Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Heraulgegeben durch dai Kultusminilterium
Nr.743
Dipl.-Ing. Walter Eckmann
Untersuchungen uber
konstruktive und elektrische MaBnahmen zur Schwingzeitverkurzung
beim Vermessungskreisel
Ais Manuskript gedruckt
SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH
ISBN 978-3-663-03845-0 ISBN 978-3-663-05034-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-05034-6
G 1 i e·d e run g
. .'.
Vorwort • . • • • S. 5
1. Einleitung •• S. 1
2. Maßnahmen zur Schwingzeitverkürzung •• S. 8
2.1 Die Verkürzung der Schwingzeit durch Änderung der-Bau
elemente des schwingenden Systems ••...••..•. S. 8
2.2 Die Herabsetzung der Schwingzei t durch An'''endung von
Trageflüssigkeiten mit hohe~ spezifischem Gewicht •.. S. 16
2.3 Die Schwingzeit bei Geräten ohne Gewichtsentlastung
durch Auftrieb . • • • . • • • • • • • • . • . . • • • S. 19
2.4 Die Verkürzung der Schwingzeit durch Verringerung des
Impulses beim Betrieb des Kreisels mit geringer Frequenz S. 20
2 -'5 Folgerungen. • S. 21
3. Die Untersuchungen von Bändern zur Aufhängung der Kreisel-
kugel bei hohem Bandzug. • •• ••••..•••• S. 22
3.1 Vorbereitende Maßnahmen ••• S. 23
3.2 Untersuchungen der Bänder im Meßbetrieb des Kreisels
bei .verschiedenem Banqzug. • S. 26
3.3 Direktionsmomente der Bänder •• S. 31
3.4 Die Bedeutung des Verhältnisses "Bandtorsionsmoment zu
Kreiselrichtmoment" ••••••••••••••• S. 36
3.41 Experimentelle Bestimmung des Verhältnisses
"Bandrichtmoment zu Kreiselrichtmoment" • • • S. 41
3.42 Anteil der Stromspiralen am Bandrichtmoment . S. 43
3.43 Fehlertheoretische Betrachtungen über den Einfluß
des Verhältnisses DB/DKR auf die Kreiselweisung • S. 44
3.44 Der Einfluß des Bandrichtmomentes bei geringem
Kreiselrichtmoment .••••••••••••••• S. 46
3.5 Aus den Untersuchungen sich ergebende Folgerungen für
die Auswahl der Bänder bei hoher Bandlast •• S. 48
3.6 Weisungsgenauigkeit des Versuchsinstrumentes 01 •• S. 49
3.1 Weisungsgenauigkeit des Gerätes beim Betrieb des Krei-
sels mit geringer Frequenz • • • • • • • .• • . • S. 50
3.8 Der Einfluß der verkürzten Schwingzeit auf die Gesamt-
meßzei t. • • S. 52
4. Die Untersuchung eines Kreisels ohne Gewichtsentlastung
durch Auftrieb • • • • •• ••.•• S. 53
4.1 Wärmeuntersuchungen und ihre Ergebnisse ••••.• s. 54
4.2 Probemessungen und Weisungsgenauigkeit de~ Versuchs in-
strumentes 02 ..•••......•••. S. 57
Seite 3
. . . . .
5· Ergebnisse einer Grubenmessung. · · · · · · · S. 59
6. Konstruktionseinzelheiten zu einem Kreiselgerät mit kurzer
. . . . .
Schwingzeit · · · · · · · · · · · S. 61
. . . .
6.1 Das richtunggebende System. · · · · · · S. 61
6.2 Das richtungnehmende System S. 65
.
6.3 Das tragende System · · · · · · S. 65
6.4 Das elektrische Zubehör · · · · S. 66
7· Vergleichende Betrachtungen über andere Lösungen zur Auf-
hängung des schwingenden Systems
Vorschläge für weitere Untersuchungsarbeiten. · S. 66
. . . .
8. Zusammenfassung · · · · · · · · · S • 68
9· Literaturverzeichnis. · · · · · S. 71
Seite 4
Vor w 0 r t
Der französische Physiker Leon FOUCAULT fand im Jahre 1852 die nord
suchende Eigenschaft eines schweregefesselten Kreisels mit zwei Frei
heitsgraden. Erst ein halbes Jahrhundert später - im Jahre 1908 - benutz
te die Firma Anschütz-Kämpfe erstmalig das Kreiselprinzip zur Richtungs
weisung. Sie baute einen Schiffskreiselkompass technisch brauchbarer
Konstruktion als Ersat~ für den in vielen Fällen unbrauchbaren l~gnet
kompass.
In den folgenden Jahren hat es nicht an Versuchen gefehlt, das Kreisel
prinzip auch zur Richtungsbestimmung in der Montangeodäsie anzuwenden.
Der Erfolg blieb jedoch aus, da die Genauigkeit nicht ausreichte oder
das Gerät den Bedingungen der untertägigen Praxis nicht gewachsen war.
Erst die Entwicklungsarbeiten, die im Jahre 1947 unter Leitung von Prof.
Dr. RELLENSMANN durchgeführt wurden, führten zu einem einsatzfähigen
Gerät, das im Laufe der Zeit stetig verbessert werden konnte.
Die vorliegende Arbeit ist als ein Teil der noch nicht abgeschlossenen
Entwicklung anzusehen. Sie geht ebenfalls auf die Initiative von Prof.
Dr. RELLENSMANN zurück, dem an dieser Stelle vom Verfasser besonders
gedankt sei.
Ermöglicht wurde die Arbeit durch Forschungsmittel, die der Minister
für Wirtschaft und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und die Deut
sche Forschungsgemeinschaft in dankenswerter Weise zur Verfügung stellten.
Se i te 5
1. Einleitung
Im Institut für Markscheidewesen der Bergakademie Clausthal werden auf
Initiative und unter Leitung von O. RELLENSI~NN Forschungs- und Entwick
lungsarbeiten betrieben, die zum Ziele haben, der vermessungstechnischen
Praxis unter und über Tage Vermessungskreisel hoher Genauigkeit zur Ver
fügung zu stellen, die es erlauben, unabhängig, d.h. ohne Anschluß an
bereits bestehende geodätische Netze Vermessungslinien zu orientieren.
Die kreiseltechnische Orientierung hat gegenüber der ebenfalls unabhän
gigen astronomischen Richtungsbestimmung den Vorteil, daß sie zu jeder
Tageszeit und bei jeder Witterung durchführbar ist.
Die Arbeiten kamen im Laufe der Entwicklung soweit zum Abschluß, daß
z.Z. mehrere Geräte bei verschiedenen Stellen mit Erfolg im Einsatz sind.
Die Erfordernisse und Erfahrungen der Praxis geben jedoch manche Proble
me auf, die im Sinne der Verbesserung der Geräte Wert sind, untersucht
zu werden. Die bisher erzielten Verbesserungen, die der interessierten
Öffentlichkeit in zahlreichen Publikationen mitgeteilt wurden, so daß
nähere Erläuterungen sich hier erübrigen, kennzeichnen den Weg der Ent
wicklung.
Bei Beginn der vorliegenden Arbeit war der neueste Stand durch ein Gerät
gegeben, das folgende Hauptmerkmale aufwies:
1. Die Kreiselkugel wird durch eine Bandhängung, die durch eine beson
dere Vorrichtung wahlweise mit der Aihidade des Theodolits oder dem
Gerät selbst verbunden werden kann, getragen und zentriert. Das Ge
wicht der Kugel wird dabei bis auf ca. 200 g vom Flüssigkeitsauftrieb
getragen.
2. Die Richtung wird optisch durch ein an einem Ausleger angebrachtes
Autokollimations.fernrohr abgenommen.
3. Die Stromübertragung erfolgt durch drei Stromspiralen.
4. Mit einer luftgefüllten Kreiselkugel hat das Gerät eine Leistungs
aufnahme von 80 W.
5. Als Energiequelle dient ein Satz transportabler Akkumulatorenbatte
rien in Verbindung mit einem Gleichstrom-Drehstrom-Motorengenerator
von 0,5 kVA.
6. Bei 333 Hz Betriebsfrequenz beträgt die Zeit für den Hochlauf rd.
20 Minuten, die HalbschHingzeit ,14 Minuten. Für eine l{essung mit
7 bis 9 Umkehrpunkten ist somit eine Gesamtmeßzeit von 104 bis 132
Minuten erforderlich.
Sei te 7
Ausgehend von diesem Gerät war dem Verfasser die Aufgabe gestellt, Un
tersuchungen darüber anzustellen, inwieweit die reine Meßzeit durch Ver
kürzung der Schwingzeit herabgesetzt werden könnte, ohne die Weisungs
genauigkei"t des Gerätes zu beeinträchtigen. Die dabei auftauchenden Pro
bleme sollten soweit als möglich einer Lösung zugeführt werden. Die
Untersuchungen mußten den Bau eines Versuchsgerätes einschließen, mit
dem die Weisungsgenauigkeit zu bestimmen war.
Die Verkürzung der Schwingzeit geht auf eine Anregung von K. BEHRNDT
zurück. Vorbereitende Untersuchungen, deren Ergebnisse Erfolg erhoffen
ließen und darum Anlaß zu dieser Arbeit gaben, wurden von J. FISCHER
[2J durchgeführt.
In der vorliegenden Arbeit werden die Untersuchungsmethoden erläutert
und die erzielten Ergebnisse mitgeteilt.
2. Maßnahmen zur Schwingungszeitverkürzung
2.1 Die Verkürzung der Schwingzeit durch Änderung der Bauelemente
des schwingenden Systems
Die Gleichung für die Schwingzeit des schweregefesselten Kreisels
lautet:
J2
e
+-
x M
.
T = Y..
·W cos IP + DB
E
e
Darin stellt das statische Trägheitsmoment des ruhenden Kreisels um
x
die Vertikalachse dar, das ca. 600 mal kleiner ist als das dynamische
2
Trägheitsmoment ~ • Strebt M ---.00, so ergibt sich eine Schwingzeit
y y
von 58 Sekunden, die in praxi natürlich nicht erreichbar ist. Zwischen
den beiden Grenzen von rd. 28 Minuten und einer Minute soll nun ein
Optimum gefunden werden, bei dem Schwingzeit, Gewicht, Bauhöhe und Ge
nauigkeit des Instru~entes die Parameter sind. Zur näheren Erläuterung
wird die oben genannte Formel zunächst umgeschrieben.
Der Moment M leitet sich aus dem Schweremoment und dem Auftriebsmoment
y
ab. Aus Abbildung 1 (S.9) geht hervor, daß das Schweremoment
M1 = + G • (a+b) sin ß, das Auftriebsmoment M2 = - A • b • sin ß beträgt.
Sei te 8
I
----
\ I ----
---
\IA
----
-
-
A b b i 1 ,d ,u n g 1
Zum Prinzip des Kreiselkompasses Schnitt in der vertikalen
Nord-Süd-Ebene
Die Momentsumme M M + M errechnet sich demnach zu:
1 2
M = sin ß [G . a + b . (G-A) ]
ß ß ß
Da der Winkel sehr klein ist, so daß man sin -= setzen kann, und
MY = ddMß d e f'l nl, er t'l St , ergl'b t S·l Ch:
Se i te 9
M G • a + b (G-A)
Y
Setzt man diesen Wert in die obige Gleichung ein und vernachlässigt aus
den angegebenen Gründen 9 , so lautet die SchwingzeitgleichungJ
x
~l
2TtV[G . (G-Al] .
T = a + b [WE • COS '" + (4)
J
Im einzelnen bedeuten:
J = eKR• wKR = Impuls des Kreisels um seine Drehachse,
a metazentrische Höhe,
b = Mastlänge = Abstand Auftriebspunkt - untere Bandklemme,
G = Gewicht des Systems (Kreisel + Behälter + Ballast),
A = Auftrieb,
G-A Bandzug,
W E Winkelgeschwindigkei t der Erde,
geographische Breite,
~
D Direktionsmoment des Aufhängebandes und der drei Stromspiralen.
B
Die Veränderung der Schwingzeit des Kreisels ist also von der Verklei
nerung bzw. Vergrößerung der Abmessungen des schwingenden Systems abhän
gig. Das Maß der Abhängigkeit soll im einzelnen dargelegt werden.
Die Schwingzeit ändert sich mit der geographischen Breite in dem Sinne,
daß sie am Äquator ein Minimum hat und nach Norden bzw. Süden zunimmt.
Für einen bestimmten Standort ist WE • cos ~ eine Konstante. Es bleibt
also zunächst nur übrig, durch Änderung der metazentrischen Höhe a, der
Mastlänge b, des Gewichtes G und des Bandzuges G-A eine Verkürzung der
Schwingzeit zu erreichen.
Der Auftrieb A, das Gewicht G und die metazentrische Höhe a sind durch
die Formgebung des Kreiselträgers miteinander gekoppelt, die Mastlänge b
kann davon unabhängig gewählt werden. Ihre Grenzen sind durch andere
Faktoren bestimmt, auf die noch zurückzukommen sein wird.
Die äußere Form des Kreiselträgers ist einmal bestimmt durch den Kreisel,
den er aufzunehmen hat. Bei einem Durchmesser des Kreisels von 140 mm
und unter Berücksichtigung, daß er mittels eines Korbes fest in den Trä
ger montiert werden muß, ist ein Mindestdurchmesser von 180 mm erforder
lich. Die Höhe des Trägers wird zunächst mit rd. 25 cm angenommen.
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Innerhalb der Grenzen: 18 cm Durchmesser und 25 cm Höhe muß nun eine
Form des Kreiselträgers gefunden werden, die eine möglichst geringe
Schwingzeit erHarten läßt.
Es werden betrachtet:
1. Eine Kugel mit dem Durchmesser 180 mm. Sie hat ein Volumen von
V = 3050 cm3 und liefert daher in Wasser einen Auftrieb von A=3,05 kg.
2. Zwei Halbkugeln (~ 180 mm) mit eingesetztem zylindrischen Zwischen
stück von 70 mm - im folgenden Zylinder genannt. Die Bauhöhe beträgt
250 mm. Das Volumen ist V = 4830 cm3, der Auftrieb A = 4,83 kg.
3. Ein parabolischer Träger, bestehend aus zwei Paraboloiden, die durch
Rotation der Parabeln y2 4,5. x bzw. y2 11,5~. x um die x-Achse
entstehen. Zwischen beiden ein zylindrischer Ring (~ 180 mm) von
10 mm zur Aufnahme des Schraubverschlusses. Bei einer Bauhöhe von
insgesamt 260 mm beträgt die Wasserverdrängung V = 3430 cm3 und der
Auftrieb A = 3,43 kg.
Für die Betrachtung der Schwingzeit muß vorläufig noch die Größe des
Bandzuges G~A festgelegt werden, über den Auftrieb und Gewicht mitein
ander verbunden sind. Diese Festsetzung ist deshalb erforderlich, weil
bei den verwandten Bändern die Querschnitte im Interesse eines geringen
Torsionsmomentes sehr klein sein müssen, was geringe - auf den Quer
schnitt bezogene - Streck- und Bruchgrenzen bedeutet. Da Materialver
änderungen des Bandes sich auf die Meßgenauigkeit stark auswirken, muß
mit einer ca. zwei- bis vierfachen Sicherheit gerechnet werden. Unter
Berücksichtigung dieser ,umstände beziehen sich die folgenden Betrac'h
tungen auf einen mittleren Bandzug von 2,8 kg.
Bei der Kugel mit einem Auftrieb A = 3,05 kg kann das System 5,85 kg
wiegen.
Beim Zylinder kann auf Grund seiner größeren Wasserverdrängung von
A = 4,8 kg das Gewicht G = 7,6 kg betragen, ohne damit den Bandzug zu
vergrößern. Im Vergleich zur Kugel wirkt sich das größere Gewicht G
und die damit verbundene Vergrößerung der metazentrischen Höhe a auf
die Verkleinerung der Sch ingzei t günstig aus.
1•r
Der parabolische Behälter hat im Vergleich mit dem Zylinder eine ung,
fähr gleiche metazentrische Höhe, jedoch muß infolge des geringen Auf
triebs A = 3,4 kg das Gewicht G = 6,2 kg um 1,4 kg kleiner sein als' beim
Zylinder, um den Bandzug G-A = 2,8 kg beizubehalten. Beim Paraboloid
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