Table Of ContentKerstin Meints
Typizitatseffekte im Erwerb des englischen Passivs
Psycholinguistische Studien
Herausgegeben von Gert Rickheit und Dieter Metzing
In der Reihe "Psycholinguistische Studien" werden Ar
beiten veroffentlicht, welche die Forschung in diesem
Bereich theoretisch oder empirisch vorantreiben. Dabei
gibt es grundsatzlich keine Beschrankung in der Wahl
des theoretischen Ansatzes oder der empirischen Me
thoden. Sowohl Beobachtungs- als ouch experimentelle
Studien sollen in dieser Reihe erscheinen, ebenso Arbei
ten, die Sprachverarbeitungsprozesse mit Hilfe von
Computern simulieren, sofern sie nicht nur lauffahige Sy
steme darstellen, sondern ouch deren empirische Vali
ditat aufzeigen.
Kerstin Meints
Typizitiitseffekte im
Erwerb des englischen
Passivs
Eine empirische Untersuchung
Mit einem Geleitwort von
Prof. Dr. Werner Deutsch
Deutscher Universitiits-Yerlag
Die Deutsche Bibliothek - ClP-Einheitsoufnahme
Meints, Kerstin:
Typizitatseffekte im Erwerb des englischen Passivs : eine empirische Untersuchung /
Kerstin Meints. Mit einem Geleitw. von Werner Deutsch. -
Wiesbaden : DUV, Dt. Univ.-Verl., 1999
(DUV : Sprachwissenschah) (Psycholinguistische Studien)
lugl.: Hamburg, Unlv., Dlss., 1997
Aile Rechte vorbehalten
© Deutscher Universitats-Verlag GmbH, Wiesbaden, 1999
Lektorat: Ute Wrasmann / Monika Mulhausen
Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen der
Bertelsmann Fachinformation GmbH.
Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich
geschutzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des
Urheberrechtsgesetzes ist ohne lustimmung des Verlages un
zulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigun
gen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche
rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
http://www.duv.de
Hachste inhaltliche und technische Qualitat unserer Produkte ist unser liel. Bei der
Produktian und Verbreitung unserer Bucher wollen wir die Umwelt schonen. Dieses
Buch ist deshalb auf saurefreiem und chlorlrei gebleichtem Papier gedruckt. Die Ein
schweiBfolie besteht aus Polyathylen und damit aus organischen Grundstoffen, die
weder bei der Herstellung noch bei der Verbrennung Schadstoffe Ireisetzen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen
usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der
Annahme, daB solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Ge
setzgebung als Irei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden
durften.
ISBN 978-3-8244-4359-8 ISBN 978-3-322-95434-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-95434-3
Geleitwort
In the beginning was the word
So oder so ahnlich hieB der Film, den ich an einem heiBen Sommerabend 1976 wah
rend einer Sommerschule im Wadham College der Universitat Oxford gesehen habe.
AuBer dem Titel ist bei mir yom Film nur eine einzige Szene hangengeblieben, in der
zwei Manner, ein Kind und ein Krokodil (kein echtes) eine Rolle spielen. Einer der
Manner beilitigte sich als Versuchsleiter eines kleinen Experiments, indem er Satze
wie "The postman kissed the cat" klar und deutlich artikulierte. Yom Kind erwartete
er, daB es das Krokodil zurn Sprechen bringen solIe, allerdings nicht wie einen Papa
geien, der nur nachplappert. Krokodile - so der Versuchsleiter - konnten namIich
denselben Inhalt in einer anderen Form wiedergeben. "The postman kissed the cat"
wandelt die Krokodilssprache dann in "The cat was kissed by the postman" urn. Der
zweite Mann saB still auf einem Stuhl in der Ecke und protokollierte mit Papier und
B leistift minutios das Verhalten von Versuchsleiter und Kind.
Nobodys waren die beiden Manner aus dem Film nicht. In der Sommerschule
und auch vorher hatten wir ihre Namen schon oft gehort. Jetzt lemten wir die dazu
gehorigen Gesichter kennen. Der Protokollant war B.P. Skinner, Reprasentant einer
yom Aussterben bedrohten Art, den Spracherwerb als Verhaltensformung zu erfas
sen. Roger Brown war der Name des Versuchsleiters, der im Film so elegant wie ein
fach demonstrieren konnte, daB Kinder spielend bereits vor Schuleintritt einfache
Aktivsatze in Passivsatze urnwandeln konnen, auch soIche, die sie im Experiment
zurn allerersten Mal horen. Kann darnit die Frage, wann und wie Kinder lemen, Satze
im Passiv zu gebrauchen und zu verstehen ad acta gelegt werden? Lemen Kinder
tiber Regeln der Transformation, wie Passivsatze gebildet werden?
Zwanzig Jahre nach der Sommerschule in Oxford ist am Graduiertenkolleg Kogniti
onswissenschaft der Universitat Hamburg eine Dissertation abgeschlossen worden,
die den Passiverwerb in ein neues Licht stellt. Kerstin Meints ist es mit denkbar pfif
figen Experimenten gelungen, aus Kindem yom dritten Lebensjahr an Passivsatze
hervorzulocken, indem sie selbst Handlungen mit Spielzeugfiguren und -gegenstiin
den vorspielt und das Geschehen von Kindem als Reaktion auf die Frage 'What
happened to whom?" in Sprache fassen laBt. Umgekehrt dlirfen Kinder auch Satze,
die Kerstin Meints vorgibt, szenisch in Aktion setzen.
FUr Kinder, aber auch fi.ir Erwachsene ist der Gebrauch und das Verstehen des
Passivs keine reine Angelegenheit der Syntax, sondem der Beziehung zwischen
Konzepten und sprachlichen Formen. Zu Beginn der Entwicklung ist.die Beziehung
recht eng. Sie beschriinkt sich auf das prototypische Passiv. Dieses Passiv sieht so
vi
aus, daB der Sprecher die Person, auf die eine Handlung einwirkt, zum Mittelpunkt
seiner konzeptuellen Struktur rnacht und die Person, von der die Handlung ausgeht,
ignoriert oder an die Seite stellt. 1m Laufe der Entwicklung errnoglichen auch kon
zeptuelle Strukturen, die vom Prototyp mehr oder minder weit entfernt sind, die Pas
sivbildung. Hierbei spielt das Verstehen von Passivsatzen die Rolle des Vorreiters fiir
den Gebrauch in der Sprachproduktion.
Was ist neu an der von Kerstin Meints empirisch glanzend bestatigten Sicht des
Passiverwerbs in der Sprachentwicklung? Das Passiv faUt nicht als ein Satz von Re
geln aus dem Himmel der Syntax, sondern wachst auf dem Boden von Konzepten
heran, die die Semantik von Satzen bestimmen. Offensichtlich gibt es einen konzep
tuellen Kern, von dem die Entwicklung ausgeht -eben das prototypische Passiv, das
seinen Status behalt, auch wenn das Ziel der Sprachentwicklung erreicht ist.
Was wird von diesem Buch, in das Kerstin Meints ihre Dissertation von Oxford
aus transforrniert hat, bleiben? Wird es in 20 Jahren oder noch frUher wieder eine
neue Sicht des Passiverwerbs geben?
Ich bin zuversichtlich, daB die Daten und der theoretische Rahmen des vorlie
genden Buchs Bestand haben werden. Sie haben den weiteren Weg fiir die Erfor
schung des Passiverwerbs in vielversprechende Bahnen geleitet.
Werner Deutsch
Danksagung
An dieser Stelle mochte ich zunachst meinen kleinen Versuchspersonen danken, die
so vertrauensvoll mit mir spielten und unermiidlich bereit waren, Postboten und Rau
ber, Frosch und Spinne zu Passivkonstruktionen zu verweben. Den Eltem gilt mein
Dank fur ihr Vertrauen in meine Arbeit und den Kindergiirtnerinnen fur ihr Interesse
und ihre Unterstiitzung.
Meinen Doktorvatem Giinter Radden und Wemer Deutsch danke ich fur ihr of
fenes Ohr, ihre Ermutigung und ihre Unterstiitzung.
Wemer Deutsch mochte ich insbesondere auch fur all die wertvollen Tips und
Ratschlage, die Anerkennung meines Vorhabens und die konstruktive Kritik, mit der
er mich durch diese Arbeit begleitete, herzlichst bedanken. Ihm gilt auch ganz beson
derer Dank fur Hilfsbereitschaft, Geduld und Zeit, die er mir bei dieser Arbeit und
speziell auch bei der Dberarbeitung zur Veroffentlichung stets freundlich und groB
ziigig widmete.
Giinter Radden danke ich ganz besonders auch dafur, daB er mich in meiner
Themenwahl unterstiitzt hat und mich schon in meinem Studium zurn empirischen
Arbeiten angeregt hat.
Christopher Habel danke ich ebenfalls sehr herzlich fur viele Anregungen, stete
Unterstiitzung, seinen guten Rat, das Ermoglichen und die Unterstiitzung meiner ex
perimentellen Vorhaben, sein Vertrauen und seine Begeisterung fur Kognitionswis
senschaft und das interdisziplinare Arbeiten.
Ein ganz spezieller Dank geht an Stephanie Kelter fur ihre Hilfe und Kritik, die
immerwiihrende Ermutigung, ihre fantastische Geduld und freundliche Unermiid
Iichkeit und ebenfalls fur ihren Enthusiasmus am interdisziplinaren Arbeiten.
Melissa Bowerman und Nancy Budwig sei an dieser Stelle fur ihre Offenheit,
ihre Kommentare und Tips sehr herzlich gedankt.
Dem Graduiertenkolleg Kognitionswissenschaft in Hamburg, gefcirdert durch
die Deutsche Forschungsgemeinschaft, mochte ich an dieser Stelle ebenfalls danken -
ohne diese Unterstiitzung ware die Durchfiihrung meiner Dissertation so nicht mog
Iich gewesen.
Weiterer Dank gilt den Kollegiaten des Graduiertenkollegs Kognitionswissen
schaft der Ja hrgange 1991-1996, insbesondere all denen, die meine Arbeit mit Inter
esse und Kritik betrachtet und mich mit Aufrnunterungen und vielen netten Gespra
chen begleitet haben.
Ganz besonders bedanken mOchte ich mich an dieser Stelle bei Markus Storck,
Silke Wehr und Giinther Knoblich fur ihre Freundlichkeit, Liebenswiirdigkeit, ihre
unkomplizierte Hilfsbereitschaft -und, besonders im Falle von Markus und Silke, fur
ihre wetterfeste Freundschaft, urn nur einiges zu nennen.
Vlll
Bei Heidi Ewers mOchte ich mich fur vielerlei bedanken: Ihre Freundschaft, ihre
Unterstiitzung, Hilfsbereitschaft und Geduld, ihre Konstanz, die Mahnungen, das
Mittagessen nicht zu vergessen, die vielen Diskussionen, die wir nicht nur tiber Mor
pheme hatten -und dafur, daB sie ungeheure Papierberge so lange so gleichmtitig er
tragen hat.
Ein ganz spezieller Dank gebiihrt an dieser Stelle auch meinen Eltem, Emile
und besonders auch all meinen Freunden, mit denen ich mich trotz mittlerweile gro
Ber Entfemung immer noch zu Hause fiihle und die trotz wiederholter Vemachlassi
gung nicht verzagt sind und auch mich nicht haben verzagen lassen -ganz besonders
Stefan und Shane.
Kerstin Meints
Inhalt
Abkiirzungsverzeichnis ........................................................................................................................................... xv
TElL I: TIIEORETISCHER TEIL. ................................................................. ____. 1
o. Einleitung. .................................................................................................................................. 1
1. Kategorisierung. ....................................................................................................................... 4
1.1 Konzepte und Kategorien ......................................................................................................... .5
1.2 Die Entstehung der Typizitiitsidee ............................................................................................ 7
1.3 Prototypen ................................................................................................................................... 9
1.4 Bildung und Wirkung von Prototypen .................................................................................. 10
1.5 Allgegenwfutigkeit des Prototypenphiinomens .................................................................... 13
1.6 Ebenen der Kategorisierung ................................................................................................... 15
1.7 Kritik am Prototypenansatz .................................................................................................... 17
1.7.1 Prototypen und Frequenz ........................................................................................................ 20
1.7.2 Kritik und Nutzung von Prototypen: Kiassische Modelle .................................................. 22
1.7.3 Kritik und Nutzung von Prototypen: Integrative Modelle ................................................... 25
1.8 Ubersicht tiber die dargestellten Ansatze .............................................................................. 31
1.9 Kategorisierung bei Kindern .................................................................................................. 33
1.10 Anwendung des Prototypenansatzes auf den Passiverwem ................................................ 35
2. Das englische Passiv .............................................................................................................. 37
2.1 Syntaktische und semantische Struktur des Passivs ............................................................ 37
2.1.1 Die Partizipanten im vollstiindigen Passiv ............................................................................ 37
2.1.1.1 Nominalphrasen ...................................................................................................................... 37
2.1.1.2 Rollen ........................................................................................................................................ 38
2.1.2 Passiva ohne Agensangabe .................................................................................................... 39
2.1.3 Das kanonische Handlungsschema. ...................................................................................... 40
2.1.3.1 Vemkomplex ........................................................................................................................... 41
2.1.3.2 Handlung und Transitivitiit... ................................................................................................. 41
2.2 Die Transitivitiit nach Hopper und Thompson .................................................................... 43
2.3 Von derTransitivitiit zumPassiv ........................................................................................... 45
2.4 Empirische Evidenz ................................................................................................................ 47
2.5 Sonderfalle? ............................................................................................................................. .49
2.5.1 Passiva mit PrapositionalverlJen ............................................................................................ 50
2.5.2 Passiva mit Partike\verlJen ...................................................................................................... 50
2.5.3 Get-Passiva ............................................................................................................................... 50
2.5.4 Adjektivische Passiva ............................................................................................................. 53
2.5.5 Nur-Passiva .............................................................................................................................. 55
2.5.6 Nur-Aktiva ............................................................................................................................... 55
2.5.7 Semantische Passiva ............................................................................................................... 55
2.6 Fokus ........................................................................................................................................ 56
2.7 Verwendung des Passivs ........................................................................................................ 59
2.8 Frequenz des Passivs ............................................................................................................... 60
2.8.1 Passiva in der Schriftsprache .................................................................................................. 61
2.8.2 Passiva in der gesprochenen Sprache Erwachsener. ............................................................ 61
2.8.3 Passiva in der gesprochenen Sprache von Kindern ............................................................. 62
x
2.8.4 Liisung des Frequenzproblems in dieser Arbeit... .................................................................. 63
2.8.5 Die Passivfrequenz aus typologischer und diacbroner Sicht... .............................................. 66
2.9 ZUSamrnenfassung ..................................................................................................................... 67
3. AusgewiihJte Theorien des engIischen Passivs.. ................................................................. 69
3.1 Das Passiv in der Transfonnationsgrammatik. ....................................................................... 70
3.2 Die TO im psychologischen Experiment -neue Aspekte ...................................................... 70
33 Das Passiv in der Generativen Grammatik. ............................................................................ 72
3.4 Die Kognitive Grammatik. ........................................................................................................ 76
3.4.1 Das Passiv in der Kognitiven Grammatik. ..............................................................................7 9
3.4.2 Typizitiit in der Kognitiven Grammatik ................................................................................... 82
3.5 Prototypen in der Unguistik ...................................................................................................... 88
4. Der Erwerb des Passivs. .......................................................................................................... 91
4.1 Passiverwerb in verschiedenen linguistischen Ansatzen ........................................................ 92
4.2 Typizitiitseffekte im Spracherwerb ........................................................................................... 96
5. Das Passiv aIs Kategorie mit Typizitiitseffekten.. ........................................................... 100
5.1 Vorbemerlrung ......................................................................................................................... 100
5.2 Ableitung des prototypischen Passivs ................................................................................... 101
5.2.1 Das prototypische Agens ........................................................................................................ 101
5.2.2 Das prototypische Patiens ....................................................................................................... 104
5.23 Das prototypisch transitive Verb ............................................................................................ 105
5.2.4 Das kanonische Handlungsschema. ...................................................................................... 107
5.2.5 Satzsymmetrie: Reversibilitiit... .............................................................................................. 109
53 DasprototypischePassiv ........................................................................................................ 110
5.4 Typizitiitseffekte im Erwerb des Passivs ............................................................................... 112
5.5 Vorteile und Grenzen des Prototypenansatzes fur das Passiv ............................................. 113
6. Metbodik. ................................................................................................................................ 116
6.1 Methodik in der Unguistik. .................................................................................................... 116
6.2 Methodik in der Psycho1ogie und Psycholinguistik ............................................................ 118
63 Methodik in Untersuchungen zum Passiv ............................................................................ 119
6.4 Methodik in der Prototypenforschung. ................................................................................. 120
6.5 Methodik in dieser Arbeit... .................................................................................................... 121
6.6 Probleme und ihre Liisungen ................................................................................................. 122
6.7 Abgrenzung der untersuchten Passivkonstruktionen............... ........................................ ... 123
TElL II: DIE EMPIIRISCHEN UNTERSUCHUNGEN. ......................................... 126
7. Untersucbnng zur konzeptuellen Struktur der Verben im Passiv. ............................ 127
7.1 Versuchspersonen............. ..................... ..................................... .... ............................. ....... .... 128
7.2 Versuchsaufgaben und -durchfuhrung......... ........................................................................ 128
7.3 Daterumaiyse ............................................................................................................................ 129
7.4 Ergebnisse: Korre1ationen ....................................................................................................... 130
7.5 Ergebnisse der Faktorerumaiyse ............................................................................................. 130
7.6 Diskussion. ............................................................................................................................... 131
7.7 Auswahl der Verben fur die Hauptuntersuchung. ............................................................... 132