Table Of ContentGerhard Lehmbruch
Verhandlungsdemokratie
Gerhard Lehmbruch
Verhandlungs
detnokratie
Beiträge zur
vergleichenden Regierungslehre
Westdeutscher Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de>abrufbar.
ISBN-13: 978-3-531-14134-3 e-ISBN-13: 978-3-322-80515-7
DOI: 10.1007/978-3-322-80515-7
1. Auflage Oktober 2003
Alle Rechte vorbehalten
© Westdeutscher Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2003
Lektorat: Frank Engelhardt
Der Westdeutsche Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer.
www.westdeutscher-verlag.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver
vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung
und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 7
2. Proporzd emokratie:
Politisches System und politische Kultur
in der Schweiz und in Österreich (1967) 16
3. Consociational democracy, dass conflict,
and the new corporatism (1974) 59
4. Liberal corporatism and party government (1977) 68
5. Concertation and the structure
of corporatist networks (1984) 103
6. Sozialpartnerschaft in der
vergleichenden Politikforschung (1985) 129
7. Die korporative Verhandlungsdemokratie
in Westmitteleuropa (1996) 154
8. Die Große Koalition und die Institutionalisierung
der Verhandlungs demokratie (1999) 177
Literaturverzeichnis 198
1. Einleitung:
Von der Konkurrenzdemokratie zur Verhand
lungsdemokratie - zur Entwicklung eines typolo
gischen Konzepts
Die für diesen Band ausgewählten Aufsätze zeichnen einen Erkundungs
gang in der vergleichenden Regierungslehre nach, der von den Begriffen
"Konkordanzdemokratie" und "Korporatismus" seinen Ausgang nahm. Die
ersten Schritte dieses Erkundungsganges reichen vier Jahrzehnte zurück und
hatten ihren Ursprung in der Demokratiediskussion der frühen deutschen
Politikwissenschaft. Seit den Anfangen des Faches im ersten Nachkriegs
jahrzehnt dominierte hier eine Modellvorstellung von Demokratie, die man
mit dem prägnanten Terminus "Konkurrenzdemokratie" charakterisieren
kann. Dabei wurde die Rolle des politischen Wettbewerbs, unzweifelhaft ein
konstitutives Element von Demokratie, in prägnanter Weise zugespitzt: Die
Konkurrenz politischer Parteien um die Regierungsmacht und das damit
verbundene Wechselspiel von Regierungspartei und parlamentarischer Op
position erschienen als der in modernen Gesellschaften unbedingt überlege
ne Modus der demokratischen Regierungsweise.
Josef Schumpeter hatte diese Modellvorstellung in zwei berühmt ge
wordenen Kapiteln seines Buches "Capitalism, Socialism and Democracy"
(1943, 269-302) auf die Formulierung zugespitzt: "The democratic method
is that institutional arrangement for arriving at political decisions in which
individuals acquire the power to decide by means of a competitive struggle
for the people's vote". Dieses Arrangement sah er in klassischer Weise in
England realisiert, in den Institutionen der bipolaren Parteienkonkurrenz,
für die sich in der Politikwissenschaft der Ausdruck "Westminstermodell"
eingebürgert hat. Ein solches Modell der bipolaren Parteienkonkurrenz, in
dem die Machtausübung zwischen disziplinierten Parteien alterniert, war
dem deutschen Parlamentarismus des Bismarekreiches und auch noch der
Weimarer Republik fremd geblieben. Die politischen Eliten jener Zeit
8 1. Einleitung
mochten es vielleicht für attraktiv halten, aber sie glaubten nicht, daß es in
Deutschland, in einer damals von mancherlei kulturellen Gegensätzen
durchzogenen Gesellschaft mit einem "Vielparteiensystem", funktionieren
könne. Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft begannen
sich diese Einstellungen zu ändern. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen,
die zum Zusammenbruch der Weimarer Republik geführt hatten, erschien
das Westminstermodell nicht wenigen Beobachtern als eine überlegene Re
gierungsweise.
Das war kein ganz neuer Gedanke. Schon im ausgehenden Kaiserreich
und in den Anfangen der Weimarer Republik war das Westminster-Modell
eine Alternative, die von klugen Beobachtern ernsthaft diskutiert wurde.
Aber damals überwog die Skepsis, ob denn in der fragmentierten deutschen
Gesellschaft mit ihrem Vielparteiensystem ein solcher Institutionenwandel
überhaupt eine ernsthafte Chance hätte. In den Anfangsjahren der Bundes
republik änderte sich diese Wahrnehmung. Vor dem Hintergrund des politi
schen Wiederaufbaus in Westdeutschland erschien sie zunehmend auch als
eine durchaus realistische Perspektive. Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich
die Struktur des westdeutschen Parteiensystems schon im ersten Nach
kriegsjahrzehnt deutlich zu verändern begann. Hier zeichnete sich eine
Konzentrationsbewegung auf CDU und SPD ab, die den bipolaren Wett
bewerb zwischen zwei um die Hegemonie konkurrierenden Großparteien
sowohl möglich machte als auch beförderte. Freilich unterschied sich das
sich neu formierende Regierungssystem der "alten" Bundesrepublik vom
Westminstermodell deutlich in einer wichtigen Hinsicht: Parteikoalitionen
blieben bei der Regierungsbildung - jedenfalls im Bunde - der Regelfall.
Und die entschiedenen Anhänger des Westminstermodells hielten dies lange
für ein Defizit der demokratischen Nachkriegsentwicklung in Westdeutsch
land, das der Korrektur bedürftig sei. Als institutionelle Voraussetzung für
die Durchsetzung des unverfälschten Westminstermodells erschien einer
einflußreichen Schule der Politikwissenschaft und auch einem gewichtigen
Teil der öffentlichen Meinung insbesondere das in Großbritannien und den
USA hergebrachte System der Mehrheitswahl. Es war schon seit langem
insbesondere von Ferdinand Aloys Hermens (1941, 1949) propagiert wor
den, und die große Koalition aus CDU und SPD nahm bei ihrer Bildung im
Jahre 1966 das Vorhaben eines "mehrheitsbildenden Wahlsystems", das die
kleinen Parteien ausschalten und Koalitionen entbehrlich machen sollte, in
ihr Regierungsprogramm auf.
1. Einleitung 9
Daß gerade eine große Koalition das Vorhaben einer solchen "Wahlre
form" in Angriff nehmen wollte, mußte paradox erscheinen, weil eine sol
ches Regierungsbündnis ja gerade mit den Grundregeln des Westminster
modells nicht gut vereinbar war. (Tatsächlich kam es dann auch nie zu einer
konkreten Einigung über jenes Gesetzesvorhaben, und mit der Bildung der
"sozialliberalen" Koalition im Jahre 1969 verschwand das Programm einer
"mehrheitsbildenden" Wahlreform ebenso schnell wie dauerhaft von der
politischen Tagesordnung.) Es hatte schon seit längerem Diskussionen über
die Bildung einer "großen Koalition" gegeben, je mehr die internen Kon
flikte der damaligen Regierungskoalition von CDU und FDP den Eindruck
der Handlungsunfahigkeit vermittelten. In der öffentlichen Diskussion wur
de das weithin sehr kritisch aufgenommen, und dabei bezogen sich die zahl
reichen Kritiker eines solchen Vorhabens oft in polemischer Weise auf die
seit 1945 in Österreich regierende "schwarz-rote" Koalition aus ÖVP und
SPÖ. Deren Regierungspraxis wurde in Westdeutschland - unter Bezug
nahme auf die in Wien praktizierte systematische Ämterteilung zwischen
den beiden regierenden Großparteien - gerne mit dem pejorativ gemeinten
Schlagwort "Proporzdemokratie" abqualifIziert. Es war diese politische
Diskussion, die mir 1967 den Anstoß zur Veröffentlichung einer verglei
chenden Studie über Alternativen zum Westminstermodell gab - Alternati
ven, deren Funktionsweise nach meinem Eindruck in der westdeutschen
Öffentlichkeit und Politikwissenschaft nur unzureichend bekannt war und
erst recht kaum verstanden wurde.
Ich selbst war auf solche Alternativen vor allem deshalb aufmerksam
geworden, weil ich mich - nicht zuletzt unter dem Eindruck von Jugender
fahrungen mit den Nationalitätenkonflikten in der deutsch-slawischen
Nachbarschaft (dazu vgl. Lehmbruch 1997, 2001) - seit längerem mit den
verfassungspolitischen Überlegungen und Experimenten beschäftigt hatte,
mit denen man in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Ost- und
Südosteuropa die institutionelle Einhegung von solchen Konflikten und die
Integration von 11inderheiten in den demokratischen Prozeß angehen woll
te. Die historische Erfahrung der Zwischenkriegszeit legte unter anderem
die Vermutung nahe, daß unter solchen Bedingungen, wie sie hier gegeben
waren, die Mehrheitsregel als zentrales Element des Westminstermodells
keine befriedende Wirkung haben konnte. Wenn Demokratie in kulturell -
ethnisch oder religiös - fragmentierten Gesellschaften funktionieren sollte,
dann - so legten jene Erfahrungen nahe - mußte auf andere Verfahren der
Konfliktregulierung zurückgegriffen werden.
10 1. Einleitung
Wenn man solche Alternativen zum Wettbewerbs modell der Parteien
konkurrenz untersuchen wollte, dann waren die herkömmlichen institutio
nellen Kategorien der Vergleichenden Regierungslehre wenig hilfreich. Des
halb orientierte ich mich in meiner ersten Untersuchung zu diesem Thema
(Kapitell) an dem analytischen Instrumentarium, das damals in der ameri
kanischenPolitikwissenschaft entwickelt wurde. Überaus einflußreich war
dort eine Forschergruppe geworden, die der Social Science Research Council
eingerichtet hatte, das Committee on Comparative Polities, als dessen führender
Kopf Gabriel Almond in Erscheinung trat. Von dort entlehnte ich insbe
sondere das Input-Output-Schema der Analyse politischer Systeme, das man
im CCP von David Easton (1953) übernommen hatte, und den von Almond
in Anlehnung an die Kulturanthropologie entwickelten Begriff der "politi
schen Kultur". ('Venn ich recht sehe, war dies die erste deutsche Arbeit, in
der dieser Begriff eingeführt wurde.) Zugleich aber forderte die konkrete
Ausformung dieses analytischen Rahmens in der amerikanischen Literatur
zum Widerspruch heraus. Denn Almond hatte schon :Mitte der 1950er Jahre
eine Entwicklungstypologie politischer Systeme skizziert, die in ihrer Stoß
richtung der in der westdeutschen Demokratiediskussion herrschenden
Lehre durchaus verwandt war: Demokratie ...v. urde verstanden als ein Wett
bewerb um Wählerstimmen nach Analogie des Marktes. Almond aber
sprach klarer aus, was in der westdeutschen Diskussion eher vernachlässigt
wurde: Demokratie nach einem solchen Wettbewerbsmodell setzte eine
"politische Kultur" voraus, die durch grundlegende ideologische und kultu
relle Homogenität gekennzeichnet war. Die ideologische Fragmentierung
von gewissen kontinentaleuropäischen politischen Systemen - wie der
Weimarer Republik oder der Dritten und Vierten Französische Republik -
war in dieser Sicht ein DefIzit, das einer demokratischen Entwicklung im
Wege stand. Die "anglo-amerikanischen Demokratien", so könnte man
sagen, spielten in dieser einlinigen modernisierungstheoretischen Konstruk
tion eine ähnliche Rolle wie der preußische Beamtenstaat in Hegels Ge
schichtsphilosophie. Solch eine implizit teleologische Modernisierungstheo
rie schien mir aber auf einen Geschichtsfatalismus hinauszulaufen, der er
neut die Frage aufdrängte, ob es denn nicht Verfahren demokratischer Ent
scheidungsfmdung geben könne, die auch in kulturell fragmentierten Gesell
schaften funktionieren.
Ich war damals vor allem auf die Erfahrungen der Schweiz und Öster
reichs aufmerksam geworden und schrieb darüber als ein erstes Fazit aus
meinen Forschungen ein Arbeitspapier (Lehmbruch 1966), das ich bei Ko1-
1. Einleitung 11
legen in beiden Ländern zirkulieren ließ. (In überarbeiteter Form erschien es
dann im folgenden Jahr in der hier in Kapitell abgedruckten Fassung unter
dem Titel "Proporzdemokratie".) Diese Studie kam in die Hände von Stein
Rokkan, der damals zusammen mit drei anderen namhaften Komparatisten
an einem großen vergleichenden Projekt über "The politics of the smaller
European democracies" arbeitete, nämlich mit Robert Dahl (Yale) , Hans
Daalder (Leiden) und dem Historiker Val Lorwin (Oregon), der unter ande
rem ein exzellenter Kenner Belgiens war. Das Interesse an den kleinen eu
ropäischen Demokratien, das diesem Forschungsvorhaben zugrunde lag,
war nicht zuletzt dem Unbehagen an jenen einlinigen Entwicklungstheorien
zu verdanken, die damals die Diskussion beherrschten. Auf Veranlassung
von Rokkan lud mich dann Daalder ein, meine theoretischen Überlegungen
1967 beim Weltkongreß der Intemational Political Science Association in Brüssel
vorzutragen (Lehmbruch 1967).
Ich erwähne das, weil in eben dieser Arbeitsgruppe des Brüsseler Kon
gresses auch ein Kollege aus Berkeley auftrat, Arend Lijphart, der - vom
Beispiel seines niederländischen Heimatlandes ausgehend - die Entwick
lungstheorie Almonds einer ganz ähnlichen Kritik unterzog, wie ich das in
meinem Beitrag tat (veröffentlicht als: Lijphart 1968; spätere Ausarbeitun
gen: Lijphart 1969,1977). Was ich zunächst als "Proporzdemokratie" - und
dann, einen in der Schweiz gebräuchlichen Terminus aufnehmend, als
"Konkordanzdemokratie" - bezeichnet hatte, nannte er "consotiational demo
crary". Es hatte Vorläufer gegeben, die schon einiges von den Phänomenen
identifiziert hatten, die Lijphart und ich selbst unter diese Begriffe subsu
mierten. Der niederländische Soziologe Jakob Pieter Kruijt hatte schon
etliche Jahre früher den Begriff "Versäulung" in die Analyse der niederländi
schen Gesellschaft eingeführt (Kruijt 1959), den Val Lorwin später als
"segmentierten Pluralismus" defmierte (Lorwin 1971). Lorwin seinerseits
hatte in einem vielbeachteten Sammelband von Robert Dahl die Eigenart
des belgischen Parteiensystems mit dem deutschen Ausdruck "Allgemeinko
alitionsfahigkeit" charakterisiert (Lorwin 1960). Lijphart und ich selbst gin
gen darüber hinaus, indem wir solche Beobachtungen unter ein typologi
sches Konzept mit potentiell weitem Geltungsanspruch für die vergleichen
de Regierungslehre subsumierten, dem der theoretische Anspruch zugrunde
lag, unterschiedliche Grundtypen demokratischer politischer Ordnung nicht
nur zu beschreiben, sondern auch ihre Entstehungs- und Funktionsbedin
gungen zu identifizieren. Die Theorie ist dann auch - im englischsprachigen
Raum im allgemeinen in der von Lijphart geprägten Begrifflichkeit - zu
12 1. Einleitung
einem festen Bestandteil der modernen politikwissenschaftlichen Kompara
tistik geworden.
Im einzelnen war freilich vor allem Lijpharts Formulierung der Theorie
zunächst mancher Kritik ausgesetzt (insbesondere bei Barry 1975 a, b). Sie
richtete sich unter anderem gegen eine grundlegende Hypothese Lijpharts,
die zugleich eine zentrale Differenz zu meiner eigenen Version der Theorie
implizierte: Lijphart verstand consociationa! democrary gleichsam voluntaristisch
als eine von den politischen Eliten bewußt gewählte Option und empfahl
folgerichtig die Einführung konkordanzdemokratischer Verfahren im Wege
institutioneller Reformen auch für Länder, in denen starke kulturelle Kon
flikte den Durchbruch der Demokratie hemmten (zum Beispiel für das süd
afrikanische Apartheidsregime: Lijphart 1985). Ich selbst stand den Chancen
eines solchen institutiona! engineering skeptischer gegenüber, ähnlich wie ich
mich schon in der Diskussion über das Programm einer "mehrheitsbilden
den" Wahlreform mit den prekären Erfolgschancen gezielter "sozialtech
nologischer" Eingriffe in politische Strukturen kritisch auseinandergesetzt
hatte (Lehmbruch 1971). Im Gegensatz zu Lijphart insistierte ich darauf,
daß die politischen Strategien der Akteure in Konkordanzdemokratien (die
ich zunächst auf die Kurzformel der "politischen Kultur" brachte) das kon
tingente Ergebnis historischer Lernprozessen seien. Ähnlich hatte auch
Hans Daalder (1971) gegenüber Lijpharts Deutung der niederländischen
Konkordanzdemokratie als "Elitenkartell" eingewendet, daß man auf die
Prozesse der Nationbildung rekurrieren müssen, um die Entstehung von
Konkordanzdemokratien zu erklären (vgl. auch Daalder 1974). Mich selbst
hatte seinerzeit in vergleichender Perspektive insbesondere der Versuch von
Michel Crozier (1963) beeindruckt, Bürokratie als "kulturelles französisches
Phänomen" im Anschluß an Taine und Tocqueville auf eine weit ins Ancien
Regime zurückreichende Entwicklung zurückzuführen. Das legte nahe, auch
Konkordanzdemokratien als Produkt eines eigentümlichen Entwicklungs
pfades der Ausbildung kulturell spezifischer Strategiemuster zu interpretie
ren. Heute ließe sich ein solcher Ansatz als "historisch-institutionalistisch"
eS teinmo IThelen 1992) charakterisieren.
Lijphart, der mit der Theorie der "consociational democracy" zu einem
der führenden Komparatisten der amerikanischen Politikwissenschaft auf
stieg, hat sie später zu einer dichotomischen Unterscheidung zwischen
"Mehrheitsdemokratie" und "Konsensusdemokratie" weiterentwickelt (Lijp
hart 1985). Wenn ich recht sehe, ist diese Fortentwicklung der Theorie wei
terhin jener großen Fragestellung der Politikwissenschaft nach dem Ende