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Marlen Gabriele Arnold
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Systemische Strukturaufstellungen in Beratung
und Management
Marlen Gabriele Arnold
Systemische
Strukturaufstellungen in
Beratung und Management
Das implizite und unbewusste Wissen für
Entscheidungen aktivieren
Marlen Gabriele Arnold
TU Chemnitz
Chemnitz, Deutschland
ISBN 978-3-662-56349-6 ISBN 978-3-662-56350-2 (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-662-56350-2
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Inhaltsverzeichnis
1 Die Organisation und ihr Management.............................. 1
Literatur ........................................................ 5
2 Systemische Strukturaufstellungen ................................. 9
2.1 Überblick und Entwicklungen ................................. 9
2.2 Systemische Heuristiken...................................... 13
2.2.1 Systemdynamiken..................................... 13
2.2.2 Systemausrichtung .................................... 15
2.2.3 Systemischer Ausgleich ................................ 17
2.3 Prozessarbeit............................................... 20
2.3.1 Wahrheit und Wirklichkeit: Realismus,
Konstruktivismus und Phänomenologie.................... 20
2.3.2 Verdeckte Aufstellungen, Ambiguität und Wechsel ........... 21
2.3.3 Interventionen........................................ 22
2.3.4 Das Phänomen der repräsentierenden Wahrnehmung ......... 27
2.3.5 Methodische Reflexion................................. 34
2.4 Systemische Strukturaufstellungen im Kontext von
Organisationen und Management............................... 39
Literatur ........................................................ 44
3 Aufstellungsformate.............................................. 49
3.1 Die Tetralemmaaufstellung und ihre Erweiterung .................. 52
3.2 Die Lösungsaufstellung ...................................... 55
3.3 Die Zielannäherungsaufstellung................................ 56
3.4 Die Neun- und die Zwölf-Felder-Aufstellung ..................... 57
3.5 Die Problemaufstellung ...................................... 58
3.6 Das Lösungsgeometrische Interview ............................ 59
3.7 Der Anliegensatz............................................ 60
3.8 Die Aufstellung des ausgeblendeten Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
V
VI Inhaltsverzeichnis
3.9 Die Glaubenspolaritätenaufstellung ............................. 64
3.10 Supervisionsaufstellung ...................................... 69
3.11 Die Personensystemaufstellung, Metaaufstellungen und die
Verknüpfung von Formaten ................................... 70
Literatur ........................................................ 72
4 Anwendungsfelder in Management, Beratung und Praxis .............. 75
4.1 Ebene der Personen.......................................... 76
4.2 Ebene der Organisation....................................... 93
4.3 Ebene des Systems .......................................... 109
Literatur ........................................................ 122
5 Deutungshoheit, Erfahrungswerte und was sonst noch zu sagen ist....... 125
Literatur ........................................................ 132
Die Organisation und ihr Management 1
Wir können die Realität ändern, indem wir den inneren Ort
verändern, von dem aus wir handeln.
(Scharmer und Käufer 2014, S. 176)
Öffnen wir heutzutage Bücher über Organisation und Management sowie Einführungen
in die Betriebswirtschaftslehre, so lesen wir primär Optimierungsverfahren, rationale
Gestaltungsempfehlungen und erstaunlicherweise noch immer etwas über den Homo
oeconomicus, den die Verhaltenswissenschaft schon längst zu Grabe getragen hat. Ratio-
nale Gestaltungsempfehlungen, mathematische Optimierungen sind wichtig und die Inte-
gration von neurowissenschaftlichen (Elger 2013), soziologischen und psychologischen
Erkenntnissen in die Managementlehre genauso. Leider setzen sich diese Erkenntnisse in
der Ökonomie zu langsam und zu inkrementell durch.
Elisabeth Wehling (2016) hält in ihrem Buch Politisches Framing fest, dass ledig-
lich „geschätzte 2 Prozent unseres Denkens“ (S. 43) bewusste Prozesse sind. Sie weist
auch darauf hin, dass Denken „nicht faktenbezogen und rational im klassischen Sinne“
(S. 45) ist. Menschen treffen nie Entscheidungen „rein sachlich und objektiv“ (Wehling
2016, S. 45) oder indem Fakten gegeneinander abgewogen werden. Fakten sind für Men-
schen ohne Frames (Wehling 2016) bedeutungslos. Zudem haben Frames stets selekti-
ven Charakter, indem einzelne Aspekte beleuchtet und andere ausgeblendet werden.
Hinzu kommen zahlreiche Denkfallen (Nikitin und Hennecke 2015; Dobelli 2011) und
cognitive biases (Knöner 2017; Serfas 2011), die menschliches Verhalten und Entschei-
den immer stärker von ökonomischen Rationalitäten entfernen. Insofern wirken Spra-
che bzw. Wortwahl enorm in unser Denken, Entscheiden und Handeln hinein (Wehling
2016) – genauso wie die Bewusstheit über unbewusste Prozesse und ihre Wirkmacht.
Nach Kahnemann (Kahneman 2003) sind Bezugssysteme und Konzepte ohne Gefühle,
Intuition oder Unterbewusstsein eher unrealistisch, da Schmerzen, Bedauern, Risiken,
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018 1
M. G. Arnold, Systemische Strukturaufstellungen in Beratung und
Management, https://doi.org/10.1007/978-3-662-56350-2_1
2 1 Die Organisation und ihr Management
Verluste oder Fehler bei der Entscheidungsfindung immer wichtig sind. Die Neurowis-
senschaften haben offenbart, dass menschliche Entscheidungen durch das Unbewusste
vorbereitet werden (Soon et al. 2008). Die unconscious thought theory (Dijksterhuis und
Nordgren 2006) betont jedoch besondere Vorteile beider Denkweisen. Nach Nordgren
et al. (2011) ist die Kombination von beiden Denkweisen, bewusstem und unbewusstem
Denken, in komplexen Kontexten und Entscheidungssituationen am besten. Die Autoren
betonen, dass das unbewusste Denken vielfältige Charakteristiken besser aggregieren
kann als das bewusste Denken, während bewusstes Denken die Regelverletzungsmög-
lichkeiten besser vermeidet. Darüber hinaus zeigten Sahm und von Weizsäcker (2016),
dass Intuition in frühen und späten Stadien der Lernprozesse eine wichtige Rolle spielt
und entscheidenden Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat.
Verhaltenswissenschaftliche, sozialwissenschaftliche und systemisch-evolutionäre
Zugänge werden in der Ökonomie immer bedeutender. Behavioral Science ist aus einer
modernen Managementausbildung kaum wegzudenken. Management im 21. Jahrhundert
darf und sollte somit über tradierte Management- und Entscheidungsregeln hinausgehen
und wirken. Integrierende und interdisziplinäre Zugänge sind zentral. Kulturelle Systeme,
soziale Systeme und psychologische Systeme (Staehle et al. 1999) wirken auch immer
zusammen – unabhängig von ihrer syntaktischen oder logischen separaten Erfassung.
Die meisten Forschungsdesigns und -methoden fokussieren sich auf bewusste
Informationen und expliziertes Wissen. Die Arbeit mit Systemischen Strukturaufstel-
lungen basiert auf unbewusstem Wissen und Intuition. So sind systemische Strukturkon-
stellationen ein innovatives Werkzeug, um unbewusstes Wissen im Management- und
Forschungskontext zu integrieren. In Systemischen Strukturaufstellungen können spe-
zifische Schwerpunkte komplexer Systeme, z. B. ein Produktionssystem, durch räumli-
che Anordnungen von Personen oder Symbolen simuliert und dargestellt werden (Varga
von Kibéd und Sparrer 2014). „Aufstellungen bringen in sehr kurzer Zeit maximalen
Erkenntnisgewinn. Manager sparen Zeit und Geld“ (Erb 2001, S. 18). Die Methode kann
für verschiedene Themen und Bereiche in Wissenschaft, Forschung, Lehre, Weiterbil-
dung sowie Management und Beratung verwendet werden, um bisher unbekannten Ein-
flussfaktoren und Ursache-Wirkungs-Beziehungen (Kopp 2013) nachzuspüren und sie
aufzudecken sowie zentrale Parameter innerhalb einer Masse von Daten, Informationen,
Details oder Meinungen zu identifizieren.
Was in Wissenschaft und Forschung an Bedeutung gewinnen sollte, darf sich auch
in der Management- und Organisationsberatung widerspiegeln. Organisationen und
Management sind in vielfältige Paradoxien und Ambiguitäten verflochten. Das Aushalten
von Widersprüchlichkeiten sowie das Führen und Managen in paradoxen und komplexen
Kontexten werden immer wichtiger. Dafür braucht es Methoden, Konzepte und kreative
Instrumentarien, die entscheidungsbefördernd wirken, Systeme und Herausforderungen
gut anschaulich – im neurowissenschaftlichen Sinne – abbilden, Zusammenhänge offen-
baren und potenzielle Veränderungen sowie Optionen, um Widerstände zu handhaben,
aufzeigen.
1 Die Organisation und ihr Management 3
Evolutionär-systemische Ansätze ermöglichen einen anderen Blick auf Organisatio-
nen und bieten Herangehensweisen, mit denen Lern- und Entwicklungsprozesse sozia-
ler Systeme besser verstanden und angestoßen werden können. Entgegen traditionellen
Steuerungsansätzen betonen evolutionäre und systemorientierte Konzepte die Selbstor-
ganisation und Eigendynamik von Systemen (Göbel 1998). Der Forschungsbereich der
Systemkonzepte ist sehr divers. Ackoff (1961, S. 37) hielt bereits fest: „Systems are not
fundamentally mechanical, chemical, biological, psychological, social, economic, politi-
cal or ethical. These are merely different ways of looking at such systems.“
Das Hinterfragen, was genau systemtheoretisch oder systemisch bedeutet, eröffnet
eine Vielfalt an Forschungsrichtungen, Konzeptionen und Definitionen. Dabei reicht die
Herkunft systemorientierter Konzepte von der Mathematik, Naturwissenschaften über
Rechts- und Sozialwissenschaften bis zu den Literaturwissenschaften und der Philoso-
phie (Porr 2002). Auf der metatheoretischen Ebene werden Grundfragen der mensch-
lichen Existenz behandelt, wie z. B. Phänomene des Erkennens und des Seins, also
Bereiche der Epistemologie, Ontologie und Ethik. In Verknüpfung mit der Praxis sind
v. a. Politik, Ökonomie, Ökologie und Moral von Bedeutung. Daher finden sich unter
systemtheoretischen und systemischen Ansätzen vielzählige und z. T. auch konträre The-
orieansätze, wie z. B. Luhmann’sche Systemtheorie versus kybernetisch-g anzheitliche,
naturwissenschaftliche oder konstruktivistische Ansätze (Maturana und Varela 1987;
Luhmann 1991; Ashby 1956; Foerster 1998; Casti 1994; Büttner 2001; Kriz 1992;
Prigogine et al. 1984; Bestehorn 2002; Ebeling 1989; Ratzek 1992; Loistl und Betz
1996; Briggs und Peat 1990; Becker 2000; zu Knyphausen-Aufsess 1995; Unbehauen
1997; Schuldt 2003; Luhmann 2004; Willke 2006; Jensen 1993). Wesentlich sind dabei
auch die unterschiedlichen Analyseebenen und Verständnisse von Organisationen und
Interventionsmöglichkeiten. Während im Luhmann’schen Ansatz von einer Selbstregu-
lation des ökonomischen Systems ausgegangen wird und Interventionen von außen kaum
möglich, wenn auch gesellschaftlich erwünscht sind, so thematisieren andere systemi-
sche Ansätze konkrete Modelle zu Interventionsoptionen.
Im Bereich des (Strategischen) Managements halten systemische Perspektiven bereits
seit den 70er Jahren Einzug in Forschung und Beratung. Anfänglich wurden enge Bezüge
zur Psychologie und Familientherapie hergestellt. Neben strukturbezogenen Ansätzen
haben sich nun v. a. kybernetische und konstruktivistische Konzeptionen durchgesetzt.
Als Schlagworte seien nur erwähnt: systemische Beratung sozialer Organisationen, Selb-
storganisation, evolutionäres Management etc. (Malik 2000, 1990, 1989; Kirsch und zu
Knyphausen 1991). Seit Ende der 80er Jahre hat sich das Forschungsfeld enorm diversifi-
ziert. Allgemein richten systemtheoretische Ansätze ihr Augenmerk darauf, dass biologi-
sche, soziale und mechanische Gebilde häufig isomorphe Strukturen aufweisen.
Systemische Strukturaufstellungen bieten sich für systemische und evolutionäre Kon-
texte an, wie sie in unserer Welt gegeben sind. Evolutionär-systemische Konzeptionen bie-
ten unterschiedliche Sichtweisen auf Organisationen und ermöglichen Wege zum besseren
Verständnis von Lern- und Entwicklungsprozessen sozialer Systeme. Sie beziehen sich
auf Veränderung und Komplexität sowie den Gegenstand der Untersuchung untereinander
4 1 Die Organisation und ihr Management
und heben auch Prozesse als zentrale Themen hervor (Osterhold 2002). Eine grundlegende
Annahme beider Ansätze ist eine dynamische, komplexe und sich ständig verändernde
Welt (March 1991). Systemorientierte Konzepte unterstreichen die Selbstorganisation und
Selbstdynamik von Systemen. Der besondere Gewinn der systemischen Ansätze beruht auf
einer anderen Perspektive, da sie Phänomene darstellen können, die in einer verkürzten,
unzureichenden Weise oder gar nicht in einer linear-kausalen Ansicht dargestellt werden.
Die Systemtheorie konzentriert sich auf Selbstorganisation, Muster und komplexe Struk-
turen sowie auf die Beziehung der einzelnen Elemente untereinander (Bestehorn 2002).
In diesem Sinne sind die Qualität und die Besonderheit der Beziehung von besonde-
rem Interesse. Letzteres kann als Wechselwirkungen beschrieben werden und zeigt, dass
Systemelemente nicht isoliert existieren, sondern sich gegenseitig beeinflussen und somit
eine sogenannte Rekursivität entsteht (Vogd 2005). Interaktionsprozesse sind daher kreis-
förmig oder umgekehrt und erschweren oder behindern klare Ursache-Wirkungs-Klassifi-
kationen. Die deutliche Bedeutung der systemischen Perspektiven ist in der Überlagerung
von mehreren logischen Ketten und Ebenen sowie deren Beschreibung zu sehen. Neben
der tradierten Anwendung in der Psychologie, Familientherapie etc. lassen sich Systemi-
sche Strukturaufstellungen auch sehr gut in Beratungsdienstleistungen, für Strategie- und
Innovationsprozesse und auch Transformationsvorgänge und Entwicklungen Richtung
Nachhaltigkeit sowie zur Simulation und Ideengenerierung nutzen. In Abhängigkeit der
betrachteten Ebene können Systemische Strukturaufstellungen für folgende Themen
genutzt werden (u. a. Erb 2001; Grochowiak und Castella 2001; Kolodej 2016):
Generische Themen
• Sensibilisieren, Wahrnehmen und Erkennen systemischer Zusammenhänge
• Wahrnehmen, Erkennen und Auflösen systemischer Störungen
• Systemische Verstrickungen erkennen und auflösen
• Entscheidungen im Sinne der Organisation treffen und Alternativen prüfen
• Supervision
a) Ebene der Individuen
– Eigenen Platz (als Führungskraft, Mitarbeitende, Berater/in etc.) finden, einneh-
men und ausdrücken
– Rollen, Hierarchien, Verantwortlichkeiten klären und abgrenzen
– Entscheidungsalternativen aufzeigen, testen und Entscheidungen treffen
– Ideen, Alternativen neue Optionen prüfen
– Ziele setzen, umsetzen und erreichen
– Führungsstil finden
– …
b) Organisationsebene
– Firmengründungen
– Insourcing – Outsourcing
– Visionsgestaltung, -entwicklung und -umsetzung