Table Of ContentTheologische
Realenzyklopädie
In Gemeinschaft mit
Horst Robert Balz • Richard P. C. Hanson
Sven S. Hartman • Richard Hentschke
Vtolfgang Müller-Lauter - Carl Heinz Ratschow
Knut Schäferdiek • Martin Schmidt • Henning Schröer
Clemens Thoma • Gustaf Wingren
herausgegeben von
Gerhard Krause und Gerhard Müller
Band I
Aaron - Agende
Walter de Gruyter • Berlin • New York
1977
Redaktion: Herwig Imendörffer
Lieferung 1 Aaron - Abendmahl IV ersch. Oktober 1976
Lieferung 2 Abendmahl IV (Forts.) - Abcndmahlsfeicr IV ersch. Dezember 1976
Lieferung 3 Abendmahlsfeier IV (Föns.) - Ägypten ersch. Februar 1977
Lieferung 4 Ägypten iForts.] - Afrika ersch. Mai 1977
Lieferung S Airika(Fotts-) - Agende ersch. Juli 1977
Theologisch* RealenzykJopädtc ; in Gemeinschaft mit Horst Robert
Balz ... hrsg. von Gerhard Krause u. Gerhard Müller. - Berlin,
New York: de Gruyier.
NF.: Krause. Gerhard [Hrsg.)
Bd. I. Aaron - Agende. - 1. AufL - 1977.
ISBN J-11-006944-X
Copyright 1977
by VPalter de Gruvter & Co.. vormals G. J. Güschen'schc Verlagshandlung. J. Guttemag,
Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer. Karl J. Trübner. Vcir Je Comp.. Berlin 30.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Vcrbrcirung sowie der
Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form idurch Phociv
kopie. Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftlich« Genehmigung des Ver
lages reproduziert werden. Printcd in Yugoslavia.
Satz und Druck: Casop<sno grafieno pudjetje Dclo. Ljublana
Bindearbeiten: VFubben & Co., Berlin 42
Vorwort
Die Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche - die RE - wurde
von Albert Hauck in ihrer 3. Auflage, abgesehen von den Nachtragsbänden, mit
dem 21. Band 1908 abgeschlossen. Die zwei Generationen von Theologen, die seit
dem die theologische Forschung weitergetrieben haben, faßten die Ergebnisse ihrer
Arbeit nicht enzyklopädisch zusammen. Es erschienen in dieser Zeit große Spezial-
werke in den einzelnen Disziplinen oder kürzer gefaßte Nachschlagewerke. Eine
Repräsentation der theologischen Forschung im Ganzen hat es seit Haucks Realen
zyklopädie nicht gegeben. Wir sind der Uberzeugung, daß eine solche Repräsentation
gegenwärtig erneut in Angriff genommen werden muß. Das zeigt allein schon fol
gende Tatsache: Die theologische Forschung ist während der 50er und 60er Jahre
insofern in ein neues Stadium getreten, als die Einzclfächcr bewußter als in frü
heren Jahrzehnten nach dem Gesamrzusammcnhang von Theologie fragen. Die
Überzeugung, Theologie weder als Exegese noch als Historie oder Systematik hin
reichend darstellen zu können, ist nahezu selbstverständlich geworden. Damit aber
ist die Grundvoraussetzung dafür, theologische Forschung erneut als ganze sehen
zu können und ihre Darstellung zu unternehmen, gegeben.
Eine erneute Repräsentation der theologischen Forschung ist aber auch aus fol
gendem Grur.de wünschenswert: Wenn man einzelne Artikel der ^aiten' Reaien-
lopädie liest oder die Stichwortauswahl ansieht, so wird einem deutlich, wie
'stark die theologische Forschung und das Selbstbewußtsein der Theologie als Wis
senschaft sich in den letzten 60 Jahren gewandelt haben. Gewiß, auch heute noch
wird die RE3 zum Teil mit Gewinn benutzt. Sic ist in bestimmten Bereichen
von der Forschung nicht „überholt". Daher muß auch diese Arbeit an vielen Stellen
an die in der RE3 geleistete Arbeit anknüpfen. Die Information der REJ über
kiichcn- und dogmenhistorische Sachverhalte ist gemäß dem Quellenstand ihrer Zeit
zuverlässig und gut. Aber die Fragestellung, unter der Stichwörter ausgewählt und
»Fakten" der Artikel zusammengestellt wurden, entspricht nicht mehr dem gegen
wärtigen Erkenntnisstand.
In drei Richtungen kann man die Veränderung theologisch wissenschaftlichen
Arbeitens sich klarmachen: Erstens hat sich seit dem Ende des I. Weltkrieges das
Denken als Ausdruck von Selbst- und Weltverständnis des Menschen kataraktartig
verändert. Sowohl das Methodenbewußtsein wie die Bestimmung des Verhältnisses
des Forschers zu seinem Gegenstand - um nur dieses beides zu nennen - werden
heute anders als vor 60 Jahren angesetzt. Zweitens hat sich das theologische
Arbeiten selbst verändert. Denken wir beispielsweise nur an den Aufbruch der
dialektischen Theologie oder an die Bewertung der exegetischen Grundlagen für
das theologische Denken. Beide Impulse sind aus ihrer zeitweise beherrschenden
Stellung zwar gewichen, haben aber das theologische Denken insgesamt verändert.
Drittens spielt eine zunächst scheinbar äußerliche Tatsache eine Rolle. In der RE*
dominierte eindeutig die deutsche theologische Forschung. Wir arbeiten heute aber
m einem internationalen wissenschaftlichen Klima. Der Einfluß z. B. nordischen
oder nordamerikanischen Denkens auf unsere Theologie ist ebenso wesentlich wie
un einzelnen kaum noch auszumachen. Daher kann der Herausgeber- wie Mit-
*ri>ejterkreia nicht auf die Beteiligung der internationalen theologischen Forschung
VI Vorwort
Terzicriren. Bedenken wir nur d«e«e drei Ver3r.dcrar.goi v.-isscnschaftlich theologi
schen Arbcitcns, so leuchtet es ein, daß die RES aus der Zeit um die letzte Jahr
hundertwende keine Repräsentation der thcologuch.cn Forschung der Gegenwart mehr
sein kann. Es wird deutlich, daß auf dem Hintergrund so tiefer Veränderungen eine
erneute Repräsentation der gegenwärtigen Forschung eine dringliche und lohnende
Aufgabe ist.
Eine rcalenzyklopädische Arbeit, die unter den Bedingungen dieser Veränderun
gen geschieht, will also die theologische Forschung in ihrem gegenwärtigen Stande
repräsentieren. Damit erfüllt sie eine Aufgabe, die einerseits dieser Forschung selbst
zugute kommt, insofern sie sichtbar macht, was dem einzelnen Forscher unüber
schaubar geworden ist. Damit leistet sie andererseits einen Dienst, auf den die
Frauen und Männer, die in ihren Arbeitsbereichen mit Theologie umzugehen haben,
angewiesen sind. Wenn man täglich z. B. als Pfarrer oder Lehrer, in kirchcnlcitcndcr
oder kirchcnpolitischcr Tätigkeit wie in den sich ständig spezialisierenden kirch
lichen Berufen theologische Entscheidungen zu fällen hat, dann braucht man die
Möglichkeit, sich zu vergewissem, wie die auftauchenden Probleme in der Gegen
wart wie in der sie bedingenden Geschichte von Theologie und Kirche angegangen
und beurteilt sind. Der Dokumentation dieser Entscheidungsprozessc dient die
Arbeit an der Repräsentation der Forschung bis in die systematischen Artikel hinein.
In den systematischen Artikeln eines realenzyklopädischcn Werkes nämlich geht es
vorrangig um die Erfassung dessen, was heute in den verschiedenen christlichen
Kirchen geglaubt wird. So dokumentiert eine Realenzyklopädie die theologischen
Stellungnahmen in Vergangenheit und Gegenwart, informiert damit Uber die Grund
lagen fälliger theologischer Entscheidungen in Kirche, Unterricht, Mission und
leitet zu selbständiger Urteilsbiidung an.
Diese Arbeit wird man gegenwärtig nicht in einem „protestantischen* Selbst
bewußtsein durchführen, wie dies für Albert Hauck in der ResUncykiopädie für
protestantische Theologie und Kirchs noch selbstverständlich war. Mit dem öku
menischen Bewußtsein ist in den letzten 60 Jahren ein auch für die theologische
Arbeit maßgebendes Wissen um die Einheit der christlichen Kirche im Unterschied
ihrer konfessionellen Ausprägung gewachsen. Die theologische Reflexion kann sich
in keiner ihrer Hinsichten davon distanzieren, daß die konfessionell bestimmten
Uberzeugungen nicht sich selbst dienen, sondern Ausdruck der einen christlichen
Wahrheit sind. Wenn enzyklopädische Arbeit die theologische Forschung in ihren
einzelnen Ausprägungen repräsentiert, so gilt diese Arbeit damit also der einen
christlichen Wahrheit. Je mehr in einer solchen Arbeit die Pluriformität zu Worte
kommt, desto angemessener ist die eine christliche Wahrheit repräsentiert. Das
ökumenische Denken gilt ja nicht der Aufhebung der einzelnen Überzeugung, son
dern ihrer Erschließung zum gemeinsamen Handeln. Diese Tatsache findet darin
einen Ausdruck, daß die Herausgeber und Mitarbeiter verselüedenen Kirchen an
gehören und daß die Dokumentation sich auf alle Bekenntnisse erstreckt.
Gegenüber der Betonung der „Protestantischen Theologie und Kirche" in der
RE* sprechen wir im neuen Titel von dem Theologiseben als dem Charakter der
Rcalenzyklopädic. Damit tragen wir der bereits erwähnten Weiterentwicklung des
theologischen Selbstbewußtseins Rechnung. Man kann wohl sagen, daß die Theo
logie in allen Ausprägungen, die sie heute findet, sich zwar nicht mehr als „Funk
tion der Kirche" begreift, aber daß sie ihre Arbeit in klarer Ausrichtung auf das
Geschehen der Kirche tut. Theologie ist kein Selbstzweck, sondern in ihren Grund
lagen und Zielen auf Kirche bezogen. Das neue Bewußtwerden dieser Problematik
hat die Theologie der Kirche in neuartiger Weise eröffnet, so daß theologische
Forschung von ihren kirchlichen Gründen wie Zielen nicht absehen will und kann.
Darin hat Theologie ihren aller Arbeit in den Einzeldisziplinen überlegenen Konver-
Vorwort VII
gempunkt. Das Bewußtsein ist in allen Disziplinen gcgeuwäuig da, über die eigene
Eiraelarbcit hinaus mit den anderen Disziplinen gemeinsam an dem Theologischen
zu arbeiten. Dieses Theologische bezeichnet den reflektorischen Hintergrund für
Predigt und Sakramentsverwaltung, für alle kirchlichen Tätigkeiten wie für christ
liches Glauben und Leben. Diese Konvergenz bezeichnet den Integrationspunkt der
verschiedenen Einzeldisziplincn und ihrer Arbeit. Uro die Integration der verschie
denen theologischen Disziplinen aber geht es im allgemeinen theologischen Gespräch
der Gegenwart wie zumal in dieser enzyklopädischen Arbeit.
Wir haben für die Arbeit an der Realenzyklopädic ihren theologischen Cha
rakter zunächst intentional als den allen Einzeldisziplincn überlegenen Konvergenz
punkt im Geschehen der Kirche beschrieben. Wie der christliche Glaube aber als
Haltung nicht zureichend beschrieben werden kann, so kann das Theologische inten
tional nicht zureichend charakterisiert werden. Es geht im christlichen Glauben um
Inhalte, die geglaubt werden, und es geht der Theologie um die Reflexion dieser
Inhalte. Die verschiedenen Einzeldisziplincn vollziehen diese Reflexion in ihrem
verschiedenen methodischen Vorgehen. Der Inhalt aber aller dieser methodisch ver
schieden arbeitenden Disziplinen ist der Gott, der Israel als sein Volk erwählte, der
als Jesus von Nazareth der Welt präsent war und der die christliche Kirche als
Heiliger Geist mit seinem Wort bis in die Gegenwart aufbaut. Dieser Gort ist der
Inhalt, auf den alles theologische Tun bezogen ist. Dieses theologische Tun kann
deshalb wissenschaftlich forscherisches Tun sein, weil dieser Gott sich welthaft
profanem Geschehen - Israels Geschichte, Jesu Person, Won und Werk, der Insti-
tutionalitit und Lehre der christlichen Kirche - einbezog. Das fordert den christ
lichen Glauben zur denkenden, wissenschaftlich verantworteten Vergewisserung in
etischer, historischer, religionsphilosophisch-systematischer wie praktisch-theo-
ischer Arbeit heraus. Darüber hinaus geht es im theologischen Arbeiten um
denkerisches Geschehen, das der Philosophie nicht entbehren kann. Es geht um das
Verständnis religiöser Vorgänge, die ohne Religionsgeschichtc nicht interpretierbar
sind. Es geht auch um das Gespräch mit dem Glauben, Leben und Denken des
Judentums. So kann das theologische Arbeiten im ganzen auf die Mitarbeit von
Philosophie, Religionsgcschichte und Judaistik niemals verzichten.
Die Theologische Realenzyklopädie versteht also ihren theologischen Charakter
zweifach: als Konvergenz der disziplinaren Einzelarbeit auf das Geschehen Kirche
hin und als Bezug auf den Inhalt, der der Grund der Kirche ist. Beide Bezugnahmen
integrieren Theologie als Gemeinsamkeit der verschiedenen Einzeldisziplinen. Wenn
wir also in einem solchen Werk in vielen Artikeln wie z. B. bei der Frage nach der
Kirche oder dem Amt der Kirche mehrere Disziplinen im Nacheinander zu Worte
kommen lassen, so ist die theologische Einheitlichkeit dieser Sammclartikel nicht
•n einem gemeinsamen methodischen Vorgehen oder in inhaltlicher Kohärenz zu
suchen, sondern in der doppelten Richtung von integrathrcr Konvergenz und in-
haldicher Einheit. Diese theologische Einheitlichkeit der verschiedenen Teilartikel
verbindet die Methodenbesonderheit der Teilartikel und kommt in ihrer Unter
schiedlichkeit zum Tragen.
Damit stehen wir in der Problematik des real-enzyklopädischen Arbeitens. Die
Bezeichnung des Realenzyklopädischen scheint zunächst Gegenläufiges zu mar
kieren: Das Reale ist das Einzelne, das als historisches Geschehen, als historische
Gestalt oder auch als Begriff da war und wirksam wurde. Das Enzyklopädische ist
die Erfassung des Ganzen, aus dem das Einzelne als Einzelnes dieses Ganzen er
wächst, und auf das das Einzelne in seiner realen Wirkung als sein Ziel hin wirkt.
Das Ganze ist für theologisches Arbeiten jenes intentionale Integrativ Kirche und
der geschichtliche Grundinhalt Gott. Dies kommt am Einzelnen und seiner Dar
stellung als Voraussetzung wie als Ziel - d. h. enzyklopädisch - zur Aussage, Weil
VIII Vorwort
diese Arbeit an den realia interessiert ist, ist sie schwersewichtig historisch mit des
einzelnen Gestalten, Ereignissen oder Begriffen befaßt. Weil diese Arbeit enzyklo
pädisch gerichtet ist, darum bringt sie am Einzelnen das Ganze als seinen Grund
wie sein Ziel - was man heute auch wirkungsgeschichtlich nennt - zur Aussage.
Das Ganze, um das es in einer Enzyklopädie geht, ist also nicht alles Einzelne in
mechanischer Summation - also alle Päpste oder alle Könige Israels oder alle
scholastischen Begriffe. Vielmehr ist dasjenige Einzelne von Belang, an dem das
Ganze zur Darstellung gebracht werden kann. Das heißt: Nur der Name oder
Begriff ist ein Stichwort dieser Enzyklopädie, an dessen real-historischer Erforschung
das Ganze von Theologie als Intentionalität auf die Kirche wie als inhaltliche
Gründung und Ausrichtung auf diesen Gott hervortreten kann. Dabei fallen viele
Namen und Einzelbegriffe heraus. Viele Namen und Begriffe sind in anderen
Beziehungen wichtig, für ein theologisches Forschen unter enzyklopädischem Ge
sichtspunkt sind sie nur einzelnes ohne erfaßbaren Bezug auf dieses Ganze. An
ihnen läßt sich der enzyklopädische Gesichtspunkt nicht herausarbeiten. Aus diesem
Grunde führt die TRE neben den Artikelstichwörtem Verweis-Stichwörter, die auf
die Behandlung von an sich wichtigen Personen und Begriffen innerhalb anderer
Stichwort-Artikel hinweisen. Da in allen Artikeln darüber hinaus viele Namen und
Begriffe herangezogen und z.T. ausführlich behandelt werden, wird die Theolo
gische Real-Enzyklopädie in den Bandregistern alle Namen und Begriffe zugänglich
machen, die vorkommen. Dadurch wird der informative Wert des Werkes gerade
durch die enzyklopädische Einordnung vieler Einzeldinge erhöht und seine Benutz-
barkeit erleichtert. Ein Gesamtregister wird den Abschluß der Theologischen Real
enzyklopädie bilden.
Die Theologische Realenzyklopädie soll in ihrem Umfang etwa der früheren
RE* angenähert sein. Das heißt, daß die einzelnen Gegenstände auf ausreichendem
Raum, wenn auch n:cht in monographischer Breite aargestellt werden. Die Theolo
gische Realenzyklopädie versteht sich insofern nicht als Lexikon, als die Stichwort
auswahl nicht lexikalischen Automatismen folgt. Sie versteht sich aber auch in
sofern nicht als Lexikon, als die Artikel nicht eine kurze Zusammenfassung von
anderswo Erarbeitetem bieten sollen, sondern die Probleme selbständig aufarbeiten.
Die Artikel dieser Enzyklopädie sollen dem Anspruch, Beiträge zur Forschung zu
sein, zu genügen suchen. Das ist ein hoher Anspruch an die Mitarbeiter. Dieser
Anspruch wird sich nicht in allen Fällen in gleicher Weise erfüllen lassen. Aber er
zeigt die Tendenz, in der die Herausgeber die Planung geführt haben. Die gegen
wärtige Erforschung der verschiedenen Gegenstände soll in eigenständigen Bei
trägen repräsentiert werden, die von den Autoren gezeichnet und inhaltlich ver
antwortet werden. Wenn die gegenwärtige Forschung in eigenständigen Beiträgen
repräsentiert wird, dann wird diese Forschung damit auch weitergetrieben. Jeden
falls wird mit gelingender Repräsentanz der Grund für weitere Forschung gelegt.
Dieser Gesichtspunkt hat uns auch bewogen, Quellen- und Literaturangaben einen
breiten Raum einzuräumen. Auch die Theologische Realenzyklopädie ist ja kein
Endpunkt, sondern versteht sich als ein Anfang neuer Arbeit.
Die 1967 begonnene Vorbereitung der Theologischen Realenzyklopädie be
anspruchte im Vergleich mit anderen wissenschaftlichen Gemeinschaftswei ken
nur eine mittlere Dauer. Dem Verlag, der vor allem die Kostenlast dieser Jahre
getragen hat, gilt unser Dank. Der ursprüngliche Herausgeberkreis erfuhr während
dieser Zeit mehrere Veränderungen teils aus Alters- oder Krankheitsgründen, teils
wegen neuer beruflicher Verpflichtungen, teils weil die Übereinstimmung mit dem hier
entwickelten Arbeitsprogramm nicht ausreichte. Gleichwohl haben alle diese Her
ausgeber das Werk der Theologischen Realenzyklopädie gefördert, fast alle sind
Autoren von Artikeln geblieben, und ein Teil der beiden ersten Bände ist ihrer
Vorwort IX
M^bcicirung zu denken. Kein Kasdigcr wird bei der Viclgcstaltigkeh d« in der
Theologischen Realenzyklopädie behandelten Gegenstände und bei der Eigenpräping
der zahlreichen Autoren in allen Artikeln eine gleichmäßige Lösung der theologisch-
enzyklopädischen Aufgabe erwarten. Umso mehr danken wir allen Autoren, daß
sie sich dieser besonderen Aufgabe gestellt haben. Die Herausgeber können zur
Lösung dieser Aufgabe nur Hilfsdienste leisten.
Für den Herausgeberkreis:
Carl Heinz Ratschow
Aaron 1 1
in / Aaronitiscb.cs Priesterrum
I. Im Alten Testament II. Im Judentum
I. Im Alten Testament
1. Aaron 2. Aaronilisches Priestertum
S 1. Aaron
In der endgültigen Fassung des Pentateuchs erscheint Aaron (Etymologie un
gewiß) vor allem als Bruder und Begleiter Moses und als Urbild der legitimen
Priesterschaft Israels. In den verschiedenen älteren Überliefcrungseinheiten ist aller
dings keine einheitliche Auffassung von Aaron zu finden, seine Erwähnung in den
'° frühesten Pentateuchschichten (JE) in der Regel sogar sekundär.
In der übctlicferungseinheit Ex 17,9-16, wo seine Gestalt mitsamt der des
Hur szenisch so verwurzelt ist, daS sie als ursprünglich betrachtet werden kann,
erscheint Aaron als Volksheros der Israeliten in der Wüste ohne weitere Merkmale,
in Ex 24,14 begegnen er und Hur zusammen als Anführer bzw. Häupter des Vol-
u kes. In einer Reihe anderer Texte wird er mit prophetischen Zügen versehen. In
der Erzählung über die Verhandlungen zwischen Mose und dem Pharao wurde
Aarons Name in einer Anzahl von Stellen jenem des Mose beigefügt und zwar im
Anschluß an die Bitten Pharaos um Fürsprache bei Jahwe (Ex 8,4. 24; 9,27f; 10,
16f), also im Blick auf eine Funktion, die in der späteren Königszeit als eine pro-
10 pherische galt (vgl. II Reg 19,2-4). In Ex 15,20 wird Mirjam, die eine Prophetin
genannt wird, als Schwester Aarons bezeichnet, jedoch keine verwandtschaftliche
Beriehung der heidrn ru Mt«c erwähnt, und in Num 12 werden Aaron und Mirjam
^pfogar durch eine oppositionelle Einstellung zu Mose miteinander verbunden. Die
Überliefemngsgescritchte von Num 12 ist allerdrnqs komplex rnd yrohlcpbebder'.
a Im Grundbestand könnte es sich um einen Gegensatz zwischen Mirjam und Mose
allein gehandelt haben, doch wie dem auch sei, Num 12,6-S nennt als Gegenstand
der Rivalität jedenfalls das prophetische Charisma, und Mirjam allein wird bestraft,
während Aaron - vielleicht nach Art prophetischer Fürbitte - bei Mose für sie ein
tritt. Diese Traditionen spiegeln wohl Interessen prophetischer Gruppen wider,
* wobei die Gründe für die Verknüpfung von Aaron und Mirjam in der Opposition
zu Mose unklar bleiben.
Im literarisch und übexlieferungsgeschichtlich recht komplexen Kapitel Ex 32 ist
Aarons Gestalt schwer zu bestimmen. Gewöhnlich wurde sie als urbildhaftc Figur
der Priesterschaft von Bethel verstanden, die eingeführt ist, um sowohl die Priester
schaft als auch das Heiligtum von Bethel zu diskreditieren; doch ist diese Erklärung
nicht gesichert. Die Erzählung bezieht sich zwar sicher auf die kultischen Einrich
tungen Jcrobeams I. in Bethel und Dan (vgl. I Reg 12,26-32), wurde aber erst
unlängst als Überlieferungscinhcit gedeutet, die in ihrer ursprünglichsten Form den
Kult in Bethel eher legitimieren als bekämpfen sollte (Bcyerlin 147f). Selbst in der
gegenwärtigen Fassung ist es das Volk, das die Initiative ergreift und daher - mehr
als Aaron - unmittelbar beschuldigt wird, wenn man von den Einfügungen V. 25b
und 35b (Noth, Exodus 201; Lehming 47f) absieht. Aaron weist auch keine spe-
^jsch priesterlichen Züge auf, zumal der Altarbau (V. 5) in Israel nicht als priestcr-
li^ü*
« Vorrecnt Dic später in V. 25a. 26-29 eingetragene levitischc Apologetik
dürfte also weniger auf innerpriesterliche Rivalitäten zurückgehen als auf das Be-
H*** '
11 die Jahwetreue der levitischen Elite gegenüber der Anfälligkeit des Volkes
kultischen Abfall kontrastierend herauszustellen. Aaron selbst ist jedoch nicht
als Lcvtt dargestellt, seine Rolle in Ex 32 ist vielmehr immer noch wesentlich die
w einc* Vollcsführers, der in seinem Dialog mit Mose (V. 21-24) freilich in einem
ungünstigen Licht erscheint. Die Gründe dieses - für Aaron abträglichen - Gegen
satzes zu Mose bleiben ebenso im Dunkeln wie in Num 12. Aarons Anteil an der
2 Aaron I
Schuld des Volkes wurde mit den späten Einfügungen V. 25b und 35b noch ver
schärft, möglicherweise im Zuge priesterlicher Polemik in exilischcr oder früh-
nachexilischer Zeit.
Andrerseits liegen vorpriesterschriftlichc Texte vor, die mit der Gestalt Aarons
priesterliche oder levirische Züge verbinden. Ex 18,12 bezog sich ursprünglich viel
leicht auf eine Szene mit sakralem Mahl und Bundesschluß zwischen den Midiani-
tern (vertreten durch Jcthro) und den Israeliten (vertreten durch ihre Ältesten). In
einer solchen Zeremonie wären Aaron und die Ganzopfer überflüssig, denn die
Ältesten genügen als Repräsentanz des Volkes, und die Ganzopfer gehören nicht
zu den bei Bundesschlüssen üblichen Opferarten. Da die Einfügung der Ganzopfer
und die ebenfalls sekundäre Zuordnung von V. 8-11 vermuten lassen, daß die Szene
in einem unmittelbaren kultischen Sinne neu interpretiert worden ist, könnte die
Einfügung Aarons in einer Zeit wachsender priesterlicher Vorrechte auf eine bereits
erfolgte Anreicherung der Gestalt Aarons mit pricstcrlichcn Merkmalen hindeuten.
Die traditionelle Gestalt Aarons (des Volksführers) wird auch in Ex 24,1.9 mit
den Ältesten verbunden, doch handelt es sich um sekundäres Material in einem
Kontext, in dem Aaron mit seinen traditionell als Priester bekannten (Ex 28,1;
Lcv 10,1; Num 3,2.4; 26,60f) Söhnen Nadab und Abihu erscheint. Die Einfügung
Aarons und zweier seiner Söhne in die Bundesschluß-Szenc am Sinai geht offenbar
auf den Wunsch zurück, für diesen feierlichen Akt die Führung der Priesterschaft
und des Volkes als Repräsentanten der Gemeinde miteinander zu verbinden. In Ex
4,14, einem anderen sekundären Text, der relativ jung, doch jedenfalls älter als P
ist, wird Aaron Levit und Bruder Moses genannt, zwei neue bedeutsame Züge von
beträchüichem Einfluß auf die weitere Geschichte seiner Gestalt.
In P ist Aaron noch Moses Begleiter in Ägypten (Ex 7,8; 9,8; 12,1) und in der
Wüste 'Ex lo,2.«>.9; Num 1,vi"; 2,1 u. o.,\ zugleich ein Propnet in dem Mnr.e, uab
er an Moses Stelle vor dem Pharao sprechen sollte {Ex 7,lf), femer ein Wunder
täter (Ex 7,9.19; 8,lf), vor allem aber der erste Hohepriester Israels, als solcher
durch Gott am Sinai bestallt, mit seinen Söhnen als Israels einzig legitimen Priestern,
denen alle nichtpriesterlichen Leviten untergeordnet werden (Ex 28f; 39; Lcv 8-10;
Num 3,5-4,49; 16-18). Dies blieben auch die vorherrschenden Züge im Bild Aarons
in der weiteren Überlieferung. Sic mögen in gewissem Ausmaß schon in einigen
Vorlagen von P vorhanden gewesen sein, wie auch der implizit priesterliche Aaron
in den früheren (wenn auch sekundären) Texten Ex 18,12; 24,1.9 ebenso wie der
levirische Aaron in Ex 4,14 vor P zu finden war.
Dieser Überblick macht deutlich, daß die Gestalt Aarons in der frühen Uber
lieferung mehrdeutig war und mit unterschiedlichen Merkmalen versehen erscheinen
konnte. Ursprünglich und historisch mag er Volksheld einer israelitischen Gruppe
des Südens (Noth, überlicferungsgeschichte 198; andere Meinungen bei Scebaß
30. 60 und bei Gunnewcg 87-91) gewesen sein und möglicherweise in levitischen
Kreisen des Südens auch levirische und pricstcrlichc Züge auf sich gezogen haben
(Cody 159-161), insbesondere falls Aaron in Ex 32 keine priesterliche Gestalt war
oder falls er eine solche erst im Verlauf der späteren Überlieferungsgcschichte der
Erzählung geworden ist. Am Ende der Ausbildung seiner Überlieferungsgestalt
wurde er jedenfalls von einer Priestergruppe des Südens in Jerusalem für apolo
getische Zwecke in Anspruch genommen.
2. Aaronitisches Priestertum
Der Ausdruck Söhne Aarons, der in P (Ex 28f u. ö.) und in anderen nachexi-
lischen Texten zu finden ist, bezieht sich ganz selbstverständlich auf die Jcrusalcmcr
Priesterschaft, der einzigen noch verbliebenen Priesterschaft des offiziellen palästi
nischen Judentums. Diese Priester werden als Nachkommen eines levitischen Aaron
Description:This work resumes and continues the work of the "Realenzyklopadie fur die Protestantische Theologie und Kirche" (3rd ed ), but with an ecumenical perspective surveying the entire Christian faith. Since completion of the above volume, important changes in scholarly thought, both in increased awarenes