Table Of Content----1 .,
tTEMATA
MONOGRAPHIEN
ZUR KLASSISCH'ENAlT'ERTUMS
WISSENSCHAFT
REFT 3
GERHARD l\ltJLLER
STUDIEN ZU DEN
PtATONISCHEN NOMOI
,/
VERLAG C·H·BECK MÜNCHEN
.~ I
00109«5
ZETEMATA
MONOCRAPfllEN
ZUR KLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCIJAFT
IN GEMEINSCUAFT MIT
KARL O'OCRNER, BELLFRIED DAIILMANN, ALFRED HEUSS
RERAUSCECEBEN VON
ERIcn BURCK UND HANS DILLER
HEFT 3
00109445
STUDIEN ZU DEN
PLATONISCHEN NOMOI
VON
GERHARD MOLLER
C.U.BECK'SCUE VERLAGSB UCHUANDLUNG
MüNCHEN 1951
00109445
G,d,.,,,.l mú Un.t,nt.1u:v", d." Ntltl"".,/,¡Jt.I.,41t41rd,,,ueJu,. Wúwuc.4'¡,
Nmu'.t1f
litd." C.II,O..c.IJ'It-h,,,ButltJfW1:,r,' ("
wc_....
Ccpyrllh•• 9S' byC.H. Beck'oebcVul... (o-.8cá)1>1_
o..-..y
I'rWtdiA
00109445
VORWORT
Die vorliegende Untersuchuug erscheínt hier in der Form, in der
sic im Winterseroester 1946/47 der Philosophischea Fakultilt zu Kiel
als Habilitatienssclmít vorgelcgen hnt. Inewiscbea erschieu Jaegera
Bchundlung dcr Nomoi im dritten Bnnd der "Pnidcin" [Berlín 19-17).
Da die voo mir angewondete Betracbtungsweisc von der Jaegers vallig
abweieheod ;Sl, scheint mi, der Verzic},t auf eine nachtrllglich ein
zuarheitende Auseínundersetaung mit Jilgers Ioterpretatiooen gerecht
fertigt. Soweit mir dus Thema hetrefl'eode auelündlsche Literatur BUS
den Jahren seit 1939 oicht zur Kenotnis gekommen ist, mlill ieh um
Naebsicht bitten.
Es sei mir erlaubt, dem Dnnk, den ich anlañlich der Poblikation
meiner Arbeit lehhaft empfinde, aueh llffeotlich Ausdruck zu geben.
Ieh habe zu dankco: der Notgemein.schaCl der Deutschen Wissen
sebnft [ür cinco hohen ZuschuB zu dco Druckkosten und den Herreo
Herausgebern, Erieh Burck und Hans Dillcr in Kiel, nicht nur fur
die Aufnahme mciner Schrift in die "Zetemata", soudern auch für
vielerlei freundliche Hilfe VOl und hei dcr Drucklegung. Aro Losen der
Korrek:tmen beteiligte sich auch mein Freund Wolf Steidle in Wün
burg,
Kiel, im Juli 1951
Gcrhard Müller
D109.145
INHALT
Einl~itUDg
IlinfUbru.ng ZWJl Problem . 7
1
Dio Philcsopbíe der Nomoi . 13
JI
Der SliJ der Nomoi und der Stil der Epinomia 98
111
Da. Staa18idenl der Nomoi . . . . . . . . . . 131
SebJull
ZusammenfoasendeTbesen und ErOrterung der Aporie . 184
Register der Plotonstellcn. . . . . . . . . . .. 191
09445
EINLEITUNG
lIinfü/&ru"8 ::umProblem.
Es innieht zuviel behauptet, wenn man die Nomoi das orowenigsten
erforschte Werk Platons neunt, Sie nnhmen in der Geschichtc de.
neueren Pllltou!orsclJUug iromC1cine eigentümlíche SondersteUung ein,
Schleiermacher, der mit seincr Übcrsotzung diese Platou!orscbung
erolfnetc, liol)sic III'S; ratsüohlieh fügen sic sieh in das von ibm erfallte
Bild der einheitlichen platoníschen Philosopbie nieht ein. Dio phile
sopbischen Beeonderheíten und sonstigen MlIngel des \Verkes verán
lal)ten Edunrd Zeller in seiner seharfainnigen Jugendllrbeit ("Pla
tonische Studien", 1839), os..Is GnDri~edsem Platon abeusprechen, naeh
dem schonFr. Ast, ein groBorKcnner Plntons und vortrcffJicher Emen
dator seines Textes, mit einem Angriff auf die Echtbeit der Nomoi
vorangegangen war ("Platons Lobeo und Schriften", 1818). Doch .hielt
ZeUer in seiner groBen, dos Ja1u:hundert beherrschenden Darstellung
der grieebisehen Phílosophie seine Athetese nicht aufrecht, Man kann
freilich nicht sagen, daJl er cinc übcrzeugende Erkliirung aUes einst
Anstilíligen und cine positivelnterprctation des ganzen Werkes an ibre
SteUe setzte. Vielmebr schwachte el"nur die Scharfe seiner Kritik ah,
legre sieh vieles Absonde.licbe zurecht und schob, was dann noeh blieb,
auf das hohe Alter, das Platon bei del"Ahfnssung des Werkes hatte,
oder auí den unvoUcndeten Zustand des von PIaton nicht mehr heraus
gegebenen Textes. Alles dies aber tat el nicht in eíner systematiseben
Auseinandcrsetzung mit seinen eigenen AuísteUungen, vielmehr groO
teoteils in deo Anmerkungeu unte. dem Text seiner Darstellung des
Lebrgebaltes der Nomoi ("Die Philosophie der Grieebcn", H, 4. Aull.
1889,946 ff.). Daílauf diese Weise das Problcm mehr bcíseitegescheben
als durelagefochten wurde, war CiDUnglOek für die Erforschung der
Nomoi. Seitdem sind aie nümlich, mit al) ihren Besonderbeiten, bei
nabo in einer Art von Halbdunkcl Iiegengeblieben. Mao gewehntesieh
viclfach, ihre Sonderstellung auzuerkennen, sic aber gleíchzeitig doch
fUr irgendwie hurmonierend mit den früheren Werken Plntons zu
halten, oboe dos Besondere und dos irgendwie Hnrmonierende genau
abaugrenzen und das VerhUltnis zu erklüren.
00109445
8 Hinführung :lIm Problem
Für den von K. Fr. Hermann begründeten entwicklungageschicht->
Iichen Zwcig der Platonforschung ("Gilscruchte und System der plato-s
nischen Philosophle", 1839) war von vomherein das Bestreben maC··
gebend, die gedankllchen Besonderheiten der Nomoi aus einer lerstena
Pbase philosophischor Entwieklung Pintona begrciflich zu machen ..
Von diesem Standpunkt nus mullten die kritiscbcn Einwilnde in Zelíerss
Jugcndarbeit am entschiedensten abgelehnt werden. Bis heute gibt eas
die beiden Moglicbkciten der Erklfiruog: entwcder man fOgt die Nomoii
harmonisiercnd eíuer cínhcítlichou Konzeption der platouíschen Philo··
sophie ein! odcr man versteht ihre Besonderbeiten gcnelisch,2 wobeii
die Verbindung beíder MUglicbkcitcn nabeliegeud und notwendig ist,.
denn dio Entwícklung Platons muB immer als oinem einheitlichen
Ríchtungsaínn untcrworfen gcdaeht werden,
Es dnrf gesngt werden, daB cine eindrucksvolle und sich durch
setzendc Lesuug des spcaiclleu Problema der omoi ven keinem Stend
punkt aus vorgehracht wurde. Dcn.n WiJamowit7. in seiner Platon·
biograpbie ricbtet sein Interesse eingestnndenermnílen nicht nuf das
Philosophischc, sondcm auf das Bíographiscbe. Ohne genauc AnaJyse
des dogmatlschen Gehaltes aber konnen die Nomoi nicbt letatlich
beurteilt werden,
Eine groBe Zahl von Arbeiten beschaftigte sich mit der schwierigen
Komposition des Werkes. litre mit sachlicheu Sebwierigkeiten ver
koppclten Absonderlichkeíten wurden von 1.Bruns (..Plateas Gilsetze
vor und naeh der Herausgabe durch Philippos von Opus", Wcimar
1880) in Verbi.ndung gebracht mit einer antiken Überlieferung (Diog.
Laert. ID 37und Suidas s. v. cptA6Go<po~)von der Herausgabe der Nomoi
I So tnt es, von bober W.rle und nU8profundor Keentnis. E.1I0f[1lUInn (vgl. di.
Andeutun¡; Cnomon 1939 5.Ma), de. die Kosmologie der Nomoi der Jdeenlehre
subsumiert, abee auch der bretonische Cnnonieu.s Diee in seinen in Deutsehland 2:U
w_niS bekaeuten A"Csn,,;o,.(Autou. de Platón, París 1927. vgl. besenders n 52311.).
Hierhee sehor< uuch, philosophisch wcniger 0"",1. de, Amomo"or Sboroy; 'Tbe Unity
or Plato'a Thought and Pinto'. LIlw8,CIM'. PhiI. 1914 S.34-5.
•Da mil den ueuen Elemeuten in der Philcsophie der Nomoi die IUtesten aus den
platoniscben Frühdíalcgen sicb verbindcu, konn es eine kousequente und abS'lrokte
Anw~oduogde, zweiten Mogllcb.keilder E,klllrung uieht geben, l'i.b. stebt ihr immer
hin J. Steuael dar eineu ticren Wondel PJotons vem Wertde.nkt..n zum BC-!!rifTsdc.n.ken
t
in den Dialogen p(lrrncn_idcs, Sor)hi.stcs ulld Politiko$ annimmt und die lettte Plan"
plotonischc. Dcuken. !lis Aowcnduug d... Iteo W_rtdenl:eau O\Údi. oougcwü.rdi¡;lC
úr.hrullg.welt churokt.ri.i.,t. moe Sondcr81cUung ochmeudieScholtcn BurDetuud
Toylor oi... w.lch. die ,nit dc, KooOlologieder NOOloiid.nli6IoÍert. S••lenJohrc d••
.,I"tI'te"
Ph.id ....8gil",vou der J'ilraokrQti••h IdceulohrclGlI<" und .10 PI.tona aolb·
ItU_odige Schijprung intc.rt>ret.icren. Jn <1iCJe.lfiSi.nnoinda. die reioJte Forul genctiscJu:r
AuIIouuog.
00109445
Hinfilhrung:um Problem 9
durch Philippos von OpUS.So zerlegte Bruns das Werk m einen Anteil
Platons und einen des Philippos, cm Versuch, der bei allem auf
gewendeten Scharfsinn doch kein überzeugendes Ergebnis batte.
Andere vcrsicbfigere oder modifizierte Überarbeitungstbcoríeu Iolgten,
denen imeinzelneu uucbzugcbeu nicht mebr wichtig ist, (1mLiteratur
verzeichnis der Apeltschon Ubersetzung, Lcípxig 1916, liodel man alles
bis dahin Erschionone bcisnmmcn]. Gruodsülzlicbeo Widerspruch
gegen die Annahmc cines in den Toxt eíngrcifcnden Herausgebers
erhobcn vor allem Rltter ("PlntoDs Ccsetzc", Kommentar Leipzig 1896,
pnssim) und Th. Comperz ("Plutoniscl,c Aufslltzc" lIT, SiLz.-Bcr.Wicn.
Ak. 1902, S. 1-36), die die AnsWBc der Aonlytiker bestritten oder nb
sebwüebten und dio Nomoi ,,"warCilrunferlig oder unausgefcilt, aber
im wesentlicheu iu der von Plutou gegebeneu Gestalt vorliegend er
klñrten. Jo diese. Richtung dürfte bis hcute die communis opioio
liegen, soweit mnn von einer solchen in Sachen der Nomoi sprechen
kann.
Wilamowitz bchandolte in scinem Platonwerk (1647 fr.) wie alle
Dialoge so auch die Nomoi als Zcugnis der platonischen Biographie,
Er nennt sic ein "wuoderlicbcs Chaos", bAlt aher doch jedes Wort für
plaroniseh. Philippos, der gerade durch die Absonderungsemereigenen
Arbeit, del Epinomis, seinc Ehrlíchkeu bewcise, habe das Werk un
verlindert und ziemlich rasch 113C1l Platons Tode herausgegeben. (1m
Herbst 346 spricbt Isokrates im Philippos 12 von 1tOAt-rei:«t l<<<t "ÓfLOt als
von Ideen obne praktische Wir.L."1JllgD.)ie kompositioneUen Schwierig
keiten des Werkes erklarte Wilamow;tz durcb hastigen und gewalt
samen Absch.luB, den Platon, mude geworden, "iiber das Knie ge
brochen" habe ("Es ist eine tJbertrcibung des Riehtigen, daBdas Werk
liuBedich noch nicht abgeschlossen war"}, die Ritsel des Cohaltes
durch die resignierte Ccmütsverfassung des Creises. So entstand
8US
Wilamow;tz' Interpretatíon der Eiudruck einer m hobem l\IaBc zwie
spültigen Bescbnffenheít des Werkes.
Cerade davon hlieb abcr in der PlatonIorsehung nach Wilamowitz,
m der Stenzel, Jneger und Fríedlünder Cilhrend waren, nicht das Ce
ringste übrig. Es muB gesagt werden, dall diese Forscbung die Aus
eínaudersetzung mit Wilamowih;' so erfreulich konkreter Beurteilung
des \Verkcs nieht nufunhm, sondern aich auf die Verwertung des philo
sophíschen Ceholles bC8chrUnkte, den sic tUcht seharC gcgeo frilbere
Pbo8en der platonisohco PhilosclJlhie abgrcoztc. Dabei "'urde voo den
Nomoi ¡mmer ínl'fone ullcingcschrllnkter Bcwunderung gesprochen,
r
109445
10 Hin/üh,u,,& ..um Problem
als wenn ihren Gedankon und ihrer Form keinerlei Mi1ngelanhafteten.
Das "wunderliche Chuos" Wilamowítz', dessen Gedanken "weithin
Schürfe und K1arheit vermísson lassen" (\Vil. II 321), verschwand aue
den Augen. Lediglich den unvollendeten Zustand der Nomoi erwiihnten
Jaoger und Stenzel (Plat. der Ersieher 104-)geJogentlich.
Stenzel nannte in seinen Vorlesungeo die Nomoi einen Kommentar
Platons zu seiaer Philosophie, und das, obwohl er sic durch die Ver
wandtschaft zu der Iür echt gehaltenen Epinomis (in den Vorlesungen
und in "Znhl und Gestelt bei Platcn und Amtoteles", 2. AuO. 1933,
S. 104)mit Cedankeu belnetete, dio aueh ven der spüteren Phase plato
nischer Entwícklung sohr weit wegfübren. Gerado die Epinomís abor
war CUr Jceger (Aristotolos S. 140íT.), dor das Herauswachsen des Ari
stoteles aus der spütplatonischen Philosophie verfolgte, das Zcugnis
einer schlechthín unplatoníschen Geistesart. Sic ziobe sich, parallel zu
Aristoteles und sogor niela ohne EinfiuO VOD ihm, untar Vo"Jebt auf
dio Ideenlehre auf die kosmologische Scite der Doppelwelr des Timni06
zurück und erlifFnomitjenem zusammen die Tbeogonie des Hellenismus
und des Spñtaltertums. Dabei setzt Jaeger offenbar voraus, daD die
Nomoi nocb auf dem alten Boden stehen. Durcb seinen Schüler Fr.Mül
ler ("Stilistische Untersuchung der Epinomis des Pbilippos von Opus",
Diss. Berlín 1928) lieO er zeigen, wie aich der unplntonisebe Gcist der
kleinen Schrift ineiuer ganz unplatoniacbeu Form ausdrücke. Zwischen
Nomoi und Epínomis liegt nach dieser Auffnssung die Linie, die die
klassíscbe griechische Philosopbie vom Hellenismus trcnnt. So gabcn
über eine entscheidende Frage, die die Nomoi aufs engsteberüh:rt, zwei
führende Platoniker das entgegengesetste 1Jrtcil abo Friedliinder nahm
zur Epinomís überhaupt nicht Stellung. In der lnterpretation der
Nomoi (Platoo II 623ff.) ging er auf die Eínwande der Analytiker SO
ein, dall er das kompositioncll oder sachlieh Widcrsprucblichc und
Schwierige durch cine A:rt Dialektik zusammenzuzwingen und zu
VOI1
verstehen suchte.!
Ano drei genannten Forscber rechneten, obne speziell sicb zu auOero,
offensiebtlich nicht mit einem Anteil des Herausgebers. Weder die he
sendere Eigenart noch del lInOere Zustand der Nomoi war Gegenstand
ilirer ProbJemstellu.ng.
Die Ictztc m.ir heknnnte AuJlerung stebt im RE.-Artikel Pbilipp08
Yon K. v. Frit:t (38. Bolhhd. 1938 5.2358 íT.), \vo in vorsicbtigen For-
I Cegen Icine lleLrnehtongsw.i8. fUMen.¡eh die folgcnden Analysen ÍlI dou.mdem
.. cblichen ~g.I1,,\t•.