Table Of ContentArchives of Supplement 1990/1
Oto-Rhino-Laryngology
Archivfiir
Ohren-, Nasen- und Kehlkopfheilkunde
Verhandlungsbericht 1990
der Deutschen Gesellschaft
fUr Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie
Tell I: Referate
Klinik und Therapie
der Dysphagien
Schriftleitung K. Fleischer
Herausgeber W Ey
Mit 98 Abbildungen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
London Paris Tokyo HongKong
Prof. Dr. med. KONRAD FLEISCHER, Universitats-HNO-Klinik
Feulgenstr. 10, 6300 GieBen
Prof. Dr. med. WERNER EY, HNO-Klinik
Stadtische Kliniken Darmstadt
Heidelberger Landstr. 379, 6100 Darmstadt-Eberstadt
ISBN-13: 978-3-540-52323-9 e-ISBN-13:978-3-642-84133-0
DOl: 10.1007/978-3-642-84133-0
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek:
Deutsche Gesellschaft fiir Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf-und Hals-Chirurgie:
Verhandlungsbericht ... der Deutschen Gesellschaft fUr Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf-und
Hals-Chirurgie.
Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; Hong Kong: Springer.
ISSN 0934-2400.
1990, Teil1. Klinik und Therapie der Dysphagien. -1990
Klinik und Therapie der Dysphiigien: Referate/Hrsg. W. Ey. - Berlin; Heidelberg; New York;
London; Paris; Tokyo; Hong Kong: Springer, 1990
(Verhandlungsbericht .. , der Deutschen Gesellschaft fUr Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf
und Hals-Chirurgie; 1990, Teill
(Archives of oto-rhino-laryngology: Supplement; 1990,1
ISBN-13: 978-3-540-52323-9
NE: Ey, Werner [Hrsg.]; Archives of oto-rhino-laryngology/Supplement
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Inhalfsverzeichnis
KIinik und Tberapie der Dyspbagien
w.
LIERSE
Zur funktionellen Anatomie von Pharynx, Osophagus und Trachea
beim Erwachsenen und beim Neugeborenen
(Mit 1 Abbildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1
J. F. RIEMANN
Das Krankheitsbild der Dysphagie aus internistischer Sicht
(Mit 14 Abbildungen). . . . . . . . . . . . . . . . . 9
G. HERTEL
Dysphagie aus neurologischer Sicht. . . . . . . . . . . . . . 25
v. JAHNKE
Klinik der pharyngoosophagealen Dysphagien
aus Hals-Nasen-Ohren-iirztlicher Sicht
(Mit 7 Abbildungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
W.F. THUMFART
Funktionelle und elektrophysiologische Diagnostik bei Dysphagie
(Mit 32 Abbildungen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
W. BRUHLMANN
Rontgendiagnostik des pharyngoosophagealen Uberganges
(Mit 19 Abbildungen). . . . . . . . . . . . . . . . . 87
W. Ey, U. DENECKE-SINGER, M. Ey, C. GUASTELLA und N. ONDER
Chirurgische Behandlung der Dysphagien im Bereich
des pharyngoosophagealen Uberganges
(Mit 25 Abbildungen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
K. EHRENBERGER
Aktuelle Konzepte der chirurgischen Rehabilitation
des Schluckaktes nach Pharyngolaryngektomie. . . . . . . . . 157
Archives of Suppl. 1990/1
Oto-Rhino-Laryngology
© Springer-Verlag 1990
Zur funktionellen Anatomie von Pharynx, Osophagus und Trachea
beim Erwachsenen und beim Neugeborenen
W.Lierse
Abtei1ung fiir Neuroanatomie (Prof. Dr. W. Lierse) Anatomisches Institut, Universitiits-Krankenhaus Hamburg-Eppendorf, -
D-2000 Hamburg
Inhaltsverzeicbnis 3.1 Obere Enge, intramural bedingt durch
Hypoganglionose und Venenanordnung . 4
Embryonaie Entwicklung - Vulnerabilitiitsphase
3.2 Mittlere Enge und Pars thoracalis . 5
fUr die Pathogenese von Fehlbildungen .
3.2.1 Sektorielle arterielle Versorgung und
2 Pharynx ........... . angiomyo-eiastischer WringverschiuB des
2.1 Aktion der Schlundschniirer- kaudalen Sphinkters . 5
pharyngoosophagealer "cross roll" . 1 3.3 Pars abdominalis 6
2.1.1 Schluckmechanismus ..... . 2
2.2 Epipharynx .......... . . 2 4 Trachea 6
2.2.1 Abwinklung und Pharynx/Schiideibasisknickung . 3 4.1 Pars cervicalis . 6
2.3 Mesopharynx.... .. . . . . . . . . . 3 4.1.1 Variationen der Nn. recurrentes . 7
2.4 Hypopharynx.............. 3 4.1.2 Arterielle Versorgung 7
2.4.1 Schlucken und Atmen beim Neugeborenen und
beim Erwachsenen . 3 5 Zusammenfassung 7
3 Osophagus............... 4 Literatur 8
1 Embryonale Entwicklnng - Vulnerabilitiitsphase unten in den Osophagus und den Larynx iibergeht.
fUr die Pathogenese von Fellibildnngen 1m Phamyx kreuzen sich Luft- und Speiseweg. Beim
Schlucken ist der Pharynx stark erweiterungsfiihig.
Der Pharynx liegt vor den ersten Halswirbeln. Der
Osophagus und Trachea sind Derivate des Vorder
obere Teil seiner muskularen Wand wird vom M. con
darms. Sie trennen sich in der 4. Woche der Entwick~
strictor pharyngis superior gebildet, der von der Schii
lung. Die zirkuliire Muskulatur entsteht in der 6. Wo
delbasis entspringt und hinten in die Raphe pharyrtgis
che. In dieser Zeit sind die ersten vagalen Nerven am
iibergeht. Die Insertion ist am Tuberculum phamyge
Osophagus sichtbar. Kurz danach oder gleichzeitig
um und der unteren Flache der Pars basilaris ossis oc
entsteht der Plexus myentericus. In der 7. Woche
cipitalis. Der mittlere Schlundschniirer setzt am
sprossen von der Aorta erste GefaBe ein. In der 9.
Zungenbein an, der untere erreicht den Schild- und
Woche entsteht die Liingsmuskulatur, die Muscularis
Ringknorpel. Urspriinglich sind die Muskeln mehr
mucosae erst im 4. Monat. Die Vulnerabilitiitsphase
horizontal gerichtet; mit der Streckung des Halses
fiir die Pathogenese von Fehlbildungen liegt daher
verlaufen sie steiler.
sehr friih in der 4. Woche der Embryonalzeit.
2.1 Aktion der Schlundschniirer
2 Pharynx
pharyngoosophagealer "cross roll"
Der Pharynx ist ein Raum (Cavitas pharyngis) mit. Die Aktion der Schlundschnitrer ist beim Neugeborenen
muskulosen Wanden, in den oben und vom die Na besonders ausgepragt: Bei Neugeborenen und Saug
senhOhle und die Mundhohle miinden und der nach lingen wird im Rontgenbild in Hohe des 2.-3. Hals-
2 W.Lierse
wirbels eine quere Eindellung sichtbar (pharyngooso dalis wird der Phaynx von einer unterschiedlich dik
phagealer "cross roll"). Diese nichtobstruierende Ein ken Knochenschicht von ihm getrennt. Das Relief der
engung liegt am Unterrand der Krikoidplatte. Sie ist oberen Wand ist variabel. Je nachdem das Sphenoid
ringformig und dorsal wesentlich tiefer ausgepragt als starker aufgetrieben ist, andert sich die Form der
ventral (Richteru. Lierse 1989). oberen Wand.
Die Schleimhaut der oberen Wand wird durch
lymphatisches Gewebe beherrscht, das besonders bei
Kindern sich machtig entwickelt.
2.1.1 Schluckmechanismus
Der Pharynx ist also gewissermaBen an der Scha
delbasis aufgehangt, ferner wird er am Hyoid und am
Durch Kontraktion der Constrictores werden Lage,
Kehlkopfbefestigt.
Form und GroBe der Halsorgane wesentlich beein
Die Muskulatur wird auBen von der Fascia pha
fluBt. Beim Schlucken heben sich Kehlkopf, Hypo
ryngea bedeckt. Ihre Befestigung ist seitlich fester als
pharynx und pharyngoosophagealer Eingang an.
hinten, wo sie durch lockeres Bindegewebe von der
Beim heftigen Einatmen senken sie sich. Beim Ausat
Lamina praevertebralis der Fascia cervicalis getrennt
men sind die praevertebralen Weichteile breit. Die be
wird. Es besteht somit eine Verschiebeschicht zwi
teiligten Muskeln und ihre Innervation finden sich in
schen Halswirbelsaule und der hinteren Pha
der Tabelle 1.
rynxwand. In diesem Spatium retropharyngeum liegen
retropharyngeale LymphgefaBe und ein Venenplexus.
Seitlich grenzt die Fascia pharyngea einen Bindege
2.2 Epipharynx websraum ab, dessen Wande durch den M. pterygoi
deus medialis mit dem Unterkieferast und hinten
Die Pars nasalis pharyngis (Epipharnyx) grenzt sich durch die vordere Flache der Massa lateralis atlantis
durch die Choanen gegen die Nasenhohle abo Seitlich und der Lamina praevertebralis gegeben sind. Der
wird die Grenze durch den senkrecht verlaufenden Raum hangt mehr oder weniger vollstandig hinten
Sulcus nasopharyngeus gebildet. Nach unten kann mit dem Spatium retropharyngeum und lateral mit
man die Grenze gegen die Pars oralis pharyngis durch der Parotisloge zusammen. Dieser Raum enthalt die
den gespannten weichen Gaumen angeben. Fast voll A. carotis interna, die V. jUgularis interna, die Nn. va
standig wird die Trennung beim Schlucken, indem der gus und glossopharyngeus, die Mm. styloglossus, sty
weiche Gaumen sich an die hintere Wand des Pharynx lopharyngeus und stylohyoideus. Es ist das Spatium
legt. Die obere Wand hat als knocherne Grundlage parapharyngeum.
die Pars basilaris ossis occipitalis vor dem Tubercu Die beim Neugeborenen noch knorpelige Unter
lum pharyngeum, die Synostosis sphenooccipitalis flache des Keilbeinkorpers ist das feste kaum ver
und einen Teil der unteren Flache des Corpus pssis formbare Dach. Unten und hinten ist der Epipharynx
sphenoidalis. Je nach Ausdehnung des Sinus sphenoi- durch Weichteile begrenzt: durch den weichen Gau-
TabeUe 1. Die beteiligten Muskeln, Nerven und Gewebe am Schluckakt wiihrend der oralen, der bukkopharyngealen und osophagea
len Phase
Bissenbildung Mundhohle Mimische Muskulatur (N. VIn
Kaumuskulatur (V,3)
Bl'.kkopharyngeale Phase MundhOhle/pharynx
LippenverschluB M. orbicularis oris (N. VII)
Zungenhebung M.mylohyoideus (N. V,3)
M. styloglossus (N. VII)
Pharynxhebung M. stylopharyngeus (N. IX)
M.geniohyoideus (N.XII)
M. stylohyoideus (N. VIn
M. constrictor pharyngis medius (N. IX)
M. thyrohyoideus (N. X)
M. constrictor pharyngis inferior (N. IX)
Osophageale Phase Osophagus obere Enge mit hypoganglioniirer Zone und liingsgerichteten
submukosen Venen
QuerverschluB oberer Sphinkter
Peristaltik myoelastisches System Plexus Osophageus (Nn. IX, X)
DehnverschluB unteres VerschluBsegment angiomyoelastisches System
Zwerchfellschenkel
Hiatus Osophageus
Zur funktionellen Anatomie von Pharynx, ()sophagus und Trachea beim Erwachsenen und beim Neugeborenen 3
men mit der Uvula sowie durch lockeres Bindegewebe der Abstand der Uvula von der Epiglottis ist noch ge
unterhalb des Basioccipitale des Clivus. Dieses retro ring. Je nach dem Kontraktionszustand der Schlund
pharyngeale Bindegewebe liegt groBtenteils unterhalb muskulatur konnen sich beide berUhren oder wenige
der Scbadelbasis und nicht pravertebral wie beim Er Millimeter voneinander entfernt sein. Die Epiglottis
wachsenen (Richter u. Lierse 1989). ist nicht standig in Kontakt mit der Uvula, wie es oft
Nach hinten unten geht der Epipharynx in den in der Literatur behauptet wird. Da der Mesopharynx
Mesopharynx iiber. Hierwird beim Sehlueken der Na ausschlieBlich von Weichteilen begrenzt wird, kann
sopharynx ~urch Anheben des weichen Gaumens mit sich dieser Raum, z. B. bei einer hochgelegenen Luft
samt der Uvula, durch Anspannen des Gaumensegels wegsobstruktion, stark aufweiten.
und Kontraktionen besonders des oberen Schlund
schniirers verschlossen. Wahrend der Kontraktion
kann sich der obere Schlundschniirer vorwolben. Auf 2.4 Hypopharynx
der seitlichen Rontgenaufnahme kann eine seitliche
zipfelige Ausziehung des Epipharynx nach hinten Als dritter Abschnitt des Pharynx gilt die Pars-Iaryn
oben in der Gegend des Ansatzes der Raphe pharyn gea pharyngis, die die unterste Etage bildet (Hypo
gis entstehen. Es ist denkbar, daB in diesem Kontrak pharynx). Sie verbindet den Aditus laryngis mit dem
tionszustand hier eine transnasal eingefiihrte Sonde Larynx, wahrend sie hinten dem oberen Rand des 6.
sich verfangen oder eine Verletzung der Epipha Halswirbels, beim Neugeborenen des 3. Halswirbels,
rynxwand verursachen kann (Richter u. Lierse 1989). entspricht. Der oberste Teil des Larynx mit dem Adi
Die Hinterwand des Epipharynx ist mit der Raphe tus laryngis ist in die Pars laryngea pharyngis gleich
pharyngis an der Schadelbasis befestigt. Beiderseits sam vorgestillpt, so daB die Pharynxschleimhaut late
des Ansatzes der Raphe ist die Hinterwand muskelfrei ral und hinten die Wand des Kehlkopfes bedeckt. An
und wird nur durch die Fascia pharyngobasilaris ge der vorderen Wand liegt bei aufgerichteter Epiglottis
bildet. An der Stelle der zipfeligen Aussackung befand der Aditus laryngis. Die seitlichen Wande bilden die
sich beim Embryo eine kleine Ausbuchtung des Ento beiderseits yom Kehlkopf gelegenen Recessus pirifor
derms in Hohe der Spitze der Chorda dorsalis, die mes, an deren Grund die Plica n. laryngei den Verlauf
sog. Luschkasche Tasche. Gelegentlich kann hier ein des N.laryngeus superior andeutet. Die hintere Wand
Rest der Bursa pharyngea persistieren. wird durch das Spatium retropharyngeum und die
Fasci~ praevertebralis von den 3.-5. Halswirbelkor
pern und den Mm. longus capitis und colli getrennt.
2.2.1 Abwinklung und Pharynx/ Schiidelbasiskniekung Der unterste Hypopharynxabschnitt liegt dorsal der
Krikoidplatte und bildet im Ruhezustand einen fron
Die Einengung oder eine Motilitatsstorung des Ra tal eingestellten Schlitz. Auf seitlichen Rontgenbil
chens konnen lebensbedrohlich werden, da in Hohe dern ist zu beachten, daB der Hypopharynx nicht etwa
des Epipharynx der Luftweg entsprechend der Sehii auf der Hohe der Recessus piriformes endet, sondern
delbasiskniekung abgewinkelt ist. Die Abwinkelung dorsal des Ringknorpels wesentlich weiter nach kau
betrifft den Luftweg und den Weg der Nahrungsauf dal reicht. Dieser unterste Hypopharynxabschnitt ist
nahme. Bei den meisten Saugetieren ist dieser Weg ge-. im Ruhezustand enggestellt. Er ist meist luftleer und
streckt; bei Neugeborenen betragt der Winkel im Lie dann auf einer Rontgennativaufnahme nicht abzu
gen wahrend des Trinkens ungefahr 120-130°. Beim grenzen (Richter u. Lierse 1989).
Erwachsenen ist der Winkel, der Knickung der Scha
delbasis entsprechend, kleiner.
2.4.1 Schlueken und Atmen beim Neugeborenen
und beim Erwaehsenen
2.3 Mesopharynx
Der Raehen spielt beim Schlueken und beim Atmen ei
In Hohe der hinteren Offnung, der MundhOhle befin ne wichtige Rolle. Schon intrauterin wird Amnion
det sich der Mesopharynx (pars oralis pharyngis). fliissigkeit geschluckt und "ein-und ausgeatmet". Auf
Hier kreuzen sich Atem- und Nahrungsweg. Der postmortalen Rontgenaufnahmen von Feten und
Zungengrund bildet die Vorderwand, der mittlere Friihgeborenen, die nicht geatmet haben und nicht
Schlundschniirer die Hinter- und Seitenwande. Dor beatmet wurden, kann man bei vollig unbeliifteten
salliegen die pravertebralen Weichteile in Hohe des Lungen verschluckte Luft im Magen sehen. Auch
Atlas und der Axis. spater wird Luft nicht nur eingeatmet, sondern in be
Der Mesopharynx ist beim Neugeborenen noch trachtlichen Mengen verschluckt. Bei Neugeborenen
niedrig und liegt weiter kranial als beim Erwachsenen; mit einer starkeren zerebralen Scbadigung findet sich
4 W.Lierse
dagegen keine Luft im Magen. Diese Beobachtung beobachtet: Die obere, die mittlere und die untere
spricht fUr die medullare Steuerung der Schluckbewe Enge.
gungen. Die sensiblen Schenkel sind die Nn. glosso
pharyngeus und vagus, und die motorischen sind
ebenfalls diese beiden Hirnnerven, deren Kerne in der 3.1 Obere Enge, intramural bedingt durch
Medulla oblongata liegen (Richter u. Lierse 1989). Hypoganglionose und Venenanordnung
Das Neugeborene kann zu gleicher Zeit atmen
und schlucken. Durch Rontgenkinematographie zeig Die obere Enge entspricht in der Regel dem hinteren
te Lassrich, daB das Neugeborene fUr einen Atemz-ug Umfang oder dem unteren Rand der Cartilago cricoi
das Saugen und Schlucken unterbricht. Das Neuge dea. Die Einengung wird jedoch nicht durch auBere
borene atmet nur dann, wenn der Rachen in Hohe des Strukturen, sondern durch intramurale Besonderhei
Kehlkopfeinganges keine Nahrung enthalt. Der Kehl ten verursacht. Beginn und Ende des tubularen Ver
deckel senkt sich durch aktiven Muskelzug (M. ary dauungstraktes zeichnen sich durch Zonen besonde
epiglotticus und thyroepiglotticus) iiber den Kehl rer Sensibilitat und durch Hochdruckzonen aus. Der
kopfeingang, wenn sich der Rachen beim Schlucken tubulare Magen-Darm-Kanal, der hier beginnt, ist
fUllt. Dann hat der Kehldeckel keinen Kontakt mit durchgehend nach dem Bauplan zweier ineinander ge
der Uvula. In diesem Moment wird die Atmung kurz steckter Rohre konstruiert; das innere Schleimhaut
zeitig unterbrochen. rohr dient der Resorption und Sekretion, das iiujJere
Beim Schlucken verkiirzt sich der Rachen. Der Muskelrohr dient der Bewegung und dem VerschluB.
Osophagusmund offnet sich, bevor die Nahrung im Die Steuerung der Muskulatur im auBeren Rohr ge
Hypopharynx angelangt ist. Das spricht fUr die ner schieht myogen, hormonal und nerval (Ingelfinger
vose Steuerung durch den N. vagus iiber die Medulla 1958; Doty 1968; Christensen u. Lund 1969; Weis
oblongata. Wahrend des Trinkens ist die Offnungszeit brodt 1976). Die koordinierte Bewegung der glatten
relativ lang: 1/2 s. Bei einem 6 Monate alten Saugling und quergestreiften Muskulatur ist von der Balance
betragt sie 1/6 s. exzitatorischer und inhibitorischer Vorgange abhan
gig. Die Muskelzellen des Verdauungstraktes haben
gap junctions und verfUgen iiber eine gute Leitfahig
keit. Die Erregung entsteht autonom innerhalb des
3 Osophagus
Muskelzellverbandes in sog. Schrittmacherzellen, die
spontan depolarisiert werden. Uber die Gap junctions
Der Osophagus beginnt am Ubergang zum Pharynx breitet sich die Erregung aus (Dbersichten bei Baum
in Hohe des 6. Halswirbels und erstreckt sich bis zum garten 1980; Furness u. Costa 1974; Gershon et al.
Ubergang an der Kardia des Magens in Hohe des 11. 1980).
Brustwirbels. Er durchzieht den Hals, den Brustkorb 1m Bereiche des oberen Osophagusmundes hat die
und tritt in den Bauchraum. Man unterscheidet daher Speiserohre glatte und quergeStreifte Muskulatur.
eine Pars cervicalis, eine Pars thoracalis und eine Pars Nach den Untersuchungen von Weisbrodt (1976) und
abdominalis, ohne daB es feste Grenzen gibt. eigenen (Stelzner et al. 1986) fehlen am oberen Oso
Fiir die Pars cervicalis und thoracalis ist bezeich phagus in einer schmalen etwas gegen die Horizontal
nend, daB die Speiserohre iiber lange Strecken der ebene gekippten Zone die Ganglienzellen. Hierdurch
Hals- und Brustwirbelsaule ventral anliegt. Diese besteht ein erhohter Dauertonus und aktiver AbschlujJ.
Strecke, in der sie die Wirbelkorper beriihrt, reicht Er ist dem aganglionaren aktiven AbschluB am Anal
vom 6. Halswirbel bis zum 9. Brustwirbel. Der Oso kanal im M. sphincter ani internus vergleichbar
phagus geht am unteren Ende des Krikoids aus der (Fleischhauer et al. 1966). So wie der VerschluB am
Pars laryngea pharyngis hervor. Auf die Wirbel,saule Anus durch langs angeordnete Venenpolster unter
bezogen, beginnt sie beim Erwachsenen in Hohe des stiitzt wird (Stelzner et al. 1962), wird der obere
Processus transversus des 6. Halswirbels. Dieser Sphinkter am Osophagus durch in der Submukosa
Punkt liegt von der Zahnreihe annahernd 15 cm ent liings angeordnete Venen unterstiitzt (Elze u. Beck
fernt. Der Ubergang der Pars abdominalis liegt am 1918, Stelzner et al. 1986). Anders als am Analkanal
linken U rnfang des 11. Brustwirbelkorpers. N ach ven haben diese Venen aber transmurale Abfliisse, so daB
tral projiziert sie auf den Ansatz des 7. Rippenknor ihre Erweiterung zu Varizen selten ist. Ihre anatomi
pels am Sternum. Die Lange des in situ gemessenen sche Sonderstellung bekommen sie dadurch, daB feine
Osophagus betriigt ca. 25 cm, so daB die Kardia Arterieniiste direkt in diese Venen miinden. Wir un
40 cm von der Zahnreihe entfernt liegt. Die Weite des terscheiden daher zwei Kreisliiufe: einen funktionellen
Osophagus ist nicht gleichmaBig. Sie variiert zwischen und einen nutritiven. Beim funktionellen sind keine
7 und 22 mm. Osophagusengen werden an drei Stellen Kapillaren zwischen die feinen Arterien und die wei-
Zur funktionellen Anatomie von Pharynx, Osophagus und Trachea beim Erwachsenen und beim Neugeborenen 5
ten Venen geschaltet, beim nutritiven besteht ein Ka Zwerchfell dorsal vom Osophagus. Die linken aus der
pillarbett. Aorta abgehenden Aa. intercostales posteriores ha
ben keine Beziehung zum Osophagus; dagegen ziehen
die gleichnamigen rechten quer an der Vo rderfliiche
3.2 Mittlere Enge und Pars thoracalis der Wirbelkorper an der dorsalen Fliiche des Osopha
gus zu den zugehorigen Interkostalriiumen. Sie kreu
In der unteren Halsregion und in der oberen Thorax zen dabei den Ductus thoracicus, der in der Rinne
region lieg~ ein weiter Osophagus-Abschnitt, der nach zwischen Osophagus und Aorta eingebettet ist. Er
links ausbiegt und am 4. Brustwirbel in die mitt/ere zieht nach kranial und miindet in den linken Venen
Enge iibergeht (Aortenenge). Darauf folgt wieder ein winkel ein.
weiter Abschnitt, der vom 4. Brustwirbel bis zum 9. Ventral wird die Pars thoracalis bis zur Hohe des
Brustwirbel reicht. Am Hiatus oesophagei liegt die 6. Brustwirbels von der Trachea iiberlagert. Den lin
untere Enge, die durch intramurale und extramurale ken Rand des Osophagus beriihrt in dieser Hohe der
Faktoren bestimmt wird (Lerche 1950; Stelzner u. Arcus aortae und weiter kranial die A. carotis com
Lierse 1967; Christensen u. Lund 1969; Jackson 1978; munis sinistra und die A. subclavia sinistra. Aus der
Kunath 1978; Liebermann-Meffert 1981; Blum u. Sie Aorta und den Aa. bronchiales gehen paarige Aste
wert 1981; Lierse 1983) (Tabelle 2). zum Osophagus abo Sie deszendieren und speisen das
Die Pars thoracalis liegt bis zur Hohe des 8. oder adventitielle Netz am Osophagus. Unterhalb der Bi
9. Thorakalwirbels der Vo rderfliiche der Wirbel an furcatio tracheae liegt der Osophagus am Perikard,
und entfernt sich dann allmiihlich von der Wirbelsiiu der dorsalen Fliiche des linken Vorhofs entsprechend.
Ie, urn den Hiatus oesophagealis zu erreichen. Seine Hier schlieBen sich die Stiimme der Nn. vagi dem Oso
Entfernung zur Wirbelsiiule betriigt ca. 2-3 cm. Die phagus an, nachdem sie dorsal die Hauptbronchien
Lagebeziehung von Aorta und Osophagus ist varia gekreuzt haben. Der N. vagus dexter geht an die dor
bel. Die Aorta liegt im allgemeinen kaudal des linken sale Wand und der N. vagus sinister an die ventrale.
Umfangs des 6. Brustwirbelkorpers und tritt durch
den median gelegenen Hiatus aorticus. Die Aorta be
riihrt eine Strecke weit mit ihrer linken Wand den 3.2.1 Sektorielle arterielle Versorgung
Osophagus. Sie liegt dann am Durchtritt durch das und angiomyo-elastischer WringverschlufJ
des kaudalen Sphinkters
TabeUe 2. Steuerung und Einfliisse auf das untere VerschluBsegment
Von dorsal treten eine oder mehrere Aa. oesophagea
des Osophagus
les an die Hinterwand des Osophagus und versorgen
GroBhim sektorielle Felder in der Wand des Osophagus (Sadjiro
I
en u. Lierse 1988). Die intramuralen arteriellen Areale
Medulla oblongata
werden von einer gestreckten oder einer gedrehten Ar
~ Substantia reticularis
terie erreicht. Die Ausbreitungsgebiete sind in der
I
N. trigeminus N. glossopharyngeus Liingsrichtung und etwas schriig zur Liingsachse des
N. glossopharyngeus N. vagus
Medulla spinalis Organs angeordnet. Nimmt man an, daB die
________ Elementarapparat LymphgefiiBe etwa die gleiche Ausbreitung haben,
________ Cornu laterale
werden das schriige Wachstum und das Ausbreitungs
hintere Wurzel vordere Wurzel
feld des Osophaguskarzinoms verstiindlich. An der
Spinalnerv
Viszeroefferenzen Vo rder- und an der Hinterfliiche bestehen jeweils ge
Viszeroefferenzen adrenerg faBarme Zonen.
Osphagus cholinerg Die Lamina muscularis mucosae des Osophagus
intramurale Neurone
ist liings- und zugleich gitterformig orientiert. Zwi
intramurale glatte Muskelzellen
"on" Muskelzelle schen Muskelabschnitten gibt es gefiiBarme Liicken.
Tonus Muskelzelle Die elastischen Fasern sind in der Fetalzeit im Ver
"off" Muskelzelle
gleich zur Muskulatur relativ zahlreich. 1m tubuliiren
Gastrin Abschnitt findet man liingsorientierte elastische Net
Pentagastrin
ze, die schon in der Fetalzeit so angeordnet sind. Die
Motilin
Sekretin Muskelbiindel beschreiben Schraubentouren, die an
Glukagon der Adventitia beginnen, hier fast longitudinal verlau
Cholezystokinin
fen, urn dann nach innen in eine mehr querorientierte
Progesteron
Muskellage iiberzugehen (Kaufmann et al. 1968; Lier
Ostradiol
se 1981). Die Muskelbiindel sind mit den elastischen
6 w. Lierse
Fasem vemetzt, so daB sie ein myoelastisches System der mit den Randem des Zwerchfells verschieblich
bilden. Dieses ist schon in der Fetalzeit angelegt. iiber die Membrana phrenicooesophagealis verbun
Nach der Geburt wahrend der ersten Lebensjahre den ist (Borelly u. Vaysse 1978; Kremer et al. 1987).
strecken sich mit dem Osophagus die myoelastischen Die Membrana phrenicooesophagelias ist im Thorax
Systeme ebenfalls. Diese Streckung fiihrt besonders die Fortsetzung der mediastinalen Fascia endothora
im unteren Osophagussegment allmahlich zum cica und im Bauchraum die der Fascia transversalis
WringverschluB, der durch steilere Muskellagen und abdominis. Die Faszien stellen die Unterlage der Pleu
gestreckte Kollagennetze ausgezeichnet ist (Stelzner ra mediastinalis bzw. die des Peritoneum parietale
u. Lierse 1967, 1968). Durch Streckung wird der Oso dar. 1m abdominalen Teil hat der Osophagus einen
phagus langer und enger. Der Schleusenmechanismus vollstandigen Peritonealiiberzug. Dorsal beriihrt die
Magen-Osophagus laBt einen Sphinkter mit verstark Pars abdominalis den linken Zwerchfellschenkel und
ter zirkularer Muskulatur vermissen. Die Verkiir ventral den Lobus caudatus der Leber. Die A. phreni
zung, wie z. B. wahrend der Schwangerschaft, begiin ca inferior sinistra und ihre Rr. oesophageales liegen
stigt den Rdlux. Der Wringverschluj3 ist ein angiomyo dorsal, die Rr. oesophageales der A. gastrica sinistra
elastischer Verschluj3, der durch Streckung des Ge rechts und ventral am Osophagus. Auf der ventralen
samtorgans dichter wird (vgl. Tabelle 1). Seite findet man den Truncus vagalis anterior, dorsal
Die Beziehungen der Pars thoracalis des Osopha den Truncus vagalis posterior, die aus dem Plexus oe
gus zur Pleura mediastinalis sind je nach der Hohe un sophagealis n. vagi hervorgehen.
terschiedlich. Ein Teil des linken Osophagus tritt in
Kontakt mit der Pleura mediastinalis. Die Pleura be
steht, wie aIle serosen Haute, aus dem Mesothel, der
4 Trachea
Lamina subserosa und einer bindegewebigen Unterla
ge, die an der AuBenflache des Thorax als Fascia en
dothoracica beschrieben wird. Zum Mediastinum hin Die Trachea ist entwicklungsgeschichtlich ein Ab
gibt es die Fascia endothoracica als Osophagusbett, kommling des Vo rderdarms. Sie setzt sich aus Knor
das die Osophagusadventitia zur Pleura hin abdeckt. pelspangen und elastischem, kollagenem- und
Innerhalb dieser mediastinalen Grenzlamelle verlau Muskel-Gewebe zusammen, die zusammen ein langs
fen die Arterien und Venen, die den Osophagus ver dehnbares Rohr bilden. Die Dehnbarkeit in der Lan
sorgen und entsorgen. Diese GefaBe sind langs-steil ge betragt ca. 2,5 cm.
verlaufende GeHiBe, die besonders von dorsal an die
Speiserohre herantreten.
Kurz oberhalb des Hiatus oesophageus legt sich 4.1 Pars cervicalis
die Pleura mediastinalis mit ihrer Grenzlamelle dem
Osophagus dichter an und liegt hier auch dorsal von Die Pars cervicalis liegt oberflachlicher als die Pars
ihm. Sie bildet eine Tasche zwischen Osophagus und thoracalis. Sie wird von der oberflachlichen Halsfas
den Wirbelkorpem. Das Mesothel endet dann im Re zie und von der mittleren Halsfaszie gemeinsam mit
cessus costomediastinalis; die Grenzlamelle setzt sich den von ihr umschlossenen Muskeln des Rektus
als Membrana phrenicooesophagea/is fort und beglei systems des Halses bedeckt. Die 2-3 oberen Tracheal
tet den Osophagus durch das Zwerchfell. Einwarts ringe werden yom Isthmus der Glandula thyroidea
dieser Lamelle liegen die von abdominal kommenden bedeckt, von des sen unterem Rand die Vv. thyroideae
A~te der A. gastrica sinistra und der A. phrenica infe inferior und ima entspringen. Dorsal und etwas links
rior. Die A. phrenica inferior versorgt einen Bereich von der Trachea liegt der Osophagus. Die Trachea
an der dorsalen Seite des Osophagus, so daB bei man weicht etwas nach rechts von der Medianebene aus.
gelnder GefaBdarstellung hier ein gefa~Barmer Bereich Unmittelbar nach ihrem Eintritt in den Thoraxraum
vorgetauscht werden kann. Umgekehrt werden die erhalt die Pars thoracalis Beziehungen zu den aus dem
Vorder- und Seitenwande schlechter versorgt, wenn Arcus aortae entspringenden groBen Arterienstam
die Rr. oesophageales der A. gastrica sinistra unter men: Der Arcus aortae legt sich an ihren linken Rand
bunden werden. oberhalb der Bifurcatio tracheae an; die A. brachioce
phalica verlauft schrag iiber ihre Vorderflache und
setzt sich in die A. carotis communis dextra fort; die
3.3 Pars abdominalis A. carotis communis sinistra schlieBt in Hohe ihres
Ursprunges aus dem Arcus aortae links der Trachea
Die Pars abdominalis oesophagei erstreckt sich yom an. In der oberen Thoraxapertur liegt der Osophagus
Hiatus oesophagealis bis zum Ubergang des Osopha dorsal und etwas links von der Trachea. Er ist hier
gus in den Magen. Es ist ein 2-3 cm langer Abschnitt, von ventral her leichter zu erreichen.
