Table Of ContentStudies in
Contemporary Economics
Karl-Hans Hartwig H. J6rg Thieme (Hrsg.)
Transformationsprozesse
in sozialistischen
Wi rtschaftssystemen
Ursachen, Konzepte, Instrumente
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York London Paris
Tokyo Hong Kong Barcelona Budapest
Editorial Board
D. BOs G. Bombach B. Felderer B. Gahlen K. W. Rothschild
Herausgeber
Prof. Dr. Karl-Hans Hartwig
Lehrstuhl fOr Wirtschaftspolitik I
Fakultat fur Wirtschaftswissenschaft
Ruhr-Universitat Bochum
UniversitatsstraBe 150, W-4630 Bochum 1
Prof. Dr. H. Jorg Thieme
Lehrstuhl fOr Volkswirtschaftslehre
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultat
Heinrich-Heine-Universitat Dusseldorf
UniversitatsstraBe 1, W-4000 Dusseldorf 1
ISBN -13 :978-3-540-54482-1 e-ISBN-13 :978-3-642-84590-1
DOl: 10.1007/978-3-642-84590-1
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mungen des Urheberrechtsgesetzes
© Springer-Verlag Beriln Heidelberg 1991
Reprint of the original edition 1991
Typesetting Camera ready by author
42/3140 -543210 -Gedruckt auf sllurefreiem Papler
Vorwort
Der real existierende Sozialismus befindet sich im dramatischen Umbruch. Nach
dem die sozialistischen Staaten immer weniger in der Lage waren, mit ihrer zen
tralistischen Planungs- und Lenkungsstruktur und mit der Institution des Staatsei
gentums breiten BevOlkerungsschichten einen auch nur annahemd akzeptablen
Lebensstandard zu sichem und den technologischen AnschluB gegeniiber den
marktwirtschaftlichen Industrienationen verloren haben, wurde die alte System
frage wieder gestellt. Konzentrierte sich die Systemdebatte jedoch bislang auf den
Ubergang von einer kapitalistischen Marktwirtschaft zu einer sozialistischen Plan
wirtschaft, erhielt sie nun eine vollig neue Richtung. Selbst die verantwortlichen
Politiker in den sozialistischen Staaten sehen mittlerweile nur durch marktwirt
schaftlich-demokratische LOsungen eine reelle wirtschaftliche und politische
Chance fUr ihre Lander. Die dadurch bedingten institutionellen Veranderungen
sind so radikal, daB sie iiber das AusmaB der bisherigen Reformen hinausgehend
eine Transformation der Wirtschafts-und Gesellschaftsordnung bewirken.
Von der beabsichtigten bzw. bereits initiierten Transformation der sozialistischen
Wirtschaftssysteme waren selbst Experten iiberrascht. Zwar hat die Ordnungs
theorie bereits seit langem den permanenten systembedingten Zwang zu Wirt
schaftsreformen nachgewiesen. Sowohl bei der Erklarung der Transformations
notwendigkeit als auch bei der systematischen An<tlyse des Transformationspro
zesses selbst besteht jedoch ein erhebliches theoretisches Vakuum. Dieses Va
kuum zu fUllen, ist urn so dringender, je dramatischer sich die wirtschaftliche Si
tuation in den sozialistischen Staaten verschlechtert, weil hierzu nicht zuletzt auch
die Unterversorgung der Politik mit konzeptionellen Grundlagen zur Ausgestal
tung des Transformationsprozesses beigetragen hat.
Vor diesem Hintergrund versteht sich der vorliegende Band als Beitrag zur aktu
ellen Transformationsdebatte. Er versucht nicht nur, einzelne Transformations
elemente und -schritte in ihrer Bedeutung, zeitlichen Dimension und politisch-so
zialen Flankierung zu analysieren, sondem neben den gegenwartig praktizierten
Politikstrategien auch jene Elemente freizulegen, die ursachlich verantwortlich
sind fUr die Transformation einer sozialistischen Planwirtschaft.
IV
Der Band ist das Ergebnis einer Tagung des "Forschungsseminars Radein" im Fe
bruar 1991 sowie einer vorbereitenden Konferenz im Hause der Akademie Deut
scher Genossenschaften auf SchloB Montabaur im Oktober 1990. Das Forschungs
seminar Radein beschaftigt sich bereits seit langem mit der Analyse und dem Ver
gleich von Wirtschaftssystemen und bot insofern ideale institutioneUe und perso
neUe Voraussetzungen rur die Behandlung des Transformationsthemas. Kennzei
chen des Forschungsseminars ist neben der InterdisziplinarWit die Internationali
tat, die durch die Teilnahme von Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaftlern
aus dem westlichen Ausland, vor aHem aber aus den sozialistischen Staaten ge
wahrleistet wird. Auch in dies em Jahr haben sie als Diskutanten und Koreferenten
wesentlich zum Erfolg des Seminars beigetragen. Herausgeber und Autoren dan
ken ihnen rur anregende Kritik und wertvolle Hinweise.
Die Herausgeber danken der Volkswagen-Stiftung, die mit ihrem Schwerpunkt
"Transformation von Wirtschaftssystemen" die Seminarveranstaltungen und das
Entstehen des vorliegenden Bandes unbiirokratisch gefOrdert hat. Ihr Dank gilt
ebenfaUs Herrn Direktor Rainer Herzog von der Akademie Deutscher Genossen
schaften rur organisatorische und der Hamburger Bank von 1861, Volksbank e.G.,
rur finanzieUe Unterstiitzung, dem Springer-Verlag rur die verlegerische Betreu
ung, dem Herder-Institut Marburg rur Materialien aus dem Pressearchiv sowie
insbesondere den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Frau Ulrike Michalski rur
die zeitraubende Durchsicht und sorgfaltige Anfertigung des druckfertigen Manu
skripts.
Bochum/Diisseldorf, im Mai 1991 Karl-Hans Hartwig
H. Jorg Thieme
Inhaltsiibersicht
Vorwort ............................................................................................................................... III
Inhaltsiibersicht ................................................................................................................... V
Erster Teil
Zur Notwendigkeit der Transformation sozialistischer Wirtschaftssysteme
1. ErkHirungsansatze der Systemtransformation
SPIRIDON PARASKEWOPOULOS .................................................................................... 3
2. Zentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungen: Informationsverlust
durch Freiheitsbeschranknng
HANS-JOACHIM HOF ..................................................................................................... 29
3. Distribution versus Allokation: Zur Dominanz verteilungsorientierten
Denkens und dessen Effekte
HANS GUNTER KRUSSELBERG .................................................................................... 55
4. Das Versagen der Motivations-und Kontrollsysteme
WERNER KLEIN ............................................................................................................. 81
Zweiter Teil
Konzeptionen der System transformation
1. Dezentralisierung durch "kapitalistische Marktwirtschaft":
Radikaler Systembruch
THOMASAPOLTE, DIETER CASSEL ........................................................................... 111
2. Dezentralisierung durch "sozialistische Marktwirtschaft":
Die Suche nach dem "Dritten Weg"
HANNELORE HAMEL, RUDOLF KNAUFF .................................................................. 153
3. Wirtschaftsreformen als Krisenmanagement:
Systemerhaltung durch "muddling through"?
REINHARD PETERHOFF ............................................................................................. 181
VI
Dritter Teil
Bereiche, zeitliche Dimensionen und politische Flankierung
von Transforrnationsprozessen
1. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen
Transformation
GEORG BRUNNER ...............•.•....•................................................................................. 201
2. Politische Ordnung und wirtschaftliche Umgestaltung: Zu Restriktionen
und Reformen in Politik und Verwaltung
HELMUT LEIPOLD ........•..................•....................................•...•.........•....•............•.......2 27
3. Schaffung von Entscheidungsspieldiumen: Privatisierung und Reform
des Vertrags-und Untemehmensrechts
ULRICH WAGNER .........................................................................................................2 53
4. Die Etablierung von Wettbewerbsmarkten: Zur Herstellung eines
funktionsfahigen Preissystems
ALFRED SCHULLER, DIRK WENTZEL ........................................................................2 81
5. Wahrungsreformen: Zur institutionellen Absicherung monetarer Prozesse
ALBRECHT MICHLER, H. JORG THIEME ............•.•.........•.•..................•.....................3 05
6. Reformen der staatlichen Finanzwirtschaft: Zu den neuen Funktionen
staatlicher Haushaltspolitik
KARL-HANS HARTWIG, IRIS WELLESEN .........•.......................................................... 331
7. Transformation der AuBenwirtschaft: Zur Offnung und Weltmarktintegration
geschlossener Volkswirtschaften
HELMUT GRONER, HEINZ-DIETER SMEETS .............................................................3 57
8. Abbau von Transformationshemmnissen: Ursachen, Formen und
Flankierungsstrategien
KARLHEINZ KRATZ, H. JORG THIEME ......................................................................4 07
9. Der TransformationsprozeB in der Zeit: Konsequenzen von Dauer und
Reihung systemverandemder MaBnahmen
KARL VON DELHAES, ULRICH PERL •...............•.•..•..........•....•................................... 435
Sachregister ....................................................................................................................... 465
Seminarteilnehmer. .......................................................................................................... 4 73
Erster Teil
Zur N otwendigkeit der Transformation
sozialistischer Wirtschaftssysteme
1. Erklarungsansatze der System transformation
SPIRIDON PARASKEWOPOULOS
Gliederung
1. Einleitung
2. Theorieansatze von Transformationsprozessen
2.1. Entwicklungstheoretische Ansatze deterministi
scher Art
2.1.1. Die marxistische Entwicklungstheorie
2.1.2. Die SCHUMPETERsche Entwicklungstheorie
2.1.3. Der klassifikatorische entwicklungsstufen-
theoretische Ansatz von ROSTOW
2.1.4. Die Konvergenzthese als transformations
theoretischer Ansatz
2.2. Nichtdeterrninistische entwicklungstheoretische
Ansatze
2.2.1. Der Ansatz der "Unsichtbaren Hand"
2.2.2. Die ordoliberale Konzeption
2.2.3. Die Institutionenokonornik
2.2.4. Die evolutorische Okonornik als Transfor
mationstheorie
3. AbschlieBende Bemerkungen
Literatur
5
1. Einleitung
Aufgrund der Veranderungen, die seit langerer Zeit in den osteuropaischen Lan
dern stattfanden und stattfinden, stellt sich im Bereich der Wirtschaftsordnungs
theorie erneut die Frage nach den Ursachen von Umwandlungen solchen Ausma
Bes. Gerade die Zeitperiode und die Geschwindigkeit der Entwicklung, aber auch
die Ruckschlage (China) verdeutlichen die Schwache in der Wirtschaftsordnungs
theorie, solche Phanomene zu prognostizieren. Andererseits reizen diese zu dem
Versuch, bestehende theoretische Instrumente zu verfeinern, urn sie dann fur die
Erklarung der gegenwartigen Veranderungen anzuwenden. Sie zwingen auch zur
Innovation neuer theoretischer Ansatze. Fur das letztere spricht beispielsweise der
evolutionstheoretische Versuch im Bereich der Wirtschaftstheorie oder die Theo
rie des institutionellen Wandels.
In den Gesellschafts-und insbesondere in den Wirtschaftswissenschaften wird von
Transformation einer Wirtschaftsordnung oder eines Wirtschaftssystems dann ge
sprochen, wenn das bisherige System nicht in die gleiche oder eine andere Form
ubertragen, sondern wenn es total zerstOrt wird und dann etwas anderes entsteht,
das mit dem alten nichts gemeinsam hat. Mit anderen Worten, es findet hierbei
keine Ubertragung, sondern eine neue Schopfung statt. Bei der Transformation in
dies em Sinne handelt es sich urn die totale Veranderung der konstituierenden
Ordnungsformen des gegebenen Wirtschaftssystems. Als solche gelten in der Ord
nungstheorie die Planungsformen der Wirtschaftsprozesse, die den Koordinati
onsmechanismus des Wirtschaftssystems bestimmen, sowie die Eigentumsformen,
die besonders die wirtschaftliche Effizienz beeinflussen. Dezentrale Planungsfor
men und Marktkoordination der einzelnen Plane in Verbindung mit vorwiegend
Privateigentum an den Produktionsmitteln charakterisieren die marktwirtschaftli
chen bzw. die kapitalistischen Wirtschaftssysteme; zentrale Planung des Wirt
schaftsprozesses in Verbindung mit Staatseigentum an den Produktionsmitteln
sind dagegen die konstituierenden Ordnungsformen in den Zentralverwaltungs
wirtschaften bzw. in den sozialistischen Wirtschaftssystemen (EUCKEN, 1940; HEN
SEL, 1954; 1972; LEIPOLD, 1975, 5.A. 1988; THIEME, 1980, 4.A. 1990; GUTMANN,
1981; CASSEL, 1984,2; KLOTEN, 1989).
Eine Transformation eines Wirtschaftssystems des ersten in das des zweiten Typs
und umgekehrt findet dann statt, wenn diese konstituierenden Ordnungsformen in
die eine oder die andere Richtung geandert werden. Eine Transformationstheorie
hat dernzufolge die Aufgabe, zu erklaren, aus welchen Zwangen, unter welch en
6
Bedingungen, wie und gegebenenfalls wann eine solche Transformation in Frage
kommt. In der Vergangenheit dominierten transformationstheoretische Ansatze,
die die Notwendigkeit des Ubergangs kapitalistischer in sozialistische Wirtschafts
systeme zu begriinden such ten. Der umgekehrte ProzeB war bisher explizit kaum
Gegenstand der theoretischen Reflexion, implizit war er jedoch, wie noch gezeigt
wird, nicht selten das Kernproblem ordnungs-und prozeBtheoretischer Ansatze.
Bei den Wirtschaftswissenschaftlern, besonders im deutschen Sprachraum, ist es
bisher ublich, zwischen einer ordnungs- und einer prozeBtheoretischen Betrach
tung des wirtschaftlichen Geschehens zu unterscheiden. Obwohl in der letzten Zeit
die ZweckmaBigkeit dieser Differenzierung mit dem Argument der Interdepen
denz von Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsgeschehen, die eine Integration insti
tutioneller und prozessualer Betrachtungsweisen verlangt, angezweifelt wird,
scheint es dennoch angebracht, nach einer Theorie, in der die Entstehung und die
Veranderung von Ordnungsformen erklart werden, zu such en, die diese Dichoto
mie enthalt. Denn beide Teile (Ordnungs- und ProzeBtheorie) sind fur das Entste
hen einer Transformationstheorie notwendig. In der Ordnungstheorie wird primar
die Aufgabe gestellt, bestehende Ordnungsformen zuanalysieren, urn damit zu er
klaren, wie sie entstanden sind, weIche Veranderungen sie erfahren und weshalb
sie diese oder jene Form angenommen haben. Dies kann einerseits in global en
Ansatzen geleistet werden, in welch en zunachst nach einer allgemeinen Aussage
gesucht, in der Auskunft uber Grundtendenzen (Trendrichtungen) gegeben wird
und die fur aIle menschlichen Gesellschaften gelten soIl. Andererseits konnen und
mussen in der Ordnungstheorie auch spezielle Ansatze hervorgebracht werden,
die die spezifischen endogenen und exogenen Eigenarten einzelner Gesellschaften
(Volkswirtschaften) beriicksichtigen, urn die Entstehung und Veranderung konkre
ter Ordnungsformationen in bestimmten Perioden und in bestimmten Erdteilen zu
erklaren.
In der ProzeBtheorie werden primar die Ablaufe (Prozesse) innerhalb bereits eta
blierter Ordnungsformen analysiert, urn Informationen uber ihre Funktionsweise
und ihre okonomische Effizienz zu gewinnen. Eine Verbindung zur Ordnungstheo
rie findet dann statt, wenn in der prozeBtheoretischen Analyse gezeigt wird, daB
der bestehende Ordnungsrahmen Handlungsbeschrankungen aufstellt, die die Ak
tivitaten der Handelnden in dieser oder jener Richtung beeintrachtigen. Fuhren
diese Erkenntnisse aus der ProzeBtheorie letztendlich zu wirtschaftspolitischen
Entscheidungen, die Veranderungen des bestehenden Ordnungsrahmens bewir
ken, dann ist die ProzeBtheorie zugleich Ordnungstheorie. Insofern kann eine Ab-
Description:Der real existierende Sozialismus befindet sich im drama- tischen Umbruch, der in seiner Dimension und Tragweite selbst Experten }berrascht hat. Sowohlbei der Erkl{rung der Transformationsnotwendigkeit sozialistischer Systeme als auch bei der systematischen Erfassung der eigentlichen Transformations