Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr.2215
Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Heinz Kühn
vom Minister für Wissenschaft und Forschung Jo hannes Rau
Prof. Dr.-Ing. Franz Hildebrandt
Forschungsinstitut für Rationalisierung an der Rhein.-West! Techn. Hochschule Aachen
Direktor: Prof Dr.-Ing. Rolf Hackstein
Verfahrensentwicklungen zur Entscheidungstechnik
der Multimomentstudie
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-531-02215-4 ISBN 978-3-663-06806-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-06806-8
© 1971 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 1971
Inhalt
1. Einleitung ........................................................... 5
2. Modellbetrachtungen zur Multimomentstudie ............................ 6
2.1 Stochastisches Modell ............................................. 6
2.2 Modellabweichung ................................................ 9
2.3 Modellanpassung ................................................. 9
3. Multimoment-Schätzmethoden ......................................... 11
3.1 Parameter schätzung ............................................... 12
3.2 Zuverlässigkeit ................................................... 15
3.3 Verfahrens gang ................................................... 18
3.4 Verfahrensvereinfachung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 19
4. Konventionelle Testmethoden zur Multimomentstudie .................... 23
4.1 Testaufbau ....................................................... 23
4.2 Testcharakteristik ................................................. 29
4.3 Verfahrensauslegung .............................................. 30
5. Multimoment-Folgetestmethoden ....................................... 32
5.1 Sequentielles Testprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33
5.2 Verfahrensentwicklungen .......................................... 36
5.3 Mittlere Beobachtungszahlen ....................................... 41
5.4 Multimoment-Folgetestauswahl ..................................... 45
5.5 Verfahrensgestaltung .............................................. 51
5.6 Entscheidungsfälle ................................................ 55
6. Methodenvergleich ................................................... 57
7. Zusammenfassung.................................................... 58
8. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 59
Anhang................................................................ 61
3
1. Einleitung
Für die Planung, Entwicklung und Steuerung betrieblicher Arbeitsprozesse werden
quantitative Informationen benötigt, die Angaben über Leistungen, Kosten, Zeiten
und Zuverlässigkeiten enthalten. Ergebnis und Erfolg der Dispositionen hängen in
hohem Maße von der Gültigkeit der Informationen ab, auf die sie sich stützen. Dadurch
erfahren die statistischen analytischen Techniken zunehmende Bedeutung. Hierzu sollen
neue Verfahrensentwicklungen dargestellt werden, mit denen es möglich ist, zeit be
zogene Aufschlüsse über die Sachverhalte bei Arbeitsabläufen auf rationelle Weise zu
gewinnen.
Die Ermittlung der Zeitwerte für die Phasen der Arbeitsprozesse gehört zu dem Auf
gabenbereich der Zeitstudie. Dabei wird der Gegenstandsbereich des jeweiligen Unter
suchungsfeldes auf zweckmäßige Weise in einzelne Elemente zerlegt, für die dann mit
analytischen Techniken die Zeitangaben in der geforderten Genauigkeit zu bestimmen
sind. Die Zerlegung der Arbeitsabläufe ergibt verschiedene Teilvorgänge, für die die
Vorgangsdauer die zeitbezogene Bestimmungsgröße und die Zeitmessung die übliche
analytische Technik bilden. Eine Zerlegung des Arbeitsgeschehens in Merkmale der
Tätigkeitsarten oder Arbeitsvorkommnisse ist vorzunehmen, wenn es gilt, die zeit
lichen Anteile an der Gesamtzeit zu ermitteln. Hierfür sind die Verfahren der Zeit
messung häufig zu aufwendig, insbesondere dann, wenn es sich um unregelmäßig und
selten auftretende Vorkommnisse handelt.
Für solche Zeitstudienaufgaben sind neue analytische Techniken entwickelt worden.
An Stelle der fortlaufenden Beobachtung und Zeitmessung werden die Arbeitsvor
kommnisse nur zu bestimmten Zeitpunkten beobachtet und durch Registrieren der
kennzeichnenden Merkmale der jeweils angetroffenen Erscheinungsformen erfaßt. Aus
den Stichprobenerhebungen derartiger Multimomentaufnahmen lassen sich statistisch
gesicherte Aussagen über die Zeitanteile der untersuchten Arbeitsvorkommnisse ab
leiten [12; 23]*.
Zeitstudien in Form von Multimomentstudien führen bei vielen Aufgabenstellungen
zu einer beträchtlichen Reduktion der Aufwendungen für die Informationserschließung -
gegenüber den herkömmlichen Verfahren der Zeitmessung. Beide Verfahrensweisen
haben jedoch ihre spezifischen Anwendungsgebiete, in denen ihre Auswahl eindeutig
durch den erforderlichen Aufwand bestimmt wird. Somit bilden die Verfahren der
Multimomentstudie eine Ergänzung zu den bisherigen zeitanalytischen Techniken,
indem sie den Aufgaben- und Anwendungsbereich für Zeitstudien erweitern.
Als weitere Ergänzung soll mit dieser Studie eine zeitbezogene Entscheidungstechnik
vorgestellt werden. Die Erfassung der Beobachtungen erfolgt ebenfalls nach dem
Prinzip der Multimomentaufnahme. Ein Aufnahmebogen wird jedoch nicht benötigt,
und die Anzahl der erforderlichen Beobachtungen ist relativ klein. Die Verfahren sind
aus der Sequentialanalyse der mathematischen Statistik entwickelt worden. Da für
sequentielle Tests auch die Bezeichnung »Folgetests« üblich ist, wird für die Verfahren
der davon abgeleiteten zeitbezogenen Entscheidungstechnik die Bezeichnung »Multi
moment- Folgetestverfahren « vorgeschlagen.
Demgegenüber stellt das bisherige Multimomentverfahren zur Ermittlung von Zeit
anteilen ein statistisches Schätzverfahren dar. Das stochastische Modell, das allen Me-
* Literaturangaben in Abschnitt 8.
5
thoden der Multimomentstudie zugrunde liegt, soll zunächst in kurzer Form beschrie
ben werden (Abschnitt 2). Es folgen Ausführungen über Aufbau und erweiterte An
wendungstechniken zum Multimoment-Schätzverfahren (Abschnitt 3) in einer Form,
die auf die Analogie der Entwicklungen zum Multimoment-Folgetestverfahren (Ab
schnitt 5) ausgerichtet ist. Unter den gleichen Aspekten erfolgt die Behandlung kon
ventioneller Testmethoden (Abschnitt 4). Aus dem sequentiellen Testprinzip wird
dann eine ganzzahlige Zuordnungstechnik zum Multimoment-Folgetestverfahren ent
wickelt und für die Anwendung auf zeitbezogene Entscheidungsprobleme in der
Praxis aufbereitet (Abschnitt 5). In einem Methodenvergleich werden die Haupt
eigenschaften der behandelten Verfahren gegenübergestellt (Abschnitt 6).
2. Modellbetrachtungen zur Multimomentstudie
Aussagefähigkeit und Zuverlässigkeit der Ergebnisse einer Multimomentstudie hängen
weitgehend von der Übereinstimmung ab, die zwischen der Struktur der Ablauf
formen des Arbeitsgeschehens und dem Modell für die Abbildung besteht. Wie bei
anderen analytischen Techniken der mathematischen Statistik werden die Informations
mengen, die am Untersuchungsgegenstand ermittelt worden sind, in Elemente einer
Modellstruktur überführt, um dann aus den sich darin abzeichnenden Konstellationen
bestimmter Größen Erkenntnisse abzuleiten, denen Gültigkeit für die beobachteten
Objekte zugesprochen wird. Dieser Zyklus der Erschließungstechnik bedarf daher der
Relevanz in seinen einzelnen Phasen, aus der die Forderungen nach möglichst guter
Anpassung der analogen Modelldarstellungen resultieren.
Die Verfahren zur Multimomentstudie werden von einem stochastischen Modell ab
geleitet, dessen Beschaffenheit eine kurze Charakterisierung erfahren soll (Abschnitt 2.1).
Zwischen der Modellvorstellung und der Beziehungsstruktur in der abzubildenden
Wirklichkeit treten Abweichungen auf, die verschiedene Ursachen haben (Abschnitt 2.2).
Sie lassen sich durch Maßnahmen zur Modellanpassung einschränken (Abschnitt 2.3).
2.1 Stochastisches Modell
Die theoretische Grundlage der Multimomentmethoden bildet ein stochastisches
Modell mit einer quantitativen Struktur, in das die am Untersuchungsgegenstand
beobachteten Erscheinungen überführt werden. Eine Multimomentstudie ist unter
diesem Aspekt als eine Verifikation der unterlegten Modellform zu betrachten. Dazu
erfolgt eine Zerlegung des Untersuchungsgegenstandes in einzelne Elemente, die durch
die Eigenschaft des zufälligen Auftretens gekennzeichnet sind. Ein Element der Multi
momentaufnahme ist der Erkenntnisgegenstand einer Beobachtung des Arbeitsablaufs
in einem bestimmten Augenblick. Als Kennzeichen für diese Elemente werden m Merk
male Ai definiert. Für die folgenden Betrachtungen soll angenommen werden, daß ein
Element nur Träger eines der m Merkmale Ai ist. Die Ereignisse, die in dem Auftreten
der Merkmale Ai bestehen, schließen also einander aus. Somit bilden die Ereignisse,
die in dem gleichzeitigen Auftreten zweier oder mehrerer Merkmale in einer i-ten Be
obachtung bestehen, die leere Menge D:
(r = 2, 3, ... , m) (2.1)
6
Auf der Menge der Elementarereignisse Ai läßt sich eine eindeutige reelle Funktion X
definieren, mit der den Ereignissen Ai Werte xi zugewiesen werden. Da die Elementar
ereignisse zufällig eintreten, ist X eine zufällige Veränderliche. Wenn auf diese Weise
einem Elementarereignis A der Wert x zugeordnet wird, dann ist die Wahrscheinlich
keit P(A) für das Auftreten des Ereignisses A gleich der Wahrscheinlichkeit dafür,
daß die Variable X den Wert x annimmt. Man erhält damit die Wahrscheinlichkeits
funktion
P(X = x) = P(A). (2.2)
Wenn einer Menge E der Elementarereignisse Ai durch die funktionale Eigenschaft
der Zufallsvariablen X reelle Werte aus einem Intervall der Form (-00, x) zugeordnet
werden, so ergibt sich damit eine Wahrscheinlichkeitsverteilung F(x) der zufälligen
Veränderlichen X. Sie wird als »V erteilungsfunktion « bezeichnet und läßt sich in
folgender Form darstellen:
F(x) = P(X < x). (2.3)
In einer Multimomentstudie, in der nur eine Zufallsvariable X durch die Erhebung
realisiert wird, bestehen die Elementarereignisse darin, daß ein Merkmal A bei einer
Beobachtung angetroffen (A) oder nicht angetroffen (A) wird. Für die Wertzuweisung
wählt man zweckmäßig die Zahlen 0 und 1, also
fürXi=A
(2.4)
für Xi =A.
Die zugehörige Wahrscheinli~hkeitsfunktion kann dann ebenfalls nur zwei Werte
annehmen:
für Xi = 1
P(Xi = Xi) = { P (2.5)
1-p=q für Xi = O.
Die Wahrscheinlichkeit p bildet in diesem Falle zugleich den einzigen Parameter, von
dem die Verteilungsfunktion determiniert wird. Für das Modell wird zudem ange
nommen, daß dieser Parameter invariant ist.
Bei der Verifikation des stochastischen Modells in einer Multimomentstu2ie besteht
das Ziel darin, statistisch gesicherte Aussagen über unbekannte Parameter Pi zu er
mitteln. Zu diesem Zweck müssen in einem Experiment Informationen für die mathe
matisch-statistische Erschließungstechnik gesammelt werden. In Multimomentaufnah
men erfolgt hierzu das Erheben von Stichproben, indem zu bestimmten Zeitpunkten
die Vorgänge auf den Arbeitsplätzen beobachtet und die dabei festgestellten Elementar
ereignisse registriert werden. Eine Stichprobe umfaßt eine endliche Teilmenge von
Elementen aus einer Grundgesamtheit, die als unendlich groß betrachtet wird, denn
theoretisch ließen sich unendlich viele Beobachtungen machen.
Eine Stichprobe vom Umfang N stellt eine Realisierung eines N-dimensionalen
Zufallsvektors SN dar:
(2.6)
Alle möglichen Werte~, die der Zufallsvektor SN annehmen kann, bilden den N-dimen
sionalen Stichprobenraum Q. Die Realisierung des Zufallsvektors SN durch eine
Stichprobe mit den Werten
(2.6')
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läßt sich dann als Punkt oder Vektor I = ~ in dem Raum Q geometrisch veranschau
lichen.
Die zufälligen Stichprobenvariablen Xt (i = 1,2, ... , N) werden in dem Modell zur
Multimomentstudie als unabhängig betrachtet. Dies ist einerseits dadurch gerecht
fertigt, daß die Grundgesamtheit als unendlich groß gelten kann, so daß durch die Ent
nahme eines Beobachtungselementes keine Veränderung der stochastischen Beziehungen
für die anderen zu berücksichtigen ist. Zum anderen bildet die Unabhängigkeit der Er
scheinungen eine Voraussetzung hinsichtlich der Beschaffenheit des Untersuchungs
gegenstandes, die vorliegen muß, um die Methoden anwenden zu können.
Bei der Multimomentaufnahme erfolgen die Beobachtungen in Zeitabständen und
Reihenfolgen der Beobachtungspunkte, die nach Zufallszahlen ausgewählt werden,
damit die Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe zu kommen, für jedes Zeitelement
gleich groß ist. Die Erhebung nach einer solchen Auswahlmethode hat zum Ziel, eine
möglichst unverfälschte Zufalls stichprobe aus dem Gegenstandsbereich zu liefern.
Die Erschließung von Aussagen über die Verteilungseigenschaften der Grundgesamt
heit aus dem Informationsgehalt einer Stichprobe vom Umfang N erfolgt mit Hilfe
von Stichprobenfunktionen
(2.7)
Eine derartige Funktion hängt nur von den Stichprobenvariablen Xl, X2, ••• , XN
ab und nicht von den Verteilungsparametern der Grundgesamtheit. Sie ist ebenfalls
eine zufällige Veränderliche. Folglich gelten die Beziehungen (2.2) und (2.3) in ent
sprechender Form. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine Stichprobe mit den Wer
ten I erhoben wird, für die die Funktion U(I) einen Wert annimmt, der kleiner als u
ist, ergibt sich dann aus der Verteilungsfunktion
F(u) = P(UN < u). (2.8)
Wenn der Definitionsbereich der Stichprobenfunktion U N die reellen Zahlen u in
einem Intervall [Ul, U2] umfaßt, wobei Ul < U2 gelten soll, so erhält man als Verteilungs
funktion für die Wahrscheinlichkeit, daß der Wert u der Funktion UN - unter der
Bedingung [Ul ~ U' < U2] - in das halboffene Intervall [Ul, u') fällt, die Form
u'
F(u) = P(U < u') = f J(u) du. (2.9)
u,
Die Wahrscheinlichkeitsverteilung für beliebige Intervalle [u', u"), wobei [Ul ~ U'
< u" < U2] gelten möge, ergibt sich dann aus den Differenzen der Verteilungsfunk-
tionen
u"
F(u") - F(u') = P(u' ~ u < u") = f J(u) du. (2.10)
u'
Mit Hilfe dieser Verteilungsfunktionen lassen sich aus dem stochastischen Modell für
die Ergebnisse einer Multimomentstudie die Wahrscheinlichkeiten berechnen, die dann
als statistische Sicherheiten oder in komplementärer Interpretation als statistische
Risiken der Aussagen betrachtet werden. Wenn die Multimomentstudie für Parameter
schätzungen angesetzt wird, so gilt es, die wahrscheinlickheitstheoretischen Vertrauens
bereiche für die Aussagen zu bestimmen. Handelt es sich dagegen um die Verifikation
von Testhypothesen, so lassen sich mit Hilfe der Verteilungsfunktionen die Wahr
scheinlichkeiten berechnen, die bestimmten kritischen Regionen des N-dimensionalen
Stichprobenraumes zuzuordnen sind.
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2.2 Modellabweichung
Zwischen der dargestellten Modellform und den Erscheinungen in der Wirklichkeit
einer Multimomentstudie, die nachgebildet werden sollen, treten Abweichungen in
verschiedener Form auf. Um diese Diskrepanzen explizit darzustellen, müßten sehr
aufwendige statistische Techniken mit variablen Parametern eingeführt werden. Der
Anwendung in der Praxis wären dann jedoch sehr enge Grenzen gesetzt. Andererseits
ist für die richtige Beurteilung der Ergebnisse einer Multimomentstudie die Kenntnis
der Abweichungen zwischen Modell und Untersuchungsgegenstand von Bedeutung.
Deshalb sollen einige Gesichtspunkte hierzu kurz angeführt werden.
Die Längen der Zeitabschnitte, in denen ein Vorkommnis des Arbeitsablaufs auftritt,
gehören einer bestimmten Verteilungsform an. Durch Beobachtungen zu vorgegebenen
Zeitpunkten werden die Merkmale erfaßt, wobei die Intervallängen der Zeitabstände
wiederum zu bestimmten Verteilungsfunktionen gehören. Damit ergibt sich eine zu
sammengesetzte zeitbezogene Verteilungsfunktion für die beobachteten Merkmals
erscheinungen. Diese Beziehungen sind von MEVERT ([16], S. 33) untersucht worden.
Er kam zu dem Ergebnis, daß durch Zufallsstichproben die Verteilungen in der Grund
gesamtheit am wenigsten verfälscht analysiert werden können. Die hierzu angesetzten
Simulations studien sind mit konstanten Parametern der Verteilungsfunktionen durch
geführt worden. Für die wirklichen Gegebenheiten bei Zeitstudien wird man jedoch
solche Bedingungen nicht voraussetzen können. Dabei dürfte anzunehmen sein, daß
sich eine Variation der Parameter in höherem Maße auswirkt als die Verschiedenartig
keit der Verteilungsfunktionen, die sich lediglich auf die Qualität der Approximationen
auswirkt, die nach dem zentralen Grenzwertsatz mit endlichen Teilmengen von Stich
probenwerten zu erreichen sind.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Verfahrenspraxis, nach der in der Multimoment
aufnahme mehrere Arbeitsplätze gleichzeitig erfaßt werden. Die Ergebnisse bilden
dann die Grundlage für Schlußfolgerungen und für die Einleitung von Maßnahmen,
die für die beobachteten Arbeitsplätze in gleicher Weise Gültigkeit haben. Diese Vor
gehensweise stützt sich auf die Modellvorstellung, daß gleichartige Arbeitsvorkomm
nisse in angenähert gleicher zeitlicher Verteilungsform auf den Arbeitsplätzen auftreten.
Häufig liegt jedoch eine solche Gleichartigkeit nicht vor, wie zum Beispiel bei weit
gehend manuellen Tätigkeiten. Die Multimomentstudie kann dann unzulängliche Er
gebnisse liefern, wenn sie nicht so angesetzt wird, daß die individuellen Arbeitsweisen
eine Berücksichtigung erfahren.
Weitere Diskrepanzen zwischen dem Modell und dem wirklichen Ablaufsystem er
geben sich aus zeitlichen Abhängigkeiten in der beobachteten Vorgangsfolge. Hierbei
kann es sich um Abhängigkeiten innerhalb der Elemente eines Arbeitsablaufs oder
zwischen den Arbeitsabläufen verschiedener Arbeitsplätze handeln. Da sich der In
formations gehalt der Multimomentaufnahmen für das Aufdecken derartiger Beziehun
gen wenig eignet, ist es angebracht, in Arbeitsablaufstudien auf anderen Wegen eine
vorausgehende Klärung herbeizuführen.
2.3 Modellanpassung
Aus den angeführten Möglichkeiten für Abweichungen zwischen dem stochastischen
Modell und den Vorgängen in der Wirklichkeit bei einer Multimomentstudie resultiert
die Fragestellung, wie im Einzelfall zuverlässige zeitanalytische Ergebnisse auf mög
lichst einfache Weise mit einem dem Informationswert angemessenen Aufwand er
mittelt werden können. Für die Verfahrenspraxis sind deshalb einige Regeln aufgestellt
worden, mit deren Hilfe sich die Anwendbarkeit beurteilen läßt und deren Beachtung
9
statistische Aussagen liefert, in denen die Fehlermöglichkeiten klein und im Bereich
zulässiger Toleranzen bleiben.
Zunächst gilt es zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Multimomentstudie bei
dem Untersuchungsgegenstand gegeben sind und wie diese eventuell geschaffen oder
verbessert werden können. Die zu beobachtenden Vorkommnisse müssen unabhängig
in der zeitlichen Folge auftreten. Eine Zeitstudie für Arbeitsvorgänge, die sich regel
mäßig wiederholen, wird deshalb zweckmäßiger mit anderen Methoden durchgeführt.
Wenn mehrere Arbeitsplätze erfaßt werden sollen, so müssen sie bezüglich der zu
beobachtenden Merkmale als gleichartig gelten können. Andernfalls ist zu prüfen, ob
eine Multimomentstudie für jeden Arbeitsplatz einzeln noch Vorteile gegenüber anderen
Verfahren bringt.
Die Beobachtungen werden von einem Arbeitsstudienfachmann ausgeführt, der auf
Rundgängen die jeweils angetroffenen Vorkommnisse feststellt und erfaßt. Da es nicht
möglich ist, in einem Zeitintervall der theoretischen Länge Null einen geistigen V or
gang des Erkennens abzuwickeln, bildet der Moment, in dem der Vorgang in den
Blickwinkel des Beobachters kommt, den zeitlichen Bezugspunkt, auf den die Merkmals
identifizierung reflektiert wird ([7], S. 98).
Um jedem Vorkommnis die gleiche Wahrscheinlichkeit für die Erfassung zu geben,
die nur von der Länge der Zeitabschnitte abhängt, werden die Beobachtungen in
zufälliger Folge ausgeführt. Dazu werden einerseits die Längen der Zeitintervalle
zwischen den Rundgängen nach Zufallszahlen festgelegt. Zum anderen soll auch die
Reihenfolge, in der die Arbeitsplätze bei den Rundgängen aufgesucht werden, nach
einer Zufallsfolge ablaufen. In der Praxis läßt sich diese Regel häufig nicht einhalten;
entsprechende Verhältnisse liegen vor, wenn zum Beispiel die räumliche Anordnung
der Arbeitsplätze so beschaffen ist, daß auf Rundgängen in nur einer Durchlaufrichtung
vom Beobachter unbeeinflußte Momentaufnahmen gemacht werden können.
Unter diesem Aspekt sind bezüglich der kleinsten Zeitintervalle zwischen den Rund
gängen auch andere Regeln gültig, als die durch Simulationen gewonnenen Erkennt
nisse ergeben. Die modelltheoretische Forderung, das kleinste Zeitintervall zwischen
den Rundgängen größer als den kleinsten Zeitabschnitt zu machen, in dem ein V or
kommnis auftritt, wird man zweckmäßig nur dann erfüllen, wenn sichergestellt ist, daß
die Beobachtungen ohne Nachwirkung auf den Arbeitsablauf bleiben. Anderenfalls
kann es geschehen, daß bestimmte kurzzeitige Vorkommnisse in die Pausen zwischen
den Rundgängen gelegt und damit der Erfassung entzogen werden.
Weitere Regeln für das Vorgehen bei einer Multimomentstudie haben zum Ziel, die
Beobachtungen auf die Zeitabschnitte zu beschränken, in denen die Parameter, die die
Verteilungsfunktionen der Merkmale determinieren, als invariant gelten können. Dieser
Aspekt gilt vor allem für die Zeiten zu Beginn und Ende der Schichtzeit sowie für die
Zeiten vor und nach den geregelten Pausen.
Durch Beachten dieser Regeln lassen sich in einer Multimomentstudie Modell und
Wirklichkeit einander anpassen. In der Praxis treten im allgemeinen weitere Probleme
auf, die sich aus der speziellen Vorgehensweise bei der Anwendung der Verfahren
ergeben. Diese sollen nicht hier bei der Modellbetrachtung, sondern später bei der
Darstellung der einzelnen Verfahrensgänge behandelt werden.
Häufig wird es jedoch angebracht sein, die Übereinstimmung mit der Modellvorstellung
für die Bedingungen zu überprüfen, für die dies an Hand der erfaßten Informations
mengen möglich ist. Dafür eignen sich statistische Signifikanztests. Auf diese Weise
wird vor allem zu prüfen sein, ob bestimmte Annahmen bezüglich der Verteilungs
eigenschaften der beobachteten Vorkommnisse gültig sind. Im einzelnen kann es sich
darum handeln, die Annahme der Gleichartigkeit der Arbeitsplätze zu überprüfen,
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Description:Für die Planung, Entwicklung und Steuerung betrieblicher Arbeitsprozesse werden quantitative Informationen benötigt, die Angaben über Leistungen, Kosten, Zeiten und Zuverlässigkeiten enthalten. Ergebnis und Erfolg der Dispositionen hängen in hohem Maße von der Gültigkeit der Informationen ab,