Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr.1263
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers
von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt
Prof. Dr. Hubert Cremer
Dr. Friedrich-HcinZ Effertz
Wilhelm Meuffels
Institut für Mathematik und Großrechenanlagen der Rhein.-WestJ. Techn. HochschuleAachen
Über Realisierbarkeitskriterien für die Synthese
zweipoliger elektrischer Netzwerke
mit vorgeschriebener Frequenzabhängigkeit
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-663-06442-8 ISBN 978-3-663-07355-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-07355-0
Verlags-Ne. 011263
© 1963 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeu tscher Verlag. Köln und Opladen 1963
Inhalt
Einleitung und Inhaltsübersicht ..................................... 7
I. Die Brunesche Charakterisierung der Impedanzfunktionen ......... 9
H. Das Verfahren von E. A. GUILLEMIN zur Prüfung der Brunebedingungen 10
III. Die Pilotybedingungen für Impedanzfunktionen .................. 11
IV. Ein neues Verfahren zur Prüfung der Pilotybedingungen für Impedanz-
funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 12
V. Determinantenbedingungen für Verlustfunktionen ................ 14
1. Der Satz von NAI-TA MING .•....................•......... 14
2. Kennzeichnende Determinantenbedingungen für positiv definite
gerade Polynome .......................................... 15
3. Koeffizientenbedingungen für Verlustfunktionen . . . . . . . . . . . . . .. 21
4. Anwendung des Rechenverfahrens ........................... 22
VI. Koeffizientenbedingungen für verallgemeinerte Verlustfunktionen ... 24
VII. Ein neues Determinantenverfahren zur Prüfung der Pilotybedingungen
für Impedanzfunktionen ....................................... 26
Literaturverzeichnis ................................................ 29
5
Einleitung und Inhaltsübersicht
Die von R. M. FOSTER begründete und insbesondere von W. CAUER, S. DAR
LINGTON, E. A. GUILLEMIN und H. PILOTY entwickelte Netzwerksynthese be
schäftigt sich mit der Auffindung von linearen Wechselstromschaltungen vor
geschriebener Frequenzabhängigkeit. Innerhalb dieser Theorie besitzt natur
gemäß die Frage nach Koeffizientenbedingungen für rationale Funktionen F (z)
des komplexen Frequenzparameters z = i w, die nach einem der bekannten
Syntheseverfahren realisiert werden können, grundlegende Bedeutung. W. CAUER
[1] hat bereits in seiner klassischen Dissertation einen Ansatz zur Lösung dieser
Frage gegeben, und bis in die jüngste Zeit sind ihr zahlreiche Untersuchungen
gewidmet worden.
Im Gegensatz zu allen vorhergehenden Untersuchungen wird bei der folgenden
Behandlung der Fragestellung die Verwendung verlustfreier Schaltelemente
beim Syntheseverfahren nicht gefordert. Diese Forderung entspricht nicht der
physikalischen Wirklichkeit und ist daher im strengen Sinne nicht erfüllbar. Die
bei Schaltelementen stets auftretenden Verluste werden daher berücksichtigt,
und es wird eine vollständige und praktisch brauchbare Lösung des Problems
erreicht.
Einige Ergebnisse wurden in den Arbeiten Ȇber Realisierbarkeitsbedingungen
für die Impedanzfunktionen zweipoliger elektrischer Netzwerke unter Berück
sichtigung der Verluste von Spulen und Kondensatoren«, (Archiv für Elektro
technik, Bd. 45, 1960, S. 418-428), und Ȇber das Koeffizientenproblem der
rationalen Funktionen mit positivem Realteil«, (Archiv der Mathematik, Bd. 12,
1961, S. 51-60), bereits mitgeteilt. In dem vorliegenden Bericht werden die
erreichten Resultate in ihrem Zusammenhang und mit Beweisführung dargestellt.
Rekursive Verfahren, mit deren Hilfe stets geprüft werden kann, ob sich eine
vorgegebene rationale Funktion F(z) als Frequenzcharakteristik eines Zweipols
realisieren läßt, sind bekannt: E. A. GUILLEMIN [2] hat z. B. im Anschluß an
eine von O. BRuNE [3] stammende Charakterisierung der realisierbaren rationalen
Funktionen F(z) ein solches Verfahren angegeben; es hat jedoch den Nachteil,
daß unter Umständen die Nullstellen eines bestimmten Polynoms (zumindest
näherungsweise) berechnet werden müssen (vgl. Abschnitt I und II).
Diese Schwierigkeit läßt sich aber, wie WEINBERG und SLEPIAN [4] bemerkt
haben, ganz vermeiden, wenn man an Stelle der Brunebedingungen ein Kriterium
von H. PILüTY [5] zum Ausgangspunkt des Verfahrens macht; letzteres ist also
für unseren Zweck mehr geeignet als die von GUILLEMIN und anderen Autoren
[6], [7] benutzten Brunebedingungen (vgl. Abschnitte III und IV).
Eine andere, offenbar wesentlich tiefer gehende Frage aber ist, ob die realisier
baren rationalen Funktionen vielleicht durch endlich viele explizite Determi-
7
nantenbedingungen charakterisiert werden können, wie das z. B. bei gewissen
speziellen Unterklassen von realisierbaren Funktionen der Fall ist [8], [9], [10],
[11], [12], [13].
H. KÖNIG [14] hat die explizite Charakterisierung der ganzen Klasse der realisier
baren rationalen Funktionen durch algebraische Gleichungen bzw. Ungleichun
gen zwischen den Koeffizienten von F(z) untersucht und ist dabei zu dem Er
gebnis gelangt, daß eine Charakterisierung durch das gleichzeitige Bestehen von
endlich vielen Bedingungen dieser Art nicht möglich ist.
Aus diesem Ergebnis von H. KÖNIG folgt z. B., daß die von J. SCHUR [15]
angegebenen Kriterien für die Koeffizienten uni modular beschränkter Potenz
reihen bei einer Übertragung auf Impedanzfunktionen im allgemeinen Fall zu
unendlich vielen Bedingungen führen müssen und daher praktisch nicht an
wendbar sind.
In einer bedeutenden Arbeit hat NAI-TA MING [16] die in den Spulen und Kon
densatoren von Zweipolen stets auftretenden Verluste dadurch berücksichtigt,
daß er in Reihe mit jeder Spule und parallel zu jedem Kondensator einen Ohm
sehen Widerstand annimmt. Solche der physikalischen Wirklichkeit entsprechende
Zweipole hat NAI-TA MING im Unterschied zu den idealisierten Zweipolen
»Verlustzweipole« genannt. Ihre Impedanzfunktionen, die auch als »Verlust
funktionen« bezeichnet werden, besitzen die Eigenschaft, daß für ein e: > 0 mit
F (z) auch F (z - e:) noch eine realisierbare rationale Funktion ist. Diese Verlust
funktionen können in einfacher Weise durch Determinantenbedingungen für
ihre Koeffizienten charakterisiert werden. Das Problem wird also lösbar, wenn
die Annahme verlustfreier Elemente aufgegeben und der in der physikalischen
Wirklichkeit allein auftretende Fall verlustbehafteter Glieder zugrunde gelegt
wird (vgl. Abschnitt V).
Wir werden außerdem zeigen, daß unsere Determinantenbedingungen für
Verlustfunktionen sich auch noch auf alle Impedanzfunktionen von Zweipolen
anwenden lassen, die gleich der Summe aus einer Verlust- und einer Reaktanz
funktionen sind. Hierbei stützen wir uns auf einen bereits mitgeteilten Satz [17]
zur Stabilitätstheorie der Regelungssyteme (vgl. Abschnitt VI).
Dieser Satz führt schließlich noch zu einer Determinantendarstellung des größten
gemeinsamen Teilers eines Polynoms und seiner Ableitung, mit deren Hilfe ein
allgemein anwendbares Verfahren für Impedanzfunktionen von Zweipolen an
gegeben wird, welches allein die Berechnung von (für jeden Einzelschritt explizit
gegebenen) Determinanten erfordert (vgl. Abschnitt VII).
A. H. ZEMANIAN hat bereits in einer Arbeit [18] darauf hingewiesen, daß die
Prüfung der Realisierbarkeit von Impedanzfunktionen vereinfacht werden
kann, indem man die Sturms ehe Kette durch eine bestimmte Determinanten
folge ersetzt.
Prof. Dr. HUBERT CREMER
Dr. FRIEDRICH-HEINZ EFFERTz
WILHELM MEUFFELS
8
1. Die Brunesche Charakterisierung der Impedanzfunktionen
Wie O. BRUNE [3] zuerst gezeigt hat, lassen sich als Scheinwiderstände bzw.
Scheinleitwerte von Zweipolen (mit endlich vielen Schaltelementen) solche und
nur solche rationale Funktionen F (z) realisieren, die
a) für reelle z reell,
b) für Re z > 0 regulär (im Komplexen differenzierbar) sind und
c) für Re z > 0 positiven Realteil besitzen.
Solche Funktionen bezeichnet man kurz als »positiv reelle« rationale Funktionen
(abgekürzt »p. r. Funktionen«). Diese Funktionen können nun weiterhin nach
BRUNE [3] allein durch die Forderung der Regularität für Re z > 0 und durch
ihr Verhalten auf der imaginären i Achse in der folgenden Weise charakterisiert
(U-
werden:
Satz 1: Eine nichtkonstante rationale Funktion F (z) der Form
F(z) = C(z)
A(z)
+ + ... +
mit C(z) = cozm CIZm-1 Cm, Co =F 0, (1 )
+ + ... +
und A(z) = aozn alZn-1 an, ao =F 0,
Max (m, n) ;;;;; 1, Ci, ai reell,
ist dann und nur dann eine p. r. Funktion, wenn sie
A. in der offenen rechten Halbebene analytisch ist und auf der imaginären Achse
einschließlich des unendlich fernen Punktes höchstens einfache Pole hat; wenn
B. die Residuen in diesen Polen positiv reell sind; und wenn
C. der Realteil von F(z) auf der imaginären Achse [in allen Punkten, in denen
F(z) regulär ist] nicht negativ wird.
Verschwindet der Realteil von F (z) auf der imaginären Achse identisch, so nennt
man F (z) eine Reaktanzfunktion.
9
11. Das Verfahren von E. A. GUILLEMIN [2] zur Prüfung
der Brunebedingungen
Berücksichtigt man, daß das Polynom A(z) dann und nur dann lauter Nullstellen
mit negativem Realteil oder einfache Nullstellen auf der imaginären Achse
besitzt, wenn der Quotient aus dem geraden Teil G(z) und dem ungeraden
Teil U (z) von A(z) eine Reaktanzfunktion ist und der größte gemeinsame
Teiler von U (z) und G(z) nur einfache rein imaginäre Nullstellen hat, so kann
die Gültigkeit der Brunebedingung A. zum Beispiel mit Hilfe einer bekannten
Kettenbruchentwicklung für Reaktanzfunktionen [19] sowie des Sturmschen
Satzes [20] stets nachgeprüft werden.
Ob weiterhin die Brunebedingung C. erfüllt ist, läßt sich ebenfalls immer mit
Hilfe des Sturmschen Satzes und des Euklidschen Algorithmus [21] entscheiden.
Wir werden hierauf im übernächsten Abschnitt noch genauer eingehen, da
GUILLEMIN den allgemeinsten Fall [d. h. den Fall, daß F(z) auf der imaginären
Achse Nullstellen des Realteils oder Pole besitzt] nur andeutungsweise behandelt
bzw. an einem Beispiel erläutert.
Einen besonders großen Rechenaufwand kann aber die Prüfung der Brune
bedingung B. erfordern, da zwar wegen A. und C. die Residuen der Pole auf der
imaginären Achse nur reell sein können, eine Aussage über ihre Vorzeichen
jedoch offenbar nur gemacht werden kann, wenn die rein imaginären Nullstellen
des Polynoms A(z) zumindest näherungsweise bekannt sind.
10
IH. Die Pilotybedingungen für Impedanzfunktionen [5]
Satz 2: Eine rationale Funktion F(z) der Form (1) mit teilerfremdem Zähler
und Nenner ist dann und nur dann eine p. r. Funktion, wenn
+
A. C(z) A(z) = H(z) ein Hurwitzpolynom ist, und wenn
B. C(it) A(-it) + C(-it) A(it) ~ Oistfür alle reellen tmit-00 < t < + 00.
Als Hurwitzpolynom bezeichnet man ein Polynom, dessen sämtliche Nullstellen
negative Realteile besitzen.
11
IV. Ein neues Verfahren zur Prüfung der Pilotybedingungen
für Impedanzfunktionen
Die Gültigkeit der Pilotybedingungen kann nachgeprüft werden, ohne daß
algebraische Gleichungen aufgelöst werden müssen; denn ein eventuell vor
handener gemeinsamer Teiler des Zählers und des Nenners von F(z) kann
bekanntlich mit Hilfe des Euklidschen Algorithmus [21] bestimmt und sodann
herausgekürzt werden. Für Hurwitzpolynome gibt es weiterhin sowohl explizite
Determinantenbedingungen [22] als auch verschiedene rekursive Verfahren [23],
[24], und die Frage, ob es sich bei
+
C(it) A(-it) C(-it) A(it) = P(t2)
um ein nichtnegatives Polynom handelt, kann z. B. unter Benutzung des folgen
den einfachen Kriteriums beantwortet werden:
Hilfssatz 1,' Ein nichtkonstantes gerades Polynom P(t2) der Form
+ + ... +
P(t2) = kot2n k1t2n- 2 kn (n > 0) mit ko =1= 0 und kn =1= 0 2
nimmt dann und nur dann für kein reelles t einen negativen Wert an, wenn die
Koeffizienten ko und kn positiv sind und in der Polynomkette
a
in welcher Di+1(t2) jeweils den größten gemeinsamen Teiler von Di(t2) und
dDi(t2)fdt bedeutet und in der Dr(t2) das erste Polynom ist, das keine reellen
Nullstellen mehr besitzt,
a) der Index I gerade ist und
b) die Paare
Do(t2), D1(t2); D2(t2), Da(t2); ... ,
gleich viele voneinander verschiedene reelle Nullstellen besitzen.
Da der Euklidsche Algorithmus den größten gemeinsamen Teiler zweier Poly
nome liefert und mit Hilfe des Sturmschen Satzes stets die Anzahl der in einem
vorgegebenen Intervall liegenden voneinander verschiedenen Nullstellen eines
1 Es handelt sich hier um ein gerades Polynom in t, da der Ausdruck sich nicht ändert,
wenn man t durch - t ersetzt.
2 Diese Voraussetzung bedeutet keine wesentliche Einschränkung, da es auf Faktoren
der Form t2r nicht ankommt.
a Daß die Polynome Di(t2) sämtlich gerade sind, folgt unmittelbar aus der Voraus
setzung kn =1= O. Wegen dieser Voraussetzung ist außerdem auch für jedes Di(t2) das
konstante Glied von Null verschieden.
12