Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr.1471
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers
von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt
Prof. Dr.-Ing. Paul Denzel
Dipl.-Volksw. Dipl.-Ing. Hans Ernst
Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft
der Rhein.-Westf. Techn. Hochschule Aachen
Unters uch ung der energiewirtschaftlichen
Verhältnisse in einem Textilbetrieb und Vorschläge
zur Verbesserung der Energieanwendung
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-663-06454-1 ISBN 978-3-663-07367-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-07367-3
Verlags-Nr.011471
© 196 5 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprunglich erschienen bei Westdeutscher Verlag, K61n und Opladen 1965
Inhalt
1. Allgemeines .................................................... 7
1.1 Einleitung................................................. 7
1.2 Der Produktionsablauf in einer Spinnerei ...................... 8
1.3 Vorbemerkungen über den untersuchten Betrieb . . . . . . . . . . . . . . .. 10
1.31 Das Produktionsprogramm. ... ............................... 10
1.32 Die technische Ausrüstung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10
1.33 Der Fahrplan der elektrischen Anlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2. Durchführung der Messungen .................................... 12
2.1 Messungen an der Übergabe ................................. 12
2.2 Messungen an den Kabelabgängen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12
2.3 Messungen an den Einzelantrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12
3. Auswertung der Messungen in der Verteilung ...................... 14
3.1 Die Gesamtlast des Betriebes .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 14
3.2 Die Belastung der Kabel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15
4. Auswertung der Einzelmessungen ................................. 21
4.1 Vorwerk.................................................. 22
4.11 Putzerei ................................................... 22
4.12 Karden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23
4.13 Kämmerei........... ...................................... 28
4.14 Strecken .................................................. 28
4.15 Flyer ..................................................... 28
4.16 Energieverbrauch und Bearbeitungszeit im Vorwerk ............ 30
4.2 Ringspinnmaschinen......................................... 32
4.21 Auswertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 32
4.22 Folgerungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. 39
4.3 Facherei, Zwirnerei und Spulerei. .... ......................... 41
4.4 Allgemeiner Energieverbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 46
4.5 Allgemeine Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 47
5. Ansätze zur Rationalisierung der Energiekosten ..................... 52
6. Schlußbemerkungen .................. . 57
Literaturverzeichnis ........................................... , ... . 59
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1. Allgemeines
1.1 Einleitung
Die Textilindustrie steht wie andere Industriezweige vor der Aufgabe, durch ver
stärkte Mechanisierung und Automatisierung den Produktionsprozeß von der
Mitwirkung der knappen und teueren menschlichen Arbeitskraft zu entlasten. Die
Tendenz, den Produktionsfaktor Arbeit durch Kapital zu ersetzen, bringt eine
Verschiebung der Kostenanteile mit sich: Während die Personalkosten anteils
mäßig gleichbleiben, steigen die Kosten für den gesamten Energiebedarf Kohle,
Gas, Öl, elektrische Energie nicht nur absolut, sondern auch anteilsmäßig an. Sie
betragen in manchen Betrieben der Textilindustrie schon etwa 50% der Personal
kosten [1]. Betrachtet man die Beteiligung der einzelnen Energiearten an der
Deckung des Gesamtbedarfs, so zeigt sich ein Strukturwandel. Noch immer steht
die Kohle in der Bedarfsskala an erster Stelle, bedingt durch den hohen Wärme
verbrauch in den Webereien und Färbereien, aber die Anteile des Öls und der
elektrischen Energie am Energieverbrauch sind stark gestiegen (Tab. 1 - Abb. 1).
Tab. 1 Energieverbraucb in der Textilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland [2]
Energieart 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962
Kohle in 1000 t 2308 2325 2458 2509 2319 2111 2036 1965 1738 1638
Elektrische Energie
in 106 kWh 1886 2055 2218 2412 2536 2475 2611 2878 2946 2997
Heizöl in 1000 t - 32 53 77 93 131 184 276 373 488
Gas in 106 m3 15 16 18 19 17 16 16 17 16 16
Umrechnungsfaktoren: 1 kg Heizöl = 1,429 kg Kohle = 1,429 SKE;
1 kWh = 0,55 SKE; 1 m3 Gas = 0,571 SKE
Die verstärkte Anwendung der elektrischen Energie macht es notwendig, den
Einsatz der elektrischen Anlagen in den Betrieben auf seine Wirtschaftlichkeit hin
zu überprüfen. Diese Untersuchung befaßt sich mit der Nutzung der elektrischen
Energie in einer Spinnerei sowie den Möglichkeiten der Energie- oder Energie
kosteneinsparung in diesem Betrieb. Über einen längeren Zeitraum wurden in
Zusammenarbeit mit einem Energie-Versorgungsunternehmen umfangreiche
7
Gas
Heizöl
elektrische
Energie
Kohle
Abb. 1 Struktur des Energieverbrauchs in der Textilindustrie
der Bundesrepublik Deutschland (2)
Messungen durchgeführt, die anschließend im Institut für elektrische Anlagen und
Energiewirtschaft an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule
Aachen ausgewertet wurden.
Der Diskussion der Messungen und ihrer Ergebnisse werden ein kurzer Überblick
über den Produktionsablauf in einer Spinnerei und einige allgemeine Bemerkungen
über den untersuchten Betrieb vorangestellt.
1.2 Der Produktionsablauf in einer Spinnerei
Das Spinnen bezweckt die Herstellung eines fortlaufenden Fadens aus textilen
Rohstoffen [3]. Der Produktionsprozeß ist in verschiedene Arbeitsgänge auf
geteilt, denen entsprechende Maschinen zugewiesen sind (Abb. 2). Man kann die
Bearbeitung der Rohstoffe in folgende Hauptabschnitte zerlegen:
1. Die Aufbereitung des Spinngutes im Vorwerk - Herstellung des Vorgarns.
2. Das Ausspinnen des Garns auf der Ringspinnmaschine.
3. Das Zwirnen in der Zwirnerei vor bzw. nach Durchlaufen der Fachereij
Spulerei.
Auf der Gasiermaschine können Zwirne noch veredelt werden.
Die Funktionen der einzelnen Arbeitsmaschinen werden hier kurz skizziert:
Putzerei: Sie dient zum Aufreißen und Aufteilen des Rohmaterials in
kleine Flocken (Öffner) und zur Beseitigung von Verun
reinigungen (Schlagmaschine).
Karde: In der Karde werden die Fasern getrennt, entwirrt und von
weiteren Verunreinigungen befreit. Es entsteht ein schleier
artiges Vlies, das zu einem Band lose haftender Fasern
zusammengefaßt wird.
8
Loses Fnsergut
Putzerei Aufreißen, Öffnen
Karde Entwirren, Ordnen
6nndver-
~ einungsrn. Vergleichmäßigen
0~ Kehrstrecke I,
:>0 Kämmascrune j1~ Auskämmen
p
Strecken 1 Verziehen
Flyer \ Vorspinnen
I
Ringspinnm. pinnen
Faehrn.
Zwirnm.
Spulm.
Gasicrmasch.
Abb. 2 Schematische Darstellung des Spinnprozesses (3) und Folge der Passagen in
der Baumwollspinnerei
Kämmerei: Zur Kämmerei gehären die Bandvereinigungsmaschine, die
Kehrstrecke und die Kämmaschine. Der Rohstoff wird ver
gleich mäßigt durch Ausrichten und Parallellegen der
Fasern. Kurze Fasern werden ausgekämmt und Verunreini
gungen beseitigt.
Strecken: Der Hauptzweck des Streckens ist das Verziehen des Faser
bandes in Längsrichtung. Dadurch werden die Fasern weiter
parallelisiert, das Band wird vergleichmäßigt und verfeinert.
Flyer: Das von der Strecke kommende Band wird auf dem Flyer
abermals verzogen und durch eine erst:: Drehung verf::stigt.
Es entsteht das Vorgarn.
Ringspinnmaschine: Das Vorgarn erhält auf der Ringspinnmaschine einen letzten
Verzug und die gewünschte Enddrehung. Das Endprodukt
ist das Garn.
Fachmaschine : Auf der Fachmaschine werden die Garne als Vorbereitung
zum Zwirnen zu Doppel- oder Mehrfachfäden zusammen
geführt und aufgewunden.
Zwirnmaschine: Auf dieser Maschine werden gefachte Garne mit der Zwirn
drehung versehen. Dadurch werden sie zu einer Einheit
verzwirnt, und man erhält einen Faden, der gräßeren Bean
spruchungen gewachsen ist.
Spulmaschine : Auf dieser Maschine werden Garne und Zwirne zum Zwecke
der Weiterverarbeitung in der Weberei zu Kreuzspulen um
gespult.
Gasiermaschine: Durch den Abbrand von Faserenden, die aus dem Faden
heraustreten, werden glatte Fäden hergestellt.
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Die in der Spinnerei verwendeten Arbeitsmaschinen lassen sich in bestimmten
Bereichen den Bearbeitungserfordernissen mehrerer Rohstoffe anpassen. Die Um
stellung einer Maschine von einem Rohstoff auf den anderen kann jedoch ihren
Kraftbedarf und damit die Leistungsaufnahme ihres Antriebs ändern.
1.3 Vorbemerkungen über den untersuchten Betrieb
1.31 Das Produktionsp rogramm
In der untersuchten Spinnerei werden verschiedene Rohstoffe, Baumwolle unter
schiedlicher Qualität, Zellwolle und Synthetics bearbeitet. Es werden Garne und
Zwirne in den Stärken ab Nm 34 hergestellt (Definition Nm: Tab. 3, S. 22). Das
Hauptgewicht liegt bei feinen Garnen und Zwirnen.
1.32 Die technische Ausrüstung
Der Betrieb verfügt über eine große Anzahl von Arbeitsmaschinen mit unter
schiedlichem Leistungsbedarf. In einzelnen Abteilungen stehen Maschinen
gleichen Typs, aber verschiedenen Fabrikats nebeneinander. Fast alle Maschinen
besitzen Einzelantrieb, lediglich eine Kardengruppe wird über eine Transmission
angetrieben. Die Überprüfung ergab, daß auch bei den Antrieben in geringem
Umfang aus innerbetrieblichen Gründen unterschiedliche Modelle eingesetzt
waren. So sind vor allem in der Kardenabteilung und in der Kämmerei an gleichen
Arbeitsmaschinen Motore mit unterschiedlichen Nennleistungen installiert wor-
3 x 95 Cu übergabe
1
I ~Wh
Verteilung A Verteilung B 10000 V ~
--~----~--~----~----+ ~----~--~----~----~-
Abb. 3 Aufbau der elektrischen Verteilungsanlage
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den. Aus Gründen der Regelung benutzt man in der Ringspinnerei - von wenigen
Ausnahmen abgesehen - Drehstromnebenschluß- bzw. Drehstromreihenschluß
maschinen, während in den anderen Abteilungen Asynchronmotore mit Kurz
schlußläufern eingesetzt sind. Man war bemüht, jeweils alle Antriebe einer Ab
teilung an ein gemeinsames Kabel anzuschließen. Dies scheiterte teilweise an der
Größe einiger Abteilungen. In anderen Fällen werden aber auch Maschinen
mehrerer Abteilungen von einem Kabel gespeist.
Aus Abb. 3 geht der Aufbau der elektrischen Verteilungsanlage hervor. An der
Netzübergabe befindet sich als einziges registrierendes Instrument des Betriebes
ein Doppeltarifzähler mit Maximumanzeiger. Hier befindet sich auch eine Ein
richtung zum Anschluß weiterer Instrumente. Die Werke besitzen jeweils eine
eigene Verteilung, die durch Sammelschienen miteinander verbunden sind. Da
durch konnte die Länge der in die Werke gehenden Kabel gering gehalten werden.
Die größte Kabellänge beträgt etwa 180 m. Durch Einbau von Kondensatoren an
der Verteilung hat man die SOO-V-Anlage zentralkompensiert. Die über 220 V
betriebenen Leuchtstofflampen sind einzelkompensiert.
1.33 Der Fahrplan der elektrischen Anlage
Dem zu Beginn der Frühschicht steigenden Leistungsbedarf sowie dem Absinken
der Leistung nach der Spätschicht wird durch Zu- bzw. Abschalten der Um
spanner Rechnung getragen. Zur Deckung der Leistung während der Nachtschicht
bleibt für Werk Ader 4S0-kVA-Umspanner, für das stärker belastende Werk B
der 7S0-kVA-Umspanner in Betrieb. Der in der Regel gegenüber der Frühschicht
geringere Leistungsbedarf am Nachmittag wird nicht berücksichtigt (vgl. Abb. 4).
Nach Werkschluß am Sonnabend bis zur Frühschicht am Montag bleibt die
gesamte SOO-V-Anlage abgeschaltet. Die bei den Lichtumspanner sind ständig in
Betrieb. Die Kondensatoren werden zu Beginn der Frühschicht teils automatisch,
teils von Hand ein- und nach Beendigung der Spätschicht ausgeschaltet.
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2. Durchführung der Messungen
Nach Einsicht in den elektrischen Schaltplan des Betriebes und in die Maschinen
liste wurden Messungen auf drei Stufen durchgeführt, an der Übergabe, an den
Kabelabgängen und an einer großen Auswahl von Einzelantrieben.
2.1 Messungen an der Übergabe
Zur Feststellung der Gesamtlast des Betriebes nach Zeitpunkt, Dauer und Betrag
wurde an die oben erwähnte Betriebsmeßeinrichtung auf der 10-kV-Seite ein
Siemens-Leistungsschreiber angeschlossen. Gemessen wurde die Momentan
leistung. Die Aufnahme dauerte insgesamt 9 Wochen. Gleichzeitig konnte zur
Kontrolle der Verbrauch der elektrischen Energie durch Ablesen des Doppeltarif
zählers festgehalten werden.
2.2 Messungen an den Kabelabgängen
Zweck dieser Messungen war es, neben der Überprüfung der Kabelbelastungen
unter dem Gesichtspunkt der Belastbarkeit den Leistungsbedarf der einzelnen
Abteilungen als Kontrolle zu den Messungen unter 2.3 zu ermitteln. Hierzu
wurden hinter den Trennern über Stromwandler Siemens-Leistungs schreiber an
die Kabel angeschlossen. Die Aufnahme erstreckte sich allgemein über einen Zeit
raum von jeweils 2 Wochen, bei den Zuführungen in die Nebenbetriebe über
4 Wochen. Zu diesen verhältnismäßig kurzen Dauermessungen war man berech
tigt, da, wie sich zeigte, die Charakteristik der Ganglinien sich im Tagesrhythmus
nur unwesentlich änderte. Dies deutet auf einen gleichmäßigen Produktionsablauf
wenigstens für den Untersuchungszeitraum hin.
2.3 Messungen an den Einzelantrieben
Ziel der Untersuchungen an den Einzelantrieben war die Feststellung des Energie
verbrauchs bei der Bearbeitung der verschiedenen Rohstoffe über den gesamten
Produktionsweg hin. Hierzu wurden gesondert nach Abteilungen bei einer großen
Anzahl von Motoren deren Strom und Leistungsaufnahme gemessen. Die Mes
sungen erfolgten bei leerlaufender (Leerwertmessungen) und bei mit Rohstoff
beaufschlagter Arbeitsmaschine. Es stellte sich heraus, daß der Leistungsbedarf
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