Table Of ContentSighard Wilhelm, Umweltpolitik:
Sighard Wilhelm 
U mweltp0l itik 
Bilanz, Probleme, Zukunft 
+ 
Leske  Budrich, Opladen 1994
ISBN 978-3-8100-1086-5  ISBN 978-3-322-95942-3 (eBook) 
DOI 10.1007/978-3-322-95942-3 
© 1994 by Leske + Budrich. Opladen 
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Vorwort 
Umweltpolitik verliert sich heute in Details. Ihr Erfolg entscheidet sich nicht 
in diesen oft hochspezialisierten Fragen, sondern darin, ob die weithin aner 
kannten Leitgedanken verwirklicht werden. Für eine Orientierung über Wege 
aus der Umweltkrise wird einleitend der naturwissenschaftliche Hintergrund 
der Umweltpolitik beschrieben, der bisher zu wenig beachtet wurde. Es folgt 
eine  Darstellung  und  Bewertung  der  bisherigen  Umweltpolitik  in  der 
Bundesrepublik. Die Erfolge, aber auch die zahlreicheren Mängel, Defizite, 
Rückschläge werden vorgeführt; sie sollten als Erfahrungen und Maßstäbe 
für die künftigen Entscheidungen dienen. In einem abschließenden Kapitel 
werden Anforderungen an die künftige Umweltpolitik formuliert und ihre Er 
folgsaussichten auf der internationalen und der deutschen Ebene beurteilt. 
Die Schwierigkeiten, vor denen wir mit unserer Umweltpolitik heute ste 
hen, sind vermutlich größer, als sich die meisten vorstellen; die Erfolgsaus 
sichten sind wahrscheinlich schlechter, als uns für die nächste Generation 
lieb sein kann. Es scheint nicht nur ein "grünes Krisenszenario" zu sein, son 
dern der objektiven Entwicklung zu entsprechen, daß Erfolg oder Mißerfolg 
der Umweltpolitik in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich über Fortbestand 
oder Ende der uns bekannten Zivilisation entscheidenl. Dieses Buch wurde 
geschrieben als Appell für eine aktiv gestaltende Umweltpolitik. 
Frau Claudia Wolff und Herr Oliver Schwork haben mich als studentische 
Hilfskräfte unterstützt. Frau Birgit Katsaros beschaffte mir wieder die erfor 
derliche Literatur. Mein Kollege Dr. Manfred Röber gab mir verschiedene 
Anregungen. Ich danke ihnen herzlich. 
Prof Dr. Sighard Wilhelm 
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Inhalt 
Abkürzungen  8 
1. Kapitel: Einleitende Gedanken. Besonderheiten der Umweltpolitik  9 
1. "Umwelt" - ein neuer Politikbereich  9 
2. Was ist das Besondere an Umwelt und Ökologie?  13 
3. Stichworte zum Zustand der Umwelt  18 
4. Die Ursachen der Umweltmisere  21 
5. Problemgebiet Ostdeutschland  25 
6. Ist die Umweltkrise bloße Schwarzseherei?  27 
2. Kapitel: 1969 ff. - Umweltschutz als Teil der inneren Reformen  31 
7. Warum begannen die Aktivitäten nach 1969?  31 
8. Anfänge und Sofortprogramm  32 
9. Das Umweltprogramrn von 1971  33 
Exkurs: Umweltschutz als Problem der Wirtschaftswissenschaften  36 
10. Die drei umweltpolitischen Prinzipien  39 
11. Organisatorische Aspekte der neuen Umweltpolitik  41 
12. Gesetzgebungszuständigkeiten; ein Umweltgrundrecht?  43 
13. Entstehen einer selbständigen Rechtsmaterie  44 
14.  Gedanken zur Bewertung der Anfangsphase  45 
3. Kapitel: 1974 ff. - Wirtschaft und Umwelt in der Krise  48 
15. Das labile Gleichgewicht zwischen Wirtschaft und Umwelt  48 
16. VoUzugsdefizite  58 
17. Kernkraftdiskussion  59 
18. Gedanken zur sozial-liberalen Umweltpolitik  62 
19. Bürgerproteste  66 
4. Teil: Die 80er Jahre bis zur Gegenwart  71 
20. Die Umweltkrise ist stärker - Übersicht  71 
21. Skizze des Problemumfanges und neues Umweltprogramm  74 
Exkurs: Warum ist die internationale Umweltpolitik so erfolglos?  74 
22. Die Umweltpolitik der Regierung Kohl/Genscher  78 
23. Einzelne Umweltthemen in den 80er Jahren  80 
24. Reaktionen nach Tschernobyl; Umweltministerium  89 
25. Kritik an der Verrechtlichung  92 
26. Die steckengebliebene Wende von 1989/90  94 
27. Bewertung der Umweltpolitik der 80er Jahre bis heute  97 
Exkurs: Umweltschutz und Demokratieprobleme  106 
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5. Kapitel: Die Zukunft der Umweltpolitik  113 
28. Das Bedrohungspotential  113 
29. Was muß geschehen?  115 
Exkurs: Wie ein profilierter Umweltpolitiker die Krise erklärt  120 
30. Internationale Politik: Erfolge und Perspektiven?  120 
31. Deutsche Politik: Erfolge und Perspektiven?  129 
Schluß und säkulare Perspektive  138 
Literaturübersicht  140 
Anmerkungen  144 
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Abkürzungen 
BDI  Bundesverband der deutschen Industrie 
BImSchG  Bundesimmissionschutzgesetz 
BMF  Bundesministerium für Finanzen (auch BdF) 
BMI  Bundesministerium für Inneres 
BML  Bundesministerium für Landwirtschaft und Forsten 
BMU  Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und 
Reaktorsicherheit 
BMWi  Bundesministerium für Wirtschaft 
BSP  Bruttosozialprodukt 
BT-Drucks  Bundestagsdrucksache (Legislaturperiode/laufende 
Nummer) 
DIHT  Deutscher Industrie- und Handelstag 
DÖV  Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) 
DVBI  Deutsches Verwaltungsblatt 
GG  Grundgesetz 
IIUG  Internationales Institut für Umwelt und Gesellschaft 
IIUG dp  discussion paper des IIUG (Jahr/laufende Nummer) 
IIUG rep  reports des IIUG (Jahrllaufende Nummer) 
MPI  Max-Planck-Institut 
mwn  mit weiteren Nachweisen 
NuR  Natur und Recht (Zeitschrift) 
NVwZ  Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 
RSU  Rat von Sachverständigen für Umweltfragen 
TA Luft  Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft 
UPR  Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift) 
UVP  Umweltverträglichkeitsprüfung 
ZAU  Zeitschrift für angewandte Umweltforschung 
ZfU  Zeitschrift für Umweltpolitik (& Umweltrecht - ab Nr 
4/1985) 
ZParl  Zeitschrift für Parlamentsfragen 
ZRP  Zeitschrift für Rechtspolitik 
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1. Kapitel: 
Einleitende Gedanken. Besonderheiten der Umweltpolitik 
1. "Umwelt" - ein neuer Politikbereich 
Es besteht Einigkeit, von "Umweltpolitik" erst seit etwa 1970 zu sprechen. 
Die Entwicklung von damals bis heute sollte in drei Abschnitte eingeteilt 
werden: Wie so oft, so begann auch die Umweltpolitik mit einer schwung 
voll-euphorischen Anschubphase. Aber schon um 1974 vollzog sich ein be 
deutsamer Einbruch; die Bundesrepublik erlebte eine Zeit allgemeiner wirt 
schaftlicher Probleme und sofort gewannen wirtschaftliche Überlegungen ei 
nen deutlichen Vorrang vor Argumenten des Umweltschutzes. Obwohl die 
wirtschaftlichen Schwierigkeiten fortbestanden, wurden die Umweltschäden 
nach 1980 in Bevölkerung und Politik als so schwerwiegend empfunden, daß 
eine neue Phase kontinuierlich sich verschärfender Staatseingriffe zugunsten 
der Umwelt folgte.2 - 1989/90 schien eine neue Phase noch aktiverer Um 
weltpolitik zu beginnen. Die Entwicklungen in Osteuropa seit dem Sommer 
1989, insbesondere der sich abzeichnende Beitritt der DDR zur Bundesre 
publik Deutschland drängten den Umweltschutz aber in den Hintergrund. 
Daran hat sich bis heute nichts geändert. 
Auch wenn wir von "Umweltpolitik" erst seit etwa 1970 sprechen, gibt es 
sie in einem weiteren Sinne in den Industriestaaten schon seit einem Jahrhun 
dert  und  länger3.  Gesundheitpolitik,  Lebensmittelrecht,  Gewässerschutz, 
Müllbeseitigung, Energiepolitik, Lärmschutz sind bereits seit dem vorigen 
Jahrhundert Gegenstand politischer Einflußnahme und Gestaltung. In einem 
engeren Sinne beginnt Umweltpolitik in der Bundesrepublik jedoch erst mit 
der sozial-liberalen Koalition nach 1969; erst ab dieser Zeit wird Umweltpo 
litik zu einem eigenständigen Politikbereich mit spezialisierten Interessen 
gruppen, besonderen Verwaltungsinstanzen und eigenständigen Verfahrens 
abläufen.  Die Entwicklung des umweltpolitischen Instrumentariums ist bis 
heute nicht abgeschlossen - ganz im Gegenteil: wir experimentieren, aller 
dings nur gedanklich, in der Bundesrepublik und weltweit immer intensiver 
mit weiteren  erfolgversprechenden Instrumenten,  weil  nach  Einschätzung 
neutraler Fachleute4 das bisherige Instrumentarium ausgeschöpft ist und zu 
sätzliche andere Instrumente eingesetzt werden müssen. Dies wurde in der 
alten Bundesrepublik besonders deutlich während der umfassenden Diskus 
sion 1989/90. 
Diese Entwicklung muß zu einer Umweltpolitik führen, die eine Doppel-
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rolle ausfüllt: Sie darf nicht nur eine Ressortpolitik sein, eine Fachpolitik ei 
nes Ministeriums, die sich um Luftreinhaltung, Gewässerschutz und Abfall 
kümmert, sondern sie muß auch Querschnittsaujgaben erfüllen, d.h. sie muß 
in allen Politikbereichen, von der Außenpolitik über Landwirtschaft und Ver 
kehr bis zur Wirtschaftspolitik, deren Projekte und Entscheidungen auf ihre 
Umweltverträglichkeit prüfen. Ein erster Schritt in dieser Richtung ist mit der 
noch unvollkommenen und unbefriedigend gestalteten Umweltverträglich 
keitsprüfung getan, die EG-weit eingeführt wurde; danach dürfen Großpro 
jekte wie Autobahnen nur noch verwirklicht werden, wenn einen Einklang 
mit der Umwelt bejaht. 
Bereits vor der" Umweltpolitik" im modernen Sinne - mit dem konzeptio 
nell viele Bereiche umfassenden Gestaltungsansatz - bestand in Teilberei 
chen eine hohe Regelungsdichte. So konnte Kimminich in einem der ersten 
Bücher über das "Recht des Umweltschutzes" 1972 schreiben, es gebe wohl 
kaum ein Gebiet, auf dem der Ruf nach dem Gesetzgeber lauter und ein 
dringlicher ertöne als auf dem des Umweltschutzes. Es bestehe in  weiten 
Kreisen auch der Eindruck, als sei bisher nichts geschehen. "Wer sich aber 
eingehend mit der Materie beschäftigt, stellt bald fest, daß das geltende Recht 
eine erstaunliche Fülle von Vorschriften enthält, die dem Umweltschutz die 
nen, auch wenn dies nicht ausdrücklich im Gesetzestext gesagt wird." Sein 
Gesetzesverzeichnis umfaßt viele hundert Vorschriften vom deutschen Ab 
fallbeseitungsgesetz bis zum internationen Nordsee-Übereinkommen. 
Mitte der 80er Jahre zählte der Bundesverband der deutschen Industrie 
dann zweitausend Gesetze und Verordnungen mit umweltrechtlichem Inhalt. 
Für die Flut von Vorschriften schon vor den 70er Jahren gab es zwingende 
Gründe: Die Industrieproduktion war seit den 50er Jahren in Westdeutsch 
land gewaltig angewachsen. Damals war noch niemandem bewußt, daß die 
Bundesrepublik ein "umweltarmes Land" ist: Ein Land mit einer geringen 
Fläche und einer der dichtesten Bevölkerungsansammlungen aller Staaten, 
ein Land, in dem man nicht folgenlos einen der größten Industriestandorte 
der Welt aufbauen konnte. Vereinfachend kann man sagen, wer am meisten 
produziert, hat auch die größten Mengen an Giftmüll, an Hausmüll, an Luft 
schadstoffen (etwa von den Millionen Kraftfahrzeugen oder aus der Energie 
herstellung). Es blieb lange Zeit verborgen, daß die Bundesrepublik einer der 
großen Umweltverschmutzer der Erde ist. - All dies sind Rahmenbedingun 
gen, die bereits vor den 70er Jahren in der Bundesrepublik zahlreiche Ge 
sundheits-, Lebensmittel-und Wasserschutzvorschriften erzwangen. 
Die Schutzmaßnahmen hinkten schon damals hinter den Erfordernissen 
her. Das hat sich bis heute nicht geändert. In den 70er und 80er Jahren haben 
Umweltpolitiker ihre mäßigen Erfolge regelmäßig damit erklärt, daß sie zu 
nächst Unterlassungen der Vergangenheit korrigieren mußten, ehe sie dem 
nächst die aktuellen Probleme aber wirklich einer Lösung zuführen würden. 
Das bloße Hinterherlaufen, das Reagieren statt Gestalten, hat eine lange Tra-
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dition. Beispielsweise hieß es schon 1965 in Ludwig Erhards Regierungser 
klärung: "Die bisher getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Gewässer, zur 
Reinhaltung der Luft und zur Bekämpfung des Lärms haben bereits einen 
großen Teil von dem aufgeholt, was in Jahrzehnten versäumt worden war." 
Zum Ende der 60er Jahre wurden in den westlichen Industriestaaten die 
negativen Auswirkungen industrieller Produktion langsam bewußt und in ei 
ner  wachsenden  Anzahl  von  Publikationen  dramatisch  geschildert5.  Das 
Thema hat sich in der Literatur und im Bewußtsein der Bürger bald im Sinne 
exponentiellen Wachstums verbreitet. In einer thematisch breit angelegten 
SPIEGEL-Umfrage vom Herbst 1970 über die sozial-liberale Reformpolitik 
kommt der Umweltschutz noch nicht vor; nur "klassische Themen" werden 
abgefragt: Lärmbekämpfung, Luft und Wasser; städtischer Verkehr und der 
Wunsch nach mehr Straßen6. In einigen Standardwerken "zur geistigen Si 
tuation der Zeit" aus den 70er Jahren fehlt Umweltschutz noch?, allenfalls 
wird er unter "Technik und Gesellschaft" oder ähnlichen Themen erwähnt. In 
den 80er Jahren benötigt man bereits einen Führer durch die Fülle der Zeit 
schriften-und Buchpublikationen. 
Aus den ersten Stimmen entwickelte sich langsam über viele Jahre bei den 
Bürgern eine Sorge um die natürlichen und damit elementaren Lebensgrund 
lagen des Menschen. Durch die erste Ölpreiskrise vom Herbst 1973 wurde 
der allgemeine Fortschrittsglaube erschüttert. Die Erkenntnis von der End 
lichkeit der Ressourcen und den Grenzen des Wachstums wurde den Men 
schen an autofreien Sonntagen und bei Tempolimits auf Landstraßen und 
Autobahnen drastisch vor Augen geführt. - Als diese Lehren zu verblassen 
begannen, erlebten wir in der Bundesrepublik ein neues Bewußtsein vom 
Krisencharakter der Umweltentwicklung: Es entstand bei Bürgern und den 
im  Bundestag  vertretenen  Parteien  nach  1980,  als  das  Schlagwort  vom 
"Waldsterben" in den Medien sensationell aufbereitet wurde ("Erst stirbt der 
Wald, dann der Mensch"). Die Öffentlichkeit war tief verunsichert. - Als 
auch diese Besorgnisse wieder einer gleichmütigen Alltagsbetrachtung wi 
chen, wurden Bürger und Politik durch alarmierende Entwicklungstendenzen 
des Weltklimas aufgeschreckt. 
Die natürlichen Lebensgrundlagen wurden zum politischen Thema, unsere 
Verantwortung für die Zukunft wurde neu überdacht. Konservatives Gedan 
kengut mischte sich mit naturschwärmerischem und  sozialreformerischem 
Denken zu einer neuen innenpolitschen Kraft. Es entstand eine Bewegung 
gegen Großstrukturen, die, wenn nicht als Horror, dann doch als undurch 
sichtig empfunden wurden und deren Kontrolle in einer freiheitlich-demokra 
tischen  Ordnung nicht gewährleistet erschien.  Das neue Ideal  hieß daher 
"small is beautiful". Es führte z.B. zu Forderungen nach dezentraler Energie 
versorgung (die effektivere Wirkungsgrade erreicht!) und richtete sich gegen 
die Megakraftwerke ebenso wie gegen den militärisch-technischen Komplex 
(ein Terminus, der anfangs emotional belegt war, aber inzwischen ganz un-
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