Table Of ContentSitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse
Jahrgang 1991, 2. Abhandlung
Benedicto Chuaqui
Uber den Krankheitsbegriff
dargestellt an der Typologie menschlicher MiBbildungen
Mit 9 Abbildungen und 10 Tabellen
Vorgeiegt in der Sitzung vom 10. November 1990
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York
London Paris Tokyo
Hong Kong Barcelona
Budapest
Prof. Dr. Benedicto Chuaqui
Pontificia Universidad Cat6lica de Chile
Departamento de Anatomfa Patol6gica
Casilla 114-D, Santiago, Chile
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Chuaqui, Benedicto: Uber den Krankheitsbegriff, dargestellt an der Typologie menschlicher Missbildungen 1
Benedicto Chuaqui. - Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; Hong Kong; Barcelona; Budapest:
Springer 1991
(Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse;
Jg. 1991, Abh.2)
ISBN-13: 978-3-540-53728-1 e-ISBN-13: 978-3-642-46737-0
DOl: 10.10071 978-3-642-46737-0
NE: Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse:
Sitzungsberichte der Heidelberger ...
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Zum Geleit
von W. Doerr
Herr Prof. Benedicto Chuaqui J., ordentlicher Professor der Allgemeinen Patho
logie und pathologischen Anatomie an der Papstlichen Universitat zu Santiago
(Chile) hat in vielen lahren in Verb in dung mit meinem Heidelberger Kreis fiber
Fragen der Teratogenese gearbeitet. Ursachen und Mechanismen der Entstehung
sog. MiBbildungen hatten es ihm angetan. Dabei muBte er in Kontakt und Kon
flikt geraten mit den klassischen Vorstellungen der Pathologen yom wesen einer
MiBbildung im Gegensatz zu dem einer Krankheit. Ob MiBbildung "als Krankheit
des werdenden Menschen" verstanden werde konne, dies erschien als entscheiden
de Frage.
Urn hier antworten zu konnen, war es erforderlich, eine neue Bestandsaufnah
me durchzufUhren, namlich zu sichten und zu ordnen, was als MiBbildung wirk
lich gelten darf.
Die vorliegende Abhandlung versucht, begriffliche Klarheit zu schaffen und
Ordnung in die Erscheinungswelt vorwiegend menschlicher MiBbildungen zu
bringen.
Ich prasentiere die Arbeit Chuaquis unserer Akademie, weil mir klar geworden
ist, daB ohne saubere Bearbeitung des substantiellen Apparates nicht wird weiter
gearbeitet werden konnen.
MiBbildungen als soIehe und im rein morphologischen Sinne sind danach keine
Krankheit; die Summe aber der durch sie induzierten StOrungen ihres Tragers be
sitzt dennoch Krankheitswert. Das sind genau genommen fUr den, der genfigend
eingedacht ist, selbstverstandliche Erfahrungen. Dennoch ist der Besitz einer ty
pologischen Ordnung des sen, was man MiBbildung nennen kann, unverzichtbar.
Nur darum muBte diese Abhandlung verOffentlicht werden.
Sie ist in ihrer Anlage unendlich sorgfaltig und wird deshalb von mir sehr gem
der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse zur Aufnahme in die Sitzungs
berichte vorgeschlagen.
Heidelberg, den 10. Nov. 1990 Wilhelm Doerr
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Inhaltsverzeichnis
Einfiihrung ..................................................... 9
I. Der Begriff der MiBbildung 9
A. Begriffsbestimmung ....................................... 9
B. Entstehungszeit der MiBbildungen .......................... 10
C. Organisationsniveau der fehlgebildeten Strukturen ............. 10
D. MiBbildungen, anatomische VarieUit, Anomalien
und MonstrosiUiten ....................................... 11
E. MiBbildungen und Kyematopathien ......................... 12
II. Die Haufigkeit der MiBbildungen beim Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . 13
III. Atiologie 15
A. Allgemeine Bemerkungen .................................. 15
B. Genetische Faktoren ....................................... 15
C. Peristatische Faktoren ..................................... 21
D. Multifaktorielle Atiologie .................................. 25
IV. Pathogenese ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
A. Zur Entwicklungsmechanik ................................ 27
B. Allgemeine Mechanismen der Organteratogenese .............. 30
C. Kritische Entwicklungsphasen
und teratogenetische Determinationsperioden ................. 33
D. Der Begriff der teratologischen Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
E. Wirkungsweise der genetischen Faktoren ..................... 37
F. Wirkungsweise der peristatischen Faktoren ................... 39
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8 Inhaltsverzeichnis
V. Zur Systematik der Entwicklungsstorungen des Gesamtorganismus
und der seiner Hauptsegmente ................................ 41
A. Storungen der Organisation des Gesamtindividuums . . . . . . . . . . . 41
B. Malformative Komplexe des vorderen und hinteren Korperendes 47
C. Die Dysrhaphien der Korperwand ........................... 49
Literatur ....................................................... 51
Nachwort ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
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Die Mi13bildungen von Mensch und Tier haben seit je ein besonderes Interesse
und Jahrhunderte hindurch die mythenbildende Kraft des Menschen erweckt. Die
Anschauungen dartiber waren jedoch mit wenigen Ausnahmen, darunter denen
ARISTOTELES', bis zur Renaissance hin durch Wunderglauben stark gepragt. Dies
bezeugen die aus dem Griechischen und Latein stammen den Ausdrticke Teratolo
gie (aus 'to 'tEpa<; das Wunderzeichen) bzw. Monstrositiit (aus monstrum = das
Ungeheuer, das Wunderzeichen, eigentlich zusammengezogen aus monestrum,
von monere = ermahnen, warnen, s. ERNOUT u. MEILLET 1979). Quia enim
ostendunt, portendunt, monstrant, praedicunt, ostenta, portenta, monstra, prodi
gia dicuntur (CICERO, De Div. I, 93; naheres hierzu bei HOLLANDER 1921). Die
wunderglaubigen Vorstellungen tiber den Ursprung und Sinn der Mi13bildungen
verwandelten sich daraufhin in eine naturphilosophische und naturwissenschaftli
che Betrachtungsweise. Wichtige Werke entstanden in der Bltitezeit der Morpho
logie (s. SCHWALBE 1906, OPPENHEIMER 1971, WARKANY 1955a). SCHWALBES
umfassende, auf den Ergebnissen der damals jungen Entwicklungsmechanik ba
sierenden Monographie gilt als der Hohepunkt der morphologischen Darstellun
gen und immer noch als ein unentbehrliches Nachschlagewerk. Mit den weiteren
Fortschritten der Medizin, insbesondere in der chirurgischen Behandlung und den
zu Vorbeugungsma13nahmen fUhrenden Kenntnissen tiber die Atiologie der Mi13-
bildungen ist nun das Bedtirfnis der arztlichen Handlung verbunden. So sind
Grundlagenkenntnisse der Teratologie heute fUr den praktischen Arzt aber auch
den gebildeten Laien unentbehrlich.
I. Der Begriff der Mifibildung
A. Begriffsbestimmung
Unter Mij3bildung ist eine durch eine EntwicklungsstOrung bedingte Formverande
rung zu verstehen. Die Mi13bildungen lassen sich damit von anderen Formverande
rungen im wesentIichen durch ihre Entstehungsart im Sinne der formalen Genese
abgrenzen. Solange sich eine organismische Struktur in statu nascendi befindet,
kann eine Fehlbildung entstehen; mit dem Abschlu13 der Entwicklung ist dagegen
die Entstehung einer Mi13bildung nicht mehr moglich. Die Mi13bildung darf also
als der morphologisch erfa13bare Ausdruck einer abnormen, den in der Entwicklung
begriffenen Gebilden eigenen Reaktionsform aufgefa13t werden (CHUAQUI 1976).
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10 B. Chuaqui
B. Entstehungszeit der Mi6hildungen
Die meisten MiI3bildungen sind zwar konnatal, dieser Sachverhalt ist jedoch dar
auf zuruckzuflihren, daB die Entwicklung der meisten Organe - ich spreche im
folgenden fast ausschlieJ31ich von den Verhaltnissen beim Menschen - vor der
Geburt und deren kritische Entwicklungsphasen sogar vor Ende des dritten
Schwangerschaftsmonats abgeschlossen sind, so daB nach der Geburt die Mog
lichkeit der Entstehung einer MiJ3bildung nur in wenigen Organen gegeben ist.
Die Entwicklungsperiode einiger Organe wie die des Nervensystems ist besonders
lang, sie umfaBt nicht nur die Embryonalperiode (s. unten), sondern auch die Fo
talperiode, in der also bestimmte Fehlbildungen wie typischerweise Dysgyrien der
sich noch entwickelnden Hirnrinde entstehen konnen. Ahnliches gilt flir die auBe
ren Genitalien, die sich in der Fotalzeit ausbilden. Der Ductus arteriosus Botalli
erfahrt vom 7. Schwangerschaftsmonat an die sog. praparatorische Angiomalacie
(MEYER u. SIMON 1960), die als Voraussetzung flir die normale Ductuskontrak
tion zur Zeit der Geburt gilt. Die Persistenz des Ductus arteriosus laBt sich bei
einigen Fallen auf eine StOrung dieses Prozesses zuruckflihren, sie ist dabei also
auf das Ende der Fotalzeit determiniert. In def Tat erstreckt sich die Entwicklung
des Nervensystems in Hinsicht auf die Zytoarchitektur des Gehirns noch monate
lang uber die Geburt hinaus, so daB bestimmte StOrungen dieser Vorgange post
natal zu feingeweblichen Anomalien fuhren konnen (BRUN 1965, PETERS u.
LUND 1960). Hierzu zahlt die Persistenz der akzessorischen Kornerschicht der
Kleinhirnrinde, welche sich im 3. Schwangerschaftsmonat bildet und normaler
weise imLaufe des 1. Lebensjahres zuruckbildet. Zahnanomalien gel ten als ty
pisch flir solche Fehlbildungen, die postnatal entstehen konnen (WILLIS 1962). In
der Fotalzeit bilden sich namlich nur die Zahnkronen und ganz rudimentare An
lagen der bleibenden Zahne. Besonders die Entwicklung der Zahnwurzeln setzt
sich in der Kindheit fort und ist erst im 10. bis 15. Lebensjahr abgeschlossen. Der
Begriff der MiI3bildung ist somit an keinen absoluten Zeitabschnitt gebunden, der
etwa mit der Geburt end en soll, die Entstehungszeit der MiBbildungen ist dagegen
auf die Entwicklungsperioden der jeweiligen Gebilde zu beziehen (naheres s. un
ter kritischen Phasen).
C. Organisationsniveau der fehlgehildeten Strukturen
1m Gegensatz zu anderen, flir Veranderungen von Gebilden nur eines bestimmten
Organisationsniveaus geltenden Begriffen ist eine MiBbildung flir Strukturen
ganz unterschiedlicher Komplexitat denkbar, und zwar fur Gewebe, Organe, Or
gansysteme bzw. -apparate, Korpersegmente und den Gesamtorganismus. Ortho
topisch miBgebildete Gewebe heiBen Hamartien (Cq.lUP1UVO), ich mache einen
Fehler), heterotopische Gewebsherde sind als Choristome (Xo)Pl~o), ich trenne)
bekannt. Die meisten MiJ3bildungen beim Menschen sind Organanomalien. Bei
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Uber den Krankheitsbegriff 11
dorsalen Dysrhaphien kann das ganze Zentralnervensystem betroffen sein. Fehl
bildungen, bei denen ein ganzer "Apparat" wie beispielsweise das Urogenitalsy
stem befallen ist, sind auch bekannt. Gesamte Korpersegmente sind bei den Sire
nen und den Cyclopen miBgestaltet. Bei den Acardiem ist der Gesamtorganismus
betroffen.
Der Begriff der MiBbildung setzt fUr das betreffende Gebilde einen Entwick
lungsvorgang voraus, und zwar im Sinne der "Entstehung einer wahmehmbaren
Mannigfaltigkeit" (Roux, zit. nach HARTMANN 1933) bei einem belebten Gebil
de, im Sinne einer Formbildung, bei der "ein stufenweiser Anstieg im Niveau der
Organisation" (WOODGER, zit. nach BERTALANFFY 1932) charakteristischerweise
auftritt. Inwieweit nun das Konzept der Entwicklung fUr die Entstehung einzelner
Zellen zutrifft, ist fraglich. So laBt sich der Begriff der MiBbildung fUr Zellano
malien (s. LETTERER 1956) nur bedingt anwenden. Noch bedenklicher zeigt sich
die Anwendung dieses Begriffes fUr unbelebte, subzellulare Bestandteile.
D. Mifibildungen, anatomische Varietat, Anomalien
und Monstrositaten
Die Bedeutung dieser Ausdrucke laBt sich zwar begrifflich bestimmen, de facto
bestehen jedoch keine scharfen Grenzen. Der Sprachgebrauch ist auBerdem von
konventionellen Kriterien stark gepragt.
1m Prinzip ist jede MiBbildung im Gegensatz zur anatomischen Varietat mit ei
ner Funktionsstorung verbunden oder tragt irgendwie den Charakter einer Gefahr.
Die anatomischen Varietaten erklaren sich wie die MiBbildungen selbst durch Ent
wicklungsabweichungen von einem festen Muster, sie gehoren jedoch zur Normen
breite (SCHWALBE 1906). Eine solche potentielle Gefahr zeigt sich zum Beispiel bei
der Arteria lusoria dextra; das ist eine aberrierende, aus dem Anfangsabschnitt der
Aorta descendens entspringende, meist hinter dem Oesophagus vorbei verlaufende
Arteria subclavia dextra. Die Arteria lusoria als solche ist zwar meist asymptoma
tisch, sie kann jedoch eine Dysphagie bedingen, sie ist femer mit der Gefahr einer
Druckusur der Speiserohre und Verblutung in dieses Organ verbunden (s. DOERR
1955a). Sie bedeutet also mehr als eine einfache Varietat.
Anoma/ie wird je nach den Autoren bzw. dem Zusammenhang mit drei Bedeu
tungen gebraucht: 1) wortlich, also im Sinne von Abnormitat, und zwar unabhan
gig von der betreffenden Genese; 2) fUr geringgradige, mit keiner wesentlichen Be
eintrachtigung verbundene MiBbildungen (LEHMANN 1955, SCHWALBE 1906); 3)
als Synonym fUr MiBbildung (besonders in der angloamerikanischen Literatur:
vgl. "major anomalies" (= schwere MiBbildungen) und "minor anomalies"
( = leichte MiBbildungen). Obgleich sich bei den yom normalen Muster abwei
chenden Konfigurationen der Ohrmuscheln eine scharfe Abgrenzung von MiBbil
dung, Anomalie (in der zweiten Bedeutung) und anatomischer Varietat kaum
durchfUhren laBt (s. UFFENORDE 1961, SCHATZLE u. HAUBRICH 1975), dienen
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12 B. Chuaqui
einige davon als gute Beispiele zur Erlauterung dieser Begriffe. In einem Extrem
finden sich grobe MiBgestaltungen der Ohrmuschel in Form rudimentarer, un
asthetisch wirkender Gebilde wie bei der Mikrotie, deren schwerster Grad standig
mit einer Stenose oder Atresie des Geh6rganges kombiniert ist. Solche MiBgestal
tungen gel ten als MiBbildungen. In einem anderen Extrem kommen das Darwin
Ohr (im engeren Sinne) und das Satyrohr vor, die man zur normalen Variations
breite zahlt (SMITH 1972). Dazwischen liegen leichte Fehlkonfigurationen und
-stellungen, die als Anomalien (in der zweiten Bedeutung) betrachtet werden diir
fen. Der anomale Charakter erweist sich in der Feststellung einer statistisch signi
fikanten Korrelation mit dem Vorliegen echter MiBbildungen an inneren Organen
(s. MARDEN u. Mitarb. 1964). Dies trifft besonders fiir die Otapotaxis (Abstehen
der Ohren) in Bezug auf NierenmiBbildungen zu. 1m allgemeinen gilt die alte Re
gel der Teratologie, daB auBere Anomalien mit schweren MiBbildungen der inne
ren Organe nicht selten kombiniert sind. Monstrositiit bezeichnet schwere MiBbil
dungen der auBeren Form.
E. Mi6bildungen und Kyematopathien
Das Konzept der Kyematopathien (KUTH.lU = Frucht im Mutterleibe, also Keimling
samt Eihauten und Placenta) entspricht einem Oberbegriff, der die gesamten
krankhaften Vorgange und Zustande des pranatalen Lebens umfaBt. Zur Prana
talpathologie geh6ren somit die angeborenen Erkrankungen, also die meisten
MiBbildungen. Andererseits geh6ren zu den Kyematopathien zahlreiche Erkran
kungen, die keine EntwicklungsstOrungen darsteIlen, das sind beispielsweise die
Lues connata, die konnatale Toxoplasmose, die angeborene Fibroelastose des En
dokards, die Porencephalie im Sinne zystenahnlicher Einschmelzungsherde des
Gehirns (ein Substrat der zerebralen Kinderlahmung), die verschiedenen Verande
rungen beim Hydrops foetalis darunter der Kernicterus, u. v. a. m. Diese Erkran
kung en zeichnen sich durch entziindliche, nekrotische, proliferative bzw. dystro
phische Veranderungen aus, die an jedem Organ vor oder nach AbschluB der Ent
wicklung auftreten k6nnen. Die Begriffe der MiBbildung und der Kyematopathie
sind also nicht gleichbedeutend: nicht jede MiBbildung entspricht einer Kyemato
pathie, und nicht jede Kyematopathie stellt eine MiBbildung dar. Ein pathogener
Faktor kann jedoch am selben Organ, wenn sich dabei Anteile noch in der Ent
wicklung befinden, echte MiBbildungen und Lasionen nicht malformativer Natur
an den fertigen Anteilen hervorrufen wie z. B. Mikropolygyrie und nekrotische
Herde am Gehirn (bei einer CO-Intoxikation bei einer schwangeren Frau bei
Selbstmordversuch bzw. bei einer Speicheldriisenvirus-Infektion (s. PETERS u.
LUND 1960), auch in einem FaIle der Verfasser bei einer konnatalen Toxoplas
mose).
Die Kyematogenese laBt sich prinzipiell in drei Phasen, namlich Gametogenese,
Embryogenese und F6togenese unterteilen (s. DOERR 1957, 1958, GOERTTLER
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