Table Of ContentVON BOLZANO ZU HUSSERL
PHAENOMENOLOGICA
REUlE GEGRUNDET VON H.L. VA N BREDA UNO PUBLIZIERT
UNTER SCHIRMHERRSCHAFT DER HUSSERL-ARCHIVE
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C.BEYER
VON BOLZANO ZU HUSSERL
Eine Untersuchung fiber den Ursprung der
phanomenologischen Bedeutungslehre
Redaktionskomitee:
Direktor: R. Bernet (Husserl-Archief, Leuven) Sekretiir: J. Taminiaux (Centre d'
etudes phenomenologiques, Louvain-Ia-Neuve) Mitglieder: S. Usseling (Husserl
Archief, Leuven), H. Leonardy (Centre d' etudes phenomenologiques, Louvain-Ia
Neuve), U. Melle (Husserl-Archief, Leuven), B. Stevens (Centre d' etudes
phenomenologiques, Louvain-Ia-Neuve)
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Paris XII), K. Dusing (Husserl-Archiv, Koln), J. Hart (Indiana University,
Bloomington), K. Held (Bergische Universitat Wuppertal), D. Janicaud (Universite
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University, Philadelphia), E.W. Orth (Universitat Trier), B. Rang (Husserl-Archiv
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(Universita degli Studi di Milano), R. Sokolowski (Catholic University of America,
Washington D.C.), E. Stroker (Universitat Koln), B. Waldenfels (Ruhr-Universitat,
Bochum)
CHRISTIAN BEYER
Universitiit Hamburg,
Philosophisches Seminar
VON BOLZANO ZU HUSSERL
Eine Untersuchung fiber den Ursprung der
phanomenologischen Bedeutungslehre
KLUWER ACADEMIC PUBLISHERS
DORDRECHT I BOSTON I LONDON
A C.I.P. Catalogue record for this book is available from the Library of Congress.
ISBN-13: 978-94-010-7257-1 e-ISBN-13: 978-94-009-1691-3
DOl: 10.1007/978-94-009-1691-3
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Lay-out: Heiko C. Dobrick
Printed on acid-free paper
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© 1996 Kluwer Academic Publishers
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1996
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VOLKER BEYER,
dem geliebten Bruder,
und
J E A N LEV lEN,
dem verehrten Freund,
zum Gedachtnis
Meinen Eltem und GroBe Item
in dankbarer Verehrung
gewidmet
Inhaltsverzeichnis
lnhaltsverzeichnis ...................................................................................................... 1
Einieitung ................................................................................................................... 3
Erstes Kapitel.
Die Phiinomenoiogie der logischen Erlebnisse ......................................................... 7
1.0 Einieitung ....................................................................................................... 7
I . i . Die drei thematischen Dimensionen der reinen Logik ............................... 14
1.2. Erkenntnis und Logik (Searle, Husserl) ...................................................... 41
Zweites Kapitel.
Boizano pur: Die wesentlichen Unterscheidungen .................................................. 53
2.0 Einieitung ..................................................................................................... 53
2 Inhaltsverzeichnis
2.1 Vorbegriffe ................................................................................................... 57
2.1.1 Satz an sich .......................................................................................... 57
2.1.2 Vorstellung an sich .............................................................................. 66
2.2 Subjektive Vorstellung und Vorstellungsstoff.. ........................................... 72
2.2.1 Subjektive Vorstellung ........................................................................ 72
2.2.2 Eine Begriffsbestimmung und die Frage nach ihrer Funktion ............ 90
2.2.3 Verhaltnis zwischen subjektiver Vorstellung, zugehoriger
Vorstellung an sich und Vorstellungsobjekt.. .............................................. 95
2.3 Urteil und Urteilsstoff. ............................................................................... 116
Drittes Kapitel.
Bolzano, Lotze, Husser!: Die Spezies-Konzeption der Bedeutung ....................... 131
3.1 Lotzes Ideenlehre ....................................................................................... 131
3.2 Husserls Spezies-Konzeption der Bedeutung ............................................ 153
3.3 Ausblick: Indexikalitat und noematisches X. ............................................ l72
Literatur ................................................................................................................. 187
Index .................................................................................................................... 193
Hdujig verwendete Abkurzungen:
LU = Husserl, E., Logische Untersuchungen (vgl. Literaturverz.)
LUI = _no, Erster Band (Prolegomena zur reinen Logik)
LUll = _no, Zweiter Band,l.Teil
WL = Bolzano, 8., Wissenschaftslehre (vgl. Literaturverz.)
3
Einleitung
Die phanomenologische Bedeutungslehre hat ihre erste und bislang uberzeugend
ste systematische Ausarbeitung in Edmund Husserls 'Logischen Untersuchungen'
(1900/01) erfahren. Wie der Titel des Werkes es anzeigt, interessiert sich Husserl
flir die Bedeutungen sprachlicher Zeichen vor allem aus der Perspektive eines
(philosophischen) Logikers. Die vorliegende Arbeit handelt vom systematischen
und historischen Ursprung der phanomenologischen Bedeutungslehre, insofern sie
flir die Philosophie der "reinen Logik" Husserlscher Pragung relevant ist.
In den 'Logischen Untersuchungen' bettet Husserl die Lehre von den Bedeutungen
sprachlicher Zeichen (insoweit diese fur die reine Logik in Betracht kommen) in
eine allgemeine Theorie der logischen Erlebnisse ein. Er vertritt also offenbar die
These, daB sprachliche Bedeutung prinzipiell etwas mit dem Phanomenbereich
'BewuBtsein' zu tun hat. 1ch werde im ersten Kapitel meiner Abhandlung erortern,
was es mit Husserls Phanomenologie der logischen Erlebnisse auf sich hat; gleich
zeitig werde ich nachzuweisen versuchen, daB die Beschaftigung mit der
Entstehung und den konzeptuellen Grundlagen dieser philosophischen Disziplin
gerade heute -in einer Zeit, in der vieles auf eine Synthese der beiden einstmals als
unvereinbar geltenden Hauptstromungen der Philosophie unseres ausgehenden
lahrhunderts hindeutet -von besonderer Wiehtigkeit ist.
Was die historischen Wurzeln der phanomenologischen Bedeutungslehre anlangt,
so verlasse ich mich im wesentlichen auf Husserls diesbemgliche Selbsteinschat
zung. Dies urn so mehr, als Husserl seinen (in den lahren nach Erscheinen der er
sten Auflage der 'Untersuchungen' zahlreich vorhandenen) Kritikern und auch sich
selbst gegeniiber ausflihrlich Rechenschaft tiber die wichtigsten Inspirationsquellen
seiner logico-philosophischen Auffassungen abgelegt hat - nieht zuletzt in der
Absicht, auf diese Weise moglichst viele wirkliche oder mogliche MiBver
standnisse seiner Lehre auszuraumen bzw. abzuwenden. In dieser Beziehung weist
Husser! nun wiederholt mit Nachdruck auf die besondere Bedeutung der 'Wissen
schaftslehre' Bernard Bolzanos (1837) und der (groBen) 'Logik' R. Hermann Lotzes
(1874) flir die Entwick(e)lung der in den 'Logischen Untersuchungen' entfalteten
Bedeutungslehre hin. So hebt er in einem Anhang zu dem Older Idee der reinen Lo
gik" gewidmeten Paragraphen 61 der 'Prolegomena zur reinen Logik' ausdrticklich
hervor, daB "die vorliegenden logischen Untersuchungen ... entscheidende AnstoBe
von BOLZANO -und auBerdem von LOTZE -empfangen haben" (LU I, S.227)'.
I Auf die Bedeutung Bolzanos fur Husserls Konzeptionen hat in jiingerer Zeit D. Follesdal
4 Einleitung
Besonders aufschluBreich sind in dieser Hinsicht jedoch zwei weniger bekannte
Texte Husserls: erstens eine Rezension, die er 1903 fUr die 'Zeitschrift fUr Psycho
logie und Physiologie der Sinnesorgane' geschrieben hat, und zweitens ein 1939 im
ersten Band der niederlandischen 'Tijdschrift voor Philosoph ie' verOffentliehter
Entwurf einer 'Vorrede' zu den 'Logischen Untersuchungen' aus dem Jahre 1913.
In der erwiihnten Rezension schreibt Husserl:
"Was ... meine Begriffe von den 'idealen' Bedeutungen, den idealen
Vorstellungs- und Urteilsinhalten anbelangt, so kommen sie ... nicht
ursprtinglich aus Bolzanos, sondem aus Lotzes Logik. Besonders des
sen urn die Interpretation der Platonischen Ideenlehre sich gruppie
rende Gedankemeihen haben tief auf mich eingewirkt. Erst die innere
Verarbeitung dieser ... Gedanken Lotzes gab mir den SchItisseI zu
de[n] fremdartigen ... Konzeptionen Bolzanos und zu den Schatzen
seiner Wissenschaftslehre" (Husserliana XXII, S.156).
Der Verfasser der 'Logischen Untersuchungen' hat seine Bedeutungslehre demnach
keineswegs schlicht und unmodifiziert aus Bolzanos 'Wissenschaftslehre' tiber
nommen, sondem er hat Bolzano vielmehr via Lotze interpretiert und reformuliert.
Die Rede von den "idealen Vorstellungs- und Urteilsinhalten" deutet darauf hin,
daB Husser! hier vor allem an die ersten zwei Bande von Bolzanos vierbandigem
Hauptwerk denkt, die in die beiden Abteilungen 'Fundamentallehre' und
'Elementarlehre' zerfallen und in denen Bolzano die moglichen Bedeutungsgehalte
("Stoffe") psychischer Urteile - die "Satze an sieh" - sowie deren mogliche
Bestandteile - die "Vorstellungen an sieh" -behandelt. Husserls Beschreibung sei
ner philosophischen Entwicklung weg vom mathematisierenden Psychologismus
und hin zum bedeutungstheoretischen Platonismus (die sich zwischen 1886 und
1895 vollzog) in dem genannten Entwurf einer 'Vorrede' bestatigt diese Vermu
tung.
Was den EintluB Lotzes betrifft, so schreibt Husserl im selben Entwurf: "Die voll
bewuBte und radikale Umwendung [d.h. die Abkehr vom Psychologismus] und
den mit ihr gegebenen 'Platonism us' verdanke ich dem Studium der Logik Lotzes"
(Entwurf, S.128). Dessen "geniale Interpretation der platonischen Ideenlehre" im
Forts.v.S.3 hingewiesen: Dreyfus 1982, S.35f, 53. Vgl. bereits FallesdaI1972, S.418.
Einleitung 5
zweiten Kapitel des dritten Buches der 'Logik' (§§ 313-321, Oberschrift: "Die Ide
enwelt") habe ihm "ein erstes groBes Licht" aufgesteckt und "aile weiteren Studi
en" bestimmt (a.a.O., S.129). Zu diesen Studien gehort nun insbesondere auch die
ausftihrliche Lektiire der 'Wissenschaftslehre', auf die Husserl schon frUh aufgrund
einiger Hinweise bei den Mathematikem Stolz und Cantor sowie "durch eine Aus
einandersetzung Brentanos (in seinen Vorlesungen)" mit Bolzanos 'Paradoxien des
Unendlichen' aufmerksam geworden war (ibid.).
Die in den ersten beiden Banden der 'Wissenschaftslehre' entfalteten Oberlegungen
zur Urteils- und Vorstellungslehre "missdeutete" er jedoch nach eigener Ein
schatzung zunachst "a Is metaphysische Abstrusitaten". Doch dann schlug der Blitz
des Hermann Lotze ein:
"Nun ging es mir ... mit einem Male, zunachst fur die traditionell-lo
gische Sphiire, auf, dass Bolzanos Wissenschaftslehre in ihren beiden
ersten Bdnden unter den Titeln einer Lehre von den Vorstellungen an
sich und Satzen an sich als ein erster Versuch einer geschlossenen
Darstellung des Gebietes rein idealer Doktrinen anzusehen sei, dass
also hier schon ein vollstandiger Entwurf einer 'reinen' Logik vorliege.
Begreiflicherweise bot mir diese Erkenntnis eine ungeheure Hilfe:
Schritt fUr Schritt konnte ich zugleich an den Bolzanoschen Darstel
lungen die 'platonische' Interpretation bewahren, die Bolzano selbst
freilich feme lag" (a.a.O., S.129f; meine Herv.).
Wir konnen dieser Passage ers/ens entnehmen, daB Husserl in der Tat die ersten
beiden Bande der 'Wissenschaftslehre' fur die Uedenfalls mit Blick auf seine eige
nen Forschungsziele) bedeutendsten hieW Zweitens lehrt uns der textuelle Kon
text, in dem dieser Passus steht, daB Husserl sich die in diesen beiden Banden aus
gebreitete Lehre von den "Vorstellungen an sich und Satzen an sich" auf dem
'Umwege' tiber Lotze zueigen gemacht hat. Und wir entnehmen der zitierten Pas
sage drittens den Hinweis, daB Husserl seine auf diesem Wege herausgearbeitete
"'platonische' Interpretation" der Bolzanoschen Begriffsbildungen flir eine
Modifikation derselben hielt: Bolzano selbst hatte diese Interpretation, so Husserl,
2 Vgl. H. Spiegelberg (Hrsg.), Zwei Briefe von E. Husserl an F. Brentano tiber Logik. In: Grazer
Philosophische Studien 6 (1978), S.6.
Description:This book contains a detailed study of the historical and systematical origin of Edmund Husserl's views on meaning as manifested in his most influential Logical Investigations (1900-01) and Ideas (1913), relating them both to Bernard Bolzano's theory of the relationship between logical experiences a