Table Of ContentUntersuchung der Anregung und Ausbreitung
planetarer Wellen in meteorologischen Analysen
und einem Klima-Chemie-Modell
Dissertation im Fachbereich Physik
Bergische Universit(cid:228)t Wuppertal
Dipl.-Met. Fabian Mager
Institut f(cid:252)r Physik der Atmosph(cid:228)re
Deutsches Zentrum f(cid:252)r Luft- und Raumfahrt e.V.
D-82234 We(cid:223)ling
Oberpfaffenhofen, Mai 2004
(cid:147)All models are wrong but some are useful(cid:148)
George E.P. Box
Kurzfassung
In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals ein interaktiv gekoppeltes Klima-Chemie-Modell
(ECHAM4.L39(DLR)/CHEM)mitWerkzeugenuntersucht,dieeinendetailliertenEinblickindie
Anregung, Ausbreitung, vertikale Struktur und dynamische Wirkung von planetaren Wellen
in der Atmosph(cid:228)re erm(cid:246)glichen. Die verschiedenen Analysemethoden bedienen sich Zeitrei-
hen r(cid:228)umlicher Fourierkoef(cid:2)zienten aus Modellsimulationen oder Beobachtungsdaten, um
daraus transiente und station(cid:228)re Wellenanteile nach zonalen Wellenzahlen zu extrahieren
und ihre dynamischen Auswirkungen zu quanti(cid:2)zieren. Es zeigt sich, dass sich die Verfahren
sehr gut zur Untersuchung und Bewertung einzelner dynamischer Prozesse eignen, die mit
gro(cid:223)skaligen Wellen in Zusammenhang stehen. Der Vergleich von Reanalysen des ECMWF
mit einer Modellsimulation f(cid:252)r das Jahr 1990 zeigt, dass das Modell sowohl die Varianz-
verteilung transienter Wellen auf die verschiedenen Wellenzahlen und Perioden als auch
ihre vertikale Struktur zuverl(cid:228)ssig simuliert; die Aktivit(cid:228)t station(cid:228)rer Wellen wird vom Mo-
dell ebenfalls qualitativ richtig abgebildet. Der Vergleich von drei Modellsimulationen f(cid:252)r die
Jahre 1960, 1990 und 2015 ergibt, dass das Modell den Ein(cid:3)uss der Nordatlantischen Oszil-
lation auf transiente und station(cid:228)re Wellenmoden und damit auf die St(cid:228)rke des n(cid:246)rdlichen
stratosph(cid:228)rischen Polarwirbels gut reproduziert.
Abstract
This thesis presents the (cid:2)rst investigation of planetary waves in an interactively coupled
chemistry-climate model (ECHAM4.L39(DLR)/CHEM), with methods which allow a detailed
insight into their forcing, propagation, vertical structure and dynamic impact on the atmo-
sphere. The different analysis tools use time series of space Fourier coef(cid:2)cients from model
simulations or observation data in order to extract transient and stationary wave parts by
zonal wavenumbers and to quantify their dynamic effect. The results prove that the tools
used are very well suited to investigate and estimate the impact of various dynamic proces-
ses related to large-scale waves. The comparison of reanalyses from ECMWF with a model
simulation for the year 1990 show that the model reliably simulates the variance distribution
of transient wave modes over wavenumbers and periods as well as their vertical structure;
themodel qualitatively reproduces the stationary waveactivity. A comparison of threemodel
simulations for the years 1960, 1990 and 2015 suggests that the model properly represents
the in(cid:3)uence of the North Atlantic Oscillation on transient and stationary wave modes and
thereby on the northern stratospheric polar vortex.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
1.1 Einf(cid:252)hrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
1.3 (cid:220)berblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2 Grundlagen 5
2.1 Dynamik und allgemeine Zirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2.1.1 Der Aufbau der Atmosph(cid:228)re . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2.1.2 Der Grundstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
2.1.3 Der Polarwirbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2.1.4 Die Nordatlantische Oszillation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2.2 Planetare Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2.1 Vorticity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2.2.2 Die Entstehung von planetaren Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2.2.3 Das Geopotenzial als Indikator der Wellenaktivit(cid:228)t . . . . . . . . . . . 19
2.2.4 Charakteristika planetarer Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2.5 Die vertikale Wellenausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
3 Methodik der Wellenanalyse 25
3.1 Technisches zur Fourierkoef(cid:2)zientendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3.2 Transiente Wellen und Wellenzahl-Frequenz-Analyse . . . . . . . . . . . . . . 28
3.2.1 Spektren durch Lag-Korrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.2.2 Analyse der transienten Wellen nach Hayashi . . . . . . . . . . . . . . 30
3.2.3 (cid:220)berpr(cid:252)fung der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
3.2.3.1 Wei(cid:223)es Rauschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.2.3.2 Blackmon-Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.2.4 Darstellung von Varianzspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3.3 Station(cid:228)re Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.4 W(cid:228)rme(cid:3)ussanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
4 Modell und Daten 40
4.1 Das Modellsystem ECHAM4.L39(DLR)/CHEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
4.1.1 Das Klimamodell ECHAM4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
4.1.2 Vertikale Au(cid:3)(cid:246)sung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
4.1.3 Das Chemiemodul CHEM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
vii
INHALTSVERZEICHNIS
4.2 Modellsimulationen und Datenbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4.2.1 Zeitscheibenexperimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
4.2.2 Reanalysen des ECMWF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
5 Planetare Wellen in Beobachtungen 47
5.1 Transiente Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
5.2 Station(cid:228)re Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
5.3 Transport f(cid:252)hlbarer W(cid:228)rme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
6 Vergleich von Modell und Reanalysen 59
6.1 Transiente Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
6.1.1 Varianzvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
6.1.2 Amplitudenwachstum und Phasenverschiebung . . . . . . . . . . . . . 65
6.2 Station(cid:228)re Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
6.3 W(cid:228)rmetransport und Welleninteraktion im Wirbel . . . . . . . . . . . . . . . 75
6.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
7 Planetare Wellen in Modellsimulationen 82
7.1 Dynamik des Polarwirbels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
7.2 Station(cid:228)re Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
7.3 Kopplung von NAO und Polarwirbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
7.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8 Zusammenfassung und Ausblick 97
Abk(cid:252)rzungsverzeichnis 101
Literaturverzeichnis 102
Danksagung 111
viii
Kapitel 1
Einleitung
1.1 Einf(cid:252)hrung
Mitder Entstehung der erstensystematischenWetterkartenin dererstenH(cid:228)lfte des20.Jahr-
hundertsgingdieErkenntniseinher,dassdieuntersteSchichtderAtmosph(cid:228)re,dievomwahr-
nehmbaren Wetter gezeichnete Troposph(cid:228)re, in den mittleren Breiten von m(cid:228)andrierenden
Strukturen gepr(cid:228)gt ist. Indem er solche wellenartigen St(cid:246)rungen in den Westwindb(cid:228)ndern
dermittlerenTroposph(cid:228)re untersuchte, gelangesdemSchwedenCarl-GustavRossby(1898(cid:150)
1957), die Eigenschaften dieses Wellentyps aus den Bewegungsgleichungen der Atmosph(cid:228)-
re abzuleiten [Rossby, 1939]. Ihm verdanken die f(cid:252)r die Atmosph(cid:228)rendynamik so wichtigen
Rossby-Wellen ihren Namen; aufgrund ihrer gro(cid:223)en Wellenl(cid:228)ngen werden sie auch h(cid:228)u(cid:2)g
als planetare Wellen bezeichnet.
PlanetareoderRossby-WellensindaufderplanetarenSkala(zonaleWellenl(cid:228)ngenvon10.000
km und mehr) und auf der eher synoptischen Skala (Wellenl(cid:228)ngen von mehreren 1.000 km)
zu (cid:2)nden. Auf Wetterkarten der mittleren Troposph(cid:228)re sind entlang eines Breitenkreises in
den mittleren Breiten in der Regel zwischen 3 und 7 dieser gro(cid:223)skaligen M(cid:228)ander zu erken-
nen.
Reineplanetare Wellen sind eineFolge der breitenabh(cid:228)ngigen Variation derCorioliskraft, die
aufgrund derErdrotation und der Kugelform der Erdeentsteht. DieAnregungsmechanismen
planetarer Wellen sind im Wesentlichen die (cid:220)berstr(cid:246)mung von orogra(cid:2)schen Hindernissen
wie z.B. am Himalaya, die Land-See-Verteilung und der damit verbundene W(cid:228)rmeeintrag
in die Troposph(cid:228)re und die Interaktion von extratropischen Zyklonen mit dem Grundstrom.
Unter der Erhaltung der Wirbelst(cid:228)rke (engl. vorticity) der beteiligten Lufts(cid:228)ulen bewirkt jede
dieser Anregungsarten Wellenbewegungungen im Str(cid:246)mungsfeld.
PlanetareWellensindeinwichtigerBestandteilderatmosph(cid:228)rischen Zirkulation,weilsiezum
Transport von Impuls und f(cid:252)hlbarer W(cid:228)rme beitragen. Dieser Transport erfolgt haupts(cid:228)ch-
lich horizontal; allerdings k(cid:246)nnen sich einmal angeregte planetare Wellen vertikal ausbreiten
und f(cid:252)r einen W(cid:228)rme- und Impulstransport in h(cid:246)heren Schichten der Atmosph(cid:228)re sorgen
[Charney und Drazin, 1961]. Somit ist die vertikale Ausbreitung dieses Wellentyps einer der
Mechanismen, die die Troposph(cid:228)re mit der dar(cid:252)berliegenden Stratosph(cid:228)re koppeln.
1
1. Einleitung
1.2 Motivation
Die Eigenschaften planetarer Wellen sind mittlerweile umfassend dokumentiert, was ihre
Anregungs- und Ausbreitungsmechanismen sowie ihre Auswirkungen auf die atmosph(cid:228)ri-
sche Dynamik betrifft [z.B. Andrews et al., 1987; Holton, 1992]. Es gibt inzwischen eine
gro(cid:223)e Anzahl von einfachen [z.B. Eady, 1949; Eliassen und Palm, 1961; Miyoshi, 1999] und
komlexeren Modellen[z.B.Blackmon undLau,1980; Tingetal.,2001], denenesgelingt, die
einzelnen Eigenschaften von planetaren Wellen zu simulieren.
Globale atmosph(cid:228)rische Zirkulationsmodelle ber(cid:252)cksichtigen implizit und explizit eine gro(cid:223)e
Anzahl an dynamischen und Strahlungsprozessen. Die horizontale und vertikale Au(cid:3)(cid:246)sung
solcher numerischen Modelle ist zwar in der Regel relativ grob, was die Abbildung kleinska-
liger Prozesse wie z.B. die Wolkenbildung oder die Ausbreitung von Wellen mit kleinen Wel-
lenl(cid:228)ngen angeht; diese Vorg(cid:228)nge m(cid:252)ssen deshalb parametrisiert werden. Gerade planetare
Wellenmitihrengro(cid:223)en Wellenl(cid:228)ngenwerdenabervonglobalenZirkulationsmodellen expli-
zit simuliert. F(cid:252)r die zuverl(cid:228)ssige Modellierung der gro(cid:223)kaligen Dynamik ist esdaher wichtig,
diesen Wellentyp mit all seinen Eigenschaften realistisch in Modellen abzubilden.
Im Lauf der Zeit nimmt die Komplexit(cid:228)t von Klimamodellen kontinuierlich zu, und zwar aus
dem Wunsch heraus, ein genaueres Bild der chemischen, dynamischen und strahlungsbe-
dingtenInteraktioneninderAtmosph(cid:228)re,derBiosph(cid:228)reunddenOzeanenzuerhalten.Hinzu
kommt die Notwendigkeit, m(cid:246)gliche zuk(cid:252)nftige Entwicklungen des Klimasystems absch(cid:228)t-
zen zu k(cid:246)nnen [IPCC, 2001]. Mittlerweile gibt es eine Reihe von globalen Atmosph(cid:228)renmo-
dellen, die nicht nur die Dynamik der Atmosph(cid:228)re, sondern auch ihre chemischen Prozesse
detailliert simulieren. Viele dieser Modelle zeichnen sich zudem dadurch aus, dass dyna-
mische und chemische Vorg(cid:228)nge (cid:252)ber Strahlungsprozesse miteinander in Wechselwirkung
treten k(cid:246)nnen, wie es in der Atmosph(cid:228)re der Fall ist [Austin et al., 2003].
Die Absicht der vorliegenden Arbeit besteht darin, ein solches interaktiv gekoppeltes Klima-
Chemie-Modell auf das Auftreten planetarer Wellen und ihrer Eigenschaften hin zu unter-
suchen, und zwar das Modell ECHAM4.L39(DLR)/CHEM, im Folgenden abgek(cid:252)rzt E39/C ge-
nannt [Hein et al., 2001]. In den vergangenen Jahren sind einige Arbeiten entstanden, die
sich planetaren Wellen in Atmosph(cid:228)renmodellen widmen [z.B. Hayashi und Golder, 1977;
Blackmon und Lau, 1980; Jakobs und Hass, 1987; Held et al., 2002]; allerdings beleuchten
die erw(cid:228)hnten Arbeiten nur einzelne Aspekte dieser Wellenart. Im Folgenden wird erstmals
ein gekoppeltes Klima-Chemie-Modell im Detail dahingehend (cid:252)berpr(cid:252)ft, wie gut es die An-
regung, Ausbreitung und dynamische Wirkung planetarer Wellen reproduziert.
Eines der Ziele dieser Arbeit besteht darin, verschiedene Techniken der Wellenanalyse vorzu-
stellen und anzuwenden, die trotz ihrer in der Vergangenheit bewiesenen Leistungsf(cid:228)higkeit
in den letzten Jahren kaum verwendet wurden [z.B. Hayashi, 1977, 1982]. Ein weiteres Ziel
ist es, die von E39/C simulierten planetaren Wellen mit denen zu vergleichen, die aus Beob-
achtungsdaten abgeleitet werden k(cid:246)nnen. In diesem Zusammenhang sollen Modellschw(cid:228)-
chen identi(cid:2)ziert und m(cid:246)gliche Verbesserungen des Modells benannt werden. Schlie(cid:223)lich
werden verschiedene Simulationen mit E39/C miteinander verglichen, um den Beitrag der
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Description:The comparison of reanalyses from ECMWF with a model und das Kreuzspektrum mit 2π multipliziert werden, bevor die im nun folgenden