Table Of ContentPeter Cornelius Mayer-Tasch
Umweltrecht im Wandel
Peter Cornelius Mayer-Tasch
Umweltrecht im Wandel
Westdeutscher Verlag
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Mayer-Tasch, Peter Cornelius:
[Sammlung)
Umweltrecht im Wandel/Peter Cornelius Mayer
Tasch. - Opladen: Westdeutscher Verlag, 1978.
ISBN-13: 978-3-5 31-11475-0 e-ISBN-13: 978-3-322-84248-0
001: 10.1007/978-3-322-84248-0
© 1978 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
Umschlaggestaltung: Hans-Ludwig Schiermann, Wiesbaden
Satz: Vieweg, Wiesbaden
Aile Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische Vervielfaltigung
des Werkes (Fotokopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf
der vorherigen Zustimmung des Verlages.
ISBN-13: 978-3-5 31-11475-0
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
A. Umweltrecht im Wandel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9
B. Das umweltrechtliche Genehmigungs-und Anfechtungs
verfahren. Rechtspolitische Oberlegungen zu einer
Demokratisierung und Liberalisierung. . . . . . . . . . . . . 23
I. Zum Genehmigungsverfahren .. . . . . . . . . . . . . .. 24
II. Zum Anfechtungsverfahren ................ 64
C. Exemplarische Beitrage zur rechtswissenschaftlichen
Durchsetzung des Umweltgrundrechts auf Leben und
korperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 82
I. Die verwaltungsrechtliche Klage gegen verunstaltende
Bauvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 83
II. Die verwaltungsgerichtliche Klage gegen unzulassige
Bauvorhaben im unverplanten Innenbereich
(§ 34 BBauG) .......................... 106
III. Die verwaltungsgerichtliche Klage gegen unzulassige
Bauvorhaben im AuBenbereich (§ 35 BBauG) .. 123
D. Atomenergie, Recht und Justiz . . . . . . . . . . . . 136
1. Zur Verfassungswidrigkeit des gegenwartigen
Atomrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 137
VerOffentlichungsnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 149
Abkiirzungsverzeichnis .......................... 151
Sachregister . . . . . . . .......................... 153
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
5
Vorwort
Die Wahl des Titels fiir diesen Sammelband ist sowohl deskriptiv
als auch normativ motiviert. Zum einen basiert sie auf der Be
obachtung, daB das Umweltrecht im Zeichen der sich verscharfen
den okologischen Krise in einem lebhaften EntwicklungsprozeB
begriffen ist. Und zum anderen manifestiert sie die - nicht zu
letzt in den hier vorgelegten Arbeiten bezeugte - Bemiihung
des Verfassers, diesen WandlungsprozeB rechtspolitisch mitzu
gestalten.
Es ist dies eine Bemiihung, die umso dringlicher erscheint, als
die okologische Aufklarung zwar in einem standigen Fortschrei
ten begriffen ist, gerade bei der rechtlich-politischen Umsetzung
in Entscheidungen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz jedoch
stets aufs neue im Sog der - von einer offenbar unausrottbaren
Wachstumseuphorie gepragten - okonomischen Reaktion ver
schleiert und verfalscht zu werden droht. Zu verhindern, daB die
allenthalben aufkeimenden umweltpolitischen Impulse in eine
bloBe "Politik des peripheren Eingriffs" (Doran/Hinz/Mayer
Tasch) miinden, bedarf es konzentrierter Anstrengungen auf allen
Ebenen staatlicher Ordnungs-und Verteilungspolitik.
Wie die Erfahrung lehrt, kommt dabei der administrativen
und judikativen Rechtsanwendung entscheidende Bedeutung zu.
Die bemiihtesten Gesetze bleiben Makulatur, wenn das Informa
tionsniveau und das VerantwortungsbewuBtsein der Rechtsan
wender sie nicht mit Leben erfiillt. 1m BewuBtseindieses Dilem
mas mochte ich dieses Biichlein dem (mehr oder weniger) "unbe
kannten Verwaltungsrichter" widmen, dem in dem schicksal
haften Fuchs- und Has-Spiel von okologischer Info~ation und
okonomischer Reaktion, dessen Zeugen wir allenthalben werden,
eine Schliisselrolle zukommt. Seine sozusagen institutionelle
Integritat wird gerade im Bereich des Umweltrechtes haufig zur
letzten Hoffnung fur eine verantwortungsvolle Rechtsverwirk
lichung.
7
Sehr herzlich danken mochte ich meinen Mitarbeitern, Herrn
Ulrich Probst, Olt. d. R., und Frau Christine Stang, M. A., die
mir bei der Literaturbeschaffung und der Anfertigung der Register
behilflich waren. Und aufrichtig danken mochte ich auch Frau
Hermine Fuhrmann, die das Manuskript (wie schon so oft zuvor)
souverlin betreut hat.
Miinchen, im Friihsommer 1978
P. C. Mayer-Tasch
8
A. Umweltrecht im Wandel
Das Recht ist - neben Sittlichkeit und Sitte - das bedeutsamste
Medium der Ordnung menschlichen Zusammenlebens. Seine un
verlierbare Aufgabe ist es, dieses Zusammenleben im Zeichen
bestmoglicher Gemeinwohlverwirklichung zu gestalten. Sozialen,
okonomischen und politischen Kraften und Entwicklungen ist
das Recht sowohl vor- als auch nachgeordnet. Es reagiert auf der
artige Krafte und Entwicklungen und veranlagt seinerseits soziale,
okonomische und politische Reaktionen.
Wie alles Recht steht auch das Umweltrecht in diesem steten
Wechselflug von Aktion von Reaktion. Formal gesehen bewirkt
es die politische Steuerung derjenigen soziookonomischen Vor
gange, die - im inzwischen gebriiuchlich gewordenen, einge
schrankten Sinne des Begriffes - fur die Qualitat unserer "Um
welt" von besonderer Bedeutung sind. Und material gesehen,
erhalt es seine Pragung durch diejenigen soziookonomischen
Interessen, die sich in den mannigfachen Rechtssetzungs- und
Rechtsanwendungsprozessen politisch durchzusetzen wissen.
Fur die Griinderzeit unserer Industriegesellschaft war die Um
weltproblematik noch kein Politikum. Die wirtschaftliche Fort
schrittsseligkeit des 19. J ahrhunderts war noch nicht von des
Gedankens Blasse angekrankelt, die Umweltvergiftung nur punk
tuell virulent. Es fehlte daher auch am vitalen Interesse, das zum
Motor einer wirksamen Vorsorgepolitik hatte werden konnen.
Ahnliches galt - wenn auch in schwindendem Mage - fur die
von Inflation und Rezession gepragte Zeit zwischen den Welt
kriegen wie auch fUr die yom sozialen Zwang zum wirtschaft
lichen Wiederaufbau gepragten Nachkriegsjahre. Auch in diesen
Zeiten fehlte es am sozialen Subjekt einer effizienten Urn welt
politik. Zwar hatte sich inzwischen ein allmahlich enger geknupf
tes Netz objektiven Umweltrechtes gebildet; dieses Umweltrecht
war jedoch in seiner normativen Insuffizienz und seiner exeku-
9
tiven Ineffizienz nicht in der Lage, mit der Dynamik der wirt
schaftlichen Entwicklung Schritt zu halten. Dies galt vor allem
fiir die ersten zwanzig Nachkriegsjahre, deren briinstig gefeiertes
Wirtschafts"wunder" die sich unaufhorlich vertiefenden Wirt
schaftswunden fiir geraume Zeit vergessen machen konnte. Ais
dann im Laufe der 60er-J ahre der erste Hunger gestillt war und
die allenthalben erfahrbare Verschlechterung der soziookolo
gischen Situation zu einem allmahlichen Erwachen immer breite
rer BevOikerungskreise fiihrte, wurde erstmals das (potentielle)
soziale Subjekt einer wirkungsvolleren Umweltpolitik in vagen
Umrissen erkennbar. Und mit der sich zum Ende der sechziger
und zu Beginn der siebziger Jahre - in zeitlicher, kaum aber
thematischer Nachfolge zur Apo - machtvoll formierenden Biir
gerinitiativbewegung1 gewann es hinreichend deutliche Konturen.
Suchten von kulturphilosophischem Schwellenbewuatsein durch
drungene, gesinnungselitare Zirkel den Weg einer existentiellen
Absage an die totalitar gewordene Industriekultur, den Weg einer
von den Zwangen der Industriegesellschaft entbundenen, dafiir
aber in die natiirlichen Lebensrhythmen eingebundenen Autarkie,
so blieben die ebenfalls soziookologisch motivierten Biirgerini
tiativen durchaus "von dieser Welt" - fahig jedoch und bereit,
sich im Blick auf eine reformerische "Stiickwerktechnologie"
(Popper) 2 mit den sozialen, okonomischen, politischen und
rechtlichen Grundlagen der an den Krebssymptomen einer unge
hemmt wuchernden "Wohlstands"produktion laborierenden
Gesellschaft kritisch auseinanderzusetzen.
Zu den Schliisselerlebnissen des soziookologisch bewuat ge
wordenen Initiativbiirgers zahlte von Anfang an die Begegnung
mit einem Umweltrecht, dessen - teils evidente, teils latente -
Funktion es war, dem Entfaltungsrhythmus einer wachstumsbe
sessenen Gesellschaft keine ernsthaften Hindernisse zu bereiten.
An der geradezu totalitaren Beharrungsdynamik des Wachstums
den kens waren nehezu aIle umweltpolitischen Versuche, in den
Kernbereich der soziookonomischen Prioritatensetzung einzu-
1 Vg\. dazu ausftihrlich Mayer-Tasch, Die Biirgerinitiativbewegung, 3.
Aufl., Reinbek b. Hamburg 1977.
2 Karl R. Popper, Das Elend des Historisrnus, Tiibingen 1965, S. 47 und
passim.
10
dringen, gescheitert. Ihr rechtlicher Niederschlag wurde daher
auch allenthalben zum Ausdruck einer "Politik des peripheren
Eingriffs" 3. Die normative und exekutive Ineffizienz des iiber
kommenen Umweltrechtes war schlechthin unverkennbar: Das
Netz des objektiven Umweltrechtes war allzu grobmaschig ge
kniipft. Und der administrative Rechtsvollzug war alles andere
als stringent - ein Migstand, der umso gravierender in Erschei
nung treten mugte, als die rechtlichen Moglichkeiten des Biir
gers, den Vollzug umweltrechtlicher Vorschriften zu erzwingen,
in mehrfacher Hinsicht augerst schwach entwickelt waren.
D~ die Konfrontation mit der strukturellen und funktionellen
Unzulanglichkeit des Umweltrechtes (samt deren taglich erfah
renen Konsequenzen) der aufkeimenden Biirgerinitiativbewegung
ein gut Teil ihrer Lebens- und Entfaltungskraft zugefiihrt hat, ist
unverkennbar. Und unverkennbar ist auch, dag sie im selben
Mage, in dem sie sich zu einem Politikum zu entwickeln begann,
auch begonnen hat, auf den zu einer QueUe ohne Kraft geworde
nen Zustand des Umweltrechtes und des Umweltrechtsvollzuges
zuriickzuwirken.
Diese Riickwirkung betraf zunachst in erster Linie den gesetz
geberischen Ausbau der vorhandenen Normstrukturen. In einem
als geradezu hektisch zu bezeichnenden Aktionsrausch stiirzten
sich die jeweils zustandigen Gesetzgebungsorgane Anfang der sieb
ziger Jahre auf eine Verdichtung des Raumordnungs- und des
Landesplanungsrechtes, des Stadtebauforderungs- und des Bau
rechtes, des Immissionsschutz- und des Wasserrechtes, des Land
schafts- und Naturschutzrechtes, des Rechtes der Larmbekamp
fung und der Abfallbeseitigung und auf manches andere mehr.
Politikwissenschaftlich gesehen war diese Gesetzgebungshektik
eine unmittelbare Konsequenz der Tatsache, dag die (aus wahl
politischen Griinden) fiir Bewegungen der demokratischen Basis
besonders empfanglichen Trager der Legislative in immer nach
driicklicherer Weise an die Versaumnisse der Vergangenheit ge
mahnt wurden, und nun ihrerseits versuchten, ihrer eigenen
3 Vgl. dazu ausfiihrlich Doran/Hinz/Mayer-Tasch, Umweltschutz - Politik
des peripheren Eingriffs. Eine Einfiihrung in die Politische Okologie,
Neuwied und Berlin 1974.
11
Hilflosigkeit angesichts der "neuen Macht im Staate,,4 Herr zu
werden, ihren in Frage gestellten Autoritats- und Legitimitats
anspruch zu bekraftigen und (vielleicht auch) ihr gutes Gewissen
wiederzugewinnen.
Dag die nunmehr ergehende Gesetzes- und VerordnungsflutS
das Netz des Umweltrechtes in einer zum Teil sehr beachtlichen
Weise verdichtet hat, steht auger Frage. Vieles, was bislang uber
haupt nicht geregelt war, wurde jetzt normativ erfagt; vieles, was
bislang nur sehr lasch erfagt war, wirkungsvoller geregelt. Die
Novellierung des Bundesbaugesetzes schuf den rechtlichen Rah
men fur einen den Anforderungen einer wohlverstandenen Urba
nitat gewachsenen Entwicklung un serer Dorfer und Stadte, das
Stadtebauforderungsgesetz und die Denkmalschutzgesetze der
Lander die normativen Voraussetzungen fur die architektonische
Bewahrung ihres kulturellen Erbes. Die Raumordnungs- bzw.
Planungsgesetze wie auch die Natur- und Landschaftsschutzge
setze des Bundes und der Lander verfeinerten das rechtliche In
strumentarium zum Schutze dessen, was unsere Vorvater als
"Heimaterde" zu bezeichnen pflegten und im Sog der Industrie
kultur fur so manchen Zeitgenossen zum "Bauerwartungsland"
herabgesunken war. Und Normierungen schlieglich, wie das Bun
desimmissionsschutzgesetz, das Benzin-Blei-Gesetz und die Neu
fassung der Strahlenschutzverordnung versuchten, den Ver
schmutzungsgrad der Luft in zumutbaren Grenzen zu halten.
Dag all diese (hier nur exemplarisch erwahnten) Versuche, das
Netz des Umweltrechtes zu verdichten, schon yom normativen
Ansatz her Stuckwerk blieben, ist indessen unabweisbar: In man
chen Bereichen ist der Versuch, ein wirkungsvolles umweltrecht
liches Instrumentarium zu schaffen, ganzlich gescheitert, in an de
ren ist er nur von sehr bescheidenem Erfolg geblieben. Ersteres
gilt etwa fur das - unter dem Druck der Verschmutzerlobby
bis zur Bedeutungslosigkeit verwasserte - Abwasserabgabenge-
4 So die (verhinderte) Titelgeschichte des "Spiegel" yom 21.3.1977, die
dann den - nicht minder aussagekriiftigen - Titel "Biirgerproteste -
Die vierte Gewalt" erhielt (a.a.O., S. 32 ff.)
5 Vgl. dazu die Sammlungen von W. Burhenne (Hrsg.), Umweltrecht -
Raum und Natur, Bd.1-4, Berlin 1962ff., und Michael Kloepfer
(Hrsg.). Deutsches Umweltschutzrecht. Percha/Kempfenhausen 1977.
12