Table Of ContentDas Buch
Ein einziger Tag zerstört das glückliche Eheleben von Martie
und Dusty Rhodes: Wie aus dem Nichts überfallen Martie
lähmende Angstzustände – sie fürchtet sich vor ihrem eigenen
Schatten und vor ihrem Spiegelbild. Panisch entfernt sie
sämtliche Messer und spitzen Gegenstände aus dem Haus, um
zu verhindern, dass die grausigen Fantasien in ihrem Kopf sie
zu einem Mord treiben. Marties Ehemann Dusty hofft auf Hilfe
durch den renommierten Psychiater Dr. Ahriman. Aber dann
muss er feststellen, dass dessen Hypnosesitzungen einem ganz
anderen Zweck als der Heilung von psychisch Kranken dienen.
Welche Rolle spielt Dr. Ahriman wirklich?
Der Autor
Der 1945 in Pennsylvania geborene Horror-Spezialist wird
inzwischen längst in einem Atemzug mit Stephen King und
anderen Horror-Größen genannt. Seine Bücher sind in 30
Sprachen übersetzt und wurden weltweit über 70 Millionen
Mal verkauft. Neben der atemberaubenden Spannung loben die
Kritiker immer wieder auch die ausgezeichnete literarische
Qualität seiner Werke. Dean Koontz lebt in Orange, Kaliforni-
en.
Im Wilhelm Heyne Verlag sind unter anderem erschienen: Im
Bann der Dunkelheit (01/13453), Geschöpfe der Nacht
(01/13169), Flattern in der Nacht (01/10534), Drachentränen
(01/10236), Highway ins Dunkel (01/10039), Chase (01/9926)
und Nackte Angst (01/9820).
DEAN KOONTZ
Stimmen der Angst
Roman
Aus dem Amerikanischen
von Waltraud Götting
Scan by NiteFlame
K&L: tigger
Freeware ebook, Juli 2003
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
HEYNE ALLGEMEINE REIHE
Band-Nr. 01/13579
Die Originalausgabe
FALSE MEMORY
erschien bei Bantam Books, New York
Taschenbucherstausgabe 07/2002
Copyright © 1999 by Dean Koontz
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2001
by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München
Printed in Germany 2002
Umschlagillustration: Franco Acconero
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München
Satz: Leingärtner, Nabburg
Druck und Bindung: Elsnerdruck, Berlin
ISBN 3-453-21080-8
http://www.heyne.de
Dieses Buch widme ich
Tim Hely Hutchinson.
Dass du vor langer Zeit
– und nun schon seit vielen Jahren –
an meine Arbeit geglaubt hast,
hat mir Mut gemacht,
als ich ihn am dringendsten gebraucht habe.
Und
Jane Morphet.
Unsere Beziehung ist die längste,
die im Laufe meiner Karriere
zu einer Lektorin Bestand hatte,
was ein sicherer Beweis ist für
ihre außergewöhnliche Langmut,
ihre Freundlichkeit und ihr Verständnis für Narren!
AUTOPHOBIE ist eine ernste psychische Störung, die in drei
Erscheinungsformen auftreten kann: (1) als krankhafte Angst
vor dem Alleinsein, (2) als krankhafte Angst vor selbstsüchti-
gem Verhalten, (3) als Angst vor der eigenen Person. In der
dritten Form tritt die Störung am seltensten auf.
Dieses Trugbild
aus Blütenregen verliert sich
in Mond und Blumen …
Onkyo
Schnurrhaar der Katze,
Schwimmhäute meines Hundes:
Gott steckt im Detail.
Das Buch der gezählten Leiden
Wie im Traum ist auch im Sein
alles anders als der Schein.
Das Buch der gezählten Leiden
Das Leben ist eine ewige Komödie.
Darin liegt seine Tragödie.
Martin Stillwater
1. Kapitel
An jenem Dienstag im Januar, der ihr Leben für immer verän-
dern sollte, wachte Martine Rhodes mit Kopfschmerzen auf,
bekam Sodbrennen, nachdem sie zwei Aspirin mit Grapefruit-
saft hinuntergespült hatte, sorgte dafür, dass es einer dieser
denkwürdigen Ich-hasse-meine-Frisur-Tage wurde, indem sie
sich die Haare mit Dustins Shampoo wusch, brach sich einen
Fingernagel ab, ließ ihren Toast anbrennen, entdeckte eine
Ameisenstraße im Einbauschrank unter der Spüle, eliminierte
die Tierchen mit einer Dose Ungezieferspray, die sie so verwe-
gen zum Angriff schwenkte wie Sigourney Weaver den Flam-
menwerfer in einem dieser alten Alien-Filme, beseitigte die
Spuren des Gemetzels mit einer Papierserviette, summte,
während sie die winzigen Leichen feierlich im Abfalleimer
entsorgte, Bachs Requiem vor sich hin und erhielt einen Anruf
von ihrer Mutter Sabrina, die auch drei Jahre nach der Hochzeit
immer noch hartnäckig das baldige Scheitern von Marties Ehe
prognostizierte. Dennoch blickte sie dem vor ihr liegenden Tag
zuversichtlich – ja, euphorisch – entgegen, denn sie hatte von
ihrem verstorbenen Vater, Robert »Strahlebob« Woodhouse,
neben den blauen Augen, dem pechschwarzen Haar und den
hässlichen Füßen ein optimistisches Wesen, eine beeindruk-
kende Tüchtigkeit und Tatkraft sowie eine unerschütterliche
Lebensfreude geerbt.
Danke, Daddy.
Nachdem sie ihre stets hoffnungsfrohe Mutter endlich über-
zeugt hatte, dass die Ehe der Rhodes’ immer noch glücklich
war, schlüpfte Martie in ihre Lederjacke und brach mit ihrem
Golden Retriever Valet zum morgendlichen Spaziergang auf.
Mit jedem Schritt ließen ihre Kopfschmerzen nach.
Am Wetzstein des klaren östlichen Horizonts schärfte die
Sonne blitzende Lichtklingen, im Westen schob jedoch ein
8
kühler auflandiger Wind eine dunkle, drohende Wolkenwand
vor sich her.
Sorgenvoll beäugte der Hund den Himmel, hob misstrauisch
schnuppernd die Nase und lauschte mit aufmerksam zuckenden
Hängeohren dem knisternden Rauschen der Palmwedel, die im
Wind schwankten. Valet wusste offensichtlich, dass ein Sturm
aufzog.
Er war ein sanftmütiger, verspielter Hund, aber laute Geräu-
sche erschreckten ihn, als wäre er in einem früheren Leben
Soldat gewesen und würde nun von Erinnerungen an vergan-
gene, von Kanoneneinschlägen erschütterte Schlachtfelder
verfolgt. Zum Glück kam in Südkalifornien ein Unwetter selten
mit Donner und Blitz daher. Normalerweise regnete es ledig-
lich ohne Ankündigung, und das leise Prasseln auf Asphalt, das
Säuseln im Laub waren Geräusche, die sogar Valet als beruhi-
gend empfand.
An den meisten Tagen lief Martie eine Stunde lang mit dem
Hund durch die schmalen, baumgesäumten Straßen von Corona
del Mar, aber dienstags und donnerstags hatte sie Verpflich-
tungen, die ihren gemeinsamen Ausflug auf eine Viertelstunde
beschränkten. Es war, als hätte Valet einen eingebauten Kalen-
der in seinem Wuschelkopf, denn bei den Dienstags- und
Donnerstagsspaziergängen trödelte er niemals herum, sondern
erledigte unverzüglich sein Geschäft.
An diesem Morgen drehte der Hund auf dem Grünstreifen
zwischen Gehweg und Bordsteinkante, nur eine Straße vom
Haus entfernt, befangen den Kopf und hob unauffällig das
rechte Hinterbein, als wäre es ihm peinlich, sich in aller Öffent-
lichkeit erleichtern zu müssen.
Sie hatten das Ende der Häuserzeile noch nicht erreicht, da
machte er bereits Anstalten, die zweite Hälfte seines morgend-
lichen Geschäfts zu erledigen, wurde aber durch die Fehlzün-
dung eines vorbeifahrenden Müllwagens erschreckt. Er duckte
sich hinter eine Palme und lugte erst an der einen, dann an der
9
anderen Seite des Baumstamms vorbei zur Straße, jederzeit
darauf gefasst, dass das furchterregende Fahrzeug wieder
auftauchen würde.
»Keine Angst«, redete Martie beruhigend auf ihn ein. »Der
große böse Lastwagen ist weg. Alles in Ordnung. Hier ist jetzt
wieder gefahrenfreie Zone.«
Valet war noch nicht überzeugt. Er blieb auf der Hut.
Außer Strahlebobs Optimismus hatte Martie auch dessen
Geduld geerbt. Das zeigte sie in besonderem Maße Valet
gegenüber, den sie fast so sehr liebte, wie sie vermutlich ein
Kind geliebt hätte, das sie allerdings nicht hatte. Er war ein
gutmütiges und schönes Tier: lichtgoldenes Fell mit weiß und
golden gesprenkeltem Flaum an den Läufen, eine leichte
schneeweiße Zeichnung am Hinterteil und ein buschiger
Schwanz.
Selbstverständlich sah Martie den Hund nicht an, wenn er
sich, wie in diesem Augenblick, schamhaft wie eine Nonne in
einer Oben-ohne-Bar, mit gekrümmtem Rücken hinhockte, um
sein Geschäft zu machen. Während sie wartete, summte sie
leise Jim Croces »Time in a Bottle« vor sich hin, was erfah-
rungsgemäß eine beruhigende Wirkung auf ihn hatte.
In dem Moment, in dem sie die zweite Strophe anstimmte,
lief ihr plötzlich ein kalter Schauer über den Rücken, der sie
schlagartig verstummen ließ. Sie neigte normalerweise nicht zu
Ängstlichkeit, aber als diese Eiseskälte ihr über das Rückgrat
bis zum Nacken kroch, überfiel sie die Ahnung einer drohen-
den Gefahr.
In der unbestimmten Erwartung, sich einem Angreifer oder
einem außer Kontrolle geratenen Fahrzeug gegenüberzusehen,
fuhr sie herum.
Aber da war nichts, was sich ihr in mörderischer Absicht
genähert hätte. Das Einzige, was für Bewegung sorgte, war der
Wind, der an Bäumen und Sträuchern zerrte, ein paar vertrock-
nete braune Blätter über das Pflaster trieb und an den Lametta-
10