Table Of ContentTechnische
Thermodynamik
Von
W. Schüle
Professor Dip1.~lng.
Erster Band
Die für den Maschinenbau wichtigsten Lehren
nebst technischen Anwendungen
Zweiter Teil: Lehre von den Dämpfen
Fünfte, neubearbeitete Auflage
Mit 140 Abbildungen im Text
und den Tafeln III-IVa
EXIRA
MATERIALS
extras.springer.com
Springer-V erlag
Berlin Heidelberg GmbH
1930
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ISBN 978-3-642-98245-3 ISBN 978-3-642-99056-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-99056-4
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
Copyright 1930 by Springer-Verlag Berlin Heide1berg
Ursprünglich erschienen bei Julius Springer in Berlin 1930
Softcover reprint of the bardeover 5th edition 1930
Vorwort znr fünften Anßage.
Die vierte Auflage des I. Bandes, die im Dezember 1920 erschienen
war, mußte schon im Sommer 1922 unverändert zum zweitenmal
gedruckt werden, da sie bereits in der ersten Hälfte dieses Jahres
vergriffen war. Eine neue Auflage kam· damals wegen der Kürze der
Zeit und wegen des gleichzeitigen Erscheinans der vierten Auflage
des II. Bandes nicht in Frage. Durch diesenNendruck ist das Erscheinen
der 5. Auflage erheblich hinausgeschoben worden.
Es entspricht der außerordentlichen Entwicklung der Thermo
dynamik und ihrer praktischen Anwendungen in dem letzten Jahrzehnt,
daß die vorliegende fünfte Auflage des I. Bandes eine weitgehende Um
arbeitung und Erweiterung aufweist. Die Trennung des Bandes in
zwei Teile war allerdings nicht allein durch den vergrößerten Umfang,
sondern auch dadurch bedingt, daß der I. Band in zwei Teilen käuflich
sein sollte. Der 1. Teil (Gase und allgemeine thermodynamische
Grundlagen) konnte dabei vom 2. Teil (Dämpfe) unabhängig ge
macht werden, so daß jeder Teil ein geschlossenes Ganzes darstellt.
Dadurch dürfte sowohl der Gebrauch, als auch die Beschaffung des
Buches erleichtert werden.
Eine gewisse Vergrößerung des Umfangs war dadurch bedingt,
daß einige Abschnitte aus dem II. nach dem I. Band übernommen
und hier überdies weiter ausgebaut werden mußten. Insbesondere war
dies nötig für den Wasserdampf im sogenannten Höchstdruckgebiet,
dessen praktische Verwendung vom Jahre 1922 ab, wo sie einsetzte,
bis heute in außergewöhnlichem Maße zugenommen hat und weiter
zunimmt. Mit dieser fast stürmischen Entwicklung der Höchstdruck
Dampftechnik hat die technisch-wissenschaftliche W asserdampffor
schung Schritt gehalten, und zu der deutschen und englischen ist die
nordamerikanische Forschung mit außerordentlichen Leistungen ge
treten. DieForschungsergebnisse konnten noch bisAnfang des Jahres1930
berücksichtigt werden, soweit sie bis dahin veröffentlicht waren. Im
letzten Jahrzehnt hat sich aber überhaupt die Anwendung des Wasser
dampfs zur Gewinnung mechanischer und elektrischer Energie und
zur Wärmeübertragung außerordentlich verbreitert und vertieft, ins
besondere unter dem Druck der wirtschaftlichen Verhältnisse, die zu
einer immer rationelleren Wärmewirtschaft zwangen. Diese ganze Ent
wicklung mußte in der neuen Auflage zu einer wesentlichen Vermehrung
auch der augewandten Abschnitte über den Wasserdampf führen.
IV Vorwort zur fünften Auflage.
Durch diese beispiellose äußere und innere Entwicklung des
Wasserdampfbetriebs, die die Dampfturbine an die erste Stelle unter
den Wärmekraftmaschinen gerückt hat, und durch die gleichzeitige
Entwicklung des Dieselmotors zur kompressorlosen Maschine und Groß
kraftmaschine ist die Gasmaschine weitgehend zurückgedrängt worden,
während die gleichfalls nach dem Ottoschen Verfahren arbeitenden
Leichtölmotoren als Fahrzeugmotoren das Feld behaupteten und viele
konstruktive Verbesserungen erfuhren, die sich auch thermisch aus
wirkten.
Dagegen fehlt bisher die Gasturbine trotz ernsthaftester Be
mühungen von verschiedenen Seiten noch immer. An der Entwicklung der
Holzwarth-Turbine, über die vom Verfasser im Jahre 1921 in einem Vor
trag auf der Hauptversammlung des Elektrotechnischen Vereins berichtet
wurde, konnte zwar, nach Überwindung der großen äußeren Schwierig
keiten der Nachkriegszeit, vo:tn Jahre 1925 ab mit großem Nachdruck
weitergearbeitet werden. Jedoch erwies sich die technische Lösung als
um so schwieriger, je weiter sie fortschritt. Wenn auch die Ergebnisse
dieser umfangreichen experimentellen, konstruktiven und theoretischen
.Arbeiten noch nicht veröffentlicht werden konnten, so werden doch
die Abschnitte 56 und 79 im 1. Teil und besonders der letzte Abschnitt
des 2. Teils die Richtung erkennen lassen, nach der sich die Entwicklung
zuletzt vollzogen hat und weiter vollziehen wird, nämlich die mehr
stufige Anordnung und engste Verbindung mit der Dampfturbine,
deren Fortschritte bei dem neuen Verfahren voll ausgenützt werden
können.
Eine neue Auflage des II. Bandes wird vorläufig nicht erscheinen.
Trotz der Herübernahme einzelner größerer Abschnitte in die fünfte
Auflage des I. Bandes wird die vierte Auflage des II. Bandes ihren
Wert behalten, da sie außer den mehr wissenschaftlichen Teilen der
physikalischen Thermodynamik auch die Grundlagen der chemischen
und chemisch-physikalischen Thermodynamik enthält.
Der weitere Ausbau der Verbrennungsvorgänge, insbesondere nach
der Dissoziation der Verbrennungsprodukte, ist in dem im Jahre 1929
erschienenen Beiheft zu diesem Buche "Neue Tabellen und Diagramme
für technische Feuergase und ihre Bestandteile von 0° bis 4000° C,
mit Einschluß der Dissoziation nebst Begründung und Anwendungen"
erfolgt. Dieses Beiheft bildet somit eine Ergänzung zu beiden Bänden.
Die neuesten Fortschritte in der Erkenntnis des Verhaltens der
spezifischen Wärme der Gase bei hohen Temperaturen, die aus dem
N ernst'schen Laboratorium hervorgingen, konnten noch in Abschn. 35
des 1. Teils berücksichtigt werden.
Essen, im Mai 1930.
W. Schüle.
Inhaltsverzeichnis.
I. Der Wasserdampf im gewöhnlichen Drnckgebiet.
Seite
1. Der gesättigte Wasserdampf, Druck und Temperatur; spezifisches Ge-
wicht und Volumen • • . • . • • • • • . . • • • . . • • . . . • 1
2. Wärmemengen bei der Dampfbildung und der Kondensation des Dampfs 6
3. Feuchtigkeitsänderungen des gesättigten Dampfs bei beliebigen Zustands
änderungen. Kurven gleicher Feuchtigkeit (oder gleicher Dampfmenge) 15
4. Der überhitzte Wasserdampf. Entstehung. Wärmeinhalt. Wahre und
mittlere spezifische Wärme bei konstantem Druck. Zustandsgleichung.
Grenzkurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 7
5. Entropie des Wasserdampfes . . . . . . . . . . . . . 22
6. Ausdehnung und Verdichtung des Sattdampfes ohne Feuchtigkeits-
änderung • . . . . . . . . . . . . . . . . • . 28
7. Ausdehnung und Verdichtung des Dampfes im wärmedichten Gefäß
(adiabatische Zustandsänderung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
8. Wirkliche Zustandsänderung des Dampfes bei der Ausdehnung und Ver
dichtung in den Dampfmaschinen.
a) Sattdampfbetrieb . . . . . . . . . . 34
b) Heißdampfbetrieb . . . . . . . . . . 36
9. Zustandsänderung bei konstantem Volumen.
a) Sattdampf ..... . 36
b) überhitzter Dampf . . . . . 39
10. Dampftafeln (TS- und TVS-Tafel) 41
11. Der Wasserdampf im Gebiet sehr hoher Drücke.
(Höchstdruckdampf.)
A. Gesättigter Dampf.
11. Allgemeine Zustandsverhältnisse . . . . . . . . 45
12. Die Druck-Temperaturkurve . . . . . . . . . . 47
13. Die Verdampfungswärme, Flüssigkeits- und Gesamtwärme 48
14. Spezifisches Volumen und spezifisches Gewicht des gesättigten Dampfes
und Wassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
B. überhitzter Wasserdampf.
15. Spezifisches Volumen . . . . . . . . . . . . . . . 52
16. Druck-Temperaturmessungen bei adiabatischer Expansion 54
17. Die spezifische Wärme bei konstantem Druck . . . . . . 56
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
18. Bestimmung des Wärmeinhalts aus Drosselversuchen . . . . . . . 56
19. Die Zustandsgleichung des überhitzten Dampfes . . . . . . . . . 60
20. Die adiabatische Zustandsänderung im Jakobsehen Zustandsdiagramm
und die Gallendarsehen Zustandsgleichungen , •. · . . . . 65
21. Die Zustandsgleichung auf Grund der spezifischen Wärmen cP • 67
22. Die Dampftafeln im Hochdruckgebiet . . . . . . . . . 69
111. Allgemeines Verhalten der Dämpfe.
Heiße Dämpfe, Kaltdämpfe und Gase.
23. Entstehung der Dämpfe. Heißdämpfe und Kaltdämpfe. Kritischer Zu-
stand • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
24. Die Clapeyron-Clausiussche Gleichung . . . . . . . . . . . . 80
25. Gleichgewichte zwischen dem dampfförmigen, flüssigen und festen Zu-
stand. (Zustandsgebiete.)
a) Flüssigkeit und Dampf • • . . . . • . . 82
b) Fester Körper und Dampf (Sublimation) • 83
c) Fester und flüssiger Körper (Schmelzung) 84
26. Entropie und Entropiediagramme der gesättigten Dämpfe.
a) Allgemeine Beziehungen und Heißdämpfe. (Quecksilber, Diphenyl-
oxyd, Aethyläther) . . . . . . . 85
b) Der Wasserdampf im Kältegebiet 89
c) Kaltdämpfe (Kohlensäure, Luft). 92
27. Die überhitzten Dämpfe.
a) Zustandsgebiet . . . . . . 94
b) Zustandsgleichung . . . . 94
c) Die spezifische Wärme cP • 97
d) Thermische und kalorische Zustandstafeln 98
28. Drosselung der gesättigten und überhitzten Dämpfe und der wirk-
lichen Gase.
a) Feuchte Dämpfe . . . . . . . . . . . . . . . 100
b) überhitzte Dämpfe . . . . . . . . . . . . . . 103
c) Die wirklichen Gase. Die Thomson-J oulesche Abkühlung.
Verflüssigung der Luft nach C. v. Linde . . . . . . . . . . . 107
Strömungsver häl tnisse.
29. Berechnung der technischen Arbeitsfähigkeit und der Ausflußgeschwin
digkeit des Wasserdampfs mittels des Wärmeinhalts (Wärmegefälle) . 110
30. Die JS-Tafel für Wasserdampf •..•.......... 114
31. Darstellung der Strömungsverhijltnisse in den Entropiediagrammen
der Dämpfe. Allgemeinste Form der adiabatischen Strömungsglei
chung mit Widerständen.
a) Gesättigter Dampf . . . . . 117
b) überhitzter Dampf . . . . . 118
32. Graphische Düsen-Berechnung (Beispiel). 120
Feuchte Luft.
33. Zustandsänderungen der feuchten Luft bei gleichbleibendem Druck 123
34. Das Wärmediagramm der feuchten Luft . . . . . . . . . . . . 131
vn
Inhaltsverzeichnis.
Seite
IV. Anwendungen.
A. Dampfkraftmaschinen.
35. Die verlustfreie und die wirkliche Arbeitsfähigkeit des Dampfs. Wir-
kungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · . 139
36. Verwendung des Dampfs zur gleichzeitigen Lieferung von mecha
nischer Energie und Wärme. (Vereinigte Kraft- und Wärmewirtschaft) 146
37. Die gewöhnliche oder Wattsehe Dampfmaschine •...•...• 151
38. Bestimmung der verlustfreien Nutzarbeit und des thermischen Wir
kungsgrads mit Hilfe der Entropietafeln • • . . • . • . . . • • • 159
39. Ermittlung der theoretischen Dampfarbeit, des mittleren Druckes, des
Dampfverbrauchs und thermischen Wirkungsgrads von Kolbendampf
maschinen mit schädlichem Raum und Kompression mit Hilfe der
Entropie- und Volumentafeln . . • . . • • . . • . . . . . . . • . 161
40. Vergleich der Leistung wirklicher Dampfmaschinen mit der Arbeit der
verlustfreien Maschinen . . . 166
41. Die Verbund-Dampfmaschine ....... . 170
42. Die Heißdampfmaschine . . . . . . . . • . 171
43. Die Stumpfsehe Gleichstromdampfmaschine 173
44. Die Gleichstromdampfmaschine mit kurzem Kolben 173
45. Verfahren mit Wärmeaustausch zwischen dem Maschinendampf und
dem Dampferzeuger.
a) Speisewasser-Vorwärmung durch den Abdampf 174
b) Das Regenerativ-Verfahren . · ....... . 175
46. Die Zwischenüberhitzung . . . . . . . . . . . . 184
47. Vorwärmung des Speisewassers und der Verbrennungsluft durch die
Abgase des Dampfkessels . . . . . . . . . 185
48. Hochdruck- und Höchstdruckdampf . . . . . 185
49. Mittelbare Erzeugung von Höchstdruckdampf.
a) Gesättigter Heizdampf. (Verfahren der Schmidtschen Heiß
dampfgesellschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
b) überhitzter Heizdampf (Hochdruckdampf-Umwälzverfahren nach
Löffler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
50. Erzeugung von Höchstdruckdampf unter Umgehung des Sättigungs
gebiets. (Benson-Vedahren) 194
51. Dampfspeicher.
a) Allgemeine Grundlagen ... 198
b) Die Gefälle-Speicher (Ru t h s-Speicher) 200
c) Gleichdruckspeicher . . . . . . . . 203
B. Kälteerzeugung und Wärmepumpe.
52. Kälteerzeugung mittels Kaltdämpfen 205
53. Kälteerzeugung mittels Wasserdampf ..... . 216
54. Die Wärmepumpe .............. . 219
55. Destillieren und Abdampfen mittels Wärmepumpe 225
C. Mechanische Wirkungen strömender Gase und Dämpfe.
56. Druck abgelenkter freier Strahlen (Aktion) . . . . . . . . . . 230
57. Reaktion und Reaktionsarbeit beschleunigter Gas- und Dampfströme;
reines Reaktionsrad; Vergleich mit dem Aktionsrad . . . . . . . . 234
VIII Inhaltsverzeichnis.
Seite
58. Gleichzeitiges Auftreten von Aktions- und Reaktionskräften . 240
59. Die Wirkung des Dampfes in den Dampfturbinen . . . . . 242
60. Arbeit und Wirkungsgrad der einstufigen reibungsfreien Aktions- oder
Druckturbine (Laval-Turbine) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
61. Arbeit und Wirkungsgrad der einstufigen reibungsfreien Dberdruck
turbine; Vergleich mit der Druckturbine . . . . . . . . . . . . . 249
62. Die Radgeschwindigkeit und der Gang der Berechnung für die reibungs-
freie einstufige Überdruckturbine . . . . . . . . . . . . · . 252
D. Mehrstoff-Dampfturbinen und Gasturbinen.
63. Die Zweistoff -Dampfturbine (Quecksilber-Wasserdampf-Turbine nach
Emmet) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
64. Verbund-Explosions-Feuergas- und Wasserdampfturbine nach dem Ver-
fahren von Holzwarth-Schüle . . . . ............ 259
Anhang.
D ampfta bellen.
I. Gesättigter Wasserdampf von 0,02 bis 40 kgfcm2 269
II. " " 0° " 250° . 271
III. " " "+10° "+500 .. . 272
IIIa. " "-200 "+ go .. . 273
IV. " " 0,01 " 0,20 kgfcm2 273
Rahmentafeln für Wasserdampf 274
Alphabetisches Sachverzeichnis 277
Tafeln im Text.
Tafel III. Entropie-Temperatur-Tafel für Wasserdampf 41
" IV. JS-Diagramm für Wasserdampf .. 114
Tafeln im Anhang.
Tafel lila. Temperatur-Entropie- und Volumen-Tafel für Wasserdampf.'
" IV a. J S-Tafel für Wasserdampf.
Bemerkung: Tafel J, II und IIa befinden sich im I. Teil.
Schiile, Thermodynamik I, 1, fi. Anfl.
I. Der Wasserdampf im gewöhnlichen
Druck gebiet.
1. Der gesättigte Wasserdampf. Druck und Temperatur;
spezifisches Gewicht und Volumen.
Die Eigenschaften des Wasserdampfes zeigen sich am deutlichsten, wenn
seine Entstehung aus dem flüssigen Wasser verfolgt wird.
Soll Wasser in einem offenen Gefäß, also unter dem gleichbleibenden
Druck der Atmosphäre (von 1,033 kgfcm2) durch Wärmezufuhr verdampft werden,
so steigt seine Temperatur erst auf 100 °. Erst von da ab beginnt die Dampf
entwicklung in der ganzen Masse. Der Druck dieses Dampfes ist gleich dem
Atmosphärendruck, also 1,033 kgjcm2 abs., seine Temperatur wie die des Wassers
1000. Sie steigt auch bei der stärksten Wärmezufuhr nicht weiter.
Liegt auf der Wasseroberfläche im g es c h I o s s e n e n Dampfkessel ein
höherer als der atmosphärische Druck, z. B. 10 at abs., so ist die Wasser
temperatur, bei der die Verdampfung beginnt, und daher auch die Dampf
temperatur höher. Das dem Kessel während des Betriebes zugeführte Speise
wasser muß erst auf diese höhere Temperatur erwärmt werden, ehe es an der
Dampflieferung teilnimmt. Bei niedrigerem Druck als 1,033 at, also z. B. auf
Bergen im offenen Gefäß oder in einem geschlossenen Gefäß mit teilweisem
Vakuum beginnt die Verdampfung schon unterhalb 100°. Wasser von 20°
siedet z. B., wenn der Druck bis 17,4 mm Hg erniedrigt wird.
Die Dampfentwicklung und damit auch die Existenz des Dampfes
von bestimmtem Druck (p) ist also an ganz bestimmte vom Druck ab
hängige Temperaturen, die Siedetemperaturen, gebunden1). Um
gekehrt entspricht auch jeder gegebenen Dampftemperatur ein ganz
bestimmter Siededruck Der Dampf in dem Zustande, wie er sich
aus dem flüssigen Wasser entwickelt, heißt gesättigt. Nur für
solchen Dampf gelten die Erörterungen in diesem Abschnitt.
Der Zusammenhang zwischen Dampfdruck Pa und Dampftempera
tur ta im Siedezustand geht aus Abb. 4 hervor, in der die Dampftem
peraturen als Abszissen, die Drücke als Ordinaten aufgetragen sind
(Dampf druckkurve ). Die Dampftabellen im Anhang enthalten ebenfalls
die zusammengehörigen Werte von Pa und t •. Die neuasten und wohl
genauesten Versuche darüber stammen aus der Physikalisch-Tech-
1) Die Verdunstung ist ein Verdampfungsvorgang, bei dem lediglich die
freie Oberfläche des Wassers beteiligt ist. Sie ist abhängig von dem Teil
druck des Wasserdampfs in der umgebenden Luft und hört erst auf, wenn
dieser Druck gleich dem zur Wassertemperatur gehörigen Siededruck wird (wenn
also die umgebende Luft mit Wasserdampf gesättigt ist). Im offenen Gefäß
beginnt daher die Verdunstung wegen der Kleinheit des Dunstdrucks der
Luft schon lange vor dem Sieden.
Schüle, Thermodynamik, I, 2. 5. Auf!. 1