Table Of ContentTHESAURUS
PROVERBIORUM
MEDII AEVI
Lexikon der Sprichwörter
des romanisch-germanischen Mittelalters
Begründet von Samuel Singer
Herausgegeben vom Kuratorium Singer
der Schweizerischen Akademie
der Geistes- und Sozialwissenschaften
Band 5: Gewohnheit — heilen
W
DE
G
Walter de Gruyter · Berlin · New York · 1997
Gefördert vom Schweizerischen Nationalfonds
Mitarbeiterinnen von Samuel Singer;
Marga Noeggerath-Bauer |, Gertrud Strich-Sattler f
Kuratorium Singer:
Maria Bindschedler, Rolf Eberenz, Peter Glatthard, Siegfried Heinimann f>
Ricarda Liver, Eckart Conrad Lutz, Christoph Schäublin, Cecile Vilas
Wissenschaftliche Leitung:
Ricarda Liver, Gertrud Strich-Sattler f, Werner Ziltener
Redaktion:
Mathilde Brachna, Eva Delz, Christian Hostettler, Ricarda Liver,
Vroni Mumprecht, Hans Ruef, Hans-Ulrich Seifert
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Thesaurus proverbiorum medii aevi = Lexikon der Sprichwörter
des romanisch-germanischen Mittelalters / hrsg. vom Kuratorium
Singer der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozial-
wissenschaften, Begr. von Samuel Singer. [Wiss. Leitung; Ricarda
Liver ...]. - Berlin ; New York : de Gruyter.
Literaturan gaben
ISBN 3-11-008529-1
Bd. 5. Gewohnheit - heilen. -1997
ISBN 3-11-015508-7
© Copyright 1997 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin
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Einbandgestaltung: Sigurd Wendland, Berlin, unter Verwendung von Pieter Brueghel d.Ä. „Die
niederländischen Sprichwörter", Staatliche Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz und
Gemäldegalerie
Satz und Druck: Arthur Cotlignon GmbH, Berlin
Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin
l GEWOHNHEIT
GEWOHNHEIT / habitude / habit
Hier auch ABGEWÖHNEN, ANGEWÖHNEN, GEWÖHNEN, GE-
WOHNT, UNGEWOHNT
1. Gewohnheiten erwirbt man in der Jugend
1.1. Jung gewohnt, alt getan (1-10)
1.2. Was man sich jung angewöhnt hat, an dem hält man immer fest
1.2.1. Allg. (11-38). Vgl. unten 2.2.1., JUNG 5,1.2., KIND 3.4.2., LERNEN 3.1.-3.3., SÄEN
58. Ähnlich (39-40)
1.2.2. Spez.
1.2.2.1. Wenn man sich nicht jung an Tugend gewöhnt, erwirbt man sie nie — TUGEND 51—54,
56, 65, 67. Vgl, TUGEND 3.2.
1.2.2.2. Die Laster, die man sich in der Jugend angewöhnt, legt man nie ab —' LASTER 16, 19.
Vgl. LASTER 3.
1.2.2.3. Was man dem Pferd jung angewöhnt, kann es für immer -> PFERD 38. Vgl. PFERD 2.3.
1.2.2.4. Ein alter Hund Iässt sich nicht mehr gewöhnen — HUND 734, 745, 753, 755, 758, 762-
764, 766-769, 771-775, 784-788
1.3. Woran man sich jung gewöhnt hat, danach sehnt man sich —» SEHNEN 9, 11-15
1.4. Kinder und Narren (Ferkel) lassen sich leicht gewöhnen (41-42)
2. Gewohnheiten sind zäh
2.1. Gewohnheiten sind dauerhaft (43-47)
2.2. Gewohnheiten sind schwer abzulegen
2.2.1. Allg. (48-87). Vgl. oben 1.2.1., NATUR 1.2.1.1. Ähnlich (88)
2.2.2, Spez.
2.2.2.1. Die Hand Iässt ihre Gewohnheit nicht — HAND 3.1.
2.2.2.2. Der Wolf Iässt keine seiner Gewohnheiten — WOLF 32-35. Vgl, WOLF 2,1.
2.2.2.3. Der an die Küche gewöhnte Hund ist kaum daraus zu vertreiben —» HUND 2.15.
2.2.2.4. Das Schwein verlässt den gewohnten Acker nicht —* SCHWEIN 4.3.
2.2.2.5. Wer an Laster gewöhnt ist, legt diese schwer ab — TRINKEN 132, TRÜGEN 150, VER-
BRECHEN 12. Vgl. DIEB 1.1., FUCHS 32, LASSEN l, SCHURKE 1.1., SITTE 4.2.,
TRÜGEN 12.
2.3. Gewohnheiten sind schwer zu ändern
2.3.1. Allg. (89-92). — ÄNDERN 66. Vgl, ÄNDERN 12., SITTE 2.2.
2.3.2. Spez. (93}
3. Gewohnheit ist mächtig
3.1. Gewohnheit vermag viel (94-111). Ähnlich (112-113)
3.2, Schlechte Gewohnheit schadet viel (114-121)
3.3, Gewohnheit und Natur
3.3.1. Gewohnheit verändert die Natur (122-127). Vgl. ERZIEHEN 4.1., KÖNNEN 12,2.
3.3.2. Gewohnheit ist stärker als Natur (128-132a). Vgl, ERZIEHEN 4.2., NATUR 189. Ähnlich
(133)
3.3.3. Natur ist stärker als Gewohnheit — NATUR 112-113, 134-135, 141-143. Vgl. NATUR
1.3.2.1.
3.3.4. (Lange) Gewohnheit wird zur (zweiten) Natur (134-170). Ähnlich (171-172)
3.4. Gewohnheir und Recht
3.4.1. Gewohnheit ist so gut wie Recht (173-175). Vgl. SITTE 24
3.4.2. Gewohnheit ist stärker als Recht (176-177)
3.4.3. Gewohnheit rechtfertigt a!les (178-181). Vgl. SÜNDE 208
3.4.4. Gewohnheit rechtfertigt nichts (182-184). Vgl. SÜNDE 209
4. Wirkungen der Gewohnheit
4.1. Gewohnheit hilft Anstrengung und Schmerz aushaken (185-198). Vgl. LERNEN 1.2.2,1.
Ähnlich (199-200)
4.2. Gewohnheit erzeugt Liebe und sittliches Verhalten (201-207). Ähnlich (208). Umkehrung
(209)
GEWOHNHEIT 2
4.3. Gewohnheit bringt Fertigkeit und führt zu Meisterschaft (210-213). Vgl. FLEISS 29, 31,
GELEHRT 4., KÖNNEN 9.1., LERNEN 1., 4.3.1., ÜBEN 2.-3., WEISE 9.3., WISSEN l
4.4. Gewohnheit entwertet (214-215). Vgi. GEMEINSAM 4.2,
5. Gewohnheit entsteht allmählich (216—217)
(·>. Gute Gewohnheiten soll man pflegen, schlechte ablegen (218—224). Ähnlich (225-226)
7. Ungewohntes
7.1. Ungewohntes Reiten bringt Schmerzen —· REITEN 13 —15
7.2. Ungewohnte Arbeit bedeutet Armut —» ARBEIT 66-67
7.3. Für ungewohnte Krankheiten ungewohnte Heilmittel —» ARZNEI 55-56
8. Verschiedenes (227-229)
1. Gewohnheiten erwirbt man in der Jugend
1.1. Jung gewohnt, alt getan
1 Eng l. 3oung wonez, (H)old monep Wer sich jung gewöhnt, erinnert sich im Alter
2 HENDING 1,5. Y» a prouerbe of olde Englys ... ,J>at jougpe wanes, yn age mones;"
Patpou dedyst one$pou dedyst eftsones In einem alten englischen Sprichwort: ... Was
s
du einst tatest, tatest du später wieder MANNYNG, HANDLYNG SYNNE 7671.
3 Dt. Juck {lies: ]unk) gewant, alt gedant Jung gewohnt, alt haftengeblieben SCHWA-
4. s BACH 90, Jungk gewont, alt gedonth PROV. FRID. 345. Jung gewont, aid bedont
6 EBD. Anm. Das ist ein Sprichwort vnnd ist doch war (wirklich wahr), jung wont, alt
7 tont GEILER, PARADIES 223 d. Jung gewont alt thont GEILER, NAV. FAT, XXVIII K.
8. 9 Jung gewon alt gethan1 LUTHER 65. Junck gewont alt gethan LUTHER, WA
10 XVI, 616,22 (1526), Jung gewon, alt gethon FRANC 11,43 v.
1.2. Was man sich jung angewöhnt hat, an dem hält man immer fest
1.2.1. Allg.
i l Bibi. Prouerbium est: Adolescens tuxta viam suam, ettam cum senuerit, non recedet
ab ea Es ist ein Sprichwort: „Der Jüngling wird von seinem Weg, auch wenn er ah
12 geworden ist, nicht abweichen" VULG., PROV. 22,6 (- JUNG 327). Wie man einen
Knaben gewehnet, So lesst er nicht dauon, wenn er alt wird LUTHERBIBEL, SPR. 22,6
{-JUNG 228).
13 Mlat. Difficile corrigitur nequiüa quarn concipit quis in pueritia Schwerlich lässt sich
eine schlechte Gewohnheit ablegen, die einer in seiner Kindheit annimmt OTLOH.,
14 PROV. 308 B. Cui puer assuescit, maior dimittere nescit Woran sich der Knabe ge-
15 wohnt, davon kann der Erwachsene nicht lassen SKEAT 69. Quod puer assuesctt, levi-
ter dimittere nescit ... davon kann er nicht so leicht lassen WERNER2 q 215.
16 Fr. QMI d'enfance acoustume Sa mauvaise coustume, Ne s'en puet repentir Wer sich
seine schlechte Gewohnheit in der Kindheit angewöhnt, kann nicht davon abstehen
VILAIN 115,1.
17 Span. Quien malas manas tiene en cuna, o las pier de tarde o nunca Wer (schon) in
der Wiege schlechte Gewohnheiten hat, verliert sie spät oder nie NUNEZ III, 286.
18 Nord. ... ok pat varö tamast, setn i ceskunni haföt numit Und dass man das am
meisten gewohnt war, was man in der Jugend gelernt hatte GRETTIS SAGA 78,2
(= JONSSON, ARKIV 408, JONSSON 166).
19 Engl. Ff or thing l-take in {youthe, is] hard to put away Denn eine Gewohnheit, die
man in der Jugend angenommen hat (wörtl.: etwas, was man sich ... angewöhnt hat),
20 ist schwer abzulegen BERYN 938. For suche lyff as ye will contynue, use you to in
youre youthe ye sbal be by youre flesshe constreined to kepe in youre age Gewöhne
}
dich in deiner Jugend an das Leben, das du weiterhin zu führen gedenkst; {denn) du
3 GEWOHNHEIT
wirst durch dein Fleisch gezwungen sein, es bis ins Aker beizubehalten LA TOUR-LAN-
21 DRY ENG L. 9,34. For right as ye custume youre selff in youre youthe in etinge and
drinkinge, and in all youre other disposition, right so ye shall desire euer more for to
continue in youre age Denn genauso wie du dich im Essen und Trinken und in all
deinem übrigen Verhalten in deiner Jugend gewöhnst, genauso wirst du immerzu in
deinem Alter fortzufahren wünschen EBD. 116,23.
22 N t. Want seiden pleecbt men af te staen Soe u>es men heeft von joncs geplogen Denn
selten pflegt man von etwas abzustehen, was man von jung auf zu tun gewohnt war
GOEDER LEIKEN REGHEL 16.
23 Dt. Des er von kintheit ist gewon, Ez si im schade, ez si im vrum, Da kumt er äne
got2 niht von Woran er von Kindheit an gewöhnt ist, sei es ihm nun schädlich oder
24 nützlich, davon kommt er ohne Gottes Hilfe nicht los WINSBEKE 37,8. Den site ein
man unsanfte lat, Des er von jugent gewonet hat Die Lebensweise, an die er von Jugend
25 auf gewöhnt ist, gibt ein Mann schwer auf FREIDANK 108,17. Swes man diu kint des
ersten wenet, dem habent sie iemer mer hant an Woran man die Kinder zuerst gewöhnt,
26 das behalten sie für immer BERTHOLD 1,34,27. Wan ,swes daz kint gewont, daz selbe
im nach dont.' Daz ist ein alt gesprochen wort Denn „woran das Kind gewöhnt ist,
27 das hängt ihm an!" Das ist ein altes Sprichwort EBD. 1,34, 37. Wanne swes daz kint
gewonet in der fugende, daz hanget im vil gerne iemer mere an Denn woran sich das
28 Kind in der Jugend gewöhnt, das hängt ihm sehr oft für immer an EBD. 11,58,1. Abir
want zu allir vrist Menschlich sin geneigtt ist Lichtlich hin zu missetät Und di sittin
küme lat, Di er üf von jugint bat Brächt unz in des aldirs grat... Aber da ja menschli-
cher Sinn stets leicht zum Bösen neigt und die Gewohnheiten, die er von Jugend an bis
29 ins Alter hinauf beibehalten hat, schwerlich ablegt NIK. v. JEROSCHIN 6987. In quibus
assuescit homo mores linquere nescit, Assueto mori quisquis manet absque pudore, —
Dy stten ein man unsanft let, Dy her in der jugent gewont hat Der Mensch kann die
Lebensweise, an die er sich gewöhnt, nicht lassen. Jeder verharrt ohne Scham in der
30 gewohnten Lebensweise. — Übers, wie 24 FREIDANK LAT. (GöRLiTz) 148. Wez der
mensch gewont von iugent Daz ist im zu lazzen swär Woran der Mensch von Jugend
auf gewöhnt ist, das zu lassen fällt ihm schwer HEINR. D, TEICHNER, SPRG. 2,92.
31 Wann wes man in der juget bat Gewont, das hangt im alter an. Das mag man dann
hart verlan Denn das, woran man sich in der Jugend gewöhnt hat, das hängt einem im
32 Alter an, das kann man dann schwer lassen KAUFRINGER 16,234. Was das chind
gewonet hat, Wann es davon will lassn, so ist es zu spat Wenn das Kind an etwas
33 gewöhnt ist und dann davon lassen will ... KLAGENFURT 19. Wan was der man tuot,
So mit verdachtem muot In siner Jugend gewonen Das tuot am alter nachtonen Denn
woran sich einer mit Vorbedacht in seiner Jugend gewöhnt, das haftet ihm im Alter an
34 NETZ 4627. Der guots in der fugend tuot gewonen, Im alter tuots im nach tonen Wer
35 sich in der Jugend an das Gute gewöhnt, dem haftet es im Alter an EBD. 6745. Was
in der iuget gewonet das kind ... Das selb tribt es in dem alten iar Woran sich das Kind
36 in der Jugend gewöhnt, das treibt es auch im Alter BÄCHTOLD, FAB. 7,3. Won was
der man gewonet hat In der iugent vil kum er das lat Denn woran sich der Mensch in
37 der Jugend gewöhnt hat, das lässt er schwerlich fahren EBD. 7,65. Wann poß gewon-
heit auß zureutten (Denn eine schlechte Gewohnheit auszumerzen) Ist hart und
38 schwere, Die vonn jugent anbangt den teufen FOLZ 38,249. Dann, wie man sprücht,
was in der jugendt gewonet > das behangt und bleibt merthails im alter Denn, wie man
sagt, woran (man) sich in der Jugend gewöhnt, das hängt (einem) an und bleibt meist
im Alter ZIMMER. CHRON. 0,378,21.
Vgl. unten 2.2.1., JUNG 5,1.2,, KIND 3.4.2., LERNEN 3.1.-3.3., SÄEN 58
GEWOHNHEIT 4
Ähnlich:
39 Dt. Wer sich in der jugent sieb (lies: wil, Red.) gewen, Das im im alter schaden tut,
Furwar des end wtrt nimmer gut Wer sich in der Jugend willentlich an das gewöhnt,
was ihm im Alter schadet, fürwahr, dessen Ende wird nie gut FASTNACHTSP. 246,17.
40 Es thüt vil was man von jugent vff gewont bat Es macht viei aus, wenn man etwas von
Jugend auf gewohnt ist FRANCK 11,43 v.
1.2.2. —1.3. S.Inhaltsübersicht
1.4. Kinder und Narren (Ferkel) lassen sich leicht gewöhnen
4! Dt. NM erzeicte der tore zehant Daz der tore und diu kin t Vil Übte ze wenenne sint
Nun zeigte der Irre alsbald, dass der Tor und die Kinder sich sehr leicht gewöhnen
42 lassen HARTMANN v. AUE, IWEIN 3320. Chindl vna värl verwent man leicht. - Plene
consuescit homo porcum dum iuvenescit (Ausg.: invenescit) Kinder und Ferkel gewöhnt
man leicht. — Mit vollem Erfolg gewöhnt man das Schwein, solange es jung ist FREI-
DANK LAT. (GRAZ) 282.
2. Gewohnheiten sind zäh
2.1. Gewohnheiten sind dauerhaft
43 Mla t. Omnes bom mores breuis e_ui sunt, malt autem immortales Alle guten Gewohn-
heiten sind von kurzer Dauer, die schlechten dagegen sind unsterblich PETRARCA, VITA
SOL. 1,6,6 S. 113.
44 It. Li boni costumi poco durano, ma li cattivi non morono mat Die guten Gewohnhei-
ten dauern nur kurz, aber die schlechten sterben nie PETRARCA, VITA SOL. VOLG. 1,164
Kap. 31.
45 Nord. Gestit consueius pare mos passu fore fretus. — Wannce bidher bcestb Die Ge-
wohnheit rühmt sich, sie gehe mit (immer) gleichem Schritt voran.3 — Gewohnheit hält
46 sich (wörtl.: wartet) am besten LÄLE 436. Id quod metitur vsus melius stabüitur. —
Wants bidher bcestk Das, was die Gewohnheit durchschreitet, wird besser befestigt. —
... EBD. 480.
47 Dt. Dye bosz gwonheyten wärent lang Die schlechten Gewohnheiten dauern lange
BRANT, NARRENSCHIFF 66,105.
2.2, Gewohnheiten sind schwer abzulegen
2.2.1. Allg.
48 Mlat. Consuetudo mala vix aut nunquam superatur Eine schlechte Gewohnheit legt
49 man nur mit Mühe oder überhaupt nicht ab OTLOH., PROV. 306 D. Unde homo con-
suescit, uix unquam linquere nescit Woran einer gewöhnt ist, das kann er kaum jemals
50 lassen MSD 27,2,243. Difficile est consueta reimquere Es ist schwierig, das Ge-
51 wohnte zu lassen ÖD o CERIT., FAB. 22. Gravissimum enim est assueta relinquere Es
52 ist nämlich sehr schwer ... THOMAS CELAN.,, VITA I. FRANCISC. 1,4. Consuetudo mala
difficile tollitur Eine schlechte Gewohnheit legt man schwer ab ARNOLD. LEOD., AL-
53 PHAB. NARR. 137,26. Senex assuetus malis vix illa dimitüt Ein Alter, der an das Böse
54 gewöhnt ist, lässt kaum davon ab EBD. 470,26. Durum est assueta delinquere. Vix
homo dimisit rem consuetudine si fit. Que consuevit homo fix fugat illa domo Es ist
hart, das Gewohnte zu lassen. Kaum (je) hat einer aufgegeben, was aus Gewohnheit
geschieht. Woran man gewöhnt ist, das vertreibt man kaum aus dem Haus ROBERT 44.
55 Est grave consuetos homini dimittere mores Es fallt dem Menschen schwer, seine ge-
56 wohnte Lebensweise aufzugeben PROV. WRATISLAV. 183. Absque labore gravi ne-
queunt consueta repelli Ohne schwere Mühe lässt sich eine Gewohnheit nicht ablegen
5 GEWOHNHEIT
57 WERNER2 a 18. Qui mala consuesat, dum vult, dimittere nescit Wer sich an das Böse
58 gewöhnt, kann es nicht mehr lassen, wenn er will EBD. q §4. Grave est assueta dimit-
tere Es ist schwer, das Gewohnte zu lassen THOMAS KEMP.{?), IM IT. CHR. l, 11,46.
59 Fr. Vieuz «s fait maint home abaissier, Et nens n'est plus gries a laissier Alte Gewohn-
heit macht manchen absinken, und nichts ist schwerer zu lassen GAUT. D'ARRAS, ERA-
60 CLE 2534. Envis laist on c'on aprent Ungern lässt man, woran man gewöhnt ist
61 HUON LE ROI DE CAMBRAi, DsscRissiON 36, Envis lait on ou que on aprent PROV.
62 RUR. 146 (- MORAW. 707). Ki male custume levera II ne l'abatera quant il vodra Wer
eine schlechte Gewohnheit aufkommen lässt, wird sie nicht ablegen (können), wenn er
63 will ROMANIA 15,285 (Hs. A. 14. Jh.). Car qui aprent une coustume, Moult ä envis
s'en descoustume Denn wer eine Gewohnheit annimmt, gewöhnt sie sich nur mit gros-
64 ser Mühe wieder ab JACQUES BRUYANT 8 b. L'oyseux plaisir, quoy qu'il face a blasmer,
N'est pas legier a desacoustumer Die Gewohnheit des eiteln Vergnügens, obschon ta-
65 delnswert, ist nicht leicht abzulegen CHRISTINE DE PISAN, PROUV. MOUR. 91. Moult
est forte chose de delaisser longue acoustumance Es ist sehr schwierig, eine alte Ge-
wohnheit abzulegen ALAIN CHARTIER, QUADRILOGUE 13,15.
66 It. E por giu l'abito preso e difficilissimo Und es ist äusserst schwierig, eine Gewohn-
heit, die man angenommen hat, wieder abzulegen Bocc., COM. 1,86.
67 Span. Uso malo que priso non lo podie de jar Die schlechte Gewohnheit, die er ange-
68 nommen hatte, konnte er nicht lassen GONZALO DE BERCEO (»GiESE 92,5). Et desque
el home ha la cosa acostumbrada much o, facose muy grave de se partir della Und
sobald sich jemand an etwas sehr gewöhnt hat, fällt es ihm sehr schwer, das zu lassen
69 JUAN MANUEL (+GIESE 154,15). Coma dice el sabio, cosa dura e fuerte Es dejar la
cQStumbre, el fado e la suerte Wie der Weise sagt: „Es ist hart und schwierig, sich von
einer Gewohnheit zu befreien, vom Schicksal und von seinem Los" ARCIPRESTE 166.
70 Bezo malo tarde es dexado Schlechte Gewohnheit legt man spät ab NUNEZ 1,160.
71 Nord. Gesta prius trtta fix abdicat altera vita. — Onth cer wannce at kasthe Ein
neues Leben entsagt kaum den vorher gepflegten Gewohnheiten. — Eine Gewohnheit
72 ist schwer abzulegen LALE 434. Gestus vix abolet quos vir babere solet. — Wanne aer
ontb äff at ladhe Es gibt kaum ein Mann die Lebensweise auf, an die er gewöhnt ist. —
Von einer Gewohnheit ist schwer abzulassen EBD. 437.
73 Nt. Men stet gbemeynlijck alsser een quade gevvoonte oft privilegie op-gbecomen is,
datmense vvel qualijck af gbebrecken can Man sieht allgemein, wenn eine schlechte
Gewohnheit oder ein Vorrecht aufgekommen ist, dass man sie sehr schwer (wieder)
rückgängig machen kann REYNAERT 66 Kap. 39 (Morael).
74 Dt. Wan swes der man ist gewon, Da mac er übel kumen von Denn woran einer
75 gewöhnt ist, davon kommt er nur schwer los HEINR. v. D. TÜRLIN 22523. Swes der
man gewont hat, Daz ist wunder, ober daz sanfte lät Es ist ein Wunder, wenn jemand
76 das, woran er gewöhnt ist, leicht lässt CATO 547. Wan des der mensche in gewonheit
kumet daz ktibet im gerne ane Denn woran sich der Mensch gewöhnt, das haftet ihm
77 gern an BERTHOLD 1,201,3. So ist malich alt gewonheit ze lassenne Es ist so schwer,
78 alte Gewohnheit zu lassen SEUSE 221,3. Natürlich neigung und alte gewonheit ist
79 mulich zu lassen EBD. 456,16. Dar nach tuot we, swer muoz gewonheit brechen
Darauf tut es weh, wenn einer seine Gewohnheit brechen muss HAD. v. LABER, JAGD
80 382,5. Dar vmb spricht ein weiser meister Aristotiles. Difficile est consueta reim-
quere. Ez ist vnmugleich (unmöglich) die gewonhait ze verlazzen GESTA ROM.
si DEUTSCH 7 S. 15. It is swär ding utermaten Fan böser wonheid to loten Es ist über
82 alle Massen schwer, von schlechter Gewohnheit zu lassen LAIENDOCTR. 161, Wann
wes der mensch wirf gewon, Da cban er hart lassen von Denn woran sich der Mensch
83 gewöhnt, davon kann er nur schwer lassen SECRETA DEUTSCH D 219. [W]as der man
GEWOHNHEIT 6
gewonet hat Das ist ein wunder ob er das lat Wenn der Mensch an etwas gewöhnt ist,
84 dann ist es ein Wunder, wenn er davon lässt BÄCHTOLD, FAB. 7,1. Eck (seil. Salomon)
sey; Graue est consueta derelinquere ... Wes eyn bewonen ys, dat louet me, Tut he stck
af, dat {deit] am we Ich (Salomon) sage: Es ist schwer, das Gewohnte zu lassen. Wenn
einer an etwas gewöhnt ist, glaubt mir das, und das dann ablegt, das tut ihm weh
ss IMMESSEN 2367. Periculosum est canem intestina gustasse. — Hart lest ainer, das er
gewont hat Es ist gefährlich, wenn ein Hund (einmal) Eingeweide gekostet hat. —
86 Schwer lässt einer, woran er gewöhnt ist HAUER 389 (- HUND 481). Was man ge-
87 wandt, das lest man hart SACHS 111,74,2 (1536). ... Was man gewohnt, das las man
hart Dass man das, was man gewohnt ist, schwer lässt EBD. IX, 473,10 (1559).
Vgl. oben 1.2.1., NATUR 1.2.1.1.
Ähnlich:
88 It. A quelle case ehe uomo s' avvezza Si si mantiene Der Mensch hä'lt sich an die
Dinge, an die er sich gewöhnt SCHIAVO DI BARI 22.
2,2.2. s. Inhaltsübersicht
2.3. Gewohnheiten sind schwer zu ändern
2.3.1. Allg.
89 Fr. A grant paine puet homs changier ses meur$ Puis qu'il est ja viellart, chanus et
meurs Nur mit grosser Mühe kann einer seine Gewohnheiten ändern, wenn er schon
alt, grau und betagt ist CHRISTINE DE PISAN, PROUV. MOÜR, 34 (vgl. NATUR 43).
90 It. Che il cambiar suo costume e cosa dura Denn seine Gewohnheit zu ändern fällt
schwer BOIARDO, POESIE 364 (Tirnone 2,2,154}.
9l. 92 Span. Mudar costumbre, par es de muerte Seine Gewohnheit ändern ist (so schlimm)
wie der Tod LOPEZ (?), REFRANES 448, NUNEZ 11,401,
-> ÄNDERN 66. Vgl. ÄNDERN 12,, SITTE 2.2.
2.3.2. Spez.
93 It. Chi e uso a esser grande, malvolentieri puö stare basso Wer an hohe Stellung
gewöhnt ist, ist ungern unten FRANCESCO VETTORI (1513 [*MACHIAV., LETTERE 123
S. 237]).
3. Gewohnheit ist mächtig
3.1. Gewohnheit vermag viel
94 Lat. Consuetudinis magna vis est Die Gewohnheit hat grosse Macht Cic., Tusc.
95 2,17,40. Nil adsuetudine maius Nichts ist mächtiger ais Gewohnheit OVID., ARS
96 2,345, Gravissimum est Imperium consuetudinis Sehr streng ist die Herrschaft der
Gewohnheit PUBULIUS g 8.
97 Fr. Gar je vous di bien sanz doutance Que granz chose est d'acoustumance Denn ich
sage euch mit aller Bestimmtheit, dass die Gewohnheit eine grosse Macht ist GAUT.
98 D'ARRAS, ERACLE 3432. Acoustumance est trop poissanz Die Gewohnheit ist allzu
99 mächtig J. DE MEUN, ROSE 7137. Nule chose n'est (MoRAW.: est) plus grans d'acous-
tumance Nichts ist mächtiger als die Gewohnheit PROV. RUR. 259 (= MORAW. 1404).
100 Acoustumance est monlt poissant Die Gewohnheit ist sehr mächtig REN. CONTR.
101.102 22561. Car fort chose est d'acoustumance Denn die Gewohnheit ist eine grosse Macht
103 MONTAIGL. 1,325. BARBAZ. ET MEON IV, 283,217. Grant chose est d'acoustumance
EU ST. DESCH. 11,203,1.
104 Dt, Gewoneheit diu ist rich, Tumben [tuten schedeltch Gewohnheit ist mächtig und
105 dummen Leuten schädlich FREIDANK 108,7. Nature unde gewoneheit, Der beider
7 GEWOHNHEIT
kraft ist harte breit Natur und Gewohnheit, die Macht dieser beiden ist sehr gross EBD.
106 111,4. Gewonbeit die ist michel (gross) ALBR. v. SCHARFENBERG, J. TITUREL 3256.
107.10« Gewonbeit din ist riebe (mächtig) HELBUNG 8,1. Des sprecbent die when; vil tuot
lere, So tuot gewonbeit dennoch mere Darum sprechen die Weisen; „Viei vermag Lehre,
109 aber Gewohnheit vermag dennoch mehr" HUGO v. TRIM B ERG 10629. Des stet ge-
schriben; „Vil tuot lere, Gewonheit aber micbels mere (um vieles mehr)" EBD. 16161.
no. m Gut gwonheit bringet (vermag) vil BRANT, NARRENSCHIFF 73,79. Grauissimum impe-
rium consuetudinis. — Gewonheyt ist ein groß gewalt Übers, wie 96. — ... FRANCK
1,69 r.
Ähnlich;
112 Mlat. „Usus dat" laicidicunt „Die Gewohnheit will es so", sagen die Laien MATHEO-
113 LUS 2787. Comuetudo consuetudine vincitur Gewohnheit lässt sich durch Gewohn-
heit überwinden THOMAS KEMP.(?}, IMIT. CHR. 1,21,24.
3.2. Schlechte Gewohnheit schadet viel
114 Fr. Mauvaise coustume fait moult mal Schlechte Gewohnheit richtet grossen Schaden
an MORAW. 1206.
115 Nord. Lepra nocet morum magts vrbi dade rogorum, - Btedrte azr wodhe ildb i by
(£n ondb tuance Schlechte Sitten {wörtl.: Aussatz der Sitten) schaden einer Stadt mehr
als verheerendes Feuer (wört!.; Schaden der Scheiterhaufen), — Besser ist Feuersbrunst
116 in der Stadt als üble Gewohnheit LÄLE 553. Pir grauat effusus minus opida quarn
malus vsus. - Biedre cer waadbe ildb i by < ondh wannte Entfesseltes Feuer schädigt
eine Stadt weniger als schlechte Gewohnheit. — ... EBD. 786.
117 Dt. Boese gewonheit und boese site Die sint gar des tiuvels seil Da mit er uns zinket
zunheil Schlechte Gewohnheit und schlechte Sitten, die sind ganz und gar des Teufels
iis Seil, mit dem er uns ins Verderben zieht THOM. v. ZIRCLARIA 12018. Boesiu gewone-
heit Machet schaden unde leit Schlechte Gewohnheit verursacht Schaden und Leid FREI-
119 DANK 108, 9. Des wizzet daz boesiu gewonbeit Aller Sünden insigel treit Darum wis-
set, dass schlechte Gewohnheit das Gepräge aller Sünden trägt! HUGO v. TRIMBERG
120 9529. Zwtfel (Zweifel) und boese gewonheit Macbent der helle strazen (die Strasse
121 zur Hölle) breit EBD. 13493. Wizzet daz boese gewonheit Aller sünden banier
treit ,.. die Fahne aller Sünden trägt! EBD. 21145,
3.3. Gewohnheit und Natur
3,3.1. Gewohnheit verändert die Natur
122 Mlat. Consuetudo eciam naturam aliquando alterat Die Gewohnheit verändert zu-
weilen auch die Natur ARNOLD. LEOD., ALPHAB. NARR. 137,24.
12,? Pro v. Qu'ieu atruep sert e l'escriptura, C'avol us o bon forsan natura Denn ich habe
gewiss in der Schrift gefunden, dass gute oder schlechte Gewohnheit die Natur bezwingt
G. DE L'ÖLIVIER 66 (+BARTSCH, DENKM. 46,13).
124 It, l)so convene natura Gewohnheit verändert die Natur PAOLO DA CERTALDO 289
S. 166.
125 Dt. Dik (Oft) verwandelt diu gewonheit Die natür, als (wie) man uns seit (sagt) Bo-
126 NER 65,5. Dar umb ist der Spruch war, der da spricht: diu gewonhait ist ain wechsle-
rin der nätür Darum ist das Sprichwort wahr, das da sagt: „Die Gewohnheit verändert
127 die Natur" KONR. v. MEGENBERG 29,16. Dar umb so saget uns der weis; Wollust
und gewonhait Fälschent kunst und grechtikait Und verkerent die nataur WITTENWI-
LER, RING 4395.
Vgl. ERZIEHEN 4.1., KÖNNEN 12.2.