Table Of ContentUlla Fröhling
Vater unser in der Hölle
Durch Inzest und den Missbrauch
in einer satanistischen Sekte
zerbrach Angelas Seele
Überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe
Lübbe Digital
Vollständige E-Book Ausgabe
des in der Bastei Lübbe GmbH & Co. KG erschienenen Werkes Lübbe Digital in der Bastei Lübbe GmbH &
Co. KG
© für diese Ausgabe 2008 by Bastei Lübbe GmbH & Co. KG, Köln Lektorat: Ann-Kathrin Schwarz
Textredaktion: Gerhard Arth
Titelbild: © getty-images/David Freudenthal Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen Datenkonvertierung E-
Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig ISBN 978-3-8387-2510-9
Sie finden uns im Internet unter www.luebbe.de
Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
INHALT
Vorworte
Einleitung
Kapitel 1: Stimmen
Stefanie
Therapie
Kapitel 2: Schweigen
Die Kinder
Kapitel 3: Signale
Blinder Fleck
»Das multifunktionale Kind«
Die erste Zeugin: Die Lehrerin
Kapitel 4: Schreie
Doppelkopf
Traute
Kapitel 5: Das Grauen
Das andere System
Die Sektenkinder
Exkurs: Satan revisited
Der zweite Zeuge: Der Mann vom Jugendamt
Kapitel 6: The Missing Link
Sie sind wieder da
Der mandschurische Kandidat
Die dritte Zeugin: Die Kriminalkommissarin
Kapitel 7: Hoffnung
Masken
Grete
Der vierte Zeuge: Das Versorgungsamt
Kapitel 8: Gegenwart
Ten Years After
Die kleine Traute
Nachwort
Anhang
Personenverzeichnis
Briefe von Angela Lenz
Rituelle Gewalt in Deutschland
Literatur
Dank
Stimmen zum Buch
Anmerkungen
Wir widmen dieses Buch all den Kindern,
die nicht überlebt haben
VORWORTE
A
ls ich dieses Buch das erste Mal las, war ich erschüttert, dass es solche
Grausamkeiten gibt. Ich wollte mehr wissen und lernte Menschen kennen, die
sich mit ritueller Gewalt beschäftigen: Therapeuten, Sozialarbeiter, Opfer.
Und ich lernte Ulla Fröhling kennen. Durch sie erfuhr ich, dass es Menschen
gibt, die Kinder foltern, missbrauchen und brutal vermarkten. Menschen, die
Macht, Geld und Einfluss haben. Menschen, die nach außen die braven Bürger
spielen und im Geheimen ihr schreckliches Handwerk tun. Sie sind gut vernetzt.
Mir wurde klar, dass es sich um organisierte Kriminalität handelt.
Wer aber hilft den Opfern?
Wir alle hören viel von Kinderpornographie im Internet, aber nur selten fragt
jemand nach den kleinen, unfreiwilligen Hauptdarstellern dieser widerlichen
Filme.
Ulla Fröhling hat zu dem Thema umfassend recherchiert, und vor allem hat sie
intensiv mit der im Buch beschriebenen jungen Frau gesprochen, über viele Jahre
hin. Sie hat eine Geschichte erfahren, die für Leser, die noch nie gehört haben,
dass es rituelle Gewalt gibt, ungeheuerlich klingt, aber leider sehr wahr ist.
Ihr gilt mein großer Dank.
Dieses Buch kann helfen aufmerksamer zu sein, wenn ein Kind häufig verletzt
ist, wenn das Kind verstört wirkt, sich Erziehern gegenüber verschlossen zeigt.
Ich freue mich, dass »Vater unser in der Hölle« wieder verfügbar ist und nun
als aktualisiertes Taschenbuch auch einer größeren Leserschaft zugänglich
gemacht werden kann.
Renate Rennebach, MdB 1990–2002
Stellvertretende Vorsitzende der Enquete-Kommission des Bundestages
»Sog. Sekten und Psychogruppen« 1996–1998,
Kuratoriums-Vorsitzende der Stiftung für Opfer ritueller Gewalt
Realität kann viel grausamer sein als jede Fiktion. Dieser Tatsachenbericht
beschreibt, was ein Kind durchmacht, das organisierter sadistischer Gewalt
ausgesetzt ist. Und was aus diesem Kind wird. Ulla Fröhlings Nahaufnahme eines
ausgesetzt ist. Und was aus diesem Kind wird. Ulla Fröhlings Nahaufnahme eines
Mädchens, das über Jahre rituell misshandelt wird und nicht »eine«, sondern
»viele« werden muss, beschreibt auf geradezu atemberaubende Weise, wie
Menschen, die bewusst das Böse wollen und ausleben, von einem Lebewesen
Besitz ergreifen und ihm das Entkommen sehr schwer machen.
Dipl.-Psych. Michaela Huber
Supervisorin und Ausbilderin in der Traumabehandlung,
1. Vorsitzende der Deutschen Sektion der ISSTD e.V.
Ulla Fröhlings Buch habe ich oft empfohlen. Leider hat sich heute all das
Schreckliche, das dort beschrieben ist, vollkommen bestätigt. Damals hielt man
uns, die wir unseren Patientinnen und Patienten glaubten, für verrückt. Das Buch
sollte von allen, die mit traumatisierten Personen arbeiten, gelesen werden. Ich
freue mich, dass es in einer aktualisierten Auflage erscheint.
Prof. Dr. Luise Reddemann
Traumatherapeutin und Professorin für Psychotraumatologie und
medizinische Psychologie an der Universität Klagenfurt
EINLEITUNG
Gewalt, wie ein Stein,
der ins Wasser fällt,
zieht Kreise.
Das Wasser schließt sich wieder,
der Stein bleibt in der Tiefe liegen,
keiner sieht ihn.
D
ieses ist die Geschichte einer Frau: Angela Lenz.
Angela Lenz ist eine Multiple Persönlichkeit. Multiple Persönlichkeitsstörung1
kann man als Selbsterhaltungssystem der Seele betrachten. Eine posttraumatische
Stressreaktion, ausgelöst durch extreme Gewalt in früher Kindheit, Gewalt, die
lang anhaltend ist, ausweglos und unerträglich. Folter.
Und es ist die exemplarische Geschichte vieler Menschen.
Denn Angela Lenz ist nicht die Einzige, die Inzest, Zwangsprostitution und
Rituale einer satanistischen Sekte in Deutschland durchlebte. Alles, was Angela
erzählt, wird durch Aussagen weiterer Opfer bestätigt. Ihre Berichte klingen
ungeheuerlich, und man möchte ihnen nicht glauben.
Warum habe ich ihr geglaubt?
Angela Lenz wirkt weder versponnen noch verwirrt. Eher kühl, klar. Wenn sie
sich an etwas nicht erinnerte, sagte sie es, und Irrtümer korrigierte sie. Die
Widersprüchlichkeit ihrer Persönlichkeiten, deren unterschiedliche Gefühle und
Ansichten ließ sie mich sehen.
Sektenberater, Kripobeamte und Mediziner bestätigten die Recherchen.
Deutsche, niederländische, belgische, amerikanische, kanadische, englische,
französische, spanische, dänische, norwegische, türkische, israelische und
australische Fachleute, mit denen ich sprach und korrespondierte, beschreiben
vergleichbare Ereignisse und Phänomene in ihren Ländern. Viele von ihnen
blicken zurück auf mehr als 25 Jahre therapeutischer Arbeit mit Folteropfern wie
Angela Lenz.
Aus Zeugnissen, Briefwechseln, Fotoalben, amtlichen Dokumenten, ärztlichen
Berichten, Röntgenaufnahmen, Zeitungsartikeln und Zeugenaussagen habe ich
Berichten, Röntgenaufnahmen, Zeitungsartikeln und Zeugenaussagen habe ich
versucht, ein Bild zu schaffen, das den wahren Ereignissen so nahe wie möglich
kommt.
In Teilen ist Angelas Familiengeschichte nicht mehr rekonstruierbar. Der Vater
ist tot. Über die Ursachen seiner pädosexuellen Entwicklung gibt es einige
Anhaltspunkte, Weiteres aber kann man heute nur mutmaßen.
Familiengeschichtlich bekannt sind die Gewalttätigkeit und Promiskuität des
Großvaters wie auch das ausgeprägt pietistische Klima, in dem seine Familie seit
Generationen lebte. Auch Angelas Vater war also in einer Familie aufgewachsen,
die öffentliches und privates Leben extrem spaltete. Früh schon tauchte in der
Familiengeschichte etwas auf, was damals als Schizophrenie diagnostiziert wurde.
Die Familie steht unter dem besonderen Schutz des Staates. Doch unter wessen
Schutz stehen die Kinder in körperlich und seelisch misshandelnden, sexuell
missbrauchenden oder vernachlässigenden Familien? Hinter verschlossenen
Wohnungstüren wird die meiste Gewalt ausgeübt. Weltweit.
Inzest ist eine tiefe seelische Verletzung und eine frühe Prägung, die vielen
Kindern die Entwicklung zu Autonomie und einem Gefühl für klare Grenzen
verwehrt. Der Stress, unter dem kleine Kinder in Angst ständig stehen,
beeinflusst die Vernetzungen der Nervenbahnen im Gehirn und die Biochemie
ihres Körpers: Bei Gefahr produziert jeder von uns automatisch große Mengen
eines »Hormoncocktails«, der uns zu Kampf oder Flucht befähigen und dann
wieder beruhigen soll. Kehrt die Gefahr immer wieder, unberechenbar und
unausweichlich, dann produziert der Körper seine eigene Drogenabhängigkeit. Ist
der Täter auch der Beschützer – also der Vater –, so erlebt das Kind eine massive
Konditionierung. Es wird ein anderes Kind, als es hätte werden können.
Welch ein bitterer Start ins Leben.
Inzest ist die Vorschule der Prostitution, sagt Francisco Orengo. Zuhälter
wissen das, betont der spanische Psychiater, der in seiner Klinik vielen Frauen
beim Ausstieg aus der Prostitution geholfen hat. Zuhälter, so Orengo, erkennen
diese früh verletzten Frauen.2 Es sei ein Wissen, das vom Vater an den Sohn
weitergegeben werde. Und eine Falle, der nur wenige entkommen.
Wie hat es Angela Lenz geschafft?
Ich habe ihren Lebensweg rekonstruiert, mir die Orte angesehen, an die sie sich
erinnert. Die stille, feine Villenstraße ihrer Kindheit. Den privaten Kindergarten.