Table Of ContentSTIMMUNGBEI HEIDEGGER
PHAENOMENOLOGICA
REIHE GEGRÜNDETVONH.L.VANBREDAUND PUBLIZIERT
UNTER SCHIRMHERRSCHAFTDER HUSSERL-ARCHIVE
165
BORIS FERREIRA
STIMMUNG BEI HEIDEGGER
Das Phänomen der Stimmung im Kontext
von Heideggers Existenzialanalyse des Daseins
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Direktor:R.Bernet (Husserl-Archief, Leuven)Sekretär: J.Taminiaux (Centred'etu
des phenomenologiques, Louvain-la-Neuve) Mitglieder: S. IJsseling (Husserl
Archief, Leuven), H. Leonardy (Centre d' etudes phenomenologiques, Louvain-la
Neuve),U.Meile (Husserl-Archief, Leuven), B.Stevens (Centre d'etudes phenome
nologiques,Louvain-la-Neuve)
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Casey (State University of New York at Stony Brook), R. Cobb-Stevens (Boston
College), J.F. Courtine (Archives-Husserl, Paris), F. Dastur (Universite de Nice),
K.Düsing(Husserl-Archiv,Köln),J.Hart(lndiana University,Bloomington), K.Held
(Bergische Universität Wuppertal), D. Janicaud (Universite de Nice), K.E. Kaehler
(Husserl-Archiv, Köln), D. Lohmar (Husserl-Archiv, Köln),W.R. McKenna (Miami
University, Oxford, USA), J.N. Mohanty (Temple University, Philadelphia), E.W.
Orth (Universität Trier), P. Ricoeur (Paris), K. Schuhmann (University of Utrecht),
C. Sini (Universitä degli Studi di Milano), R. Sokolowski (Catholic University of
America,Washington D.C.),B.Waldenfels (Ruhr-Universität, Bochum)
BORIS FERREIRA
STIMMUNG BEI HEIDEGGER
Das Phänomen der Stimmung im Kontext
von Heideggers Existenzialanalyse des Daseins
KLUWER ACADEMIC PUBLISHERS
DORDRECHT I BOSTON I LONDON
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INHALT
Einleitung................................................................................................ 1
ErsterTeil:Methode 13
1.1 Vorblick....................................................................................... 15
1.2 Daßes aufetwasankommt.......................................................... 17
1.3 PhilosophiealsMöglichkeitmeinesGeschehens.... 20
1.4 WissenalsVertrautheit................................................................ 25
1.5 SpielraumderAneignung.. 29
1.6 Zerstreuung undWiderstand 40
1.7 EröffnungdesFragebereichs 46
ZweiterTeil: System.......................... 59
2.1 Vorblick....................................................................................... 61
2.2 DaseinalsGeschehendesZugangs 65
2.3 In-der-Welt-Sein.......................................................................... 69
2.4 EntformalisierungdesPhänomenbegriffs.................................... 71
2.5 Umwillen 76
2.6 Welt 84
2.7 Zeit............................................................................................... 94
2.8 Zuhandenes.................................................................................. 103
2.9 Vorhandenes 111
2.10Mitsein 120
2.11Befindlichkeit 132
2.12Grundgestimmtheit...................................................................... 147
DritterTeil:Stimmung............................................................................ 163
3.1 Vorblick....................................................................................... 165
3.2 EigentlichkeitundUneigentlichkeit 170
3.3 HeideggersAnalysederLangeweile 188
3.4 ErsteFormderLangeweile:Das Gelangweiltwerdenvonetwas 200
3.5 ZweiteFormderLangeweile:Das Sich1angweilenbeietwas..... 216
3.6 DritteFormderLangeweile:Das 'esisteinemlangweilig'......... 230
3.7 Angst............................................................................................ 261
Schluß 283
Abkürzungsverzeichnis 299
Literaturverzeichnis 299
Namenregister 305
Einleitung
"Wenn er[derMelancholiker] sich ingesteigerter Selbstkritikals kleinlichen,
egoistischen, unaufrichtigen, unselbständigen Menschen schildert, der nur
immer bestrebt war, die Schwächen seines Wesens zu verbergen, so mag er
sichunseresWissensderSelbsterkenntnis ziemlichangenäherthaben, undwir
fragen unsnur,warummanerstkrankwerdenmuß,umsolcher Wahrheit zu
gänglichzusein."
Sigmund Freud,"TrauerundMelancholie"
"Thisisaverydifficultandimportantwork,whichmarksabigadvance inthe
application ofthe'PhenomenologicalMethod'- though Imaysayatoncethat
Isuspectthatthisadvanceisanadvancetowardsdisaster."
GilbertRyle,"Heideggers'SeinundZeit'"
B. Ferreira, Stimmung Bei Heidegger
© Kluwer Academic Publishers 2002
Der Untertitel dieser Arbeitnennt drei Elemente: Stimmung, Kontext und
existenziale Analyse des Daseins.Im letzten dieser Elemente sind wiederum
das methodische Vorhaben einer existenzialen Analyse und ihr Gegenstand,
das Dasein, genannt. Das Wort 'Kontext' drückt aus, in welcher Hinsicht das
Phänomen der Stimmung und die Existenzialanalyse des Daseins themati
siertwerden.
In dieser Arbeit soll versucht werden, einerseits das Unterfangen einer
Existenzialanalyse und andererseits das Dasein zu charakterisieren. Weiter
wird versucht, Stimmung - oder Befindlichkeit - zu klären, nämlich einer
seits in ihrer methodischen Relevanz für eine Existenzialanalyse, anderer
seits in ihrer Relevanz im existenzialen Gefüge - im System - des Daseins;
dieses Gefüge ist es, das die Existenzialanalyse herausstellen möchte. Die
Weise nun, in der diese Charakterisierung und diese Klärung versucht wer
den, ist die folgende: Entscheidende Momente der Charakterisierung des
Daseins werden entweder anhand dessen herausgestellt, was die Stimmung
von diesem sehen läßt, oder aber dadurch belegt. Umgekehrt wird die Stim
mung einerseits in eben dem thematisiert, was sie von dem Dasein sehen
läßt, andererseits in dem, was sie selbst als fundamentale Kategorie des Da
seins - also als Existenzial - ist. Was die Stimmung sehen läßt, kann von
einem Fragen aufgegriffen und erhellt werden; dieses aufgreifende und er
hellende Fragen istdie existenziale Analyse desDaseins.
EsistHeideggers Verdienst,diemethodische unddie systematische- on
tologisch-existenziale - Relevanz der Stimmung aufgegriffen und herausge
stellt zu haben: "Die Befindlichkeitist eine existenziale Grundart, in der das
Dasein sein Da ist. Sie charakterisiertnicht nur ontologisch das Dasein, son
dern ist zugleich aufGrund ihres Erschließens für die existenziale Analytik
von grundsätzlicher methodischer Bedeutung." (SZ, § 29, S. 139/185f.)I
Weil Stimmung systematisch relevant ist, kann sie auch methodischrelevant
sein.Hinsichtlichihres spezifischen Themas, nämlich der Stimmung, wird in
dieser Arbeit versucht, diese Verbindung zu klären. Es wird versucht, das
Phänomen der Stimmung so zu klären, daß verständlich wird, inwiefern es
diese zwei Rollen haben kann: die methodische Rolle in der Existenzialana
lyseunddie systematische Rolle imexistierendenDasein.
Das Dasein ist wiederum das Geschehen, das die Möglichkeit hat zu fra
gen und in der besonderen Weise einer existenzialen Analyse zu fragen,
I ZurZitationsweisesiehedieVorbemerkungimLiteraturverzeichnis.
4 StimmungbeiHeidegger
nämlich nach seinem eigenen Geschehen. Die methodische Relevanz der
Stimmung, genauer: der tiefen Stimmungen,bestehtnicht nur darin, das Fra
gen in dieTiefe des Daseins sehen zu lassen. Die tiefen Stimmungen ermög
lichen das Geschehen eines philosophischen Fragens. Dieses ist ein in
begriffliches Fragen: umgreifend und ergreifend.Das philosophische Fragen
entdeckt unser Geschehen als ein absolut fragliches. Eine solche absolute
Fraglichkeit zeigt sich in den tiefen Stimmungen und kann von dem Fragen
aufgegriffen werden. So führt die Stimmung das fragende Dasein in seine
eigene Tiefe. Die tiefen Stimmungen ermöglichen nur in dem Sinne einen
Blick in das, was das Dasein ist, als dieser Blick gerade eine absolute Frag
lichkeit entdeckt und kein festzustellendes Wesen. Als absolut fragliches ist
dasDasein selbst das Gescheheneiner Frage.
Thren inneren Aufbau gewinnt diese Arbeit durch drei thesenhafte Aussa
gen Heideggers: erstens, daß Philosophie ''je in einer Grundstimmung" ge
schieht (GA 29/30, S. 10);zweitens, daß Stimmung bzw. Befindlichkeit ein
"fundamentales Existenzial" des Daseins ist (SZ, §29, S. 134/178); drittens,
daß dieThematisierungder Stimmung zueiner "völligen Umstellung unserer
Auffassung vom Menschen" führt (GA 29/30, S. 93). Die ersten beidenThe
sen nennen die zweifache Rolle der Stimmung. Die dritte These impliziert
beide Rollen - in ihrer Beziehung zum Dasein: Philosophie ist eine Mög
lichkeit des Daseins, deren Zeitigung mit dem Gestimmtsein in einer tiefen
Stimmung verbunden ist, und zwar indem das philosophische Fragen die
Fraglichkeit aufgreift, die sich in tiefen Stimmungen zeigt. Diese Fraglich
keit ist aber die unseres Geschehens selbst, des Daseins. Indem die tiefen
Stimmungen eine Fraglichkeit unseres Geschehens selbst zeigen (zeigen
können), meldet sich auch die fundamentale systematische Rolle, die die
Gestimmtheit überhaupt in unserem Geschehen hat. Die spezifische Frage
nach der Stimmung in ihren zwei Rollen steht indieser Arbeit vor dem Hin
tergrund der Frage nach dem Dasein. Während also das spezifische Thema
dieser Arbeit die Stimmung ist, ist ihr allgemeines Thema das Dasein, näm
lich so, wie dieses Dasein in und von der Existenzialanalyse entdeckt wird.
Dabei beschränkt sich die Charakterisierung des Daseins und der Existen
zialanalyse nicht auf die Perspektive ihrer Verbindung mit der Stimmung;
diese Perspektivebleibtaber die leitende, gewichtigereund entscheidende.
Dieser innere Aufbau spiegelt sich in dem äußeren Aufbau der Arbeit,
und zwar folgendermaßen: Im ersten Teil wird versucht, das Verhältnis zwi
schen dem Dasein und der Philosophie als einer Möglichkeit des Daseins zu
klären. Dabei wird die mögliche methodische Rolle der Stimmung umrissen.
Der zweite Teil stellt einen Versuch dar, das existenziale Gefüge des Da
seinsherauszustellen und somit auch den systematischenOrt der Befindlich-
Einleitung 5
keit zu bestimmen. Im dritten Teil wird versucht zu zeigen, daß sich in den
tiefen Stimmungeneine Endlichkeit des Daseins zeigt,nämlich die absolute
Fraglichkeit, die ineinem philosophischen Fragen aufgegriffen wird und die
der Möglichkeit 'Philosophie' überhaupt erst Sinn und Notwendigkeit ver
leiht.
Etwas ausführlicher: Im ersten, methodischen Teil wird versucht zu klä
ren, was für ein Unterfangen die Existenzialanalyse als philosophisches Fra
gen sein kann. Philosophie ist - das Höhlengleichnis aufgreifend - ein Su
chennachdem, washinter unseremRücken istunduns bestimmt; oder- auf
eine Formulierung Kants bezugnehmend, aufdie Heidegger wiederholt re
kurriert - ein Ausheben und Hervorbringen der 'geheimen Urteile der ge
meinen Vernunft'. Philosophie ist eine Aneignung dessen, was unser Ver
ständnis unserer selbst und dessen, was uns begegnet, bestimmt. Zunächst
und zumeist leben wir in einer Zerstreuung bezüglich dieser bestimmenden
und erschließenden Verständnisse: Sie sind geheim, wirken hinter unserem
Rücken. Die Weise, in der wir uns selbst verstehen, in unserem Geschehen
und bezüglich des uns Begegnenden situiert sind, ist eine befindliche, ge
stimmte. In der Stimmung sind uns jene bestimmenden Verständnisse er
schlossen. Sie ermöglichen unser Situiertsein: Sie sagen uns in unserer Ge
stimmtheit, wer wir sind und woran wir sind. In den tiefen Stimmungen ge
schieht nun eine Annäherung an das, was wir immer schon zerstreut verste
hen, also tendenziell ein Aufheben der Zerstreuung. Dadurch geschieht ein
Verlustdergewohnten Vertrautheit mituns unddemunsBegegnenden. Die
ser Verlust ist ein Bruch, durch dessen Kontrast die uns bestimmenden Ver
ständnisse hervortreten. Die Philosophie ist ein radikales Fragen, eine radi
kale Aneignung dessen, was uns bestimmt. Sie geschieht deswegen in einer
Grundstimmung - oder kann sich in einer solchen zeitigen -, weil sich in
einer solchen tiefen Stimmung auch diejenigen Verständnisse zeigen, die
sonst hinter unserem Rücken, und so auch hinter dem Rücken unseres Fra
gens,verborgenbleiben.
Wenn Heidegger sagt, daß die Thematisierung der Stimmung zu einer
'völligenUmstellung'unserer AuffassungdesMenschen führt,dannistdamit
nichts anderes gemeint als das Dasein als In-der-Welt-Sein.In seiner Aussa
ge grenzt Heidegger die Auffassung unseres Geschehens als Dasein von der
AuffassungdesMenschen als ~4Jov AOyov EXOV bzw. animal rationale ab.
An dieser Auffassung kritisiert Heidegger, daß in ihr unser Geschehen aus
zwar verbundenen, aber doch irgendwie getrennten Momenten aufgebaut,
zusammengesetzt wird, deren Artikulation ungeklärt bleibt. Demgegenüber
fragt Heidegger nach einer ursprünglichen Einheit unseres Geschehens, ge
nauer: nach diesem Ursprung selbst. In dieser Arbeit soll bezüglich des Da
seins zweierlei hervorgehoben werden: daß es ein einheitliches hermeneuti-
Description:Die Verständnisse, die uns das Leben vertraut machen und uns in ihm situieren, sind stimmungsmäßig erschlossen. Dieses Buch analysiert die systematische und die methodische Rolle der Stimmung in Heideggers Existenzialanalyse. Zentral sind dabei phänomenologische Analysen: des Verhältnisses zwis