Table Of ContentVerbrennungsmotoren
Thermodynamisme und versuchsmäßige
Grundlagen unter besonderer Berü<ksimtigung
der Flugmotoren
Von
Dr.-Ing. habil. Fritz A. F. Schmidt
Leiter des Institutes für motorls<he Arbeitsverfahren und Thermod)~lamik
der Deuts<hen Versumsanstalt für Lultlahrt, E.V. (DVL), Berlin-Adlershof
Dozent an der Technis<hen Ho<hs<hule Berlin
Mit 1.59 Abbildungen im Text
ISBN 978-3-662-35465-0 ISBN 978-3-662-36293-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-36293-8
Softcover reprint of the hardcover Ist edition 1939
Vorwort.
Das vorliegende Buch ist im wesentlichen in Anlehnung an die von
mir an der Technischen Hochschule, Berlin, gehaltenen Vorlesungen
über "Thermodynamik überladener Motoren", "Thermodynamik der
Flugmotoren und Abgasturbinen" und "Höhere Thermodynamik"
entstanden. Die bisher vorliegenden Werke, die ähnliche Gebiete be
handeln, insbesondere die allgemeinen Bücher über Verbrennungs
motoren, befassen sich vorwiegend mit der allgemeinen Theorie der
Verbrennungskraftmaschinen oder mit konstruktiven Fragen aus diesem
Gebiete. Heute stehen die Forderungen nach Leistungssteigerung
und Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und damit zusammenhängend
die Probleme der Beherrschung der thermischen Beanspruchung und
des Zündungs- und Verbrennungsvorganges im Vordergrund.
Im vorliegenden Buche sind vor allem diese Fragen auf gedrängtem
Raum nach dem neuesten Stande behandelt. Bei der Bearbeitung der
allgemeinen Theorie des Verbrennungsmotors wurden die neuen Er
gebnisse auf physikalischem Gebiet, insbesondere die verbesserten
spezifischen Wärmen, die Ergebnisse über das Dissoziationsgleichgewicht
u. a., berücksichtigt. Besonderes Gewicht wurde auf eine gründliche
Behandlung der Probleme der Überladung sowohl mit mechanisch
angetriebenem Lader als auch mit Turbolader gelegt, da Arbeiten
aus diesem Gebiete im Schrifttum bisher nur verstreut in Aufsätzen
veröffentlicht wurden. Die Theorie des Flugmotors wurde ebenfalls
unter Berücksichtigung der Aufladung und Überladung behandelt.
Um den Umfang des Buches gering zu halten, wurden Spezial
probleme zum Teil weniger ausführlich behandelt; an diesen Stellen
wurden entsprechende Schrifttumhinweise gebracht.
Die Theorie des Verbrennungsmotors ist sowohl für den Studie
renden im höheren Semester ,als auch für den Ingenieur in der Praxis,
insbesondere für den Versuchsingenieur, von Interesse. Deshalb wurde
bei der Abfassung die Kenntnis der elementaren Gesetze der Thermo
dynamik und der Grundbegriffe des Motorenbaus vorausgesetzt, so
daß die Lektüre für jeden Leser mit einfacher technischer Vorbildung
keine Schwierigkeiten bereiten dürfte. Da im allgemeinen ein der
artiges Buch nicht zusammenhängend gelesen wird, sind die Kapitel
so weitgehend unterteilt und in sich abgeschlossen dargestellt, daß
IV Vorwort.
die Unterrichtung über ein bestimmtes Einzelproblem an Hand des be
treffenden Abschnittes möglich ist. Diejenigen Stellen des Buches, die
zum Verständnis eines bestimmten Kapitels erforderlich sind, wurden
durch entsprechende Hinweise jeweils angegeben. Um die praktische
Anwendbarkeit des Buches zu erweitern, wurden zahlreiche Zahlenan
gaben in Tabellen- und Kurvenform aufgenommen.
Die theoretischen Betrachtungen werden zum Teil an Hand von
Berechnungsbeispielen erläutert. Man könnte eine große Zahl solcher
Beispiele, die den in der Praxis vorkommenden Fällen entsprechen,
bringen. Es wurde jedoch hier ein anderer Weg beschritten, und zwar
wurden zur Veranschaulichung derartiger thermodynamischer Berech
nungen einige wenige umfassende Beispiele, die sehr viele Zahlenan
gaben enthalten, gewählt. Als Teiliechnungen sind darin zahlreiche
praktisch vorkommende Berechnungen enthalten.
Es war nicht möglich, in das Schrifttumverzeichnis alle einschlägigen
Arbeiten aufzunehmen; deshalb wurden nur diejenigen Arbeiten er
wähnt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den behandelten
Themen stehen oder auf die im Text Bezug genommen ist. Viele wert
volle Arbeiten mußten im Verzeichnis unberücksichtigt bleiben.
Der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt, E. V., insbesondere
deren Leiter, Herrn Dr.-Ing. F. SEEWALD, danke ich für die Förderung
bei der Herausgabe dieses Werkes. Die in dem Buche mitgeteilten V er
suchsergebnisse und Berechnungen stammen zum Teil aus Studien- und
Diplomarbeiten, vorwiegend aber aus Arbeiten von Mitarbeitern des
Verfassers, insbesondere der Herren Dr. phil. E. CzERLINSKY, Dipl.-Ing.
W. FRANKE, Dipl.-Ing. H. JuNG, Dipl.-Ing. P. KoRNACKER, Dipl.-Ing.
H. KRESS, Dipl.-Ing. H. PAULING und Dipl.-Ing. CHR. ScHÖRNER. Den
Herren Dr.-Ing. H. KüHL und Dr.-Ing. M. ScHEUERMEYER bin ich für
ihre wertvolle Mitarbeit, insbesondere bei der Berechnung der Beispiele
und bei der Korrektur des Buches, zu besonderem Dank verpflichtet.
Auch der Verlagsbuchhandlung Julius Springer danke ich für die sorg
fältige Ausführung und die verständnisvolle Bearbeitung des Buches.
Berlin, im August 1939.
F. A. F. SCHMIDT.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
A. Allgemeine Thermodynamik der Verbrennungsmotoren 3
Theoretische Möglichkeiten der Erzeugung mechanischer Arbeit aus der
Wärmeenergie des Kraftstoffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
I. Theoretische und versuchsmäßige Grundlagen für den Arbeitsvor
gang im Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1. Theoretische Vorausberechnung der Vorgänge im Motor 5
a) Allgemeines 5
b) Ottomotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
c) Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
d) Verluste beim motorischen Arbeitsverfahren, Verbesserungs-
möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 25
2. Tatsächlicher Verlauf der Vorgänge im Motor 29
a) Verdichtung . . . . . . . . . . 29
b) Gemischbildung beim Ottomotor . . . . . . . . . 32
c) Zündung beim Ottomotor. . . . . . . . . . . . 36
d) Physikalische und chemische Grundlagen für die Verbrennung
im Ottomotor . . . . . . . . . 41
Verbrennungsgeschwindigkeit 41
Klopfen . . . . . . . . . . 48
Explosionswelle . . . . . . . 52
Klassifizierung der Kraftstoffe . 53
e) Gemischbildung, Zündung und Verbrennung im Dieselmotor . 54
Ausbildung des Kraftstoffstrahles . . . . . . . . . . 54
Spritzverzug, Schwingungen in der Kraftstoffleitung . 60
Zündverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Klassifizierung der Dieselkraftstoffe . . . . . . . . 77
Gemischbildung bei verschiedenen Dieselarbeitsverfahren 78
f) Verbrennungsvorgang und Ausdehnungshub. 86
g) Gaswechselvorgang . . . . . . 95
Auspuffvorgang. . . . . . . . . . . . 95
Ausschieben und Ansaugen . . . . . . 99
3. Theoretische Untersuchung und versuchsmäßige Über
prüfung der für den praktischen Motorbetrieb wesent-
lichen Einflüsse . . . . . . . . . 103
Ottomotor . . . . . . . . . . . . . 105
a) Einfluß des Mischungsverhältnisses. 105
b) Verdichtung 109
c) Zündung . . . . . . . . . . . . 111
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
Dieselmotor. . . . . . . . . . . . . ll3
a) Einfluß des Mischungsverhältnisses. 113
b) Verdichtung . . . . . . . . . . . 117
c) Verbrennungsvorgang und Höchstdruck. 120
d) Mechanische Verluste . 121
e) Wärmebilanzen. . . . 123
Mitteldruckmotoren . . . 125
II. Der Motor mit "Überladung 126
.Allgemeines . . . . . . . . 126
l. .Arbeitsvorgang im Motor 130
a) Gaswechselvorgang . . . . 130
Mehrfüllung durch Restgasverdichtung 130
Arbeitsrückgewinn durch positive Gaswechselarbeitsfläche 135
Totraumspülung . . . . . . . . 138
b) Verbrennungsvorgang bei Überladung 140
2 . .Arbeitsvorgang im Lader . . . . 143
3. Gemessene Leistungssteigerung des gesamten .Aggre-
gates . . . . . . . . . . . 149
Ohne Totraumspülung 149
Mit Totraumspülung . 150
4. Praktische Grenzen der Überladung. 154
a) Ottomotor . . . . . . . . . . . . . . 154
Zusammenhang zwischen höchstzulässigem Druck und
höchstzulässiger Temperatur der Ladeluft an der Klopf-
grenze. . . . . . . . . . 155
Vorzündung und Klopfgrenze . . . . 156
Verdichtung und Klopfgrenze . . . . 156
Mischungsverhältnis und Klopfgrenze . 158
Thermische Beanspruchung mit und ohne Totraumspülung 159
b) Dieselmotor 160
B. Flugmotoren mit und ohne Aufladung 161
I. Leistung und Verbrauchszahlen des nicht aufgeladenen Motors bei
Höbenflug . . . . . . . . . . . . . . . . 161
l. Einfluß der mechanischen Verluste .......... 162
2. Einfluß des Wärmeüberganges ............. 164
3. Formeln für die Höhenleistung des nicht aufgeladenen
Motors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
4. Höhenverhalten des nicht aufgeladenen Motors 168
11. Aufladung mit mechanisch angetriebenem Lader 172
.Allgemeines . . . . . . . . . 172
l. Der Lader ....... . 173
2. Einfluß der Aufladung auf den .Arbeitsprozeß des
Jilotors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
a) Füllungsverbesserung durch verringerten Auspuffgegendruck 174
b) Veränderung der Gaswechselarbeitsfläche. . . . . . . . . 176
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
3. Berechnung der Höhenleistung von Ladermotoren 178
a) Leistungsbedarf des Laders. . . . . . . . . . 179
b) Berechnung der Innenleistung des Motors . . . . . . 180
c) Theoretische Berechnung der Motornutzleistung . . . 181
d) Berechnung der Höhenleistung aus Prüfstandsversuchen 185
111. Abgasturboaufladung und -überladung. 187
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . 187
1. Thermodynamische Grundlagen 188
a) Abgasturboladung mit Stau . . . 188
b) Abgasturboladung ohne Stau . . . 193
c) Abgasturboladung mit Stau und Ausnutzung der Energie der
Auspuffstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
2. Höhenleistung des Turboladeraggregates, Turbinen-
leistung, Leistungsbedarf des Laders .. 198
Ausnutzung der Energie der Auspuffstöße 203
3. Grundlagen für die Gestaltung ..... 206
a) Zusammenhang zwischen Abgastemperatur und Schaufeltempe-
ratur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
b) Zulässige Schaufeltemperatur und Werkstoffeigenschaften . . 210
c) Verfahren zur Verringerung der Schaufeltemperaturen . . . 214
Kühlung der Abgase (Oberflächenkühlung, Mischkühlung) 214
Bauteilkühlung (Außenkühlung und Innenkühlung der
Schaufel und des Laufrades) . . . . . . 215
4. Regelung des Turboladers . . . . . . . . . 219
5. Höhenleistung des Motors mit Turbolader 222
IV. Motor und Flugzeug . . . . . . . . . . . . . . . 224
1. Vergleich der Eignung verschiedener Aufladeverfahren 224
2. Flugleistungen ..................... 229
a) Zusammenhang zwischen Motorleistung und Fluggeschwindig-
keit ................. . 229
b) Änderung des Flugzustandes mit der Höhe 231
Anhang.
I. Berechnungsbeispiele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
1. Berechnung eines Arbeitsprozesses des vollkommenen Dieselmotors 232
2. Thermodynamische Auswertung eines Prüfstandsversuches an einem
Einzylinder-Viertakt-Ottomotor . . . . . . . . . . . . . . . 237
3. Berechnung der Leistungen und Verbrauchszahlen eines Motors mit
mechanisch angetriebenem Lader für verschiedene Höhen . . . . . 249
4. Thermodynamische Berechnung der Zustandsänderung beim Auspuff-
vorgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
II. Für die Theorie der Verbrennungsmotoren wichtige Größen
und thermodynamische Sonderprobleme. 265
1. Zustandsgrößen . . . 265
a) Spezifische Wärmen . 265
b) Energiewerte . . . . 268
c) Entropiewerte, thermodynamische :Funktionen 269
VIII Inhaltsverzeichnis.
Seite
2. Chemisches Gleichgewicht, Dissoziation. . . . . . . . . . . . . . 273
a) Theoretische Berechnungsverfahren zur Bestimmung des chemischen
Gleichgewichtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
b) Zahlenmäßige Berechnung der Gleichgewichtskonstanten . . . . 277
c) Anwendung der Gleichgewichtskonstanten zur Berechnung der Dis
soziation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280
d) Berechnung von Verbrennungstemperaturen unter Berücksichtigung
der Dissoziation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
3. Reaktionskinetische Betrachtungen zum Zündungsvorgang 286
4. Maximale Arbeit von Kraftstoffen . 293
Tabellen 295
Zusammenstellung der benutzten Formelzeichen 302
Schrifttumverzeichnis 310
Sachverzeichnis 321
Einleitung.
Versuche mit dem Ziel, in Maschinen aus der Verbrennung von
Pulver dauernd mechanische Arbeit zu gewinnen, reichen bis in das
17. Jahrhundert zurück. Die dauernde Gewinnung mechanischer Arbeit
in großem Maßstabe war erstmals durch die mittelbare Arbeitsgewinnung
aus der Verbrennungswärme von Kohle in der Dampfmaschine Ende
des 18. Jahrhunderts gelungen.
Die unmittelbare Verwendung der bei der Verbrennung entstehenden
heißen Gase zur Arbeitsleistung hat erst bedeutend später zu Erfolgen
geführt und wurde erstmals mit der L:EJNornschen Gasmaschine ("Feuer
maschine") im Jahre 1860 erreicht. Für die Entwicklung dieser Maschine
waren durch die Erfahrungen, die aus dem Dampfmaschinenbau schon
vorlagen, besonders in bezug auf die Konstruktion1, wichtige Voraus
setzungen gegeben. Auch das Arbeitsverfahren der L:EJNornschen Gas
maschine wurde in Anlehnung an den Arbeitsvorgang in der Dampf
maschine entwickelt. Im Totpunkt wurde vom zurückgehenden Kolben
während eines Teiles des Hubes Gas augesaugt und etwa in Hubmitte
zur Entzündung gebracht. Die Entspannung nach der durch die Ver
brennung erzielten Drucksteigerung auf etwa 4 bis 5 atü wurde in dem
selben Arbeitshub zur Arbeitsabgabe an den Kolben verwendet. Mit
diesem Verfahren war also nur eine teilweise Füllung des Zylinder
raumes mit brennbarem Gemisch möglich. Wegen der schlechten
Gemischbildung und wegen des geringen Dehnungsverhältnisses trat
Nachbrennen auf, das hohe Abgastemperaturen zur Folge hatte. Die
mit dieser Maschine erreichte Nutzleistung entsprach nur etwa 3 bis
4 vH des mechanischen Wärmeäquivalentes des Heizwertes (Nutz
wirkungsgrad 1] = 3 ...;-- 4 vH).
8
Ein wesentlicher Fortschritt im Arbeitsverfahren wurde mit dem
Flugkolbenmotor nach ÜTTO und LANGEN (1867 /68) insofern erreicht,
als ein besseres Dehnungsverhältnis vorhanden war. Bei diesem Motor
wurde in einem senkrecht aufgestellten Zylinder Gemisch augesaugt
und entzündet. Dadurch wurde der Kolben emporgeschleudert. Infolge
der kinetischen Energie des Kolbens wurde nicht nur eine vollständige
1 Die Maschine wurde als doppeltwirkende Kolbenmaschine mit Kurbel
trieb gebaut.
Schmidt, Verbrennungsmotoren. 1