Table Of ContentDIE EINHEIT DER GESELLSCHAFTSWISSENSCHAFTEN
Studien in den Grenzbereichen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Band 40
Unter Mitwirkung von
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herausgegeben
von
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rik oettcher
Uber die Grenzen
* •
der Schreibtisch-Ökonomie
von
I ,
Wilhelm Brandes
J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1985
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Brandes, Wilhelm:
Über die Grenzen der Schreibtisch-Ökonomie / von Wilhelm Brandes.
-Tübingen: Mohr, 1985.
(Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften; Bd.40)
ISBN 3-16-944930-3
ISSN 0424-6985
NE: GT
© J.C.B. Mohr (Paul Siebcck) Tübingen 1985.
Alle Rechte Vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es auch
nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photo
kopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany.
Satz: Gneiting GmbH Filmsatz + Druck, Tübingen.
Einband: Großbuchbinderei Heinr. Koch, Tübingen.
Eine stillstehende Uhr hat doch täglich zwei
mal richtig gezeigt und darf nach Jahren auf
eine lange Reihe von Erfolgen zurückblicken.
Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916)
Einleitendes Vorwort
Diese Studie ist das Ergebnis eines sich langsam entwickelnden
Unbehagens an der Art und Weise, wie Forschung in der positiven
Ökonomie im allgemeinen und der Agrarökonomie im besonderen
durchgeführt wird. Im Rahmen der Arbeit soll versucht werden
zu zeigen, daß wir, bedingt durch unsere unvollkommenen Kennt
nisse bezüglich des Verhaltens der Wirtschaftssubjekte, geneigt sind,
Erklärungen und Vorhersagen für das Aggregat zu machen, die
sich auf ziemlich vage Vermutungen über das Verhalten der Einzel
nen gründen und deshalb häufig unbefriedigend bleiben müssen,
jedenfalls dann, wenn man subtilere Aussagen sucht als, daß Preis
erhöhungen langfristig zu Angebotssteigerungen führen. Ich werde
zeigen, daß dieses sogar für die Landwirtschaft zutrifft, einen Sek
tor, der wegen der großen Zahl kleiner Betriebe im allgemeinen
als ein ideales Gebiet für die Durchführung ökonomischer Analysen
angesehen wird.
Das Buch besteht aus vier Teilen. In Teil I konzentriere ich mich
auf die Unternehmensebene und versuche ein deutliches Theorie
defizit aufzuzeigen: Selbst wenn man annimmt, daß sich Landwirte
strikt maximierend verhalten, kann Mehrdeutigkeit nicht ausge
schlossen werden. Nur wenn wir Kenntnisse über die Erwartungen
und Ziele eines Landwirts besitzen, können wir angeben, wie er
auf vorgegebene Datenänderungen reagieren sollte. Aber selbst die
Unterstellung des maximierenden Verhaltens ist im höchsten Grade
fraglich. Wie die umfangreichen Untersuchungen, die im Laufe der
letzten beiden Jahrzehnte durchgeführt wurden, offenbaren, zeigen
die Menschen ein beträchtliches Spektrum von Verhaltensweisen.
In den Worten von Phelps-Brown (1972, S.7), der sich auf Alfred
Marshall bezieht: „If economics is a study of mankind in the ordi
nary business of life it has to be a study of men as they live and
move and think - men who are in part gregarious, conventional,
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Einleitendes Vorwort
suggestible and inconsistent, as well as also in part - competitive
maximisers“. Die entscheidende Schlußfolgerung aus Teil I besteht
darin, daß wir allein vom Schreibtisch aus nur unter sehr restrik
tiven Umständen angeben können, auf welche Weise ein Landwirt
auf exogene Stimuli reagieren wird.
Dieses Ergebnis stellt die Basis für Teil II dar, in dem ich mich
mit der aggregierten Ebene beschäftige und verschiedene Methoden
der positiven Analyse vergleiche. Es wird herausgearbeitet werden,
daß das Gesetz der großen Zahlen von geringem Wert ist, wenn
uns das elementare Wissen über das Handeln der Wirtschaftssub
jekte nicht zur Verfügung steht. Der entscheidende Grund dafür
liegt in der Tatsache, daß der Forscher nicht in der Lage ist, einige
entscheidende Variablen, vor allem die Preiserwartungen und
andere Erwartungen der Unternehmer direkt zu beobachten, und
daß es mannigfaltige Möglichkeiten der Adjustierung von Modellen
und der Kompensation von Fehlern gibt. Es ist somit nicht möglich,
scheinbar wahre Erklärungen, die möglicherweise zu völlig falschen
Vorhersagen führen könnten, zu entlarven. Auf diesem Gebiet gibt
es einen Teufelskreis: Einerseits haben wir es mit dem in Teil I
aufzuzeigenden Theoriedefizit in bezug auf das Verhalten der Wirt
schaftssubjekte zu tun; andererseits bedarf der empirische Forscher
eines gewissen theoretischen Gerüsts (das selbst nicht in Frage
gestellt wird), um Hypothesen testen zu können.
In Teil III werde ich diese Argumentation noch etwas weiter
führen und versuchen, das Problem aus wissenschaftstheoretischem
Blickwinkel zu betrachten. Dabei konzentriere ich mich besonders
auf die Frage nach der Realitätsnähe der Annahmen. Es wird zu
zeigen versucht, daß sich Friedmans instrumentalistische Behaup
tung, daß auch ohne realistische Annahmen gute Prognosen ge
macht werden können, nicht als segensreich für die positive Ökono
mie erwiesen hat. In diesem Teil werde ich auch über die Grenzen
des Wissens in der Ökonomie diskutieren und komme dabei zu
der Schlußfolgerung, daß die persönliche Urteilskraft oder, was
gleichbedeutend ist: das Arbeiten mit subjektiven Wahrschein
lichkeiten, sowohl in der Volkswirtschaftslehre als auch in der
Agrarökonomie nach wie vor eine bedeutende Rolle spielen wird.
Im abschließenden Teil des Buches versuche ich einige Schlußfol
gerungen für die künftige Forschung sowie für die Politikberatung
und Lehr e zu ziehen. Es wird vorgeschlagen, nac h wie vor mit mehr
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Ein leiten des Vor war t
oder weniger konventionellen Modellen zu arbeiten, aber größere
Offenheit für Ergebnisse zu zeigen, die nicht unseren traditionellen
Vorstellungen bezüglich des Verhaltens der Unternehmer ent
sprechen. Aber in Ergänzung dazu wird dringend empfohlen, daß
der Agrarökonom - und das gilt in gleicher Weise für den Ökonom
allgemein - seinen Schreibtisch verläßt und in Feldarbeit direkt das
Verhalten der Wirtschaftssubjekte studiert, um auf diese Weise zu
versuchen, die ,,black box“ zu öffnen.
Angesichts des breiten, themenübergreifenden Rahmens dieser
Studie habe ich mich nicht bemüht, den Stoff durchweg in möglichst
gedrängter Form darzustellen. Ich habe vielmehr bestimmte Be
reiche ausführlicher behandelt, um wichtige Fragen gründlicher dis
kutieren zu können, um auf die relevante Literatur einzugehen und
um künftige Arbeiten auf diesem Gebiet zu erleichtern. Dennoch
hoffe ich, daß es mir gelungen ist, die wesentlichen Punkte hinrei
chend klar dargeboten zu haben. Es bleibt anzumerken, daß dieses
Buch, in dem von den Grenzen der ,,Schreibtisch-Ökonomie“ (eine
freie Übersetzung des englischen „armchair economics“) gespro
chen wird, natürlich selbst am Schreibtisch entstanden ist.
Meine Verpflichtungen gegenüber Freunden, Kollegen und Mit
arbeitern sind sehr, sehr groß. Schon ehe ich mit der Abfassung
dieser Studie begann, und natürlich besonders während der Zeit
des Schreibens, habe ich in Einzelgesprächen oder in Gruppendis
kussionen eine Fülle von Anregungen und Impulsen erhalten. Sehr
viele haben die Arbeit in verschiedenen Stadien auszugsweise oder
ganz gelesen und mir dabei durch wertvolle konstruktive Kritik
entscheidend geholfen. Besonders erwähnen möchte ich aus
Armidale (Australien): John Dillon, Brian Hardaker und Warren
Musgrave; aus Dijon: Michel Petit; aus Oxford: Paul Anand, Rom
Harre, George Jones, George Peters, Paul Seabright und Amartya
Sen; aus Göttingen meinen Lehrern Emil Woermann und Arthur
Hanau; ferner Frank Bethmann, Anselm Böllhoff, Joachim von
Braun, Hans-Joachim Budde, Jochen Eckhof, Werner Grosskopf,
Hartwig de Haen, Manfred Köhne, Helmut Lauenstein, Michael
Leserer, Ulrike Litwin, Henning von der Ohe, Mathias Schindler,
Günther Schmitt, Stefan Tangermann und Carsten Thoroe; Sieg
fried Bauer aus Bonn sowie Claus-Henning Hanf und Rolf Müller
aus Kiel. Ihnen allen sei sehr herzlich gedankt. Erika Nußbaum
danke ich besonders herzlich für die Mühe, Geduld und Nachsicht
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Einleitendes Vorwort
beim mehrfachen Schreiben des Manuskripts und Karl-Heinz Bühr-
mann für redaktionelle Hilfen bei der Erstellung der Druckvorlage.
Mein Dank gilt schließlich der Deutschen Forschungsgemeinschaft
für die Finanzierung von Studienaufenthalten in Armidale (1979)
und Oxford (1983/84) sowie dem Deutschen Akademischen Aus
tauschdienst, der meinen Forschungsaufenthalt in Dijon (1981) fi
nanziert hat.
Göttingen, im Mai 1984 Wilhelm Brandes
Inhaltsverzeichnis
Einleitendes Vorwort.................................................... V
I. Die Unternehmensebene
1. Die traditionelle neoklassische Theorie....................... 1
2. Annäherung an die Realität............................................... 2
2.1. Modifikationen im Rahmen der normativen Entschei
dungstheorie .................................................................... 3
2.1.1. Berücksichtigung unsicherer Zukunftserwartungen . 3
2.1.2. Beschaffung und Verarbeitung von Informationen . 10
2.1.3. Berücksichtigung der zeitlichen Dimension................... 20
2. E4. Berücksichtigung verschiedener Ziele............................. 25
2.1.5. Ergebnis ........................................................................... 33
2.2. Anstöße aus anderen Verhaltenswissenschaften und
empirische Evidenz........................................................ 34
2.2.1. Konzepte zum ökonomisch relevanten Verhalten des
Menschen........................................................................ 34
2.2.1.1. Konzepte, die in anderen Disziplinen entwickelt
wurden............................................................................ 35
2.2.1.2. In den Wirtschaftswissenschaften entwickelte Kon
zepte ............................................................................... 40
2.2.2. Einige empirische Ergebnisse......................................... 44
2.2.2.1. Empirische Ergebnisse zum Entscheidungsverhalten
von Menschen................................................................. 44
2.2.2.2. Empirische Ergebnisse zum Entscheidungsverhalten
von Landwirten .............................................................. 50
3. Ansatzpunkte zu einer erweiterten Theorie des Unter
nehmerverhaltens von Landwirten........................... . 56
4. Zusammenfassende Schlußfolgerungen......................... 60