Table Of ContentStrukturmerkmale der deutschen Geschichte
des 20. Jahrhunderts
Schriften des Historischen Kollegs
Kolloquien
63
Strukturmerkmale der deutschen Geschichte
des 20. Jahrhunderts
R. Oldenbourg Verlag München 2006
Strukturmerkmale
der deutschen Geschichte
des 20. Jahrhunderts
Herausgegeben von
Anselm Doering-Manteuffel
unter Mitarbeit von
Elisabeth Müller-Luckner
R. Oldenbourg Verlag München 2006
Schriften des Historischen Kollegs
herausgegeben von
Lothar Gall
in Verbindung mit
Etienne Frar^ois, Johannes Fried, Klaus Hildebrand, Manfred Hildermeier,
Martin Jehne, Claudia Märtl, Helmut Neuhaus, Friedrich Wilhelm Rothenpieler,
Luise Schorn-Schütte und Dietmar Willoweit
Geschäftsführung: Georg Kalmer
Redaktion: Elisabeth Müller-Luckner
Das Historische Kolleg fördert im Bereich der historisch orientierten Wissenschaften Ge-
lehrte, die sich durch herausragende Leistungen in Forschung und Lehre ausgewiesen haben.
Es vergibt zu diesem Zweck jährlich bis zu drei Forschungsstipendien und zwei Fördersti-
pendien sowie alle drei Jahre den „Preis des Historischen Kollegs".
Die Forschungsstipendien, deren Verleihung zugleich eine Auszeichnung für die bisherigen
Leistungen darstellt, sollen den berufenen Wissenschaftlern während eines Kollegjahres die
Möglichkeit bieten, frei von anderen Verpflichtungen eine größere Arbeit abzuschließen.
Professor Dr. Anselm Doering-Manteuffel (Tübingen) war - zusammen mit PD Dr. Bern-
hard Löffler (Passau), Prof. Dr. Jan-Dirk Müller (München) und Prof. Dr. Peter Schäfer (Ber-
lin, Princeton, NJ) - Stipendiat des Historischen Kollegs im Kollegjahr 2002/2003. Den Ob-
liegenheiten der Stipendiaten gemäß hat Anselm Doering-Manteuffel aus seinem Arbeitsbe-
reich ein Kolloquium zum Thema „Strukturmerkmale der deutschen Geschichte des
20. Jahrhunderts" vom 15. bis 17. Mai 2003 im Historischen Kolleg gehalten. Die Ergebnisse
des Kolloquiums werden in diesem Band veröffentlicht.
Das Historische Kolleg wird seit dem Kollegjahr 2000/2001 - im Sinne einer „public private
partnership" - in seiner Grundausstattung vom Freistaat Bayern finanziert, seine Stipendien
werden gegenwärtig aus Mitteln des DaimlerChrysler Fonds, der Fritz Thyssen Stiftung, des
Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und eines ihm verbundenen Förderunterneh-
mens dotiert. Träger des Historischen Kollegs, das vom Stiftungsfonds Deutsche Bank und
vom Stifterverband errichtet und zunächst allein finanziert wurde, ist nunmehr die „Stiftung
zur Förderung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissen-
schaften und des Historischen Kollegs".
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet
über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2006 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München
Rosenheimer Straße 145, D-81671 München
Internet: oldenbourg.de
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzu-
lässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikrover-
filmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.
Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht)
Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH, München
ISBN-13: 978-3-486-58057-0
ISBN-10: 3-486-58057-4
Inhalt
Vorwort VII
Verzeichnis der Tagungsteilnehmer VIII
Anselm Doering-Manteuffel
Einleitung: Strukturmerkmale der deutschen Geschichte des
20. Jahrhunderts 1
I. Herrschaft und Politik
Michael Geyer
The Space of the Nation: An Essay on the German Century 21
Andreas Wirscbing
Politische Generationen, Konsumgesellschaft, Sozialpolitik.
Zur Erfahrung von Demokratie und Diktatur in Zwischenkriegszeit und
Nachkriegszeit 43
Joachim Rückert
Die Beseitigung des Deutschen Reiches - die geschichtliche und
rechtsgeschichtliche Dimension einer Schwebelage 65
Michael Ruck
Die Tradition der deutschen Verwaltung 95
Eckart Conze
Herrschaft und Politik. Ein Kommentar 109
II. Wirtschaft und Gesellschaft
Harold James
Continuities and Structural Breaks in German Economic History in the
Twentieth Century 121
Heinz-Gerhard Haupt
Städtische Mittelschichten in Deutschland zwischen Diktatur und Demo-
kratie (1930-1960): Einige Forschungsperspektiven 133
VI Inhalt
Merith Niehuss
Familie und Geschlechterbeziehungen von der Zwischenkriegszeit bis in
die Nachkriegszeit 147
Dirk van Laak
Garanten der Beständigkeit. Infrastrukturen als Integrationsmedien des
Raumes und der Zeit 167
Lutz Raphael
Das Ende des Deutschen Reiches als Zäsur nationaler Expertenkulturen?
Überlegungen zu den Folgen des politischen Umbruchs 1945 für Technik
und Wissenschaften in Deutschland 181
Adelheid von Saldern
Raum und Zeitbezüge. Ein Kommentar 197
III. Transformation von Kulturmustern und
ideellen Orientierungen
Jürgen Reulecke
Völkische und nationale Orientierungen: Beharrungskraft und Modifika-
tion von Wertvorstellungen in generationellen Selbstsichten 209
Axel Schildt
Westlich, demokratisch. Deutschland und die westlichen Demokratien
im 20. Jahrhundert 225
Gerd Koenen
Zwischen Antibolschewismus und „Ostorientierung" - Kontinuitäten
und Diskontinuitäten 241
Moshe Zimmermann
Strukturmerkmale der deutschen Geschichte - Deutsche Juden:
Transterritoriale Kohärenzen 253
Personenregister 271
Vorwort
Der vorliegende Band enthält die Beiträge zu dem Kolloquium, das vom 15. bis
17. Mai 2003 im Rahmen meines Arbeitsvorhabens „Deutsche Geschichte des
20. Jahrhunderts" im Historischen Kolleg in München stattgefunden hat. Die Bei-
träge wurden für den Druck überarbeitet und teilweise ergänzt.
Mein Dank gilt an erster Stelle Frau Dr. Elisabeth Müller-Luckner, die mir bei
der Vorbereitung der Tagung wie bei der Bearbeitung des Bandes sehr geholfen
hat. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kollegs möchte ich gleicherma-
ßen für ihre Unterstützung während des Kolloquiums und die Hilfe bei der Ein-
richtung der Texte für den Druck danken.
Tübingen, Januar 2005 Anselm Doering-Manteuffel
Verzeichnis der Tagungsteilnehmer
Prof. Dr. Eckart Conze, Marburg
Prof. Dr. Ute Daniel, Braunschweig
Prof. Dr. Anselm Doering-Manteuffel, Tübingen (Stipendiat des Historischen
Kollegs 2002/2003)
Prof. Dr. Michael Geyer, Chicago, Ii.
Prof. Dr. Ulrich Herbert, Freiburg i.B.
Prof. Dr. Hans Günter Hockerts, München
Prof. Dr. Harold James, Princeton, N.J.
Dr. Gerd Koenen, Frankfurt a.M.
PD Dr. Dirk van Laak, Tübingen
Prof. Dr. Christof Mauch, Washington D.C.
Prof. Dr. Merith Niehuss, Neubiberg
Prof. Dr. Lutz Raphael, Trier
Prof. Dr. Jürgen Reulecke, Siegen
Prof. Dr. Michael Ruck, Flensburg
Prof. Dr. Joachim Rückert, Frankfurt a.M.
Prof. Dr. Adelheid von Saldern, Hannover
Prof. Dr. Axel Schiidt, Hamburg
Prof. Dr. Andreas Wirsching, Augsburg
Prof. Dr. Moshe Zimmermann, Jerusalem
Anselm D oering-Μante uffel
Einleitung: Strukturmerkmale der deutschen
Geschichte des 20. Jahrhunderts
I.
Im Ubergang vom 20. zum 21. Jahrhundert hat sich der Blick auf das „Zeitalter
der Extreme"1 schnell gewandelt. Gewißheiten der politischen Orientierung und
ihrer kulturellen Folgen bis in den Alltag hinein verloren nach dem Ende des Ost-
West-Konflikts an Verbindlichkeit - Gewißheiten und Selbstverständlichkeiten,
die in der Epoche der Bipolarität dauerhaft verbürgt schienen. Doch schon seit
den 1970er Jahren hatte sich auch die Sicht auf die Bedingungen und Vorausset-
zungen des Blockgegensatzes, die in der ersten Jahrhunderthälfte lagen, zu ändern
begonnen. Da die Kontraste des Kalten Krieges frühzeitig nach 1945/49 bis in die
Wissenschaften hineinwirkten, entstanden Normen für die Wahrnehmung und
Analyse von beträchtlicher Beharrungskraft. Indem diese Gegensätze entfielen,
setzte die Suche nach anderen, zeitgemäßen Orientierungen ein.
Im Zerfall der Blockkonfrontation kam eine Transformationsdynamik zum
Durchbruch, die längst angestaut war und scheinbar festgefügte Strukturen staat-
licher und gesellschaftlicher Ordnung rasch unterhöhlte. Gesteuert vom wirt-
schaftsideologischen Verständnis weitestgehend unbeschränkter Freiheit wurden
die Grenzen der Nationalstaaten transzendiert, bevor die Folgen solcher Öffnung
nur zu bald neue Formen des Abschließens nach sich zogen. Die Auffassung von
der Mitverantwortung des Staats für die Rahmenbedingungen zur Steuerung der
nationalen Volkswirtschaften wurde revidiert, je mehr der Nationalstaat als Ord-
nungsform einer überwundenen Epoche erschien. Die Schranken industrieller
Produktion wurden geöffnet, nationale Unternehmen mutierten in internationale
Konzerne, die als global players eine bis dahin unbekannte Macht auch im politi-
schen Raum zu entfalten vermochten. Die technischen Möglichkeiten der Digita-
lisierung und der Durchbruch elektronischer Medien hatten die Entwicklung
möglich gemacht und trieben sie seit den 1980er Jahren mit immer zunehmendem
Tempo voran, das die Ostblockländer als erste nicht mithalten konnten. Was sich
da vollzog, war eine neue Industrielle Revolution. Scheinbar festgefügte Erwerbs-
1 Eric Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts (Mün-
chen, Wien 1995).
2 Anselm Doering-Manteuffel
formen der Industriegesellschaft schwanden dahin, und der nationale Staat sah
sich vor die Aufgabe gestellt, im eigenen Land soziale Sicherheit zu gewährleisten,
wo transnationale Wirtschaft und die Faszination technischer Globalität die mate-
rielle Sicherung der Gesellschaft unterspülten2.
Alltagsnormen und Lebensgefühle lösten sich notgedrungen aus etablierten
Gewohnheiten und mußten sich mühevoll neu einpendeln. In der Dynamik der
Globalisierung wurde Entankerung spürbar, die auch die Wissenschaften nicht
unberührt lassen konnte. Die Faszination von offener Zukunft und die Beklom-
menheit angesichts des umfassenden, rasanten Wandels kennzeichnete die Wende
zum 21. Jahrhundert, und darin unterschied sie sich gar nicht so sehr von der Zeit
vor hundert Jahren3.
Die Geschichtswissenschaft hatte sich der Veränderungsdynamik im letzten
Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zu stellen. Sie begann, Kriterien für eine angemes-
sene historische Analyse zu entwickeln, welche die Herausforderung von techni-
scher und wirtschaftlicher Globalität annahm4. Die „Modernisierung der Mo-
derne" konnte die Erkenntnisinteressen der Geschichtswissenschaft nicht unbe-
rührt lassen, und die „Epistemologie der Ungewißheit"5 wirkte als fruchtbarer
Anstoß, in andere Richtungen zu denken. Historische Einschätzungen waren auf
den Prüfstand zu stellen, die in der Zeit des Ost-West-Konflikts gewonnen wur-
den und in den Curricula des Geschichtsunterrichts oder den Handbüchern zur
Geschichte des 20. Jahrhunderts zu festen, vorerst verbindlichen Interpretamen-
ten ausgeformt worden sind6.
Unser Kolloquium über die „Strukturmerkmale der deutschen Geschichte des
20. Jahrhunderts" versuchte, die Transformation zeithistorischer Sichtweisen auf-
zugreifen und den bisherigen Ertrag zu prüfen. Zu diesem Zweck setzte es am
Punkt der Epochenunterteilung und Hermeneutik von Epochengrenzen an. Wir
verzichteten absichtlich auf die systematische Reflexion über den Erkenntnisge-
winn kulturanthropologischer Zugänge, hielten aber die Beiträge offen, um eine
solche Perspektive einzunehmen oder mit anderen zu integrieren. Unser Augen-
merk richteten wir deshalb notwendigerweise auf die klassischen Abgrenzungen,
2 Luc Boltanski, Eve Chiapello, Le nouvel fisprit du Capitalisme (Paris 1999); Volker Born-
schier, Weltgesellschaft. Grundlegende soziale Wandlungen (Zürich 2002); Jürgen Osterham-
mel, Niels P. Petersson, Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen
(München 2003).
3 Vgl. Anselm Doering-Manteuffel, Mensch, Maschine, Zeit. Fortschrittsbewußtsein und
Kulturkritik im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs
2003 (München 2004) 91-119.
4 Lutz Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden,
Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart (München 2003); Benedikt Stuchtey, Eckhardt Fuchs
(Hrsg.), Writing World History 1800-2000 (Oxford 2003).
5 Ulrich Beck, Wolfgang Bonß (Hrsg.), Die Modernisierung der Moderne (Frankfurt a.M.
2001) 61 und passim.
6 Zu verweisen ist auf die Studienbücher des Oldenbourg Verlags in den Reihen „Grundriß
der Geschichte" und „Enzyklopädie deutscher Geschichte", die in Verlagen wie der Wissen-
schaftlichen Buchgesellschaft ein Pendant erhalten haben, oder auch auf die neu bearbeitete,
zehnte Auflage von Gebhardts „Handbuch der deutschen Geschichte".