Table Of ContentTechnische
Thermodynamik
Von
Prof. Dipl.-lng. W. Schule
Vierte, erweiterte Auflage
Zweiter Band: Hohere Thermodynamik
mit Einschlu13 der chemischen Zustandsanderungen
nebet ausgewahlten Abschnitten aus dem Gesamtgebiet
der technischen Anwendungen
Mit 228 Textfiguren und 5 Tafeln
SPRINGER-VERLAG BERLIN HEIDELBERG GMBH
ISBN 978-3-662-01804-0 ISBN 978-3-662-02099-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-02099-9
Alle Rechte, insbesondere das der Obersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
Copyright by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1923
Urspriinglich erschienen bei J ulius Springer in Berlin 1923
Softcover reprint of the hardcover 4th edition 1923
Vorwort znr vierten Anflage.
Ahnlich der vierten Auflage des I. Bandes weist auch die vor
liegende Auflage des II. Bandes nicht unerhebliche Anderungen auf.
Der grOBte Teil der fruheren Abschnitte ist zwar wesentlich unver
andert geblieben, aber 22 Abschnitte sind neu hinzugekommen und
im Zusammenhang damit wurden auch Anderungen im Aufbau er
forderIich. Neu ist der ganze IV. Hauptteil tiber die chemisch
physikalischen Zustandsanderungen m!t den Abschnitten 47
bis 61. Die Grundlage dieser fur die Beurteilung der Vorgange in
den Feuerungen und Verbrennungskraftmaschinen wichtigen Kapitel
war in den beiden vorangehenden Au£lagen durch den unverandert
ubernommenen III. Hauptteil tiber die Thermodynamik chemischer
Reaktionen gelegt, aber noch im Vorwort der vorigen Auflagen muBte
darauf hingewiesen werden, daB die FaIle beliebiger Zustandsande
rungen chemisch reagierender Gasgemische noch auBerhalb der Reich
weite der chemischen Thermodynamik lagen. 1m IV. Hauptabschnitt
sind nunmehr die einzelnen Zustandsanderungen der dissoziierenden
Gasgemische nebst den zugehorigen allgemeinen Grundlagen in ganz
entsprechender Weise dargestellt, wie im 1. Hauptteil des 1. Bandes
die rein physikalischen Zustandsiinderungen der Gase, also die all
gemeine Zustandsgleichung, die Warmegleichungen und die Entropie
dissoziierender Feuergase und ihre Zustandsanderungen fUr gleich
bleibende Werte des Dissoziationsgrades, der Temperatur, des Druckes
und des Raumes, sowie die adiabatische Zustandsanderung. Zwei
neue Entropietafeln fUr reine und mit Stickstoff vel'dunnte Kohlen
same im Dissoziationsgebiet - die ersten ihrer Art - muBten
dabei entworfen werden, urn besonders die genaue Behandlung der
adiabatischen Zustandsanderung im Dissoziationsgebiet zu ermogIichen.
Dabei erwies sich die schon in der vorigen Auflage enthaltene disso
ziati0nsfreie Entropie-und Warmetafel fur Feuergase als notwendige
Grundlage, und es stellte sich heraus, daB gerade das Gebiet dieser
Tafel zwisch(;ln 1800° und 3000°, wo die Zustandsanderungen nicht
mehr rein physikalischer Art sind, fur den Entwurf der neuen Tafeln
unentbehrlich ist. Bei dem Verfasser bestanden langere Zeit Zweifel
uber die Notwendigkeit und ZweckmaBigkeit der Aufnahme dieses
1*
IV Vorwort.
ebeuso umfangl'eichen, wio schwer zuganglicheu Gebietes, das von
Grund aus neu zu bearbeiten war. Jedoch die neuen Erkenntnisse,
die hinsichtlich del' Bedeutung del' Dissm:iationsvol'gange in den
Feuergasen gewonnen wurden, besonders ihr erheblicher, in der
Technik bisher unterschiitzter EinfiuB auf die Verbrennungstempera·
turen werden den EntschluB dazu rechtfertigen. Als bestes Hilfs
mittel fill' den technischen Gebrauch diirften sieh auch in dies em
Gebiet die Entropie-Temperatur-Tafeln erweisen.
Xeu sind ferner die folgenden Abschnitte:
Absehn. H: Dic Zustandsgleichungen des Wasserdampfs nach
Eichelberg auf Grund del' Miinchener Messungen del' spezi
fischen Warme.
Abschn.14b: Die spezifische Warme del' Luft bei Drucken von
+
1 bis 215 at und Temperaturen von 60° bis - 110° auf
Grund der Drosselungsversuche von Bradley und Hale.
Abschn.15a: Vergleich der van derWaalsschen Zustandsgleichung
mit dem mittleren Verhalten der wirklichen Gase. Zustands
gleichungen von Kamerlingh Onnes und von A. Wohl.
Abschn. 17 a: Allgemeine Beziehungen zwischen dem Sattigungs
zustand und dem Flussigkeits- und Gaszustand.
Abschn. 65: Dampfmasehinen fur iiberhitzten Wasserdampf von
60 at nach Wilh. Schmidt.
Abschn. 73: Die Trennung von Gasgemischen.
Abschn. H2: Die in der Holzwarth-Gasturbine auftretenden
Temperatur- und Drueksteigerungen und Ausstramgesehwindig
keiten del' Feuergase. Die verlustfreien und die unter Beruck
sichtigung der Verluste zu erwartenden Arbeitswerte und Aus
nutzungsverhaltnisse.
Abschn. 83: Das gemisehte Explosions- und Gleiehdruckverfahren
fUr 01- und Gasturbinen naeh Holzwarth, das an diesel' Stelle
zum ersten Male behanclelt ist.
1m Anhang konnten endlieh noeh die neuen Tabellen des
Miinchener Laboratoriums fur technisehe Physik iiber die wahre
und die mittlere spezifische Warme des uberhitzten Wasserdampfs
aufgenommen werden.
Garlitz, den 2. Dezember 1922.
,V. Schiitt'.
Vorwort. v
V orwort znr dritten Anflage.
Der dritten Auflage ded I. Bandes, die im Herbst 1917 erschien, foIgt
jetzt die zugehorige neue Auflage des II. Bandes, der kurz vor dem Kriege
als Teil der zwtiiten AufJage des Werkes erschienen war. Auch in der neuen
Auflage bewahrt der II. Band seinen bisherigen, in dem nachstehenden Vorwort
geschilderten Charakter. Der 1. Band bleibt nach wie vor inhaltlich selbst
standig und behandelt in abgeschlossener Form die Gebiete, die fiir die aus
fiihrende Technik zunachst in Betracht kommen, wahrend der II. Band, der
sich auf ihn aufbaut, seinerseits die Gebiete zusammenfaBt, die im alIgemeinen
als "hohere" gelten oder der unmittelbaren Anwendung ferner stehen.
Notwendige Erganz~~gen und neue Abschnitte konnten in der neuen
Auflage ohne wesentliche Anderungen des urspriinglichen Aufbaues Platz finden.
Von wichtigeren Erganzungen seien genannt die in den Abschnitten 6 und 11
angefiihrten Ergebnisse der mit groBen technischen und wissenschaftlichen
Mittein ausgefiihrten Versuche in der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt
iiber die spezifische ,Warme der hochgespannten Luft und derjenigen im Miin
chener Laboratorium fiir technische Physik iiber' den Drosseleffekt, die unsere
Kenntnis der physikalischen Eigenschaften der Luft so wesentlich bereichert
haben. Hinzugekommen sind die foigenden neuen Abschnitte: 9 b. Die adia
batische Zustandsanderung der wirklichen Gase; 10. Der Grund·
fall der nicht umkehrbaren Zustandsanderungen; lOa. Die Grund
gleichungen der unter Warmezufuhr uder Warmeentziehung und
mit Reibung verlaufenden Stromung; 14a. Die Beziehungen zwischen
Drosselungsabkiihlung und spezifischer Warme; 14b. Die Zustands
gleichung der Luft auf Grund der Drosselungsabkiihlung; 52. Die
adiabatische Expansionsstromung mit Reibung im zylindrischen
Rohr (Lange Leitungen); fi4. Die Entropietafel der Gase und tech
nischen Feuergase bis 30000 und am SchiuB Abschnitt 6.'>: Die Grund
lagen der Dampftabellen und Entropietafeln fiir den Wasserdampf.
Besonders der letzte Abschnitt des Buches moge den jiingeren Fach
genossen vor Augen fiihren, welches MaB von Versuchsarbeit aufzuwenden war,
um die wissenschaftlichen Grundlagen der Warmetechnik zu schaffen und
sicherzustellen. Forsch.er aller Kulturvolker sind an dieser Arbeit beteiligt ge
wesen. Welchen Antei! deutsche Forscher und Forschungsstatten an der
Schaffung dieser unverganglichen Erkenntniswerte gehabt haben, das zeigen
die vielen deutschen Namen in diesem Buche. Darauf besonders hinzuweisen,
hatte sich friiher eriibrigt. Heute erachtet der Verfasser dies als Ehrensache
und als Ptlicht der Dankbarkeit.
Erfurt, im September 1919.
,V. Schiile.
V orwort znr zweiten Anflage.
Der vorliegende II. Band ist in vier Hauptabschnitte eingeteilt. Der
I. Abschnitt bildet die Fortsetzung des letzten Teiles des I. Bandes, in dem
die allgemeinen, fiir aIle Arlen von Korpern giiltigen Grundlehren der Thermo
dynamik behandelt wurden.
Einleitend wird in den ersten Kapiteln die Bedeutung der verschiedenen
Differentiale und Differentialquotienten der ZustandsgroBen mit Hilfe
der Zustandstliichen auseinandergesetzt. Alsdann werden die schon von Clau
sius aufgestellten Beziehungen zwischen den einfachen ZustandsgroBen p, v, T
einerseits und der inneren Energie, dem Wiirmeinhalt, der Entropie, der zu
oder abgeleiteten Wiirmemenge und den spezifischen Warmen cp und Co anderer
Beits entwickeit.
VI Vorwort.
Die Lehre von den spezifischen Warmen der iiberhitzten Dampfe
wurde den neueren Erkenntnissen entsprechend erganzt, und die von N ernst
angebahnten grundlegenden Versuche iiber die spezifischen Warm en der festen
Korper und der Gase bei se hr tiefen Temp eraturen in einem hesonderen
Kapitel behandelt.
Die Anwendung der allgemeinen Gleichungen wird an Sonde rfallen
erortert. Unter. anderem wird der wahre Wert des Exponenten der adiaba
tischen Druckvolnmenkurve p ·l)m = konst. des iiberhitzten Wasserdampfs fiir
verschiedene Dampfzustande, insbesondere auch an der Sattigungsgrenze er
mittelt.
Eine ausfiihrliche Behandlung wurde ferner den fUr die Verfliissigung
der bestandigen Gase· so wichtigen Drosselungserscheinungen zuteil. Es war
notig, diesem Gegenstand verhaltnismaBig viel Platz einzuraumen, weil sonst
eine einigermaBen ins einzelne gehende Theorie der Luftverfliissigung, wie sie
im Ietzten Hauptabschnitt versucht wird, ausgeschiossen erschien. Hier ist die
Gelegenheit, wo sich die van der Waalssche Zustandsgleichung, die in der
Physik und Physikalischen Chemie ein weit graBeres Ansehen genieBt als in der
Technik, als ein ebenso unentbehrliches wie ausgezeichnetes Hilfsmittel erweist.
Der II. Hauptabschnitt enthalt die allgemeinen Lehren iiber die ge
sattigten Dampfe, soweit sie nicht schon im I. Band behandelt sind. Be
sonders fiir die tlbergange aus dem Gaszustand in den dampffarmigen und
fliissigen Zustand und fiir die neuerdings auch technisch wichtig gewordenen
Erscheinungen der Unterkiihlung des Dampfes und des Siedeverzugs del'
Fliissigkeiten erweist sich wieder die van der Waalssche Gleichung als brauch
bare Fiihrerin. Man darf von ihr nur das nicht verlangen, was sie ebenso
wenig wie irgendeine andere Zustandsgleichung leisten kann, namlich eine
quantitativ genaue ubereinstimmung fiir aIle verschiedenen Stoffe im ganzen
Zustandsgebiet. An der Sattigungsgrenze, ·wo die graBten Abweichungen auf
treten, versagt ja auch das weit allgemeinere Gesetz der korrespondieren
den Zustande am meisten.
Um weiter den Weg zu bahnen fiir die in spateren Abschnitten folgende
Behandlung der neuesten Ergebnisse der chemischen Thermodynamik, war
es notig, auch die Beziehungen zwischen den Verdampfungswarmen und
den spezifischen Warmen von Fliissigkeit und Dampf zu entwickeln. Ihre
allgemeinste Form wird durch die Plancksche Gleichung dargestellt, die in
neuerer Zeit durch ihre Verwendung zur Berechnung der spezifischen Warme
des iiberhitzten Dampfs an der Sattigung.grenze bekannter geworden ist. In
ihrer vereinfachten Form, die zuerst entwickelt wird, spielt sie in den
thermodynamischenDarlegungen der physikalischen Chemie Iangst eine be·
deutsame Rolle, und sie ist insbesondere fUr das Verstandnis und die Anwen
dung des N ernstschen Warmetheorems unerlaBlich. Das gleiche gilt von der
sogenannten "Dampfdruckkonstanten", die von N ern s t geradezu als "C h e
mische Konstante" bezeichnet wird. Die Ermittlung dieser Konstanten
bildet den SchiuB des II. Hauptabschnitts.
Die Thermodynamik der chemisehen Reaktionen bildet den Gegen
stand des III. Hau pta b schnitts, in dem zunachst die unter dem Namen der
Thermochemie bekannten Anwendungen des Energiegesetzes auf chemische
Vorgange entwickelt und an technisch wichtigen Beispielen erIautert werden.
Nach dem Satz von der "Abhangigkeit der Warmetonung von der
T e m per a t u r", der filr die spateren Entwicklungen von groBter Bedeutung
ist, folgt der ubergang zur Anwendung des II. Hauptsatzes der Warme
theorie auf chemische Reaktionen. Wer die Verwandlung der in den Brenn
stoffen enthaltenen chemischen Energie nur vom .Standpunkt des Carnot
ClausiUEschen Prinzips ken nt, auf Grund dessen die Verwandlung von Warme
in Arbeit nur nach MaBgabe des verfiigbaren Temperaturgefalles moglich
i~t, wie solI der die Behauptung der Physikalischen Chemie verstehen, daB
slOh z. B. der Heizwert des Kohlenstoffs schon bei gewohnlichen Temperaturen
grundsatzlich v 0 II s tan dig in mechanische Arbeit umsetzen IaBt? Wie soll er
es mit diesem Prinzip vereinbaren, daB ein ahnlicher Umsetzungsgrad fiir
Vorwort. VII
Wasserstoff und Kohlenoxyd moglich ist, jedoch nicht bei hohen Tempera
turen, sondern bei gewohnlicher odeI' tieferer Temperatur? In del' Tat darf
die Umwandlungsfahigkeit der ehemisehen Energie keineswegs mit del' Um
wandlung der Warmeenergie in meehanisehe Arbeit gleiehgestellt werden.
Soil nun der II. Hauptsatz aueh auf chemische Prozesse anwendbar sein,
so muE er eine gegeniiber dem Carnot-Clausiusschen Prinzip erweiterte
Fassung erhalten. Man kann wohl diesem Satz, wie es he ute iiblich ist, von
vornherein einen sol chen Inhalt geben, daB er aueh die ehemischen Vorgange
umfaBt. So besteht nach Planck der Kern des II. Hauptsatzes darin, "daB
es in der N atur gewisse Prozesse gibt, die durch keinen in der N atur mog
lichen Vorgang vollstandig riickgangig gemacht werden konnen" und seine
mathematische Formulierung darin, daB die Zunahme der Entropie das
Kennzeichen und MaB dieser "Irreversibilitat" (Nichtumkehrbarkeit) ist. Oder
man gibt dem Perpetuum mobile zweiter Art, das man mit dem
II. Hauptsatz ausschlieBt, von vornherein die notige allgemeine Definition.
Verfasser hat es vorgezogen, die Erweiterung erst da anzubringen, wo
sie gebraucht wird und ihren Ursprung hat, namlich bei den chemischen
Reaktionen.
Bei der Anwendung des n. Hauptsatzes auf chemische Vorgange kann
man zwischen zwei Verfahren wahlen, die inhaltlich gleich, abel' der Form
naeh sehr verschieden sind. Das erste, ansehauliehe Verfahren ist das,
daB man umkehrbare Kreisprozesse ersinnt, naeh denen die stets iso
thermisch gedaehten Reaktionen verlaufen konnen. Als grundlegende Funk
tion fiir die mathematisehe Behandlung ergibt sieh dabei die maximale
Arbeitsfahigkeit oder freie Energie der Reaktion. Dieser Wert ist an
sieh schon von groBem teehnischem Interesse und er kann in sehr anschau
licher Weise hergeleitet werden. Der zweite Weg ist die Einfiihrung des
Entropiebegriffs und die rein mathematische Operation mit dieser GroBe.
Obwohl nun in der heutigen teehnisehen Thermodynamik die Entropie
zu einem vertrauten Werkzeug des Ingenieurs geworden ist, so konnte es doeh
fiir den Verfasser keine Frage sein, daB bei der Darstellung der rein ehemi
schen Vorgange dem ersten \Veg, nach Helmholtz, van't Hoff und
N ern s t, im Interesse des leichteren Verstiindnisses und der Anschaulichkeit
der Vorzug zu geben sei. In der Tat kann man die rein chemische Thermo
dynamik mit ihren isothermischen Reaktionen ohn e j ede Verwendung des
Entropiebegriffs vollstandig behandeln; dieser an sich schwierige Begriff
erscheint hier fast als Ballast, ein Umstand, der auch gelegentlich eine Unter
~ehatzung dieser schon urspriinglieh von Clausius eingefiihrten Funktion
versehuldet haben mall. Die Sachlage ist hier ganz ahnlich wie bei den iso
thermischen physikalisehen Prozessen der idealen Gase. Bei dies en ist der
Entropiebegriff ganz entbehrlieh. Sobald jedoeh andere als isothermische
Prozesse, z. B. adiabatisehe, bei den idealen Gasen betraehtet werden, wird
die Entropie schon zu einem recht niitzlichen Werkzeug, dessen sieh der In
Ilenieur von heute gerne bedient. Wenn vollends die iiberhitzten und gesattig
ten Dampfe mit ihren Zustandsanderungen zu behandeln sind, wird die En
tropie zu einem geradezu unentbehrlichen Hilfsmittel. Ahnliches wiirde
wohl der Fall sein, wenn beliebige Zustandsanderungen idealer Gase mit gleich.
zeitigen ehemischen Reaktionen odeI' gar beliebige Anderungen von ehemiseh
reagierenden gesattigten oder iiberhitzten Dampfen betrachtet wiir
den. Dies liegt aber heute noeh auBerhalb del' Reiehweite der ehemisehen
Thermodynamik.
Nach der Formulierung des II. Hauptsatzes auf Grund der umkehrbaren
Vermischung chemiseh versehiedener Gase mittels halb d urchlassiger Wande
und auf Grund umkehrbarer isothermiseher Kreisprozesse folgt die Aufstellung
der Helmholtzsehen Gleichung, in der beide Hauptsatze vereinigt sind. 1m
Gange dieser Darlegungen wird aueh der Gibbssche Satz von der Entropie
der Gasmisehungen entwiekelt und so wenigstens der Weg gezeigt, auf dem
sieh der Entropiebegriff in die ehemische Thermodynamik einfiihren laBt.
Es folgt die Anwendung der Grundgesetze auf das ehemisehe Gleich-
VIII Vorwort.
gewicht bei Gasreaktionen. Wie chemische Reaktionen thermodynamisch
umkehrbar geleitet werden konnen, wird zuerst am Beispiel der Wasser
stoffverbrennung und der Dissoziation des Wasserdampfs gezeigt,
die auch zahlenmaBig behandelt wird. Dann wird der allgemeine Ausdruck
fiir das Gleichgewicht bei konstanter Temperatur (Gleichgewichts
konstante, Reaktionsisotherme) und die maximale Arbeit belie
biger Gasreaktionen entwickelt. Darauf folgt das wichtige Kapitel iiber den
EinfluB der .Temperatur auf das Gleichgewicht (van't Hoffsche Gleichung)
und weiter der allgemeine Zusammenhang zwischen Warmetonung und
maximaler Arbeit. Die Onbestimmbarkeit der Konstanten im Ausdruck
der maximalen Arbeit auf Grund der beiden Hauptsatze zeigt die N otwen
digkeit eines neuen Prinzips. Als solches erscheint das Nernstsche
Warmetheorem, dessen AufsteHung nicht allein den groBten Fortschritt der
neueren chemischen Thermodynamik darstelIt, sondem auch zu den beriihmten
Untersuchungen iiber die spezifischen Warmen bei sehr tiefen Temperaturen
bis in die Nahe des absoluten Nullpunktes gefiihrt hat. Am Beispiel des
Schmelzvorganges wird die Bedeutung dieses Prinzips auch flir physika
lische Vorgange erlautert, und dabei ergibt sich gIeichzeitig die wichtige Tat
sache der Unabhangigkeit der Dampfdruckkonstante eines Stoffes von
seiner Zustandsform. Dann folgt die Anwendung des Theorems in Verbindung mit
dem I. und II. Hauptsatz auf Gasreaktionen und die Berechnung der Gleich·
gewichtsk onstanten sowie des Absolutwerts der maximalen Arbeit.
Die Vorausberechnung des Verlaufs chemischer Reaktionen
ohne direkte chemische Messungen, allein auf Grund der spezifischen Warmen
der reagierenden Stoffe und der Warmetonung der Reaktion bei einer ein
zigen Temperatur ist hiermit wenigstens grundsatzlich ermoglicht. 1m An
schIuB werden die technisch wichtigsten Gasreaktionen, die Dissoziation des
Wasserdampfs und der Kohlensaure und das Wassergasgleichgewicht
behandelt, sowie auch die heterogenen Reaktionen, mit der Kohlenoxyd
bildung und der Verbrennung des Ko hlenstoffs zu Kohlensaure als An
wendungsbeispielen. Die graphische Behandlung dieser Reaktionen diirfte
wohl hier zum ersten Male durchgefiihrt sein. Wenn auch zu einer voll~tan
digen Kenntnis der spezifischen Warmen im Gaszustand bei sehr tiefen Tem
peraturen heute noch viel fehlt, so war es doch moglich, durch sinngemaJ3e
Extrapolationen auf Grund der neuesten Forschungen zu Ergebnissen zu ge
langen, die mit den unmittelbaren chemischen Messungen in naher Uberein
stimmung stehen. Sollten auch spater, :'.Vie nicht anders zu erwarten, weitere
Versuche iiber die spezifischen Warmen Anderungen bringen, so bleibt dennoch
der Wert und das Endergebnis dieser Abschnitte erhalten, weil iiberaH der genaue
AnschluB an die direkten chemischen Messungen hergestellt wurde. Der Abschnitt
schlieBt mit der zuerst von N ernst gemachten FeststeHung, daB die chemische
Energie des Kohlenstoffs grundsatzlich so gut wie v 0 11 s tan di g in mechanische
Arbeit umsetzbar ist, und zwar bei niederen wie bei hohen Temperaturen.
Der IV. Hauptabschnitt endlich enthalt ausgewahlte Kapitel aus ver·
schiedenen technischen Anwendungsgebieten in zwangloser Reihenfolge. Er
beginnt mit einer der altesten Aufgaben der Thermodynamik, der Kalori
metrie der Kolbendampfmaschine. Hier sind die alteren mit den neueren
Methoden verschmolzen; ein neuerdings fast ausschlieBlich angewendetes graphi
sches Verfahren erfahrt bei dieser Gelegenheit die notige kritische Wiirdigung.
Ein Versuch des Verfassers an einer Einzylinderdampfmaschine, mit Messung
der in den Kondensator iibergetretenen Warme, dient als Beispiel.
Es folgt eine Reihe von Abschnitten, in denen die seither theoretisch
wenig beachtete, technisch aber recht wichtige Ausstromung von Gasen und
Dampfen aus GefaBen ohne ZufluB hehandelt wird. Verf. hat friiher ge
zeigt, auf welche Weise die Aus- und Einstromvorgange bei Dampfmaschinen
einer rechnerischen Behandlung zuganglich werden. Auch bei den Gas- und
Olmaschinen bestehen ahnliche Aufgaben, deren vollstandige Behandlung in
dem knappen Rahmen nicht moglich ist. Insbesondere muBte Verf. von der
Behandlung der Auffiillungsvorgange geschlossener Raume absehen. Durch
Vorwort. IX
ein neues graphisches Verfahren ist endIich auch das schwierig zu behandelnde
Gebiet der unterkritischan Druckverhitltnisse zuganglicher geworden.
Die Theorie der Verfliissigung der bestandigen Gase nach den
Verfahren von Claude und von Linde wurde in so eingehender Weise zu
behandeln versucht, als es die heutigen physikalischen Grundlagen zulassen;
jedenfalls ist der Weg gezeigt, auf .welchem eine theoretische Vorausberechnung
der verlustfrei gedachten Vorgange moglich ist, wenn die genaueren physika
lischen Grundwerte vorHegen. Die Schwierigkeiten dieses Gegenstandes wachsen
erheblich, sobald man von einer nur beschreibenden und erliiuternden Dar
legung zu bestimmten formelmiiBigen Ermittlungen iibergehen will, wie es hier
geschehen ist. Ohne die oben erwiihnten, vorbereitenden Abschnitte ware dies
nicht moglich gewesen.
1m 56. Abschnitt wird die Theorie des Kraftgasgenerators in knapper
und zum Teil neuartigerForm behandelt. Absichtlich hat sich Verf. auf die
EnergieverhaltnisBe und die aus ihnl'n folgenden Beziehungen fiir die
Grenzen der Zusammensetzung des Gases, den Wasser- und Luftbedarf und
den thermochemischen Wirkungsgrad beschrankt und von Betrachtungen iiber das
chemische GIeichgewicht, das ja hochstens in der Gas phase besteht, abgesehen.
Die letzten Abschnitte des Buches sind den Verbrennungsvorgangen
gewidmet, deren hohe technische Bedeutung heute mehr denn je anerkannt
werden muB. Die Entziindungstemperatur, die Verbrennungsge
schwindigkeit von Gasgemischen in Rohren und in GefiiBen, die Explo
sionswelle, die ortlichen Druck- und Temperaturiiberschreitungen
infolge von Teilexplosionen werden auf Grund der alteren und neueren Ver
suche behandelt. Verf. mochte nicht versiiumen, hervorzuheben, daB ihm hier
die klassischen Arbeiten von Mallard und Le Chatelier mit ihren durch Klar
heit der Darstellung wie durch Fiille der Ergebnisse gleich ausgezeichneten
Darlegungen als Fiihrer gedient haben. Auch die neueren, besonders von
deutschenund englischen Forschern stammenden Ergebnisse sind so weit
wie moglich verarbeitet. Die aktuelle Frage der sog. Oberfliichenve·rbren
n ung wird in diesem Zusammenhang ebenfalls behandelt.
Den SchluB des Buches bilden die Kapitel iiber die Gasturbine. Hier
konnte Verf. sich nicht entschlieBen, etwa die bisher entwickelten Theorien
iiber denkbare Arbeitsprozesse zusammenfassend zu behandeln. Wenn irgend
wo, so besteht bei der Gasturbine das Wort von der grauen Theorie in ge
wisser Weise zu Recht. Nach einer kurzen Beschreibung der beiden Systeme,
die bisher allein zu greifbaren Ergebnissen gefiihrt haben, werden die theo
retischen Grundlagen der Explosionsturbine, als dem bisher noch erfolg
reichsten und technisch am meisten vervollkommneten System eingehend ge
wiirdigt. Dann wird der ProzeB der mit Vorverdichtung und Regenerator
arbeitenden Holzwarth-Turbine behandelt. Verf. kommt zu einem in ther
mischer Hinsicht fiir dieses Verfahren giinstigen Ergebnis.
Der weitergehende Ausbau der chemischen Thermodynamik, der sich
zum Teil erst wahrend der Bearbeitung ergab, und der immer mehr beschleu
nigte Fortschritt der in Betracht kommenden Wissenschaftsgebiete waren die
Ursache, daB eine Reihe weiterer technisch wichtiger Anwendungen, die dem
Verfasser als Ingenieur am Herzen lagen, vorJaufig zuriickgestellt werden muBte.
Wie im I. Band, so hat Verfasser auch hier Wert darauf gelegt, in zahl
reichen FuBbemerkungen auf die Originalarbeiten zu verweisen.
Eine groBere Zahl normaler Indikatordiagramme in beiden Banden
entstammt der Dampfmaschine und Gasmaschine des Maschinenlaboratoriums
der Koniglichen hOheren Maschinenbauschule zu Breslau.
Der Anhang enthalt zwei friiher vom Verfasser verofientlichte Dampf
tabellen fiir Wasserdampf von sehr hohem Druck, Bowie einige kleinere
Zahlentafeln und eineJ-S-Tafel fiirWasserdampf bis zum kritischenDruck,
die in erheblich groBerem MaBstab als an der Stelle ihrer ersten Verofient
lichung gezeichnet ist.
BresIau, im Februar 1914.
W. Schiile.
Inhaltsverzeichnis.
I. Allgemeine Thermodynamik homogener Korper, insbesondere der
wirklichen Gase nnd der iiberhitzten Dampfe.
Seite
1. Die ZustandsgroBen und ihr allgemeiner Zusammenhang auf Grund
der Zustandsgleiehungen; Phasen; Zustandsflaehen und Zustandstafeln.
Die partiellen Differentialquotienten del' ZustandsgroBen • • . • . .
2. Beliebige Zustandsanderungen. Die vollstiindigen Differentiale und
Differentialquotienten der ZustandsgroBen. Zusammenhang der par-
tiellen Differentialquutienten einer Zustandsfliiehe untereinander . 7
3. Ausdehnungs-, Spannungs- und KompressibiIitatskoeffizient. • • .. 11
4. Zusammenhang der Zustandsflaehen mit den Zustandstafeln . . .. 13
5. Die aJIgemeinen Beziehungen der ZustandsgroBen p, v, T, U, J, S unter
einander und zu den spezifisehen Warm en Cp und Cv auf Grund des
1. und II. Hauptsatzes del' meehanischen Warmetheorie . . . . .. 15
Die Anderung del' inneren Energie U, des Warmeinhalts J, del'
Entropie S und die zugefiihrte Warme Q, ausgedriiekt dureh p, v, T,
cp und cv,
a) wenn v und T unabhiingig veriinderlich sind; Anwendung auf
ideale und wirkIiche Gase . . . . • . . . . 19
b) wenn p und T unabhangig veranderlieh sind. 23
e) wenn p und v unabhangig veranderlich sind . 26
6. Allgemeines Verhalten del' &pezifischen Warmen cp und CV' Unterschied
von cp und Cv. Abhiingigkeit vom Druck und Volumen bei gleicher
Temperatur. Veriinderliehkeit auf Grund del' van der Waalsschen
Zustandsgleichun/Z. Vergleich mit neueren Versuchen . . . . • .. 29
7. Die spezifische Warme bei sehr tiefen Temperaturen. Friihere An
schauungen. Versuche von N ern stan festen Korpern. Formeln fiir
die spezifische Warme fester Korper. Spezifische Warme der Gase bei
sehr tiefen Temperaturen . • . . . . . • . . . . . • • . . . " 40
8. Berechnung des Volumens iiberhitzter Dampfe aus dem Volumen im
Gaszustande mit Hilfe del' spezifischen Warm en cp. Zustandsgleiehungen 47
9. Die Zustandsbeziehungen des Wasserdampfs naeh Eiehelberg auf
Grund del' Miinehener Messungen der spezifisehen Warme. Die spe
zifische Warme cP' das Volumen v, del' Warmeinhalt i und die
Entropie S als Funktionen von p und T. Versehiedene Zustands-
anderungen des iiberhitzten Dampfs . . . . . . . . . . . . 50
9a. Die adiabatisehe Zustandsanderung del' wirklichen Gase und iiber-
hitzten Dampfe naeh van del' Waals. . . . . . . . . . . . 60