Table Of ContentTechnische
Thermodynamik
Von
,V. Schüle
Prof. ~i-tJL::Sng.
Dritte, erweiterte Auflage der "Technischen Wärmemechanik"
Zweiter Band: Höhere Thermodynamil
mit Einschluß der chemischen Zustandsanderehgeh
nebst ausgewählten Abschnitten aus dem Gesammebet
der technischen Anwendungen
Mit 202 Textfiguren und 4 Tafeln
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
1920
Alle Rechte,
insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten.
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1920
Ursprünglich erschienen bei Julius Springer in Berlin 1920
Softcoverreprint ofthe hardcover 3rd edition 1920
Additional material to this book can be downloaded from http://extras.springer.com
ISBN 978-3-662-35424-7 ISBN 978-3-662-36252-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-36252-5
Vorwort zur dritten Auflage.
Der dritten Auflage des I. Bandes, die im Herbst 1917 erschien,
folgt jetzt die zugehörige neue Auflage des II. Bandes, der kurz
vor dem Kriege als Teil der zweiten Auflage des Werkes erschienen
war. Auch in der neuen Auflage bewahrt der II. Band seinen bis
herigen, in dem nachstehenden Vorwort geschilderten Charakter. Der
I. Band bleibt nach wie vor inhaltlich selbständig und behandelt in
abgeschloEsener Form die Gebiete, die für die ausführende Technik
zunächst in Betracht kommen, während der II. Band, der sich auf
ihn aufbaut, seinerseits die Gebiete zusammenfaßt, die im allgemeinen
als "höhere" gelten oder der unmittelbaren Anwendung ferQer stehen.
Notwendige Ergänzungen und neue Abschnitte konnten in der
neuen Auflage ohne wesentliche Änderungen des ursprünglichen Auf
baues Platz finden. Von wichtigeren Ergänzungen seien genannt
die in den Abschnitten 6 und 11 angeführten Ergebnisse der mit
großen technischen und wissenschaftlichen Mitteln ausgeführten Ver
suche in der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt über die spezi
fiEche Wärme der hochgespannten Luft und derjenigen im Mün
chener Laboratorium für technische Physik über den Drosseleffekt,
die unsere Kenntnis der physikalischen Eigenschaften der Luft so
wesentlich bereichert haben. Hinzugekommen sind die folgenden
neuen Abschnitte: {lb. Die adiabatische Zustandsänderung
der wirklichen Gase; 10. Der Grundfall der nicht umkehr
baren Zustandsänderungen; 10a. Die Grundgleichungen der
unter Wärmezufuhr oder Wärmeentziehung und mit Reibung
verlaufenden Strömung; 14a. Die Beziehungen zwischen
Drosselungsahkühlung und spezifischer Wärme; 14b. Die
Zustandsgleichung der Luft auf Grund der Drosselungs
abkühlung; 52. Die adiabatische Expansionsströmung mit
Reibung im zylindrischen Rohr (Lange Leitungen); 64. Die
Entropietafel der Gase und technisehen Feuergase bis
3000° und am Schluß Abschnitt 65: Die Grundlagen der Dampf
tabellen und Entropietafeln für den Wasserdampf.
IV Vorwort.
Besonders der letzte Abschnitt des Buches möge den jüngeren
Fachgenossen vor Augen führen, welches Maß von Versuchsarbeit
aufzuwenden war, um die wissenschaftlichen Grundlagen der Wärme
technik zu schaffen und sicherzustellen. Forscher aller Kulturvölker
sind an dieser Arbeit beteiligt gewesen. Weichen Anteil deutsche
Forscher und Forschungsstätten an der Schaffung dieser unvergäng
lichen Erkenntniswerte gehabt haben, das zeigen die vielen deutschen
Namen in diesem Buche. Darauf besonders hinzuweisen, hätte sich
früher erübrigt. Heute erachtet der Verfasser dies als Ehrensache
und als Pflicht der Dankbarkeit.
Erfurt, im September 1919.
W. Schüle.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Der vorliegende li. Band ist in vier Hauptabschnitte eingeteilt. Der
I. Abschnitt bildet die Fortsetzung des letzten Teiles des I. Bandes, in dem
die allgemeinen, für alle Arten von Körpern gültigen Grundlehren der Thermo
dynamik behandelt wurden.
Einleitend wird in den ersten Kapiteln die Bedeutung der verschiedenen
Differentiale und Differentialquotienten der Zustandsgrößen mit Hilfe
der Zustandsflächen auseinandergesetzt. Alsdann werden die schon von Clau
sius aufgestellten Beziehungen zwischen den einfachen Zustandsgrößen p, v, T
einerseits und der inneren Energie, dem Wärmeinhalt, der Entropie, der zu
oder abgeleiteten Wärmemenge und den spezifischen Wärmen Cp und Cv anderer
seits entwickelt.
Die Lehre von den spezifischen Wärmen der überhitzten Dämpfe
wurde den neueren Erkenntnissen entsprechend ergänzt, und die von Nernst
angebahnten grundlegenden Versuche über die spezifischen Wärmen der festen
Körper und der Gase bei sehr tiefen Temperaturen in einem besonderen
Kapitel behandelt.
Die Anwendung der allgemeinen Gleichungen wird an Sonderfällen
erörtert. Unter anderem wird der wahre Wert des Exponenten der adiaba
tischen Druckvolumenkurve p · vm = konst. des überhitzten Wasserdampfs für
verschiedene Dampfzustände, insbesondere auch an der Sättigungsgrenze er
mittelt.
Eine ausführliche Behandlung wurde ferner den für die Verflüssigung
der beständigen Gase so wichtigen Drosselungserscheinungen zuteil. Es war
nötig, diesem Gegenstand verhältnismäßig viel Platz einzuräumen, weil sonst
eine einigermaßen ins einzelne gehende Theorie der Luftverflüssigung, wie sie
im letzten Hauptabschnitt versucht wird, ausgeschlossen erschien. Hier ist die
Gelegenheit, wo sich die van der Waalssche Zustandsgleichung, die in der
Physik und Physikalischen Chemie ein weit größeres Ansehen genießt als in der
'l'echnik, als ein ebenso unentbehrliches wie ausgezeichnetes Hilfsmittel erweist.
Der II. Hauptabschnitt enthält die allgemeinen Lehren über die ge
sättigten Dämpfe, soweit sie nicht schon im I. Band behandelt sind. Be
sonders für die Übergänge aus dem Gaszustand in den dampfförmigen und
flüssigen Zustand und für die neuerdings auch technisch wichtig gewordenen
Erscheinungen der Unterkühlung des Dampfes und des Siedeverzugs der
Vorwort. V
Flüssigkeiten erweist sich wieder die van der Waalssche Gleichung als brauch
bare Führerin. Man darf von . ihr nur das nicht verlangen, was sie ebenso
wenig wie irgendeine ..a ndere Zustandsgleichung leisten kann, nämlich eine
quantitativ genaue Ubereinstirnmung für alle verschiedenen Stoffe im ganzen
Zustandsgebiet. An der Sättigungsgrenze, wo die größten Abweichungen auf
treten, versagt ja auch das weit allgemeinere Gesetz der korrespondieren
den Zustände am meisten.
Um weiter den Weg zu bahnen für die in späteren Abschnitten folgende
Behandlung der neuesten Ergebnisse der chemischen Thermodynamik, war
es nötig, auch die Beziehungen zwischen den Verdampfungswärmen und
den spezifischen Wärmen von Flüssigkeit und Dampf zu entwickeln. Ihre
allgemeinste Form wird durch die Plancksche Gleichung dargestellt, die in
neuerer Zeit durch ihre Verwendung zur Berechnung der spezifischen Wärme
des überhitzten Dampfs an der Sättigungsgrenze bekannter geworden ist. In
ihrer vereinfachten Form, die zuerst entwickelt wird, spielt sie in den
thermodynamischen Darlegungen der physikalischen Chemie längst eine be
deutsame Rolle, und sie ist insbesondere für das Verständnis und die Anwen
dung des N ernstseben Wärmetheorems unerläßlich. Das gleiche gilt von der
sogenannten "Dampfdruckkonstanten", die von Nernst geradezu als "Che
mische Konstante" bezeichnet wird. Die Ermittlung dieser Konstanten
bildet den Schluß des II. Hauptabschmtts.
Die Thermodynamik der chemischen Reaktionen bildet den Gegen
stand des III. Hauptabschnitts, in dem zunächst die unter dem Namen der
Thermochemie bekannten Anwendungen des Energiegesetzes auf chemische
Vorgänge entwickelt und an technisch wichtigen Beispielen erläutert werden.
Nach dem Satz von der "Abhängigkeit der Wärmetönung von der
Temperatur", der für die späteren Entwicklungen von größter Bedeutung
ist, folgt der Übergang zur Anwendung des Il. Hauptsatzes der Wärme
theorie auf chemische Reaktionen. Wer die Verwandlung der in den Brenn
stoffen enthaltenen chemischen Energie nur vom Standpunkt des Carnot
Clausiusschen Prinzips kennt, auf Grund dessen die Verwandlung von Wärme
in Arbeit nur nach Maßgabe des verfügbaren Temperaturgefälles möglich
ist, wie soll der die Behauptung der Physikalischen Chemie verstehen, daß
sich z. B. der Heizwert des Kohlenstoffs schon bei gewöhnlichen Temperaturen
grundsätzlich vollständig in mechanische Arbeit umsetzen läßt? Wie soll er
es mit diesem Prinzip vereinbaren, daß ein ähnlicher Umsetzungsgrad für
Wasserstoff und Kohlenoxyd möglich ist, jedoch nicht bei hohen Tempera
turen, sondern bei gewöhnlicher oder tieferer Temperatur? In der Tat darf
die Umwandlungsfähigkeit der chemischen Energie keineswegs mit der Um
wandlung der Wärmeenergie in mechanische Arbeit gleichgestellt werden.
Soll nun der II. Hauptsatz auch auf chemische Prozesse anwendbar sein,
so muß er eine gegenüber dem Carnot·Clausiusschen Prinzip erweiterte
Fassung erhalten. Man kann wohl diesem Satz, wie es heute üblich ist, von
vornherein einen solchen Inhalt geben, daß er auch die chemischen Vorgänge
umfaßt. So besteht nach Planck der Kern dss II. Hauptsatzes darin, "daß
es in der Natur gewisse Prozesse gibt, die durch keinen in der Natur mög·
liehen Vorgang vollständig rückgängig gemacht werden können" und seine
mathematische Formulierung darin, daß die Zunahme der Entropie das
Kennzeichen und Maß dieser "Irreversibilität" (Nichtumkehrbarkeit) ist. Oder
man gibt dem Perpetuum mobile zweiter Art, das man mit dem
II. Hauptsatz ausschließt, von vornherein die nötige allgemeine Definition.
Verfasser hat es vorgezogen, die Erweiterung erst da anzubringen, wo
sie gebraucht wird und ihren Ursprung hat, nämlich bei den chemischen
Reaktionen.
Bei der Anwendung des II. Hauptsatzes auf chemische Vorgänge kann
man zwischen zwei Verfahren wählen, die inhaltlich gleich, aber der Form
nach sehr verschieden sind. Das erste, anschauliche Verfahren ist das,
daß man umkehrbare Kreisprozesse ersinnt, nach denen die stets iso-
VI Vorwort.
thermisch gedachten Reaktionen verlaufen können. Als grundlegende Funk
tion für die mathematische Behandlung erg.ibt sich dabei die maximale
Arbeitsfähigkeit oder freie Energie der Reaktion. Dieser ·Wert ist an
sich schon von großem technischem Interesse und er kann in sehr anschau
licher Weise hergeleitet werden. Der zweite Weg ist die Einführung des
Entropiebegriffs und die rein mathematische Operation mit dieser Größe.
Obwohl nun in der heutigen technischen Thermodynamik die Entropie
zu einem vertrauten Werkzeug des Ingenieurs geworden ist, so konnte es doch
für den Verfasser keine Frage sein, daß bei der Darstellung der rein chemi
schen Vorgänge dem ersten Weg, nach Helmholtz, van't Hoff und
Nernst, im Interesse des leichteren Verständnisses und der Anschaulichkeit
der Vorzug zu geben sei. In der Tat kann man die rein chemische Thermo
dynamik mit ihren isothermischen Reaktionen ohne jede Verwendung des
Entropiebegriffs vollständig behandeln; dieser an sich schwierige Begriff
erscheint hier fast als Ballast, ein Umstand, der auch gelegentlich eine Unter
schätzung dieser schon ur s p r ü n glich von CI aus i u s eingeführten Funktion
verschuldet haben mag. Die Sachlage ist hier ganz ähnlich wie bei den iso
thermischen physikalischen Prozessen der idealen Gase. Bei diesen ist der
Entropiebegriff ganz entbehrlich. Sobald jedoch andere als iBothermische
Prozesse, z. B. adiabatische, bei den idealen Gasen betrachtet werden, wird
die Entropie schon zu einem recht nützlichen Werkzeug, dessen sich der In
genieur von heute gerne bedient. Wenn vollends die überhitzten und gesättig·
ten Dämpfe mit ihren Zustandsänderungen zu behandeln sin.l,l, wird die En
tropie zu einem geradezu u n entbehr I ich e n Hilfsmittel. Ahnlieh es würde
wohl der Fall sein, wenn beliebige Zustandsänderungen jdealer Gase mit gleich
zeitig chemisch reagierenden gesättigten oder überhitzten Dämpfen
betrachtet würden. Dies liegt aber heute noch außerhalb der Reichweite der
chemischen Thermodynamik.
Nach der Formulierung des II. Hauptsatzes auf Grund der umkehrbaren
Vermischung chemisch verschiedener Gase mittels halbdurchlässiger Wände
und auf Grund umkehrbarer isothermischer Kreisprozesse folgt die Aufstellung
der Hel~holtzschen Gleichung, in der beide Hauptsätze vereinigt sind. Im
Gange dieser Darlegungen wird auch der Gib bssche Satz von der Entropie
der Gasmischungen entwickelt und so wenigstens der Weg gezeigt, auf dem
sich der Entropiebegriff in die chemische Thermodynamik einführen läßt.
Es folgt die Anwendung der Grundgesetze auf das chemische Gleich
gewicht bei Gasreaktionen. Wie chemische Reaktionen thermodynamisch
umkehrbar geleitet werden können, wird zuerst am Beispiel der Wasser
stoffverbrennung und der Dissoziation des Wasserdampfs gezeigt.
die auch zahlenmäßig behandelt wird. Dann wird der allgemeine Ausdruck
für das Gleichgewicht bei konstanter Temperatur (Gleichgewichts
konstante, Reaktionsisotherme) und die maximale Arbeit belie
biger Gasreaktionen entwickelt. Darauf folgt das wichtige Kapitel über den
Einfluß der Temperatur auf das Gleichgewicht (van't Hoffsehe Gleichung)
und weiter der allgemeine Zusammenhang zwischen Wärmetönung und
maximaler Arbeit. Die Unbestimmbarkeit der Konstanten im Ausdruck
der maximalen Arbeit auf Grund der beiden Hauptsätze zeigt die N otwen
digkeit eines neuen Prinzips. Als- solches erscheint das Nernstsche
Wärmetheorem, dessen Aufstellung nicht allein den größten Fortschritt der
neueren chemischen Thermodynamik darstellt, sondern auch zu den berühmten
Untersuchungen über die spezifischen Wärmen bei sehr tiefen Temperaturen
bis in die Nähe des absoluten Nullpunktes geführt hat. Am Beispiel des
Schmelzvorganges wird die Bedeutung dieses Prinzips auch für physika
lische Vorgänge erläutert, und dabei ergibt sich gleichzeitig die wichtige Tat
saohe der Unabhängigkeit der Dampfdruckkonstante eines Stoffes von
seiner Zustandsform. Dann folgt die Anwendung des Theorems in Verbindung mit
dem I. und li. Hauptsatz auf Gasreaktionen und die Berechnung der Gleich
gewichtskonstanten sowie des Absolutwerts der maximalen Arbeit.
Vorwort. VII
Die Vorausberechnung des Verlaufs chemischer Reaktionen
Qhne direkte chemische Messungen, allein auf Grund der spezifischen Wärmen
der reagierenden Stoffe und der Wärmetönung der Reaktion bei einer ein
zigen Temperatur ist hiermit wenigstens grundsätzlich ermöglicht. Im An
schluß werden die technisch wichtigsten Gasreaktionen, die Dissoziation des
Wasserdampfs und der Kohlensäure und das Wassergasgleichgewicht
behandelt, sowie auch die heterogenen Reaktionen, mit der Kohlenoxyd
bildung und der Verbrennung des Kohlenstoffs zu Kohlensäure als An
wendungsbeispielen. Die graphische Behandlung dieser Reaktionen dürfte
wohl hier zum ersten Male durchgeführt sein. Wenn auch zu einer vollstän
digen Kenntnis der spezifischen Wärmen im Gaszustand bei sehr tiefen Tem
peraturen heute noch viel fehlt, so war es doch möglich, durch sinngemäße
Extrapolationen auf Grund der neuesten Forschungen zu Ergebnissen zu ge
langen, die mit den unmittelbaren chemischen Messungen in naher Überein
atimmung stehen. Sollten auch später, wie nicht anders zu erwarten, weitere
Versuche über die spezifischen Wärmen Anderungen bringen, so bleibt dennoch
der Wert und das Endergebnis dieser Abschnitte erhalten, weil überall der ge
naue Anschluß an die direkten chemischen Messungen hergestellt wurde. Der
Abschnitt schließt mit der zuerst von Nernst gemachten Feststellung, daß die
chemische Energie des Kohlenstoffs grundsätzlich so gut wie vollständig in
mechanische Arbeit umsetzbar ist, und zwar bei niederen wie bei hohen Tem
peraturen.
Der IV. Hauptabschnitt endlich enthält ausgewählte Kapitel aus ver
schiedenen technischen Anwendungsgebieten in zwangloser Reihenfolge. Er
beginnt mit einer der ältesten Aufgaben der Thermodynamik, der Kalori·
metrie der Kolbendampfmaschine. Hier sind die älteren mit denneueren
Methoden verschmolzen; ein neuerdings fast ausschließlich angewendetes graphi
sches Verfahren erfährt bei dieser Gelegenheit die nötige kritische Würdigung.
Ein Versuch des Verfassers an einer Einzylinderdampfmaschine, mit Messung
der in den Kondensator übergetretenen Wärme, dient als Beispiel.
Es folgt eine Reihe von Abschnitten, in denen die seither theoretisch
wenig beachtete, technisch aber recht wichtige Ausströmung von Gasen und
Dämpfen aus Gefäßen ohne Zufluß behandelt wird. Verf. hat früher ge
zeigt, auf welche Weise die Aus- und Einströmvorgänge bei Dampfmaschinen
einer rechnerischen Behandlung zugänglich werden. Auch bei den Gas· und
Olmaschinen bestehen ähnliche Aufgaben, deren vollständige Behandlung in
dem knappen Rahmen nicht möglich ist. Insbesondere musste Verf. von der
Behandlung der Auffüllungsvorgänge geschlossener Räume absehen. Durch
ein neues graphisches Verfahren ist endlich auch das schwierig zu behandelnde
Gebiet der unterkritischen Druckverhältnisse zugänglicher geworden.
Die Theorie der Verflüssigung der beständigen Gase nach den
Verfahren von Claude und von Linde wurde in so eingehender Weise zu
behandeln versucht, als es die he~ttigen physikalischen Grundlagen zulassen;
jedenfalls ist der Weg gezeigt, auf welchem eine theoretische Vorausberechnung
der verlustfrei gedachten Vorgänge möglich ist, wenn die gerraueren physika
lischen Grundwerte vorliegen. Die Schwierigkeiten dieses Gegenstandes wachsen
erheblich, sobald man von einer nur beschreibenden und erläuternden Dar
legung zu bestimmten formelmäßigen Ermittlungen übergehen will, wie es hier
geschehen ist. Ohne die oben erwähnten, vorbereitenden Abschnitte wäre dies
nicht möglich gewesen.
Im 56. Abschnitt wird die Theorie des Kraftgasgenerators in knapper
und zum Teil neuartiger Form behandelt. Absichtlich hat sich Verf. auf die
Energieverhältnisse und die aus ihnen folgenden Beziehungen für die
Grenzen der Zusammensetzung des Gases, den Wasser- und Luftbedarf und
den thermochemischen Wirkungsgrad beschränkt und von Betrachtungen über
das chemische Gleichgewicht, das ja höchstens in der Gasphase besteht, ab
gesehen.
Die letzten Abschnitte des Buches sind den Verbrennungsvorgängen
VIII Vorwort.
gewidmet, deren hohe technische Bedeutung heute mehr denn je anerkannt
werden muß. Die Entzündungstemperatur, die Verbrennungsge·
schwindigkeit von Gasgemischen in Röhren und in Gefäßen, die Explo·
sionswelle, die örtlichen Druck· und Temperaturüberschreitungen
infolge von Teilexplosionen werden auf Grund der älteren und neueren Ve r·
suche behandelt. Verf. möchte nicht versäumen, hervorzuheben, daß ihm hier
die klassischen Arbeiten von Mallard und Le Chatelier mit ihren durch Klar·
heit der Darstellung wie durch Fülle der Ergebnisse gleich ausgezeichneten
Darlegungen als Führer gedient haben. Auch die neueren, besonders von
deutschen und englischen Forschern stammenden Ergebnisse sind so weit
wie möglich verarbeitet. Die aktuelle Frage der sog. Oberflächenverbren·
nung wird in diesem Zusammenhang ebenfalls behandelt.
Den Schluß des Buches bilden die Kapitel über die Gasturbine. Hier
konnte Verf. sich nicht entschließen, etwa dw bisher entwickelten Theorien
über denkbare Arbeitsprozesse zusammenfassend zu behandeln. Wenn irgend
wo, so besteht bei der Gasturbine das Wort von der grauen Theorie in ge·
wisser Weise zu Recht. Nach einer kurzen Beschreibung der beiden Systeme,
die bisher allein zu greifbaren Ergebnissen geführt haben, werden die theo·
retischen Grundlagen der Explosionsturbine, als dem bisher noch erfolg·
reichsten und technisch am meisten vervollkommneten System eingehend ge
würdigt. Dann wird der Prozeß der mit Vorverdichtung und Regenerator
arbeitenden Holzwartb-Turbine behandelt. Verf. kommt zu einem in ther
mischer Hinsicht für dieses Verfahren günstigen Ergebnis.
Der weitergehende Ausbau der chemischen Thermodynamik, der sich
zum Teil erst während der Bf'arbeitung ergab, und der immer mehr beschleu·
nigte Fortschritt der in Betracht kommenden Wissenschaftsgebiete waren die
Ursache, daß eine Reihe weiterer technisch wichtiger Anwendungen, die dem
Verfasser als Ingenieur am Herzen lagen, vorläufig zurückgestellt werden mußte.
Wie im I. Band, so hat Verfasser auch hier Wert darauf gelegt, in zahl
reichen Fußbemerkungen auf die Originalarbeiten zu verweisen.
Eine größere Zahl normaler Indikatordiagramme in beiden Bänden
entstammt der Dampfmaschine und Gasmaschine des Maschinenlaboratoriums
der Königlichen höheren Maschinenbauschule zu Breslau.
Der Anhang enthält zwei früher vom Verfasser veröffentlichte Dampf·
tabeilen für Wasserdampf von sehr hohem Druck, sowie einige kleinere
Zahlentafeln und eine J-S-Tafel für Wasserdampf bis zum kritischen Druck,
die in erheblich größerem Maßstab als an der Stelle ihrer ersten Veröffent·
lichung gezeichnet ist.
Breslau, im Februar 1914.
W. Schüle.
Inhaltsverzeichnis.
L Allgemeine Thermodynamik homogener Körper, insbesondere der
wirklichen Gase und der überhitzten Dämpfe.
Seite
1. Die Zustandsgrößen und ihr allgemeiner Zusammenhang auf Grund
der Zustandsgleichungen; Phasen; Zustandsflächen und Zustandstafeln.
Die partiellen Differentialquotienten der Zustandsgrößen • . , . . . 1
2. Beliebige Zustandsänderungen. Die vollständigen Differentiale und
Differentialquotienten der Zustandsgrößen. Zusammenhang der par-
tiellen Differentialquotienten einer Zustandsfläche untereinander 7
3. Ausdehnungs-, Spannungs- und Kompressibilitätskoeffizient . . . • , 11
4. Zusammenhang der Zustandsflächen mit den Zustandstafeln . . . . • 12
5. Die allgemeinen Beziehungen der Zustandsgrößen p, v, T, U, J, S unter
einander und zu den spezifischen Wärmen Cp und Cv auf Grund des
I. und II. Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie , , . . . . . 15
Die Anderung der inneren Energie U, des Wärmeinhalts J, der
Entropie S und die zugeführte Wärme Q, ausgedrückt durch die Ande
rungen von p, v, T,
a) wenn v und T unabhängig veränderlich sind; Anwendung auf
ideale und wirkliche Gase • . . • . , . . • 18
b) wenn p und T unabhängig veränderlich sind . 22
c) wenn p und v unabhängig veränderlich sind 24
6. Allgemeines Verhalten der spezifischen Wärmen Cp und Cv. Unterschied
von Cp und c.. Abhängigkeit vom Druck und Volumen bei gleicher
Temperatur. Veränderlichkeit auf Grund der van der Waalsschen
Zustandsgleichung. Vergleich mit neueren Versuchen .•..•. , . 27
7. Die spezifische Wärme bei sehr tiefen Temperaturen. Frühere An
schauungen. Versuche von N ernst an festen Körpern. Formeln für
die spezifische Wärme fester Körper. Spezifische Wärme der Gase bei
sehr tiefen Temperaturen . . . . . . . . . . . . • . . • . • . . 37
8. Berechnung des Volumens überhitzter Dämpfe aus dem Volumen im
Gaszustande mit Hilfe der spezifischen Wärmen Cp. Zustandsgleichungen 45
9. Der Exponent der adiabatischen Druck-Volumenkurve pvm = konst.
des überhitzten Wasserdampfs . . • . . • • • . • . . • • . . . • 48
9 a. Der Exponent der adiabatischen Druck-Temperaturkurve T = konst. pn
des überhitzten Wasserdampfs • . . . . . . . . . . • . . . . . • 52
9 b. Die adiabatische Zustandsänderung der wirklichen Gase. Adiabaten auf
Grund der van der Waalsschen Gleichung . • . . . . . • . • • • • 54