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Ludger Rüschendorf
Stochastische
Prozesse und
Finanzmathematik
Masterclass
Die Buchreihe „Masterclass“ richtet sich primär an fortgeschrittene Studierende der
Mathematik und ihrer Anwendungen ab dem Bachelor. Anspruchsvollere Themen,
wie man sie im Masterstudium entdecken oder vertiefen würde, werden hierbei ver-
ständlich und mit Blick auf mathematisch vorgebildete Studierende aufbereitet. Die
Bände dieser Reihe eignen sich hervorragend als Einführung in neue mathematische
Fragestellungen und als Begleittext zu Vorlesungen oder Seminaren, aber auch zum
Selbststudium.
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/8645
Ludger Rüschendorf
Stochastische Prozesse
und Finanzmathematik
Ludger Rüschendorf
Abteilung für Mathematische Stochastik
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Freiburg, Deutschland
Masterclass
ISBN 978-3-662-61972-8 ISBN 978-3-662-61973-5 (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-662-61973-5
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Einleitung
Das vorliegende Buch gibt eine Einführung in neuere Themengebiete der sto-
chastischen Prozesse und stochastischen Analysis und verbindet diese mit einer
Einführung in Grundlagen der Finanzmathematik. Durch eine gezielte Auswahl an
Themen und eine motivierende (nicht technisch elaborierte) Darstellung ermög-
licht es, einen Einblick in die grundlegenden Entwicklungen, Ideen und Modelle
stochastischer Prozesse und stochastischer Analysis und deren Bedeutung für ein
Verständnis der Fragestellungen und Konzepte der Finanzmathematik gewinnen.
Im Unterschied zu anderen Textbüchern wird nicht auf eine stark reduzierte Dar-
stellung des Themas (z. B. im Rahmen diskreter Zeitmodelle) zurückgegriffen.
Das Buch ist insbesondere geeignet als Grundlage oder Begleittext einer weiter-
führenden vierstündigen Vorlesung zu diesen Themen im Hauptstudium Mathematik.
Angestrebt ist eine Darstellung der besonders interessanten Entwicklungen und
Ideen in einem für eine Vorlesung passendem Umfang. Mit seiner motivierenden
Darstellungsform und sprachlichen Gestaltung richtet es sich insbesondere an Stu-
dierende und bietet eine Fülle von anschaulichen Beispielen und Anwendungen. Es
ist daher nicht nur besonders gut zum Selbststudium geeignet, sondern dürfte auch für
Interessierte und Dozenten manche interessante Ergänzung bieten.
Voraussetzung des Buches sind gute Kenntnisse einer weiterführenden Wahr-
scheinlichkeitstheorie-Veranstaltung insbesondere von zeitdiskreten Prozessen (Mar-
tingale, Markov-Ketten) sowie einführend zeitstetige Prozesse (Brownsche
Bewegung, Poisson-Prozess, Lévy-Prozesse, Prozesse mit unabhängigen Zuwächsen
und Markovprozesse) wie sie in vielen existierenden guten Darstellungen der Wahr-
scheinlichkeitstheorie vermittelt werden; für deren Umfang vgl. Rüschendorf (2016).
In Kap. 1 wird in nicht-technischer Weise eine Einführung in die Grundprinzipien
der Theorie arbitragefreier Preise, des Hedging-Prinzips und des risikoneutralen Preis-
maßes gegeben, die von der Binomialpreisformel durch Approximation auf die
Black-Scholes-Formel führt. Das dazu notwendige Bindeglied von Prozessen in
diskreter Zeit (Binomialmodell) zu solchen in stetiger Zeit (Black-Scholes-Modell)
wird durch Approximationssätze für stochastische Prozesse wie etwa durch das
fundamentale Donsker-Theorem und den zugehörigen Skorohodschen Einbettungs-
satz in Kap. 2 gegeben. Sätze dieses Typs erlauben eine Interpretation der stetigen
Finanzmarktmodelle mit Hilfe von einfachen diskreten Modellen wie z. B. dem Cox-
Ross-Rubinstein-Modell.
V
VI Einleitung
Der erste Hauptteil des Buches in Kap. 3 ist der Einführung des stochastischen
Integrals (Itô-Integral) und der zugehörigen Theorie der Martingale und Semimar-
tingale gewidmet. K. Itô hatte in mehreren Arbeiten 1944–1951 dieses Integral für
die Brownsche Bewegung eingeführt. Es ist damit möglich – trotz der unendlichen
Variation der Pfade der Brownschen Bewegung – Integrationsausdrücken der
t
Form ´ ϕsdBs, für einen stochastischen Prozess (ϕs), eine sinnvolle Bedeutung zu
0
geben. Auch hatte Itô erkannt, dass durch die korrespondierenden stochastischen
Differentialgleichungen etwa der Form dXt =a(t,Xt)dt+b(t, Xt)dBt in Ana-
logie zu den gewöhnlichen Differentialgleichungen ein fundamentales Werkzeug
gegeben ist, um durch lokale Eigenschaften, in obigem Beispiel den Drift a und
die Volatilität b, ein zugehöriges stochastisches Modell zu konstruieren; in obigem
Fall einen Diffusionsprozess; vergleiche dazu die Werke von Itô und McKean
(1974) und Itô (1984).
Semimartingale sind eine Verallgemeinerung der Klasse der Diffusionsmodelle die
durch einen (lokalen) Drift, einen stetigen (lokalen) Diffusionsanteil (Martingalteil)
und einen Sprungteil beschrieben werden. Sie bilden eine fundamentale Klasse von
Modellen insbesondere von Bedeutung auch für die relevanten Modelle der Finanz-
mathematik.
Der zweite Hauptteil des Textbuches ist in Kap. 4 der stochastischen Analysis,
deren Bedeutung für die Modellbildung und deren Analyse gewidmet. Wesentliche
Bausteine sind die partielle Integrationsformel und die Itô-Formel mit zahlreichen
Anwendungen z. B. auf Lévy’s Charakterisierung der Brownschen Bewegung. Das
stochastische Exponential ist Lösung einer fundamentalen stochastischen Differential-
gleichung und zeigt seine Bedeutung in der Charakterisierung von äquivalenten Maß-
wechseln (Satz von Girsanov). Zusammen mit dem Martingaldarstellungssatz
(Vollständigkeitssatz) und dem Zerlegungssatz von Kunita-Watanabe bilden diese das
Fundament für die arbitragefreie Bepreisungstheorie in der Finanzmathematik im
dritten Teil des Textbuches.
Ein ausführlicher Abschnitt in diesem Teil ist den stochastischen Differential-
gleichungen gewidmet. Insbesondere wird ein Vergleich der unterschiedlichen Zug änge
zu Diffusionsprozessen dargestellt, nämlich 1. des Markovprozess-(Halbg ruppen-)
Zugangs, 2. des PDE-Zugangs (Kolmogorov-Gleichungen) und 3. des Zugangs
durch stochastische Differentialgleichungen (Itô-Theorie). Darüber hinaus wird
auch der besonders fruchtbare Zusammenhang von stochastischen und partiellen
Differentialgleichungen (Dirichlet-Problem, Cauchy-Problem, Feynman-Kac-
Darstellung) ausgeführt.
Kap. 5 führt in die Grundlagen der allgemeinen arbitragefreien Bepreisungsthe-
orie ein. Grundlagen sind das erste und zweite Fundamentaltheorem der Asset
Pricing und die zugehörige risikoneutrale Bewertungsformel, die auf der Bewertung
mittels äquivalenter Martingalmaße basiert. Für deren Konstruktion erweist sich der
Satz von Girsanov als sehr nützlich. Für die Standardoptionen lassen sich damit auf
Einleitung VII
einfache Weise die entsprechenden Preisformeln (Black-Scholes-Formeln) ermitteln.
Die Bestimmung der zugehörigen Hedging-Strategien führt im Black-Scholes-
Modell (geometrische Brownsche Bewegung) auf eine Klasse von partiellen Dif-
ferentialgleichungen, den Black-Scholes-Differentialgleichungen, zurückgehend
auf die grundlegenden Beiträge von Black und Scholes. Die Verbindung mit dem
stochastischem Kalkül geht zurück auf eine Ableitung von Merton in 1969. Dieses
führte in der Periode 1979–1983 zur Entwicklung einer allgemeinen Theorie der
arbitragefreien Bepreisung für zeitstetige Preisprozesse und der dazu wichtigen
Rolle der äquivalenten Martingalmaße durch Harrison, Kreps und Pliska.
Zentrale Themen dieser allgemeinen Theorie sind die Vollständigkeit und
Nichtvollständigkeit von Marktmodellen, die Bestimmung zugehöriger arbitrage-
freier Preisintervalle über die äquivalenten Martingalmaße und der entsprechenden
Sub- bzw. Super-Hedging-Strategien (optionaler Zerlegungssatz).
In nichtvollständigen Modellen ist durch das No-Arbitrage Prinzip ein arbitrage-
freier Preis nicht eindeutig ausgezeichnet. Zur Auswahl eines arbitragefreien Preises
müssen daher zusätzliche Kriterien angewendet werden. Kap. 6 gibt eine Einfüh rung zur
Bestimmung (bzw. Auswahl) von Optionspreisen über Minimumdistanz-Martingalmaße
sowie zum Bepreisen und Hedgen über Nutzenfunktionen. Darü ber hinaus wird das
Problem der Portfoliooptimierung behandelt. Anhand von exponentiellen Lévy-Modellen
werden für eine Reihe von S tandard-Nutzenfunktionen diese Verfahren im Detail
charakterisiert.
Kap. 7 ist der Bestimmung von optimalen Hedging-Strategien durch das Kriterium
der varianz-minimalen Strategie gewidmet. In unvollständigen Marktmodellen ist
nicht jeder Claim H hedgebar. Eine natürliche Frage ist daher: Wie gut ist H hedgebar?
Die Antwort auf diese Frage beruht auf der Föllmer-Schweizer-Zerlegung, einer Ver-
allgemeinerung der Kunita-Watanabe-Zerlegung, und dem assoziierten minimalen Mar-
tingalmaß.
Das vorliegende Textbuch basiert auf Vorlesungen des Autors zu stochastischen
Prozessen und Finanzmathematik, wiederholt gehalten über viele Jahre seit etwa
Mitte der 1990er Jahre, und auf zugehörigen Mitschriften und Ausarbeitungen
von Sascha Frank und Georg Hoerder (2007), Anna Barz (2007) und Janine Kühn
(2013). Kap. 6 stützt sich in größeren Teilen auf die Ausarbeitung von Sandrine
Gümbel (2015). Ihnen allen sei hiermit herzlich gedankt. Besonderer Dank gilt
auch Monika Hattenbach für die Erstellung einiger Teile des Textes sowie für
die schon gewohnt vorzüglichen abschließenden Textkorrekturen und die Text-
gestaltung.
Inhaltsverzeichnis
1 Optionspreisbestimmung in Modellen in diskreter Zeit ............ 1
2 Skorohodscher Einbettungssatz und Donsker-Theorem ............ 11
2.1 Skorohodscher Einbettungssatz ............................. 11
2.2 Funktionaler Grenzwertsatz ................................ 19
3 Stochastische Integration ..................................... 25
3.1 Martingale und vorhersehbare Prozesse ...................... 25
3.2 Itô-Integral für die Brownsche Bewegung ..................... 38
3.2.1 Ausdehnung des Integrals auf L2-Integranden ............ 41
3.2.2 Konstruktion des Integrals für L0(B). .................. 45
3.3 Quadratische Variation von stetigen lokalen Martingalen ......... 51
3.4 Stochastisches Integral von stetigen lokalen Martingalen ......... 67
3.4.1 Stochastisches Integral für stetige L2-Martingale ......... 67
3.4.2 Ausdehnung auf die Menge der stetigen
lokalen Martingale ................................. 72
3.4.3 Ausdehnung auf den Fall von stetigen Semimartingalen .... 75
3.5 Integration von Semimartingalen ............................ 78
3.5.1 Zerlegungssätze ................................... 80
3.5.2 Stochastisches Integral für M2 ...................... 81
loc
3.5.3 Stochastisches Integral für Semimartingale .............. 82
4 Elemente der stochastischen Analysis ........................... 91
4.1 Itô-Formel ............................................. 91
4.2 Martingaldarstellungssätze ................................ 112
4.3 Maßwechsel, Satz von Girsanov ............................ 127
4.3.1 Anwendungen des Satzes von Girsanov ................ 139
4.3.2 Clark-Formel ..................................... 143
4.4 Stochastische Differentialgleichungen ........................ 146
4.4.1 Starke Lösung – schwache Lösung von stochastischen
Differentialgleichungen ............................. 158
4.5 Halbgruppen, PDE- und SDE-Zugang zu Diffusionsprozessen .... 166
IX
X Inhaltsverzeichnis
5 Optionspreise in vollständigen und unvollständigen Märkten ....... 183
5.1 Das Black-Scholes-Modell und risikoneutrale Bewertung ........ 183
5.1.1 Risikoneutrale Bewertung von Optionen ................ 191
5.1.2 Diskussion der Black-Scholes Formel .................. 198
5.1.3 Hedging-Strategien und partielle
Differentialgleichungen ............................. 208
5.2 Vollständige und unvollständige Märkte ...................... 210
6 Nutzenoptimierung, Minimumdistanz-Martingalmaße und
Nutzenindifferenzpreis ....................................... 225
6.1 Nutzenoptimierung und Nutzenindifferenzpreis ................ 225
6.2 Minimumdistanz-Martingalmaße ........................... 227
6.3 Dualitätsresultate ........................................ 234
6.3.1 Minimumdistanz-Martingalmaße und Minimax-Maße ..... 234
6.3.2 Zusammenhang zur Portfoliooptimierung ............... 241
6.4 Nutzenbasiertes Hedging .................................. 247
6.5 Beispiele in exponentiellen Lévy-Modellen ................... 254
6.6 Eigenschaften des Nutzenindifferenzpreises ................... 260
7 Varianz-minimales Hedgen ................................... 269
7.1 Hedgen im Martingalfall .................................. 270
7.2 Hedgen im Semimartingalfall .............................. 274
7.2.1 Föllmer-Schweizer-Zerlegung und
Optimalitätsgleichung .............................. 275
7.2.2 Minimale Martingalmaße und optimale Strategien ........ 278
Literatur ...................................................... 285
Stichwortverzeichnis ............................................ 289