Table Of ContentDas Buch
Die ehrgeizige Journalistin Katherine ist einer heißen Mafia-
Story auf der Spur. Um an Informationen aus dem Zentrum der
Macht zu gelangen, bändelt sie mit dem Neffen des Mafia-
bosses, Jack Fox, an – eine Beziehung, die ihr zum Verhängnis
wird. Als Katherines Täuschungsspiel auffliegt, lässt Jack sie
kaltblütig umbringen. Er ahnt allerdings nicht, dass er damit
den amerikanischen Geheimagenten Blake Johnson und seinen
irischen Kollegen Sean Dillon auf den Plan ruft. Die Beiden
verfolgen Jacks Spur, die über den Libanon nach Irland und
London führt. Systematisch vereiteln sie seine illegalen
Geschäfte und bringen ihn damit ernsthaft in Bedrängnis, denn
nun muss er um seine Machtposition in der Mafia fürchten.
Jack Fox holt zum tödlichen Gegenschlag aus …
Der Autor
Jack Higgins, 1929 in Newcastle-on-Tyne geboren, studierte
nach einer kurzen Militärkarriere Soziologie, Psychologie und
Wirtschaft an der University of London und machte seinen
Doktor in Medienwissenschaften. Heute ist er ein gefeierter
Bestsellerautor. Zahlreiche seiner Romane wurden für das Kino
verfilmt. Von Jack Higgins sind im Wilhelm Heyne Verlag
lieferbar: Die Tochter des Präsidenten (01/13002), Goldspur
des Todes (01/13073), An höchster Stelle (01/13151), Tag der
Rache (01/13222).
JACK HIGGINS
STUNDE DER ANGST
Roman
Aus dem Englischen
von Stephan Steeger
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
HEYNE ALLGEMEINE REIHE
Band-Nr. 01/13447
Die Originalausgabe
DAY OF RECKONING
erschien 2000 bei HarperCollins, London
Umweltkmweis:
Das Buch wurde auf
chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.
Taschenbucherstausgabe 03/2002
Copyright © 2000 by Higgins Associates Ltd.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2001
by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Printed in Denmark 2002
Umschlagillustration: ZEFA Visual Media/Masterfile
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Satz: Leingärtner, Nabburg
Druck und Bindung: Norhaven Paperback A/S, Viborg
ISBN3-453-19831-X
http://www.heyne.de
Wer schwer gesündigt hat,
auf den wartet der Teufel,
Sizilianisches Sprichwort
HELLSMOUTH
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In gewisser Weise weckte die Ratte Blake Johnson nicht nur,
sondern holte ihn förmlich ins Leben zurück. Bis zur Hüfte im
Wasser, hockte er im Dunkeln auf einem Steinpodest. Es war
erstaunlich, dass er hier überhaupt eingeschlafen war. Er spürte
etwas am Hals, wachte davon auf und setzte sich aufrecht hin.
In dem Licht, das durch den vergitterten Eingang fiel,
erkannte er auf einmal, was ihm da von der linken Schulter
glitt. Die Ratte sprang ins Wasser, tauchte wieder auf, wirbelte
mit der spitzen Nase herum und starrte ihn geradewegs an.
Blake fühlte sich um fünfundzwanzig Jahre zurückversetzt,
wie er gegen Ende des Vietnamkriegs als junger Sergeant der
Special Forces bis zum Hals im Schlamm des Mekong-Deltas
steckte und der Liquidierung durch den Vietcong zu ent-
kommen versuchte. Auch damals hatte es Ratten gegeben, vor
allem wegen der vielen Leichen.
Leichen gab es hier keine. Nur ein Gitter am Eingang, durch
das schummrig trübes Licht fiel, feuchten Kanalisations-
gestank, eine raue Tunnelwand und noch ein Gitter etwa
vierzig Meter weiter am anderen Ende des Tunnels – jenes
Gitter, vor dem ihm, nachdem man ihn hierher verfrachtet
hatte, endgültig klar geworden war, dass es kein Entkommen
gab.
Die Ratte trieb im Wasser umher und blickte ihn nun seltsam
freundlich an. »Du bist schön brav und verpisst dich jetzt«,
sagte Blake leise.
Er wühlte das Wasser auf, worauf die Ratte verschwand. Er
lehnte sich zurück, von eisiger Kälte durchdrungen, und
versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Er wusste
noch, wie er im Range Rover halbwegs zu sich gekommen war,
nachdem die Wirkung des Betäubungsmittels nachgelassen
hatte. Sie hatten in heftigem Regen, einer Art Gewittersturm,
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einen Berg überquert. Dann hatte es geblitzt, und er konnte
weit unten die Steilklippen sehen, die tosende See und ein
Schloss, das aus einem Märchen der Brüder Grimm zu
stammen schien.
Als Blake stöhnte und sich aufsetzen wollte, hatte Falcone
sich auf dem Beifahrersitz umgedreht und ihn angelächelt.
»Na also, wieder unter den Lebenden.«
»Wo bin ich?« hatte Blake, der immer noch krampfhaft
versuchte, sich zu orientieren, gesagt.
Falcone hatte nur gelächelt. »Am Ende der Welt, mein
Guter. Hier gibt’s bis zum fernen Amerika nur noch den
Atlantischen Ozean. Hellsmouth heißt der Ort hier wohl.«
Er wollte gerade in ein Lachen ausbrechen, aber da war
Blake bereits wieder in die Bewusstlosigkeit gesunken.
Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Während er so dasaß
und versuchte, sich mit verschränkten Armen zu wärmen,
verspürte er einen Schmerz in der rechten Schulter. Und
dennoch, er war hellwach und seine Sinne schienen seltsam
geschärft. Als er hinter sich das Klirren hörte, mit dem das
Gitter sich öffnete, setzte er sich sofort auf.
»He, wie geht’s uns denn, Dottore? Weilst ja immer noch
tapfer unter uns«, sagte Falcone.
»Ach, leck mich doch«, sagte Blake mit krächzender
Stimme.
»Wundervoll. Welch ein Lebenszeichen! Gefällt mir. Und
jetzt raus mit dir.«
Falcone packte Blake am Hemdkragen und zerrte ihn hoch.
Blake wurde durch die Öffnung geschleift und landete auf allen
vieren im Gang. Russo stand dort. In seiner hässlichen Visage
klebte ein Lächeln.
»Er sieht nicht allzu gut aus.«
»Tja, jedenfalls stinkt er wie die Pest. Verpass ihm mal ‘ne
kleine Dusche.«
An der Wand war ein Messinghahn, an dem ein Gummi-
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schlauch befestigt war. Russo drehte den Hahn auf und richtete
den Strahl auf Blake. Das Wasser war so eiskalt, dass Blake
nach Atem rang. Russo drehte den Hahn wieder zu und legte
Blake eine Decke um die Schultern.
»Der Boss will dich sehen, sei also schön brav.«
»Natürlich wird er artig sein«, sagte Falcone. »Genau wie
seine hübsche kleine Frau in Brooklyn brav gewesen ist.«
Blake hüllte sich in die Decke ein und blickte auf. »Warst du
das?«
»He, Business ist Business.«
»Dafür bringe ich dich um.«
»Red kein Blech. Deine Zeit ist so gut wie abgelaufen. Und
jetzt beweg dich, der Chef wartet.« Und damit schob er Blake
den Gang hinunter.
Sie stiegen zwei Treppen hoch und kamen schließlich an
einer schwarzen Eichentür an, die von einem schmiedeeisernen
Rahmen umfasst war. Russo öffnete sie, und Falcone stieß
Blake in eine prunkvolle, mit Naturstein geflieste Halle: Zur
Linken lag ein Treppenaufgang, im Kamin loderte ein Feuer,
Ritterrüstungen, alte Fahnen, die von ihren Stangen hingen.
Dem Ganzen haftete etwas Unwirkliches an, wie Kulissen
eines Kitschfilms.
»Was ist mit Dracula passiert?« sagte Blake.
Russo runzelte die Stirn. »Dracula? Was soll der Quatsch?«
»Ach, egal.«
Am Kamin saßen zwei Männer: Rossi und Cameci. Er
kannte ihre Gesichter von den Computerbildern – auch so
Gorillas der Solazzo-Familie.
Falcone stieß Blake weiter voran. »He, jetzt hab ich’s
kapiert. Christopher Lee war der Beste. Konnte damals von
diesen Hammer-Filmen gar nicht genug kriegen.«
Russo öffnete eine weitere schwarze Eichentür. Sie führte in
ein Zimmer mit hohen Wänden, großem offenem Kamin und
Schatten werfendem Kerzenlicht. Hinter einem wuchtigen
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Schreibtisch saß eine verschwommene, in Finsternis gehüllte
Gestalt.
»Führ Mr. Johnson weiter herein, Aldo. Zum Kamin. Ihm ist
bestimmt kalt.«
Falcone schubste Blake zum Kamin und zog einen Stuhl
heran. »Hinsetzen!«
»Brandy wäre jetzt wohl angebracht«, sagte der Mann im
Dunkeln. »Am besten ein doppelter.«
Blake setzte sich. Russo ging zu einem kleinen Getränke-
tisch, schenkte aus einer Karaffe einen Brandy ein und brachte
ihn ihm. Das Zeug brannte in der Gurgel. Blake musste husten.
»Gib ihm jetzt eine Zigarette, Aldo. Mr. Johnson versucht
zwar gerade, damit aufzuhören – wie wir alle –, aber das Leben
ist kurz, die Kunst währt lang und Experimente sind gefährlich.
Es gibt dazu irgendeinen passenden lateinischen Spruch, hab
aber leider vergessen, wie der lautet.«
»Ach, haben Sie denn während des Jurastudiums in Harvard
keinen Lateinunterricht gehabt?«
Blake nahm die Zigarette und ließ sie sich von Falcone
anzünden.
»Um die Wahrheit zu sagen, nein. Sie scheinen ja ziemlich
clever zu sein. Offensichtlich wissen Sie, wer ich bin.«
»Zum Teufel, was soll dieses Katz-und-Maus-Spiel?
Natürlich weiß ich, wer Sie sind. Jack Fox, der Stolz der
Solazzo-Familie. Warum schalten Sie also nicht endlich das
Licht ein?«
Einen kurzen Moment später wurde es heller, und vor ihm
saß Fox – das dunkle Haar, die kantige Teufelsvisage und das
spöttische Lächeln. Fox nahm eine Zigarette aus einem
silbernen Etui und zündete sie sich an.
»Und ich weiß, wer Sie sind, Blake Johnson. Sie sind aus
Vietnam mit einer Kiste voller Orden zurückgekehrt, sind dann
zum FBI gegangen und haben ein Attentat auf Präsident Jake
Cazelet vereitelt, als er noch Senator war. Haben dabei zwei
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