Table Of ContentDET KGL. DANSKE VIDENSKABERNES SELSKAB
HISTORISK-FILOLOGISKE MEDDELELSER, Bind XXX, Nr. 5
ÜBER DIE HERKUNFT
DER NORDFRIESEN
VON
PETER JØRGENSEN
KØBENHAVN
I KOMMISSION HOS EJNAR MUNKSGAARD
1946
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Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskabs Publikationer i 8VO:
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DET KGL. DANSKE VIDENSKABERNES SELSKAB
HISTORISK-FILOLOGISKE MEDDELELSER, Bind XXX, Nr. 5
ÜBER DIE HERKUNFT
DER NORDFRIESEN
VON
PETER JØRGENSEN
KØBENHAVN
I KOMMISSION HOS E.IXAR Ml'NKSGAARI)
1946
Inhalt
Seite
Vorwort......................................................................................................................................... 3
Einleitung..................................................................................................................................... 5
1. Geschichte des Problems von der Herkunft der Nordfriesen.................... 9
II. Die ethnischen Verhältnisse Nordfrieslands.......................................................... 35
1. Römisch-griechische Ethnographie und Geschichte..................................... 35
2. Die Geschichtsquellen des Mittelalters............................................................ 50
3. Archäologie.................................................................................................................... 64
4. Anthropologie............................................................................................................... 69
5. Staatsrechtliche Verhältnisse................................................................................. 74
6. Privat recht und Agrarverfassung........................................................................ 70
7. Volkssage ....................................................................................................................... 79
8. Hausbau......................................................................................................................... 80
9. Die Sprache.................................................................................................................. 84
Entlehnungen ............................................................................................................. 85
Mundarten.................................................................................................................... 95
Ortsnamen..................................................................................................................... 119
Schluss: Theorie von der Herkunft der Nordfriesen und der Besiedlung
Nordfrieslands....................................................................................................................... 1-16
Literaturverzeichnis................................................................................................................ 148
Printed in Denmark.
Bianco Lunos Bogtrykkeri
Vorwort.
I in Jahre 1932 wurde im Rahmen der Arbeiten des »Univer
sitets-Jubilæets danske Samfund« mit geldlicher Unterstützung
von Seiten des »Carlsberg-Fond« von Dr. phil. Anders Bjerrum,
Dr. phil. Kristian Hald und dem Verfasser der vorliegenden
Schrift eine umfassende Erforschung der Orts- und Flurnamen
Mittel- und Südschleswigs eingeleitet. Dabei fiel mir als zu be
handelndes Gebiet der westliche Teil, das alte Nordfriesland, zu.
Die Beschäftigung mit den nordfriesischen Orts- und Flurnamen
führte mich zwangsläufig zum Studium der Siedlungsgeschichte
Nordfrieslands, wo die Frage nach der Herkunft der Nord fl iesen
alle anderen Probleme überschattet, und eine Behandlung dieser
Frage schien einen natürlichen Abschluss der Ortsnamenarbeit
bilden zu können.
Nun hatte ich indessen bereits im November 1938 in einer
Vorlesung, gehalten auf der Universität zu Aarhus, meine Auf
fassung von der Herkunft der Nordfriesen vorläufig skizziert,
und als dann der zweite Weltkrieg meine Ortsnamenstudien in
Deutschland unterbrach und deren Vollführung auf Jahre hinaus
verschob, entschloss ich mich, nach erneuter Überarbeitung des
einschlägigen Materials, obwohl unter diesen Umständen von
einer vollständigen und detaillierten Verwertung der Orts- und
Flurnamen abgesehen werden musste, schon jetzt meine Ergeb
nisse der Öffentlichkeit vorzulegen. Dass damit die Debatte von
der Herkunft der Nordfriesen keineswegs zum endgültigen Ab-
1*
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Schluss gebracht wurde, dass weitere Forschungen neues Material
und neue Gesichtspunkte werden an den Tag bringen können,
dessen bin ich mir voll bewusst.
Dem dänischen Institut für Ortsnamenforschung »Stednavne
udvalget« bin ich zu Dank verpflichtet, weil ich dessen reich
haltiges Archiv und wertvolle Bibliothek benutzen durfte.
Peter .Jørgensen.
Einleitung.
I ? s ist wohl kein Zufall, dass die Frage nach der Herkunft
JL_J der Nordfriesen schon von unserer ältesten Geschichtsschrei
bung gestellt und beantwortet wurde. Es ist auch kein Zufall, dass
deutsche und dänische Forscher die Debatte über den Ursprung
der Nordfriesen — bisweilen mit aufflackernder Heftigkeit
weitergeführt haben bis auf unsere Zeit, und ferner, dass es in
der wissenschaftlichen — und nicht-wissenschaftlichen Litera
tur über Nordfriesland und die Nordfriesen kaum ein Problem
gibt, das häutiger Behandlung gefunden hätte, als das von der
Herkunft dieses Volkes.
Die Ursache des frühen und anhaltenden Interesses an die
ser Frage ist zunächst in den ethnographischen Gegebenheiten
selbst zu suchen. Es musste aulfällig erscheinen, dass nördlich
der Eider, d. h. nördlich der alten Südgrenze des dänischen
Reiches, und fern von den Ost- und Westfriesen ein kleines
Volk wohnte, das sich Friesen nannte und eine nicht-nordische
Sprache sprach. Das war ein fremdes Element innerhalb der
alten Grenzen Dänemarks, und auf die Feststellung dieser Tat
sache folgte naturgemäss die Frage nach dem Ursprung der
Nordfriesen, um deren Beantwortung sich im Laufe der Zeit
Geschichtsschreiber und Chronisten, Ethnologen und Historiker,
Philologen und Archäologen abgemüht haben. Denn es handelt
sich hierbei keineswegs nur um eine Angelegenheit der Nord
friesen-Forschung: die Herkunft der Nordfriesen ist ein wichtiger
Punkt in der Besiedlungsgeschichte der cimbrischen Halbinsel
überhaupt, und es steht fest, dass bei jedem Schrill, mit dem man
sich der Lösung dieses Problems nähert, die alten Bevölkerungs
verhältnisse Jütlands und Schleswig-Holsteins, also eines nicht
unwesentlichen Teils von Alt-Germanien, in ein helleres Licht
gerückt werden.
6 Nr. ô
Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, dass allmäh
lich das als Grundlage für eine Beantwortung der Nordfriesen-
Frage herangezogene Material einen solchen Umfang und die
darauf fassende Argumentierung für diese oder jene Theorie
einen derartigen Charakter angenommen hat, dass eine Zusam
menfassung und Wertung des bisher Geleisteten dringend nötig
erscheint, wenn eine Fortsetzung der Diskussion überhaupt mög
lich sein soll. Wem diese Arbeit zukommt, ob etwa dem Histo
riker, dem Archäologen oder dem Philologen, ist vielleicht nicht
ohne weiteres klar: jeder Spezialforscher wird sich mehrfach
auf einem ihm weniger vertrauten Gebiet bewegen müssen, wo
er gezwungen sein wird, — zum mindesten, was die Beschallung
des Materials betrifft — sich auf andere Forscher zu verlassen.
Wenn ich nun, und zwar als Sprachforscher, trotz der Beden
ken. die jeder Spezialforscher bei der Anfassung dieser Aufgabe
haben muss, die Frage nach der Herkunft der Nordfriesen einer
erneuten Untersuchung auf breiter Basis zu unterwerfen wage,
so geschieht das in der festen Überzeugung, dass hier die Sprach
wissenschaft das entscheidende Wort zu reden hat. Und wäh
rend ich auf anderen Forschungsgebieten mich auf eine Prüfung
des vorgelegten Materials und eine Erörterung der vorgebrach
ten Ansichten beschränken muss, so glaube ich, auf dem Gebiete
der Sprache durch sorgfältige Sichtung des alten und durch
Heranziehung neuen Materials eine bessere Grundlage für eine
Nordfriesentheorie herstellen zu können, als es bisher gab.
Meine Arbeit zerfällt in zwei Hauptteile und einen Schluss.
Der kleinere erste Teil bringt eine Übersicht über die Geschichte
des behandelten Problems, also in chronologischer Folge eine
Darstellung von den Theorien und Diskussionen zur Herkunft
der Nordfriesen. Im grösseren zweiten Teil werden die ethni
schen Verhältnisse Nordfrieslands behandelt, und auf Grund der
hier gewonnenen Ergebnisse wird im »Schluss« die Theorie von
der Herkunft der Nordfriesen und der Besiedlung Nordfrieslands
kurz formuliert.
Zur allgemeinen Orientierung über Nordfriesland und
Nord friesisch sei einleitend folgendes bemerkt:
Unter Nordfriesland verstehe ich die Gegend im westlichen
Schleswig, wo heute die sogenannte nordfriesische Spr ache ent-
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weder noch herrscht oder früher herrschte, ein Gebiet also, das
alle der Küste vorgelagerten Inseln von Sylt bis Nordstrand und
einen Küstenstrich von der Wiedau im Norden bis zur Eider
im Süden (näher bestimmt die Wiedingharde (ohne Aven
toft), die Bökingharde, die südwestliche Spitze der Karrharde
und den westlichen Teil der Norder- und Südergoeshardc samt
Eiderstedt) umfasst (s. Karte). Im südlichen Teil dieses Nord
friesland ist die friesische Sprache gänzlich erloschen, an meh
reren Stellen ist sie im Aussterben begriffen, und überall ist sie
meist gegenüber dem Niederdeutschen — im Weichen. Die
äusserste Grenze des Gebietes, wo noch einheimische Friesisch-
Sprecher anzutreffen sind, wird auf dem Festland etwa durch
folgende Ortschaften oder Gemarkungen gebildet: Rodenäs, Neu
kirchen (westlich des Gotteskooger Sees), Bökingharder Gotteskoog,
Langstoft, Uhlebüll, Klockries, Lindholm, Schnatebüll, Klintuni,
Enge, Schardebüll, Soholm, Lütjenholm, Högel, Vollstedt, Drels
dorf, Bohmstedt, Ahrenshöft, Horstedt, Schobüll1. Ferner wird
auf den Inseln Sylt, Föhr, Amrum und auf den Halligen Oland,
Gröde, Langeness-Nordmarsch, Hooge noch Friesisch gesprochen“.
Die uns bekannten nordfriesischen Mundarten, zu denen auch
der Dialekt der ausserhalb des eigentlichen Nordfriesland gele
genen Felseninsel Helgoland gehört, gliedern sich folgendermas
sen :
I. Die Inseldialekte:
1. die Mundart von Sylt;
2. die Mundart von Helgoland;
3. die Mundarten von Föhr und Amrum:
a. die Mundart von Amrum;
b. die Mundart von W este r 1 a nd - Fö h r ;
c. die Mundart von Oster la nd-Föhr. II.
II. Die Festlandsdialekte:
1. die Mundart der Wiedingharde;
1 Im südlicher gelegenen Hockensbüll sprach vor zehn .Jahren nur noch eine
80-jährige Frau Friesisch.
2 Vgl. besonders Peters in: Nordfriesland (1929) S. 374 ff.; Ernst Brandt,
Die nordfriesische Sprache der Goesharden (1913) S. 4 ff. (mit einer Sprachkarte
S. 30 31); O. T. Jabben, Die friesische Sprache der Karrharde (1931) S. 8 ff.;
Peter Jensen, Die nordfriesische Sprache der Wiedingharde (1925) S. 12 ff.
s
Nr. 5
2. die Mundart der Bökingharde (die Mooringer
Mundart);
3. die Mundart der Karrharde;
4. die Mundarten der N o rd ergo es h a rd e :
a. die nördliche Mundart (hauptsächlich in den Kirchspie
len Ockholm, Bargum, Langenhorn, Bordelum);
b. die südliche Mundart (etwa in den Kirchspielen
Brecklum und Drelsdorf);
5. die Mundart der Südergoesharde;
6. die Mundart der Halligen (wozu der alle Strander
Dialekt)1.
Damit ist natürlich die Gliederung in Mundarten keineswegs
zu Ende geführt: jede der hier aufgestellten kleinsten Einheiten
lässt sich wiederum in noch kleinere Teile zerlegen.
Schliesslich wird eine elementare Kenntnis der Bodenbe
schaffenheil Nordfrieslands für das Verständnis der folgen
den Ausführungen erforderlich sein.
Das nordfriesische Gebiet bestehl aus Geest und Marsch (vgl.
Karle). Die drei Inseln Sylt, Föhr und Amrum besitzen einen
Geestkern, woran sich grössere oder kleinere Marschflächen
schliessen; diese Inseln führen daher allgemein den Namen
Geestinseln. Geest ist ebenfalls an der östlichen Grenze Nord
frieslands ein Streifen mit drei grösseren Geestvorsprüngen von
der südlichen Karrharde im Norden bis zur Südergoesharde im
Süden; das ist der sogenannte Geest rand. Der übrige Teil
Nordfrieslands ist Marschgebiet: die Halligen, Pellworm und
Nordstrand, sowie aid' dem Festland ein im Norden mit der
Wieding- und Bökingharde breiteres, nach Süden hin schmäler
werdendes Band von Marschflächen und ausserdem ganz Eidel
stedt. In der Marsch gibt es allerdings auch vereinzelte höhere
Striche wie den Kern der Bökingharde, den jetzigen Mooringer
Kornkoog, und zwei Geeststriche in Eiderstedt, nämlich einen
bei Garding-Katharinenheerd und einen zweiten quer dazu bei
Witzwort, der sich bis zu dem alten Strand erstreckt haben soll".
1 Vgl. z. B. Siebs in: Pauls Grundriss I2 (1901) S. 1170 ff.; Peteks in : Nordfries
land (1929) S. 373 1’.; Peter .Jorgensen, Nordfriesische Beiträge aus dem Nachlass
Herm. Möllers (1938) S. 20 f. ; Ernst Brand i', Die nordf'riesische Sprache der
Goesharden (1913) S. 30 ff.
" Vgl. 11. Schütte in: Nordfriesland (1 929) S. 39 ff.; Knud.Jessen in: Sønderj.
Hist. 1 S. 3 ff.; Bun. Koop in: Eiderstedter Heimatbuch 1 (1930) S. 52 f.