Table Of ContentBeate Seitz
Tarifierung von Weiterbildung
Neue Informationstechnologien
und Flexible Arbeitssysteme
Band 14
Ein Ergebnisband des Sonderforschungsbereichs 187
der Ruhr-Universitiit Bochum
Der Sonderforschungsbereich 187 "Neue Informationstechnologien und
Flexible Arbeitssysteme: Entwicklung und Bewertung von CIM-Systemen
auf der Basis teilautonomer flexibler Fertigungsstrukturen" an der Ruhr
UniversiUit Bochum wurde zwischen Januar 1989 und Dezember 1995 aus
Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefOrdert. Er beschaftigte
sich mit der Entwicklung und Bewertung von CIM-Systemen auf der Basis
teilautonomer flexibler Fertigungsstrukturen (Fertigungsinseln). 1m Rahmen
der interdisziplinaren, anwendungsorientierten Forschung wurde nach Pro
blemlosungen fUr die Fabrik der Zukunft in den Bereichen Technik, Arbeits
gestaltung, Organisation, Qualifikation und soziopolitische Kompatibilitat
gesucht. Das Spektrum der beteiligten Disziplinen reichte dabei von Maschi
nenbau und Arbeitswissenschaften tiber Psychologie und Betriebswirtschafts
lehre bis hin zur Soziologie, Politikwissenschaft und Mathematik.
Beate Seitz
Tarifierung
von Weiterbildung
Eine Problemanalyse
in der deutschen Metallindustrie
Leske + Budrich, Opladen 1997
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Seitz, Beate: Tarifierung von Weiterl>ildung: Eine Problemanalyse in der deutschen
Metallindustrie / Beate Seitz. - 1. Aufl. - Opladen : Leske und Budrich, 1997
(Neue Informationstechnologien und flexible Arbeitssysteme ; Bd. 14)
ISBN 978-3-8100-1571-6 ISBN 978-3-322-97333-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-97333-7
Zugl.: Bochum, Univ. Diss. 1995
NE:GT
© 1997 Leske + Budrich, Opladen
Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschtitzt. Jede Verwertung
auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Veclages
unzuliissig und stratbar. Das gilt insbesondere fUr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mi
kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Inhalt
Vorwort 9
1. Einleitung 11
2. Probleme der Qualitizierung:
Technik, Arbeitsorganisation und institutionelle
Rahmenbedingungen 16
2.1. Veranderte Produktionsbedingungen:
Der Zusammenhang von Technik,
Arbeitsorganisation und Qualifikation 16
2.1.1. Rationalisierungspfade 20
2.1.1.1. Vom Taylorismus zum Neotaylorismus und Neofordismus 20
2.1.1.2. Ein neuer Rationalisierungstyp? Systemische Rationalisierung 22
2.1.1.3. Neue Produktionskonzepte 24
2.1.2. Rationalisierung und Qualifikationsentwicklung 27
2.1.3. Die Relevanz der Qualifikationsentwicklung
fur das Problem Weiterbildung 33
2.2. Berufliche Weiterbildung und Qualifizierung:
begriffliche Eingrenzung 34
2.2.1. Weiterbildung: ein vielschichtiger Begriff 35
2.2.2. Der Stellenwert von beruflicher Weiterbildung:
Differenzierung nach Interessen 40
2.2.3. Normative Besetzungen des Begriffs Qualifizierung 44
2.3. Berufliche Weiterbildung in der Bundesrepublik Deutschland 45
2.3.1. Rechtliche Rahmenbedingungen 46
2.3.2. Beteiligung an beruflicher Weiterbildung 48
2.3.3. Wirkungen der betrieblichen Weiterbildungspraxis:
Segmentierung der Belegschaften 50
2.4. Zwischenfazit:
Weiterbildung zwischen Notwendigkeit und Chance 56
6 Inhalt
3. Probleme der Durchsetzung:
Der Aushandlungsproze8 auf der Tarifvertragsebene S9
3.1. Rahrnenbedingungen des Aushandlungsprozesses:
Die rechtlichen und okonomischen Bedingungen der
industriellen Beziehungen 60
3.1.1. Die rechtlichen Bedingungen:
Grundlage fUr eine hohe Stabilitiit 63
3.1.1.1. Das Tarifvertragssystem 63
3.1.1.2. Das Betriebsverfassungsgesetz 65
3.1.2. Die okonomischen und sozialen Bedingungen:
Vedinderungen der industriellen Beziehungen
und der Tarifpolitik 67
3.2. Die kollektiven Akteure im DurchsetzungsprozeB 72
3.2.1. Gewerkschaften 73
3.2.2. Arbeitgeberverbiinde 80
3.3. Optionen und Probleme bei der Regulierung eines
individuellen Weiterbildungsanspruchs 85
3.3.1. Die Bedingungen kollektiven Handelns 85
3.3.2. Probleme einer qualifikationsorientierten Tarifpolitik 89
3.3.2.1. Interessenkonflikte innerhalb der Gewerkschaft 90
3.3.2.2. Lokaler Handlungszwang und universaler
Legitimationsanspruch der Gewerkschaft 103
3.3.2.3. Interessenkonflikt innerhalb des Arbeitgeberverbandes 107
3.4. Tarifliche Regulierungen zur beruflichen Weiterbildung
in der Metallindustrie 114
3.5. Probleme einer tariflichen Regulierung
der betrieblichen Weiterbildung 120
3.6. Zwischenfazit: Durchsetzungsfahigkeit
eines individuellen Weiterbildungsanspruchs 121
Inhalt 7
4. Probleme der Vermittlung:
Neue Aufgabeo fur die Verbinde 125
4.1. Die Differenz zwischen der tariflichen und
der betrieblichen Verhandlungsebene 126
4.2. Das Mehr-Ebenen-Problem bei qualitativer Tarifpolitik 131
4.3. Die Uberbriickung der Schnittstelle 133
4.3.1. Vermittlung im Tarifvertragssystem 134
4.3.2. Vermittlung zwischen Gewerkschaft und Betriebsraten 137
4.3.3. VermittIung zwischen Arbeitgeberverband
und Untemehmensleitung 144
4.4. Zwischenfazit: Konsequenzen der VermittIungs(un)fahigkeit 148
5. Probleme der Umsetzuog:
Der Aushaodluogsproze6 auf der Betriebsebeoe 150
5.1. RechtIiche Rahmenbedingungen
der betrieblichen Weiterbildung 151
5.2. Die Akteure des betrieblichen Aushandlungsprozesses 153
5.2.1. Die Kompetenzprobleme des Betriebsrats 157
5.2.2. Handlungsmoglichkeiten und -probleme
der Unternehmensleitung 164
5.3. Der betriebliche AushandlungsprozeB 168
5.3.1. Betriebsvereinbarungen 168
5.3.2. Der Lohn-und Gehaltsrahmentarifvertrag I 176
5.4. Zwischenfazit:
Umsetzung eines individuellen Weiterbildungsanspruchs 183
6. Ergebnisse uod Ausblick 187
Literaturverzeichnis 193
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand als Dissertation im Rahmen des Teilprojektes
"Panelstudie zur technischen, betrieblichen, wirtschaftlichen und sozialen
Entwicklung beim Einsatz flexibler Arbeitssysteme in der gewerblichen Wirt
schaft" des Sonderforschungsbereichs 187 an der sozialwissenschaftlichen
FakuWit der Ruhr-Universitat Bochum. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr.
Ulrich Widmaier, der sowohl die Anregung zu dieser Untersuchung gegeben
als auch die Betreuung iibernommen hat. Prof. Dr. Rolf G. Heinze danke ich
fur die Ubernahme des Korreferats sowie fur konstruktive Kritik, die zu ei
nem strukturierten Aufbau der Arbeit beigetragen hat.
Ausdrucklich mochte ich mich bei meinen Kollegen und Freunden Dr. Pe
ter Hauptmanns und Dr. Klaus Schubert bedanken, die die Arbeit von Anfang
an wohlwohlend begleitet und durch ihre inhaltlichen Anregungen wichtige
Impulse fUr die Prazisierung der Fragestellung gegeben haben. Dr. Josef
Schmid danke ich fiir das stets kritische Hinterfragen meiner Argumentati
onsweise, das wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat.
Insbesondere bedanke ich mich bei meinen Kollegen und Kolleginnen des
Teilprojektes, die mir immer den Freiraum fUr die Erstellung dieser Arbeit
gewiihrt haben: Dr. Louise Dye, Dr. Rainer Freriks, Hiltrud Niggemann, Bar
bara Ostendorf, Wolfgang Rogalski, Dr. Rainer Saurwein, Jan Schiitte.
Ferner gilt mein Dank Mamie SchlUter, die bereitwillig die miihevolle und
langweilige Aufgabe des Korrekturlesens iibernommen hat.
AbschlieBend solI nicht vergessen werden, daB die Fertigstellung einer sol
chen Arbeit auch immer sozialer Unterstiitzung bedarf. Danken mochte ich
meinen Eltern fur ihre ,moralische' und finanzielle Unterstiitzung, die mir
diesen Weg erst ermoglicht hat. Ohne die Aufmunterungen meines Freundesl
Mannes Dr. Axel Spree, dem es - obwohl in der gleichen sozialen Lage -
immer wieder gelang, die ,Wichtigkeit' des Vorhabens zu relativieren, ware
diese Arbeit nie fertiggestellt worden.
Bochum, im November 1996 Beate Seitz
1. Einleitung
In den letzten Jahren hat die Diskussion urn Weiterbildung und Qualifizierung
alle Bereiche des 6ffentlichen Lebens erfaBt. Die Auffassung, daB "Weiterbil
dung immer wichtiger wird", wird nicht nur von Bildungspolitikem, Arbeits
markt- und Berufsforschem, sondem auch von seiten der Industrie und Wirt
schaft geauBert. Auch die Hochschulen verschlieBen sich nicht llinger dieser
Debatte.1 Ausge16st wurde diese Diskussion durch die Erkenntnis, daB einmal
erworbenes Wissen angesichts des wissenschaftlich-technischen Wandels
rasch veraltet und nicht mehr fiir ein ganzes Berufsleben ausreicht. Der Auf
ruf zu lebenslangem Lemen ist inzwischen keine bloBe Aufforderung mehr,
das Wissen zu erweitem, sondem bereits eine Notwendigkeit, um die er
reichte berufliche Position auf Dauer auch zu sichem. Wer Chancen auf dem
Arbeitsmarkt haben will, kommt um eine permanente Weiterbildung nicht
mehr herum. Aber nicht nur jeder Einzelne ist gefordert, auch die Betriebe
erkennen zunehmend die Notwendigkeit, in Weiterbildung zu investieren.
Auch sie verlieren den AnschluB an intemationale Entwicklungen, wenn sie
das Wissen und die Fertigkeiten ihrer Mitarbeiter nicht laufend auf dem neue
sten Stand halten. Entsprechend wachsen die Ausgaben fUr die betriebliche
Weiterbildung in den letzten Jahren kontinuierlich.2 Selbst in der jtingsten
Rezessionsphase wurde verstlirkt in die interne betriebliche Weiterbildung
investiert.
Der starke Ausbau der betrieblichen Weiterbildung scheint darauf hinzu
deuten, daB es kaum Probleme mit diesem Gegenstandsbereich gibt. Werden
neue Qualifikationen ben6tigt, sind die Betriebe offensichtlich in der Lage,
auf dieses Problem zu reagieren. Allerdings ist der Kenntnisstand tiber die be
triebliche Weiterbildung auBerst gering, so daB keine verlliBlichen Aussagen
dariiber gemacht werden k6nnen (vgl. Baetbge u.a. 1990: 199). In der For-
1 Vgl. z.B. Die Zeit, Nr. 35 vom 26.08.1994.
2 1m Jahr 1987 wurden fur betriebliche Weiterbi1dung 26,7 Millarden OM ausgegeben. 1992
stiegen die Ausgaben auf immerhin 36,5 Millarden OM irn gesamten Bundesgebiet an, da
von entfie1en 33 Millarden OM auf die alten und 3,5 Millarden OM auf die neuen Bundes
Hinder (vgl. Weiss 1994).
12 Einleitung
schungsliteratur zur Weiterbildung werden dementsprechend erhebliche Pro
blembereiche thematisiert. So bestehen nicht nur Schwierigkeiten bei der Be
darfsanalyse und der Auswahl der geeigneten WeiterbildungsmaBnahmen,
auch das bestehende Angebot ist untibersichtlich und die Qualitiit der Ange
bote nicht einschiitzbar (vgl. IW 1990: 32ff.). Dariiber hinaus werden die
Wirkungen der betrieblichen Weiterbildung kritisiert: So fuhre sie zu einer
Segmentierung der Belegschaften (vgl. Baethge u.a. 1990: 238ff.). Bestimmte
Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmergruppen werden zunehmend von der Teil
nahme an WeiterbildungsmaBnahmen ausgeschlossen, so daB sich ihre beruf
liche Position auf Dauer verschlechtem kann. Gleichzeitig kann diese Ent
wicklung auch dazu fuhren, daB die Betriebe die Voraussetzungen verlieren,
z.B. neue Formen der Arbeitsorganisation einzusetzen. Die Verfugung tiber
ausreichende Qualifikationen ermoglicht vielfach erst, neue Formen der Ar
beitsorganisation zu installieren (vgl. Bauerdick u.a. 1993b).
Dieser kurze Einstieg in den Problembereich Weiterbildung verdeutlicht, daB
das auf den ersten Blick doch recht einfach erscheinende Problem sich bei ge
nauerer Betrachtung als relativ komplex darstellt. Dies liegt nicht zuletzt
daran, daB dieser Bereich ein unstrukturiertes und mit vielschichtigen Proble
men behaftetes Feld ist. Der gesamte Bereich der Weiterbildung befindet sich
immer noch ,,mitten in der Wild-West-Phase".3 Aus dieser mangelnden Struk
turierung ergeben sich die angesprochenen Defizite in der Weiterbildungs
diskussion und -praxis (vgl. Baethge u.a. 1990: 199f.), die eine Regulierung
dieses Bereiches dringend notwendig erscheinen lassen.
Ein Losungsansatz zur Regulierung der betrieblichen Weiterbildung, der
in der offentlichen Diskussion breitere Resonanz erfahren hat, war der Lohn
und Gehaltsrahmentarifvertrag I in der Metallindustrie in Nordwiirttem
bergINordbaden. Der Themenkomplex "betriebliche Weiterbildung" bildet
fur die beiden kollektiven Akteure der Tarifvertragsebene - Gewerkschaften
und Arbeitgeberverbiinde - einen neuartigen Regelungsgegenstand im Kanon
der qualitativen Elemente der Tarifpolitik. Die wenigen wissenschaftlichen
Studien, die bisher in diesem Zusarnmenhang durchgefiibrt worden sind,
analysieren - meist einseitig aus der Perspektive der Gewerkschaften - nur
die Ergebnisse des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages I und nicht die
innerverbandlichen Probleme mit dem neuartigen Regelungsgegenstand. So
wird die mangelnde Umsetzung der Qualifizierungsvereinbarungen in diesem
Tarifvertrag dabei zwar allgemein konstatiert und beklagt, es wird jedoch
nicht der Versuch untemommen, die Ursachen dafiir zu analysieren und die
Defizite zu erldiiren. Daher solI in der vorliegenden Arbeit ein allgemeinerer
Ansatz verfolgt werden: Bevor die Resultate einzelner Tarifvereinbarungen
im Bereich Qualifizierung bewertet werden konnen, ist es notwendig, prinzi-
3 Marco Finetti in Die Zeit, Nr. 35 vom 26.08.1994, S. 29.