Table Of ContentPROTOPLASMJ\ TOLOGIA
HANDBUCH DER PROTOPLASMAFORSCHUNG
BEGRUNDET VON
L. V. HEILBRUNN . F. WEBER
PHILADELPHIA GRAZ
HERAUSGEGEBEN VON
M.ALFERT H.BAUER C. V. HARDING
BERKELEY TUBINGEN NEW YORK
MITHERAUSGEBER
W. H. ARISZ·GRONINGEN . J. BRACHET·BRUXELLES . H. G. CALLAN-ST. ANDREWS
R. COLLANDER-HELSINKI . K. DAN-TOKYO . E. FAURE-FREMIET-PARIS
A. FREY·WYSSLING .ZURICH . L. GEITLER·WIEN . K. HOFLER-WIEN
M. H. JACOBS-PHILADELPHIA . N. KAMIYA-OSAKA . D. MAZIA·BERKELEY
W. MENKE·K<JLN . A. MONROY-PALERMO . A. PISCHINGER-WIEN
J. RUNNSTROM·STOCKHOLM . W. J. SCHMIDT-GIESSEN
BAND II
CYTOPLASMA
D I
VITALFARBU~G UND VITALFLUOROCHROMIERFNG TIERISCHER ZELLEN
WI EN
SP R IN GER-VERLAG
1964
VITALFARBUNG UND
VITALFLUOROCHROMIERUNG
TIERISCHER ZELLEN
VON
LEOPOLD STOCKINGER
WIEN
MIT 15 TEXTABBILDUNGEN
WIEN
S P R IN G ER -VE R LAG
1964
ISBN-13: 978-3-211-80689-0 e-ISBN-13: 978-3-7091-5559-2
DOl: 10.1007/978-3-7091-5559-2
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER OBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
OHNE AUSDROCKLICHE GENEHMIGUNG DES VERLAGES 1ST ES AUCH NICHT
GESTATTET, DIESES BUCH ODER TEILE DARAUS AUF PHOTOMECHANISCHEM
WEGE (PHOTOKOPIE, MIKROKOPIE) ODER SONSTWIE ZU VERVIELFALTIGEN.
© 1964 BY SPRINGER-VERLAG/WIEN
Protoplasmatologia
II. Cytoplasma
D. Vitalflirbung, Vitalfluorochromierung
1. Vitalflirbung und Vitalfluorochromierung tieriscber Zellen
Vitalfarbung und Vitalfluorochromierung
tierischer Zellen *
Von
LEOPOLD STOCKINGER
Histologisch-Embryologisches Institut der Universitiit Wien
(Vorstand: Prof. Dr. A. Pischinger)
Mit 15 Textabbildungen
InhaltsUbersicht
Seitp
I. Einleitung . . . . . . 2
II. Definition und Entwicklung 4
III. Vitalfarbstoffe (Hellfeld- und Fluoreszenzfarbstoffe - Diachrome und
Fluorochrome) ........... 6
Charakteristik . . . . . . . . . . . 6
Chemische Struktur und Einteilung 9
Reinigung und ToxiziHit . . . . . . 10
Chemisch-physikalische Analyse der Losungsverhiiltnisse 10
Methodik der Anwendung 11
IV. Auswertungsmethoden 11
Vitaluntersuchung 11
Durchlicht, Auflicht, Phasenkontrast 12
Fluoreszenzmikroskopie ..... 12
Isolationsmethoden - Fixierung 12
Elektronenmikroskopie . . . . . . 12
V. Anwendungs- und Arbeitsgebiete der Vitalfiirbungstechnik 13
A. Morphologie, allgemeine Organ- und Zellphysiologie 13
B. Entwiddungsmechanik 18
C. Physiologie der Vitalfiirbung 19
1. Untersuchungsobjekte 20
2. Phasen der Vitalfiirbung . 20
a) Farbstoffaufnahme 21
b) Diffuse Farbstoffspeicherung (Diffusfiirbung) 26
c) Gr,anuliire und vakuoliire Speicherung 31
d) Stoffablagerung (Krinombildung) 45
e) Farbstoffabgabe ....... 48
* Meinem verehrten Lehrer, Herrn Pro.f. PISCHINGER zum 65. Geburtstag ge
widmet.
Protoplasmatologia II. D, 1
2 II, D, 1: L. STOCKINGER, Vitalfarbung und -fluorochromierung tierischer ZelIen
3. Selektive Darstellung von Zellorganellen 52
Zellkern 52
Nukleolus 53
Chromosomen 53
Mitochondrien 53
Golgi-Apparat (osmiophile Korper) 54
D. Cyto- und Histochemie bzw. Physikochemie 55
Bestimmung von pH und rH . . . . . . . 55
Fettdarstellung . . . . . . . . . . . . . . 58
Verschiedene weitere Nachweismoglichkeiten 58
E. Vitalfarbung und Pharmakologie 58
Desinfektion 58
Mitosegifte . . . . . . . . . . . 59
Cancerogene StolIe . . . . . . . 60
VI. Vitalfluoreszenz und Vitalfluorochromierung 60
A. Primar-Eigenfluoreszenz ....... . 61
Untersuchungsmethoden und Einrichtungell 61
Ergebnisse ............... . 62
B. Sekundare Fluoreszenzerscheinungen - Vitalfluorochromierung 63
Akridinorallge-Versuchc . . 64
Photodynamische Wirkullg 70
Literatur ..... 72
Sachverzeichnis 92
I. Einleitung
Mit dem Begriff "Vitalfarbung" wird eine Reihe von Untersuchungs
techniken zusammengefalH, die mit verwandter Methodik verschiedene
Ziele verfolgen und unter den biologischen Arbeitsmethoden ihren festen
Platz haben. Da es sich bei der Vitalfarbung immer urn eine Auseinander
setzung zwischen Farbstoffen und lebendem Gewebe handelt, steIlte ZEIGER
(1938) fest: "Die Lebendfarbung ist kein mikroskopisch-technisches Ver
fahren im iiblichen Sinn des Wortes. Sie war vielmehr von Anfang an
cine biologische Methode von allgemeinster Bedeutung."
Es ist schwierig und wahrscheinlich sogar unmoglich, aIle Anwendungs
gebiete dieser Technik erschopfend darzustellen und die einschlagige Lite
ratur vollstandig zu erfassen; dazu kommt, daB sich durch neue und ver
besserte Untersuchungsmethoden, wie Fluoreszenz-, Phasenkontralst-, Inter
ferenz- und Elektronenmikroskopie, in den letzten Jahren die Kenntnisse
des Feinbaues und der Fllnktion der lebenden Materie bedeutend er
weitert haben; mit dies en Methoden konnte auch das Versiandnis der
Geschehnisse, diedem Vitalfarbungsvorgang zugrunde liegen, vertieft und
bereichert werden.
Eine zusammenfassende Darstellllng der Grundlagen und der Methoden
der Vitalfarbung stammt von ZEIGER (1938); diese Arbeit ist bis heute die
vollstandigste und griindlichste Diskussion besonders der physikochemi
schen Grundlagen der Vitalfarbung geblieben. Mein Beitrag soIl daher auf
dieser Grundlage aufbauen; dies umsomehr, da ZEIGER selbst urspriinglich
Einleitung 3
die Aufgabe iibernommen haHe, liber dieses Thema zusammenfassend zu
berichten.
Eine weitere umfassende und klare Bearheitung dieser Materie verdan
ken wir RIES (1938), der neben umfangreichen Modellversuchen liber die
physikochemischen Faktoren besonders eingehend ,die Bestimmung der
Wasserstoffionenkonzentration und des Oxydo-Reduktionspotentials sowie
verschiedene selektive Vitalfarbungen behandelt.
Die Vitalfarbung erlaubt direkt oder indirekt die Beobachtung ver
schiedener Zellfunktionen und ermoglicht damit Analogien zum Verhalten
ungefarhter - als Nahrungs- und Wirkstoffe verwendeter - Substanzen
mit gleichen oder ahnlichen physikocheinischen Eigenschaften. Durch die
I!.:rgebnisse dieser Untersuchungen wurden nicht nur neue Kenntnisse liber
Aufbau und Struktur der Zellbausteine gewonnen, sondern auch die Zell
physiologie wurde wesentlich bereichert.
Zahlreiche organische Substanzen, darunter eine Reihe von F arbstoffcn.
besitzen die Fahigkeit, absorhierte Lichtstrahlen zu transformieren, wobei
Strahlen niedrigerer Wellenlange emittiert werden. Dieses Fluoreszenz
vermogen gestattet den Nachweis solcher Stoffe auch in sehr geringen
Konzentrationen. Bei der Transformation energiereicher in energiearmere
- d. h. langerwellige - Strahlen wird der im Substrat verbleihende
Energieanteil in Form von Warme oder chemischer Energie frei. Dieses
Verhalten kann ,in hiologi,schen Systemen, z. B. in vitalgefarbten Zellen
und Geweben, eine besondere Belastung darstellen(photodynamische Wir
kung). Aufnahme und intrazellulare Verarbeitung von Fluoreszenzfarb
stoffen (Fluorochromen) folgen jedoch denselben Gesetzen wie analoge Vor
gange mit gewohnlichen Farbstoffen (Diachromen). Es solI daher auf
fluoreszenzmikroskopische Ergebnisse nur in besonderen Kapiteln einge
gangen werden.
Bei der elektronenmikroskopischen Untersuchung finden verschiedene
Schwermetalle als "Farbstoffe" zur Erhohung des Kontrastes Verwendung.
Werden solche Verbindungen in den lebenden Organismus eingebracht und
dort an hestimmte Strukturen gebunden oder gespeichert, so handelt es sich
doch aum urn eine Vitalfarbung. Es mull daher der Begriff "Farbstoff" in
diesem Sinne prazisiert werden, damit auch das Gebiet der elektronen
mikroskopischen "Vitalfarbung", das erst am Anfang Iseiner Entwicklung
steht, wenigstens kurz hier mitbehandelt werden' kann.
Schlielllich ist es auch moglich, durch den Einbau radioaktiver Isotope
bestimmte memisme Verbindungen zu markieren und in lebende Zellen
einzubringen. Da diese Technik in einem eigenen Kapitel dieses Hand
buches zusammengefallt ist, konnen in diesem Beitrag nur einige Hinweise
eingeschaltet werden.
Zu den intravitale n "Farbungen" mull schlielllich auch noch die Auf
nahme und der Einbau biologischer Substanzen, an die zur spezifischen
DaI'stellung ein F,arbstoff gekoppelt wurde, gerechnet werden. Diese
hauptsachlich zu immunhistologischen Untersuchungen verwendete Methode
wird ebenfalls an anderer Stelle ausfoorlich hehandelt (MAYERSBACH 1958,
1*
4 II, D, 1: 1. STOCKINGER, Vitalfiirhung und -fluorochromierung tierischer Zellen
1962). Nur besondere Anwendungsgebiete sollen auch in dies em Rahmen
Erwahnung find en.
Die Beobachtung vitalgefarbter Objekte und die Auswertung der Vital
farbungsversuche kann entweder direkt am lebenden, gefarbten Objekt
oder am uberlebenden bzw. abgetoteten Praparat erfolgen. Der Idealfall
der Lebendbeobachtung kann aber leider nur bei wenigen Objekten, wie
kleinen, durchsichtigen Wassertieren, Schwimmhauten, oberflachlichen
Schleimhauten (Conjunctiva, Portio vaginalis uteri) sowie operativ ver
lagerten Organen, verwirklicht werden. Die Verwendung explantierter
und kultivierter Zellen ermoglicht das Studium der Vitalfarbung in idealer
Weise. Von den Untersuchungen iiherlebender, vitalgefarbter Objekte sind
besonders jene an Aszitestumorzellen und Blutzellen zu erwahnen.
In vie len Fallen ist die Lebendbeobachtung entweder aus Grunden, die
sich aus der Lage, der Isolationsmoglichkeit und der Empfindlichkeit des
Untersuchungsobjekf.es ergeben, oder wegen technisch apparativer
Schwierigkeiten nicht moglich. Technisch unmoglich ist vor allem die Unter
suchung lebender oder uberlebender Praparate mit den derzeitig verwen
deten Elektronenmikroskopen; Entwicklungsarbeiten der letzten Zeit ver
sprechen jedoch aum auf dies em Sektor weitere Fortschritte (Dupouy,
.PERRIER und DURRIEU 1%0). Vorlaufig ist es jedoch in allen diesen Fallen
notwendig, bestimmte Stadien der Vitalfarbung zu stabilisieren, ·das heWt
also zu fixieren.
Vielleicht gelingt es, mit Hilfe dieser und ahnlicher Zusammenfassungeu
cinen Oberblick iiher die Anwendungsgebiete und technischen Moglich
keiten der Vitalfarbung zu geben. Man muB sich jedoch von vornherein
dariiber klar sein, daB die vollstiindige Erfassung aller einschlagigen
Arbeiten bei der heute ins ObermaB angewachsenen Literatur nicht mog
lich ist und daB in unserer schnellebigen Zeit die Losung mancher Probleme
rascher fortschreitet oder in eine andere Rimtung fuhrt, als es im Zeit
punkt der Bearbeitung des Beitrages schien.
II. Definition und Entwicklung
Begriff und Wesen der Vitalfarbung werden durchaUB nicht einheitlim
definiert. Die Schwierigkeiten der Definition liegen vor allem darin, daB
eine simere Abgrenzung der vitalen gegen eine post- oder supravitale
beziehungsweise gegen eine postmortale Farbung nicht immer moglim ist.
Grundbedingung fur eine echte Vitalfarbung ist oder ware es demnach,
daB die gefarbten Zellen, Gewebe und Organe durch den Farostoff nicht
irreversibel beeinfluBt werden. ZEIGER (1938) setzt sim mit den Definitions
versuchen verschiedener Autoren (FISCHEL 1910, MOLLENDORFF -1926, KUSTER
1928, VONWILLER 1928, GICKLHORN 1931, BECKER 19%). kritisch auseinander
und zitiert unter anderem auch folgende Darlegungen VONWILLERS: "So
bleibt uns denn als umfassende Definition der VitaWirbung nur ubrig, sie
als eine Farbung von Organismen oder Teilen von solchen wahrend des
Lebens dieser ganzen Organismen oder ihrer Teile zu bezeichnen; was
innerhalb eines Organismus oder eiDes Teiles von ihm, z. B. in einem
Explantat, gefarbt wird, wird damit absichtlich nicht definiert, wegen der
Definition und Entwicklung 5
Vielgestaltigkeit der Erscheinung und der Moglichkeit des Vorloommens
verschiedenartiger, gefarbter Elemente in ein und derselben Zelle. Es ware
vorteilhaft, die Definition so fassen zu konnen, daB man sagen wiirde:
W iihrend des normalen Lebens. Der Begriff des N ormalen ist jedoch ein
flieBender, auch bewirken manche Vitalfarbstoffe Erscheinungen, welche
an der Grenze des Pathologischen stehen oder schlechtweg pathologisch
sind." GlCKLHORN setzt sich in dies em Zusammenhang auch mit dem Begriff
"L e ben" auseinander und betont, daB es eine allgemeingiiltige Definition
des Begriffes "L e ben" nicht gibt und daher auch die willkiirlich von
einem dieser "Lebend"-Begriffe abgeleiteten Definitionen der Vitalfiirbung
nur eine beschrankte Berechtigung und Richtligkeit haben. Er fiihrt weiter
aus: " ... daB man sinngemiiB auf das Zustandekommen der Fiirbung von
Zellen und Geweben oder ihrer Teile und nicht vor allem auf das optische
Bild der Farbung, d. h. Farbstoffspeicherung, das Hauptgewicht legen
muB." An anderer Stelle schreibt GlCKLHORN: " ... unsere AusfiilHungen
sollen zeigen, daB man statt auf die Definition im iiblichen Sinn auf eine
moglichst genaue Charakteristik und Vervollstandigung der ohnehin zahl
reichen Kriterien zu einem UrteH hinarbeiten muB. Diese Kriterien miissen
selbst wieder gegeneinander abgewogen werden und konnen erst dann in
ihrer Gesamtheit in einem bestimmten FaIle zur berechtigten Anwendung
oder Ablehnung der Bezeichnung ,vitalgefiirbt' verhelfen."
Die Auseinandersetzung zwischen Zelle und Farbstoff beziehungsweise
jed'er aufgenommenen Substanz ist der Vorgang, der einer Vitalfarbung
zugrunde liegt. Je nach Art und Menge der angebotenen Substanz werden
Reaktionen auftreten, die sogar zum Tod einzelner Zellen, zur Schadigung
des gefarbten Organes oder Organismus fiihren. Die Grenzen zum patho
logiscil'en Geschehen sind also keineswegs scharf zu ziehen und miissen
jeweils nach Fragestellung und Versuchsanordnung abgesteckt werden.
Ziel und Zweck der Vitalfarbung hat im Laufe der Zeit betriichtliche
Wandlungen durchgemacht. Farbungen bestimmter Korperregionen durch
iiuHere Applikation (Tatowierungen) oder durch Aufnahme pflanzlicher
und tierischer Farbstoffe mit der Nahrung regten sicherlich schon vor Zeiten
zur Analyse der Funktion verschiedener Organe an. Die erste wtissenschaft
lim belegte, gezielte Vitalfarbung basiert ebenfalls auf derartigen Beob
achtungen: Der franzosische Arzt Antoine MlSSAUD (156'2') verfiitterte Krapp
an junge Tiere und studierte dann die Knochenbildung. Auf dieser Basis
wurden im 18. Jahrhundert zahlreiche Untersuchungen des Knochenwachs
tums vorgenommen (nach MtiLLENDORFF 1926).
Neben dem Bestreben, best.immte Strukturen durch eine "vitale An
fiirbung" besser sichtbar zu machen, rein morphologischen Zielen also, stand
smon sehr friih die Frage "W i e" im Mittelpunkt des Interesses. Diese
funktionelle Betrachtungsweise war es, der wir wesentliche Erkenntnisse
iiber Zell- und Organfunktionen verdanken. Farbstoffaufnahme, intra
zelluliire Verarbeitung, Speicherung und Abgabe, Fragen der Permeabili
tiit, der Farbstoffbindung, die Abhangigkeit dieser Zellfunktionen von der
physikochemischen Struktur der Farbstoffe und viele andere waren die
Themen der klassischen Perio de der Vitalfarbungsgeschichte.
6 II, D, 1: L. STOCKINGER, Vitalfiirhung und -fluorochromierung tierismer Zellen
Nach der BIiitezeit der Vitalfarbungsforschung (bis 1938) und dem Be
ginn der "histochemischen Ara" wurde die Vitalfarbungstechnik "Ull
modern"; dazu trug die nach 1945 rasch fortschreitende Verbreitung der
Phasenkontrastmikroskopie - als idealer Untersuchungsmethode lebender
und iiberlebender Praparate - wesentlich bei. Eine gewisse Renaissance
brachte die Einfiihrung und Verbreitung der Fluoreszenzmikroskopie
(HAITINGER 1934, HIRT 1936). Neben dem Nachweis von Eigenfluoreszenzen
gelingt es mit dieser Technik auch, verschiedene fluoreszierende Farbstoffe
(Fluorochrome) in den Zellen darzustellen. Die Moglichkeit der Markierung
bestimmter EiweiBverbindungen durch Farbstoffe (Koppelung) eroffnete
ein neues, ergiebiges Randgebiet der Vitalfarbung (COONS 1956, MAYERSBACH
1958, 1962, und viele andere).
Wahrend die exakte Lokalisation der aufgenommenen Farbstoffe in den
Zellen sowie die Darstellung der verschiedenen Reaktionsprodukte mit
lichtmikroskopischen Methoden nur ganz grob moglich ist, bringt die
elektronenmikroskopische Untersuchung vitalgefarbter Objekte auch dies
beziiglich neue Aufschliisse und Erkenntnisse (SCHMIDT 1%1, 1%2). Diese
Untersuchungen stehen erst am Anfang, versprechen jedoch eine wesent
liche Bercicherung unserer Kenntnisse.
III. Vitalfarbstoffe (Hellfeld- uod Fluoreszeozfarbstoffe
Diachrome uod Fluorochrome)
Bei Betrachtung der einleitend aufgezahHen Techniken und Anwen
dungsgebiete wird es klar, daB der Versuch, den Begriff "Vitalfarbstoff"
zu definicren und abzugrenzen, nicht einfach ist. CONN (1%1) beantwortet
die Fragc, "Was ist ein biologischer Farbstoff?" sehr einfach, indem er er
klart: " ... a biological stain is a stain used for making microscopic objects
more clearly visible than they would be unstained." Bei logischer Anwen
dung dieser Definition miissen wir zu den Vitalfarbstoffen aIle Substanzen
rechnen, die von lebenden Zellen oder Geweben aufgenommen werden und
bestimmte Zellverbande oder Zellorganellen besser darstellen, als diese
ungefarbt sein wiirden. SCHMIDT (1961) definiert Vitalfarbstoffe folgender
maHen: " ... daB hierunter ganz allgemein Stoffe verstanden werden, die
von den Zellen aufgenommen und ohne groBe Schadigung verarbeitet wer
den und die geeignet sind, durch ihren Kontrast zum Substrat die Orte
ihrer Akkumulation zu markieren. Der herkommliche Farbcharakter ist
hiefiir von sekundarer Bedeutung. Er hangt ohnedies weitgehend von der
Wellenlange des zur Abbildung verwandten Lichtes ab, weshalb auch die
~'luorochrome in diese Kategorie einbezogen werden ... " Zu den Verbin
dungen, die nach ihrer chemischen Konstitution Farbstoffe sind, mussen
wir also auch andere Stoffe, wie Tusche, Kohleteilchen, Schwermetallver
bindungen und mineralische Ablagerungen, hinzufiigen, wenn sie zur Dar
steHung bestimmter Zellen oder Zellbestandteile verwendet werden kon
nen. In diesem Sinnne stellen radioaktive Isotope, die in Zellbausteine
eingebaut werden konnen, ohne deren physiologische Eigenschaften erkenn
bar zu verandern, wohl die idealsten "Vitalfarbstoffe" dar.
Vitalfarbstoffe 7
Fur die elekironenmikroskopische Untersuchung und Darstellung ist
nicht die Farbe, das heiflt, die selektive Absorption bestimmter Anteile des
sichtbaren Lichtes, sondern die Absorption der Elektronen, also die Elek
tronendichte, maflgebend. Die Aufnahme, Speicherung und Ausscheidung
elekironenmikroskopisch darstellbarer "Farbstoffe" kann mit wesentlich
starkeren Vergroflerungen analysiert werden und vermittelt so neue oder
eingehendere Kenntnisse der Zellphysiologie.
Als Vitalfarbstoffe im engeren Sinne wurden im Laufe der Zeit wohl
aile in der histologischen und biochemischen Technik gebrauchlichen Farb
stoffe verwendet. Eine umfassende Zusammenstellung von Vitalfarbstoffen
und eine Darstellung ihrer Charakteristiken find en sich bei KIYONO (1938).
Nur wenige davon werden routinemaflig verwendet. CONN (1953) fafH die
wichtigsten tabellarisch zusammen:
Tabelle 1.
Azofarbstoffe: Bismarckbraun Y basisch Absorpt. Max. 463 mfL
Chrysoidin Y 461 mfL
Trypanrot sauer
Benzopurin 4 n 497 mfL
Trypanblau
Vitalrot 498 mfL
Dianilblau 2 n 568 mfL
Janusgrlin B 610-623 mfL
Chinonfarbstoffe: Methylenblau basisch 664-666mfL
Thionin 598-599 mfL
Toluidinblau 620-622 mfL
Nilblausulfat 635-645 mfL
Brillantkresylblall 624-628 mfL
Neutralrot schwach basisch 540-542 mfL
Safranin 0 basisch 610-623 miL
Phenyl-Methan-
farbstoffe: Kristallviolett 589-593 mfL
Methylviolett 583-587 mfL
Eine andere, etwas ausfuhrlichere Tabelle cler Vitalfarbstoffe und ihrer
Eigenschaften stellte RlEs (1938) zusammen (s. Tab. 2, S. 8).
Weitere Farbstoffe ~ wie Eosin ~ wer,den hauptsachlich fur Aus
scheidungsver.suche, andere dagegen - wie Isocyanate und Rhodamine ~
zur Koppelung mit Eiweiflverbindungen verwendet.
Farbstoffe, die bei Bestrahlung mit Blaulicht (4800~3000 A) oder mit
ultravioleUem Licht (< 3000 A) fluoreszieren, wurden von HAITINGER (1934)
als Fluorochrome bezeichnet. HARMS (1959) hat die wichtigsten davon in
einem eigenen Kapitel seines Handbuches zusammengefaflt und bringt dort
auch Angaben uber Ergebnisse der bekannten Arbeiten. Dber die Fluores
zenzfarben einiger Fluorochrome und ihre Abhangigkeit von der Reaktion
des Losungsmittels informiert ein Auszug aus den Tabellen von WERTH