Wir setzen zur Vereinfachung
C= C(x), C1 = C(xl ), ... ; v = v (x), VI = v(XI ), ... ,
2: 1 1 cr'
(1) Um ug, v} = I··· I Kmnj(x; Xl' ... , XI?) Cfl ... C;I! VfJ vt100' vtedx1 ••. dX1
j 0 0
die Summe erstreckt iiber aIle ganzen nichtnegativen a, al, •.• , al!;
P, Pl' oo., PI! mit
(2) a+al+ ... +al?=m, P+PI+",+PI!=n.
<
Wir haben vorhin j k gesetzt. Offen bar ist k die Anzahl der
Losungen der Diophantischen Gleichungen (2).
Augenscheinlich ist fiir konstantes w
Umn{wC, wv} = wm+n umng, v}.
3 Diese Voraussetzung wird spater gelegentlich zugunsten einer allgemei
neren Annahme fallen gelassen.